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Kapitel II

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Bissiger Besuch

Der Unimog kam schleudernd und mit quietschenden Reifen vor dem Offizierskasino zum Stehen. Hansen fiel fast aus der Tür des Wagens, während Sievers beinahe elegant heraussprang. Beide rannten die Treppe zum Haupteingang hinauf.

»Alarm!«, schrien sie unisono, während sie durch die Gänge des Kasinos Richtung Speisesaal rannten. »Die Viecher kommen!«

Major Grundlich stellte sich den beiden in den Weg. »Was soll der Terz, Männer?«

Die Heraneilenden blieben schlitternd vor ihm stehen und nahmen Haltung an.

»Hauptgefreiter Hansen und Stabsgefreiter Sievers. Wir kommen vom Haupttor, Herr Major.«

Der Major hob eine Augenbraue. »Und?«

»Die verdammten Zombies sind durchgebrochen, Herr Major. Wir müssen sofort evakuieren.«

»Wieso sind Sie nicht bei ihrem Zug? Warum verteidigen Sie nicht das Tor?«

»Wir sind geschickt worden. Mun sollten wir holen. MunBunker 3. Hauptmann Karls wollte schwere Waffen. Wir waren im Unimog, gerade als die Zombies explodierten.«

»Was?«

Hansen kam seinem Kameraden zu Hilfe: »Wir waren gerade dabei zu wenden, als wir mitansehen mussten, wie Hauptmann Karls sich den Zombieleichen näherte, die das Tor blockierten. Er steckte Handgranaten in den Haufen und zündete sie. Alles flog in die Luft, auch das Tor.«

»Und dann kamen sie.«, ergänzte Sievers. »Sie haben sich förmlich in das Gelände ergossen.«

»Und die Situation jetzt?«

Sievers Augen blickten ins Leere, sahen jene letzte Szene, die sich im Rückspiegel abgezeichnet hatte.

»Alle tot«, brachte er schließlich hervor.

»Und der Gegner ist durchgebrochen?«

Sievers sah den Major an. »Verflucht, ja! Sie werden bald hier sein. Wir müssen den Stützpunkt räumen!«

Bewegung kam in den Major. Er ging an die Korridorwand und nahm den Hörer eines leuchtend roten Telefons auf, das dort hing.

»Major Grundlich hier. Status schwarz. Ich wiederhole: Status schwarz. Alle erforderlichen Maßnahmen sofort einleiten!«

***

Sandra zuckte zusammen, als von überall her die Sirenen heulten. Schweiß brach ihr aus. »Was bedeutet das?«

Der Arzt sah sie mit starrem Gesichtsausdruck an. »Die Zombies kommen.«

Sandra schlug die Hände vor den Mund. Mit aller Kraft hielt sie das panische »Nein!« zurück.

»Das kann aber doch nicht sein. Wir sind hier auf einem Militärstützpunkt. Wir sind hier in Sicherheit!«

»Wenn es etwas anderes wäre, wäre auch der Signalton anders. Das ist der Evakuierungsalarm.«

»Aber es könnte doch trotzdem etwas anderes sein.« Ihr flehender Blick traf auf das mitleidige Lächeln des Arztes.

»Nein.«

Die Schwere dieses Wortes ließ Sandra taumeln. Schnell sprang der Mann zu ihr und stützte sie.

»Alles in Ordnung?«

Sie schüttelte den Kopf. Das Namensschild des Arztes befand sich dicht vor ihrer Nase.

»Doktor Märtens, was ist geschehen?«

Sie hasste sich dafür, dass ihre Stimme sich klein und hilflos anhörte. Bis hierhin war sie gekommen, hatte die Gruppe zusammengehalten und sogar vergrößert. Sie hatte sich Sicherheit erhofft, und nun hatte sie der Wahnsinn der zugrunde gegangenen Welt wieder eingeholt.

»Sandra!« Atemlos kam Martin durch die Tür gestürmt. »Die verdammten Viecher sind durchgebrochen! Sie sind nur noch ein paar hundert Meter entfernt. Wir müssen hier raus, los! Die Soldaten sitzen schon auf. Komm jetzt!«

Er zerrte an ihr, doch Sandra riss sich los. »Warte.«

Sie ging zu der Liege, auf der Gabi lag. Vorsichtig nahm Sandra sie in den Arm.

»Komm, Gabi, wir müssen weg.«

»Warum? Waren wir böse?«

»Nein, aber die … Knirscher kommen.«

Gabis Mund formte ein großes erschrockenes O. Sie begann zu zittern.

»Sch, sch, ganz ruhig. Wir schaffen das schon.«

Sandra hat recht, sandte Martin an Gabi. Die sah ihn an und suchte in seinem Gesicht nach der Zuversichtlichkeit, die sie in seinem Geist nicht gespürt hatte.

Schließlich nickte sie. »Ja, tun wir abhauen.«

Gabi stand von der Liege auf und ließ sich von Sandra und Martin stützen. Sie gingen aus der Krankenstation hinaus zum Hauptkorridor.

Hier herrschte organisiertes Chaos. Ein Hauptfeldwebel mit einem Klemmbrett kam zu ihnen.

»Sie beide«, er deutete auf Sandra und Martin, »gehen zu Fahrzeug fünf und sitzen dort auf.«

»Und was ist mit Gabi?«, wollte Sandra wissen.

»Mit wem?«

»Mit dem Kind hier.«

»Ach so. Das geht mit ein paar anderen Kindern zu Wagen sechs. Dort wird Jörg Weimer sie in Empfang nehmen. Bei dem soll sie sich melden.«

»Martin!« Gabis Stimme klang weinerlich und drängend.

»Kann ich nicht mit ihr gehen?« Martin sah den Unteroffizier fragend an.

»Nein. Und jetzt gehen Sie bitte schnellstmöglich zu den Fahrzeugen.«

Draußen dröhnten erste Schüsse. Gabi begann zu weinen.

***

»Los, los, los, rauf auf den Bock!«

Der Einweiser schubste Martin und Sandra förmlich in den Wagen. Sie suchten sich in dem stickigen Halbdunkel einen Platz zwischen den Soldaten, die dort mit Marschgepäck und G3 bewaffnet saßen.

»Das sieht nicht gut aus, oder?«, sprach Martin den neben ihm sitzenden Mann an.

»Wohl eher nicht.«

»Wissen Sie, wohin wir fahren?«

»Erst einmal weg von hier.«

»Und dann?«, versuchte Martin die Gesprächigkeit des Soldaten in Gang zu halten.

»Vermutlich Bonn.«

»Bonn?«

»Das ist unser Rückzugsraum.«

»Aha. Und was machen wir dort?«

Gerade als der andere antworten wollte, ruckte der Lastwagen an, und der Motorlärm machte ein weiteres Gespräch unmöglich.

Martin sah zu Sandra hinüber, die seinen Blick aus weit aufgerissenen Augen erwiderte. Er legte ihr in einer – wie er hoffte – beruhigenden Geste seine Hand auf die Schulter. Er lächelte mit einer Zuversicht, die eine glatte Lüge war. Sandra erwiderte sein Lächeln nur sehr zaghaft.

Der Wagen nahm Fahrt auf, ebenso wie der ihm nachfolgende Transporter. Auf der gewundenen abschüssigen Straße schlingerten die Fahrzeuge Richtung Ausfahrt, einem weit entfernten Ziel entgegen. Früher war Bonn nur einen Kölschglaswurf weit entfernt, doch jetzt, ahnte Martin, würde es zu einer Odyssee werden, sich der ehemaligen Hauptstadt, dem Bundesdorf, zu nähern.

Martin sah auf die hinter ihnen regelrecht wegfliegende Straße. Gelegentlich brach eine kurze Salve aus dem auf dem Führerhaus ihres Lkw montierten MGs und fand sein Echo bei den nachfolgende Fahrzeugen.

Mit zunehmender Geschwindigkeit wurden die Schüsse seltener, wohl weil es nicht mehr möglich war, richtig zu zielen. Die Fahrer hatten sich darauf verlegt, die ihnen in die Quere kommenden Zombies zu überrollen, was zwar effektiv war, aber ein Übelkeit erregendes Geräusch verursachte.

Martin musste schlucken. Nachdenklich nagte er an seiner Unterlippe.

Plötzlich wurde der Konvoi langsamer.

»Was ist los?«

Sandras Frage blieb unbeantwortet. Martin erhob sich und ging nach hinten.

»Was hast du vor?«

Angst schwang in Sandras Stimme mit, was Martin sehr beunruhigte. Die bis dato so stark wirkende Frau schien unter dem Druck der Ereignisse langsam ihre Kraft zu verlieren. Martin beugte sich um die Kante und spähte nach vorne.

»Ach du Scheiße!«

»Was siehst du?« Sandra war neben ihn getreten.

»Knirscher. Massen von ihnen. Wie sollen wir da bloß durchkommen?«

Sandra hatte sich vor ihn geschoben, um selbst zu sehen, was los war.

»Verdammte Scheiße! Wo kommen die bloß her?«

»Als wenn sie … gesteuert würden. Diese Hordenbildung kann nicht normal sei.«

»Wieso?«

»Überleg doch mal! Diese Dinger sind nicht viel mehr als Fressmaschinen. Sie zeigen keine Intelligenz. Der Einzelne ist nur darauf aus, andere zu jagen. Purer Instinkt.«

»Aber … wenn viele zusammenkommen, entsteht vielleicht so etwas wie Schwarmintelligenz? Vielleicht gibt es dann einen oder zwei unter ihnen, die den Schwarm lenken können?«

Martin hatte sich zu ihr umgedreht und musterte sie. »Du redest, als wüsstest du etwas.«

Sandra zuckte zurück. »Was? Was sagst du da? Ich stelle einfach nur Vermutungen an.«

»Ich weiß nicht …«

»Ach ja? Ich dachte, so langsam könnte etwas wie Vertrauen zwischen uns entstehen.«

»Wie meinst du das denn jetzt?«

»Naja, für einen Junkie scheinst du ein ganz brauchbarer Kerl zu sein. Aber irgend etwas verheimlichst du mir.«

»Hä? Weibliche Intuition, oder was?«

Pass auf, sie ahnt etwas. Gabis Stimme in Martins Kopf war gefärbt von Angst und Besorgnis.

Ich passe schon auf. Laut sagte er: »Weißt du, Sandra, deine Paranoia …«

Massives MG-Feuer war aus dem vorderen Teil des Konvois zu hören. Der Lkw ruckte an und Martin hatte alle Hände voll zu tun, nicht aus dem Fahrzeug geschleudert zu werden.

***

Jörg Weimer starte auf die Szenerie vor sich. Der Konvoi stand vor einer Mauer aus Zombies, die sich entlang der Straße rechts und links dahinzog.

»Das ist übel.« Weimers Fahrer hatte mit flacher Stimme gesprochen.

»Das ist Horror. Was treiben diese Biester hier nur? Worauf warten sie?«, fragte Weimer niemand speziellen.

Das Funkgerät meldete sich knackend.

»Grundlich für Weimer, kommen!«

»Oha, keine Codenamen, keine abartigen Abkürzungen? Die Kacke ist wohl echt am dampfen.« Weimer griff zum Sprechsatz. »Weimer hier, kommen!«

»Grundlich hier. Können Sie die Biester sehen? Kommen!«

»Ich sehe sie. Sie stehen Spalier bis hier hin. Als wenn sie auf etwas warten würden. Kommen!«

»Wir müssen durchbrechen, bevor sie sich zum Angriff entschließen. Kommen!«

»Schön. Und wie? Kommen!«

Grundlich war die Ungeduld und das Unverständnis über das Aussprechen des Offensichtlichen deutlich anzumerken. »Wir werden mit zwei Fahrzeugen vorrücken und eine Lücke reißen. Sie führen die Kolonne hindurch und bringen sie auf genug Abstand zu den Zombies. Dann warten Sie bis null-sechshundert Zulu, oder bis wir zu Ihnen aufgeschlossen haben. Kommen!«

Weimer starte das Mikrofon an. Grundlich konnte nicht ernst meinen, was er eben gesagt hatte. Die schiere Masse der Zombies dort draußen konnte unmöglich durch zwei Wagen soweit zurückgedrängt werden, dass die Kolonne durchbrechen konnte.

»Welche Waffen haben Sie? Kommen!«

Hoffentlich Raketenwerfer und Panzerfäuste, dachte Weimer inbrünstig.

»Je ein MG auf Lafette.«

»Und was noch? Kommen!«

»Die beiden Lkw.«

Grundlich hatte die Funketikette bereits aufgegeben.

»Herr Major, das wird …«

»Das wird funktionieren, Weimer. Warten Sie es ab! Sie werden wissen, wann Sie losfahren müssen.«

»Was haben Sie vor?«

»Führen Sie einfach ihre Befehle aus, Weimer.«

»Aber …«

»Führen Sie den gottverdammten Befehl aus!« Grundlichs Stimme ließ den Lautsprecher des Funkgerätes klirren.

Weimer schluckte. »Jawohl«, sagte er dann leise in das Mikrophon, »und … danke.«

Die Antwort des Majors kam etwas verzögert und heiser.

»Führen Sie die Truppe nach Bonn, hören Sie? Versprechen Sie mir das. Die Kopter können Sie nicht unterstützen, die sind schon auf dem Weg nach Bonn, vor allem die transportable medizinische Ausrüstung und EPAS müssen schnell dorthin.«

»Herr Major, Sie werden die Truppe nach Bonn führen. Schließlich ist es Ihr Kommando.«

»Versprechen Sie mir, dass Sie nur bis null-sechshundert warten und dann nach Bonn marschieren. Versprechen Sie es!«

»Also gut, ich verspreche es. Aber wir werden zusammen in Bonn ankommen.«

Weimer ließ den Sprechknopf los und warte auf eine Antwort des Majors. Diese erfolgte in Form des Fahrt-Signals aus dem Führungsfahrzeug. Weimer gab es weiter, und als der Motor des ersten Wagens aufheulte, fielen alle anderen Motoren mit ein.

Waffenfeuer begann. Die Schnellfeuergewehre auf den beiden ersten Wagen zogen eine Schneise durch die Zombiearmee. In diese Lücke stießen die Lkw und drängten die Horde der hirnlosen Kreaturen weiter auseinander. Weimer gab seinem Fahrer das Zeichen, anzufahren.

***

»Was ist da los?« Martin hatte sich auf seinen Platz zurückgekämpft und sah den Soldaten neben sich fragend an.

»Keine Ahnung. Wir sind hier nur das Fußvolk.«

»Was kann da draußen passieren?«

»Ich würde sagen, dort wird gekämpft.«

Martin seufzte. Hier würde er nicht weiterkommen.

»Kannst du dir erklären, was dort vorgeht?«, wandte er sich an Sandra.

Diese blickte erstaunt zu ihm auf. »Woher, denkst du, soll ich das wissen?«

Sie hatte offenbar ihre alte Aggressivität Martin gegenüber wiedergefunden.

»Weil du so taff wirkst und mit Waffen umgehen kannst, dachte ich … «

»Dachtest du, dass was? Dass ich eine paramilitärische Ausbildung habe? Dass ich in der Armee war?«

Martin zuckte vor ihrer für ihn unverständlichen Wut zurück. »Nein, das nicht. Aber du wirkst so überlegen und souverän. Da dachte ich, dass du dir vielleicht etwas zusammengereimt hast.«

»So, so.«

Martin zögerte, weiterzusprechen. Er hatte das Gefühl, an etwas Dunklem in Sandras Vergangenheit gerührt zu haben. Außerdem kam ihm der Affe wieder bedrohlich nahe, und sein Nasenzucker war endgültig aufgebraucht. Er hatte Angst, dass das Gespräch wieder einmal eskalieren könnte.

»Hey, war nicht so gemeint.«, sagte er deshalb leise.

»Schon gut. Die ganze Situation wächst mir einfach über den Kopf.«

Martin lächelte schüchtern. »Mir auch.«

In diesem Moment dröhnten zwei Explosion. Die Druckwellen schüttelten den Lkw kräftig durch.

»Was …«

Und dann sah Martin, was die Explosion ausgelöst hatte. Sie jagten mit zunehmender Geschwindigkeit an den brennenden Wracks zweier großer Militärfahrzeuge vorbei, deren Explosionswucht eine riesige Lücke in die Zombiearmee gerissen hatte, durch die die Kolonne nun raste.

Schon verschwand der Anblick aus zerrissenen Leibern, brennend dahinwankenden Körpern und den lichterloh brennenden Wracks hinter der nächsten Kurve.

»Oh Gott«, kam es von dem Soldaten, der gegenüber von Martin saß.

Martin nickte inbrünstig. Sandra drückte sich an ihn und starrte auf den Widerschein der Feuer am Horizont. Martin zögerte, dann strich er vorsichtig über ihr Haar.

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