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Kapitel III
ОглавлениеGespräch unter Feinden
Der weiße Hund stand auf einer Anhöhe nahe Bornheim und sah auf die Wagenburg hinab, zu der sich die Kolonne formiert hatte. Die Rast war dringend nötig gewesen. Zu sehr hatten die Ereignisse in Nörvenich und der Marsch hierher an den Kräften der Soldaten gezehrt. Gelegentlich war ein Helikopter in Richtung Bonn über sie hinweggezogen, hatte aber weder auf Funksprüche noch auf Lichtsignale reagiert. Soldaten patrouillierten in Dreierteams gegenläufigen um das Lager.
»Ein friedlicher Anblick. Und so sinnlos, nicht wahr, Luzifer?«
Der weiße Hund jaulte erschrocken auf. Aus dem Nichts war eine dunkle Gestalt hinter ihm erschienen.
»Der Wille zu überleben ist nie sinnlos, Gabriel.«
Der Angesprochene musterte die weibliche Gestalt, in die der Hund sich während seiner Worte transformiert hatte. »Es zögert das Unvermeidliche nur hinaus. Der Weg ist vorbestimmt.«
»Durch dich?«
»Ich erfülle nur Seinen Willen.«
»Als wenn du oder ich den tatsächlich deuten könnten.«
»Es liegt doch auf der Hand, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Die Seuche spricht für sich.«
Das Gesicht der Frau zeigte Spuren von Wut. »Eine Seuche, die du doch erst in die Welt gebracht hast!«
Gabriel hielt in einer Geste verletzter Unschuld die Hände vor seine Brust. »Ich? Ich soll die Seuche in die Welt gebracht haben?«
»Ja, du warst es.«
»Ich darf dich darauf hinweisen, dass das Virus deiner Manipulation entsprungen ist.«
Luzifer warf stolz den Kopf zurück. »Ich habe nur einen Weg aufgezeigt, der unendliches Leiden beendet hätte. Das Virus war schon da, es musste nur ein wenig optimiert werden, um den Krebs endgültig zu besiegen. Aber du hast ihn pervertiert!«
»Das brauchte ich gar nicht, das haben die Militärs ganz alleine hinbekommen.«
»Ich habe den Menschen einen Weg gezeigt, wie man aus einem tödlichen Erreger einen Heilsbringer machen kann. Mehr war mir nicht erlaubt zu tun.«
»Du hast die Grenzen sehr weit ausgedehnt, Luzifer.«
»Aber du nicht? Du hast doch diesem General den Floh ins Ohr gesetzt, dass mein Virus nur noch ein wenig ›Tuning‹ braucht, um den Supersoldaten endlich Wirklichkeit werden zu lassen.«
Gabriel zog eine Augenbraue hoch. »Dein Virus?«
Luzifer räusperte sich. »Jedenfalls war es an Heimtücke nicht zu überbieten. Du weißt doch genau, dass die Modifikationen, die ich am Aids-Virus bewirkt hatte, durch deine Einflüsterungen total pervertiert wurden!«
»Jetzt schrei nicht so, sonst hört man dich noch dort unten. Noch einmal, dass haben die Militärs ganz alleine gemacht.«
»Nachdem du ihnen den Weg gezeigt hast.«
»Es war an der Zeit. Sieh dir doch an, was die sogenannte Krone der Schöpfung angerichtet hat. Millionen Tote durch Krieg, Folter und fehlgeleiteten Glauben. Es sind so viele Milliarden von ihnen, dass nicht einmal alle satt werden. So hatte er ›seid fruchtbar und mehret euch‹ bestimmt nicht gemeint.«
Luzifer sah Gabriel schweigend an.
»Du siehst das natürlich anders. Du siehst die Humanität, mit der den Ärmsten geholfen wird, die Lebensmittelspenden, die medizinische Versorgung, die verzweifelten Versuche der Geburtenkontrolle.«
»Die Liebe und Güte, die sich in jedem Elternteil zeigt, die Hingabe in jeder Hand, die einem pflegebedürftigen Menschen gereicht wird, hattest du vergessen zu erwähnen.«
»Das sind doch nur Zeichen schlechten Gewissens. Erst wurde fröhlich missioniert und/oder versklavt, dabei tödliche Krankheiten eingeschleppt, und jetzt versucht man, den Schaden wieder gutzumachen.«
»Und Hitler? Und Mao? Und Stalin?«
»Das sind weitere Belege dafür, dass das Experiment ›Mensch‹ gescheitert ist.«
»Oder ist es nicht vielmehr so, dass das Überwinden dieser Gräuel zeigt, wozu die menschliche Seele fähig ist?«
»Die menschliche Seele ist deshalb über diese Monster hinweggekommen, weil sie verstümmelt ist, korrumpiert durch den Zorn und die Gewalt, die dem Menschen innewohnt. Die Seuche zeigt nur zu deutlich, wozu die Bestie Mensch in der Lage ist.«
»Bestie Mensch? Er hat dem Menschen eine Seele gegeben. Wie kann dann der Mensch eine Bestie sein?«
»Indem er das Geschenk missbraucht hat. Statt eine Welt voller Kunst und Hoffnung und Liebe zu errichten, hat die Menschheit einen Pfuhl von Hass und Neid geschaffen. Es wird mir eine Freude sein, wenn der letzte Zombie auf Erden wandelt, diesen auszulöschen. Und dann wird wirklich Frieden herrschen. Was siehst du mich so an?«
»Du bist wahnsinnig.«
»Du bist wahnsinnig, wenn du glaubst, aus diesen Bazillen könnte noch etwas werden.«
»Wir haben schon mehr eingegriffen, als eigentlich erlaubt ist. Und nun willst du tatsächlich selbst soweit Hand anlegen, dass du den letzten töten willst? Glaubst du wirklich, dass Er das akzeptieren wird?«
»Ich erfülle nur seinen Willen.«
»Du bist wahnsinnig!«
Ansatzlos warf sich Gabriel auf Luzifer und rang die schlanke Frauenfigur zu Boden. Er kniete sich auf ihre Arme und hielt sie auf diese Weise am Boden fest, dann legte er seine Hände um ihre Kehle.
»Wage es nicht, Gabriel«, keuchte sie.
Gabriel drückte zu. Und röchelte sofort. Je stärker er drückte, umso mehr nahm der Druck auf seinen Kopf zu. Seine Augen quollen hervor, ebenso wie die Luzifers.
Mit einem verzweifelten Aufstöhnen ließ Gabriel ab und sank zur Seite. Nach Luft ringend lagen die beiden nebeneinander.
»Ich … dachte … du … hättest … dich … erinnert …«
Gabriel knurrte - ein Laut zwischen Ablehnung und Unwillen.
»Wir können uns gegenseitig nicht töten. Leider.«
»›Leider‹ stimmt, sonst hätte ich eine ganze Menge Probleme weniger«, erwiderte Gabriel.
»Gewalt ist nicht immer eine Lösung.«
»Wir werden sehen. Bald gibt es nur noch die seelenlosen Monster. Sie werden beginnen, sich gegenseitig aufzufressen. Und dann wird es enden.«
»So oder so.«