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Kapitel Drei Der grüne Gummifrosch
ОглавлениеDer grüne Frosch lag immer noch auf dem Boden unseres Wohnzimmers. Demnach musste sein vierbeiniger Besitzer auch irgendwo in der Nähe sein. Als ich am Abend davor ins Bett gegangen war, war Dakota nicht in meinem Leben erwünscht gewesen. Doch beim Versuch einzuschlafen hatte ich die letzten Worte von Nancy nicht abschütteln können. »Er ist wie du.«
Vielleicht war das der Grund, weshalb Dakota am nächsten Morgen ein bisschen anders auf mich wirkte. Als ich in die Küche ging, um meinen Kaffee zu trinken, lag der Hund mitten im Wohnzimmer. Er hatte die meisten Spielsachen von Abbey vor sich aufgehäuft. Als er mich sah, wedelte er zwar mit dem Schwanz, doch er rührte sich nicht. Ich vermied seinen Blick, damit er mir nicht wieder den grünen Frosch ins Gesicht drückte.
Nancy stellte mir einen Becher Kaffee hin. »Ich glaube, er hat schon auf dich gewartet«, sagte sie. »Er hat den ganzen Morgen über den Flur im Auge behalten und auch jetzt wendet er den Blick nicht von dir ab.«
Oje! Schau ihn bloß nicht an, schau ihn bloß nicht an ... Aber ich konnte nicht anders. Ich blickte heimlich zu ihm herüber. Eine Sekunde später hatte ich ihn am Hals - wie wär’s mit ein bisschen Frosch zum Kaffee?
»Guten Morgen, Dakota«, seufzte ich und kraulte seine Ohren, während er den Frosch auf meinen Schoß legte und daran knabberte.
Beim Einschlafen hatte ich über seine Herzprobleme und das, was er durchgemacht hatte, nachgedacht. Was sagt man dazu? Gewöhnlich war ich zu sehr damit beschäftigt, wütend auf die Welt zu sein und in Selbstmitleid zu versinken, um einen Gedanken an die Probleme anderer zu verschwenden. Mir fiel wieder ein, was auf der Webseite der Delta Society stand: Tiere können Menschen mit geringem Selbstwert helfen, sich auf die Tiere statt auf sich selbst zu konzentrieren. Genau das passierte mit Dakota und mir: Statt über mich nachzudenken dachte ich nun über ihn nach.
Doch ich war noch nicht sicher, ob wir jemals ein emotionales Band herstellen könnten. Einer der Gründe, warum ich bis jetzt mitgemacht hatte, war, um Dr. Attar loszuwerden, um ihr zu zeigen, dass mir kein Hund auf der Welt helfen konnte. Der Gedanke, sie könnte Recht haben, war mir zuwider ... doch ich wollte den Hund auch nicht mehr zu seiner Pflegestelle zurückbringen.
»Wie verhält Abbey sich ihm gegenüber?«, fragte ich Nancy.
»Die beiden lieben sich schon«, sagte sie. »Sie hat ihm jedes ihrer Spielsachen gebracht, das er sich noch nicht geholt hatte. Ich glaube zwar, sie legen noch die Grenzen fest, aber wenn er bleibt, hat sie damit kein Problem.«
Ich warf den Frosch quer durchs Zimmer und Dakota brachte ihn sofort zurück. Den ganzen Morgen über hörte er nicht mehr auf, mit dem Schwanz zu wedeln. »Hast du schon mit Karen geredet?«, fragte ich Nancy.
»Nein, aber wir sollten sie wohl anrufen und wissen lassen, wie es läuft«, erwiderte sie. Es klang wie eine Frage, so als wollte sie von mir hören, wie es lief.
Dakota legte mir den Frosch auf den Schoß und stupste mich mit der Schnauze. Wieder warf ich das Plastikding und wieder brachte er es zurück. Ich war sicher, es würde ein endloses Spiel werden. Er sah mir direkt in die Augen und ich gab seinen Blick zurück. Hunde verwenden gern ihre Augen, um Dominanz zu etablieren, doch Dakotas Blick war einladend ... und ich sah etwas ganz Besonderes darin. Ich war zwar nicht sicher, was es war, aber ich fragte mich, ob ich es noch einmal sehen würde. Die Hundebox in der Küche, in der wir ihn vorgefunden hatten, fiel mir wieder ein. Ich betrachtete die Hundespielsachen, die Dakota in einem Haufen versammelt hatte, und dann sah ich ihn an.
»Und was ist mit dir?«, fragte ich meine Frau. »Bist du bereit, noch einen von uns zu versorgen?«
Nancy machte ein überraschtes Gesicht. Mich überraschten meine Worte genauso.
»Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, sagte sie und grinste. »Du weißt, was Dr. Attar gesagt hat: Dakota ist ganz allein dein Hund, mein Lieber.« Doch ihr Blick verriet mir, dass sie mir helfen würde ... und dass sie diesen Augenblick in vollen Zügen genoss.
An diesem Morgen machten Dakota und ich unseren ersten Spaziergang. Als wir durch die Nachbarschaft gingen, betrachtete und beschnüffelte er alles genau und wedelte unablässig mit dem Schwanz. Es war ziemlich ruhig und wir gingen nur bis zum Ende des Straßenblocks und wieder zurück. Doch in der kurzen Zeit spürte ich deutlich, dass Dakota ein ganz besonderer Hund war.
Als wir wieder zurückkamen, sagte ich zu ihm: »Wir sind zu Hause.« So einfach hatte ich mich in Dakota verliebt und nun würde er für immer bei uns bleiben. Ich rief Karen an und teilte ihr mit, dass wir ihn behalten würden. Wie sie prompt sagte, hatte sie von Anfang an gewusst, dass unser Zuhause genau das Richtige für Dakota sei.
♦ ♦ ♦
Am Anfang war es einfach. Wie Dakota schnell herausfand, brauchte er nur den grünen Quiekfrosch anbringen und mir unter die Nase halten - und schon bekam er alles, was er wollte. Es wurde so schlimm, dass ich das alberne Ding noch nicht mal zu sehen brauchte - sobald ich es quieken hörte, griff ich nach der Leine und ging zur Haustür, wo Dakota schon auf mich wartete. Er benutzte auch den Frosch, wenn ich ihn füttern sollte, wenn er in den Garten hinaus gelassen werden wollte oder wenn ich unter die Couch kriechen sollte, um ein anderes Spielzeug für ihn zu holen. Er konnte sich ohne Vorankündigung von einer Nervensäge in einen treuen und liebevollen Hundekameraden verwandeln und genauso schnell wieder unausstehlich werden. Er hatte einen richtig guten Deal, und dabei hatte ich gedacht, er würde für mich arbeiten.
Aber um fair zu sein: Er kümmerte sich auch um mich. Wenn es mir nicht gut ging, spürte er das. Dann legte er sich zu mir ins Bett und tröstete mich. Er konnte stundenlang still neben mir liegen. Ich kämpfte immer noch mit Herzproblemen (vor allem mit Angina-pectoris-Attacken) und Dakota half mir durch den Schmerz hindurch. Er ließ mich nicht mehr über irgendetwas wütend oder besorgt werden - dann kam er zu mir, forderte meine Aufmerksamkeit und lenkte mich von meinen Problemen ab. Das war ein Segen für Nancy, die dadurch von meiner Wut verschont wurde.
Ich fing an, das Grundkonzept der Therapiehunde zu begreifen, das wir im Internet gefunden hatten. Jetzt verstand ich, dass Dakota mir half, mich zu entspannen und mich abzulenken - egal ob ich Schmerzen, Stress oder Depressionen hatte. Ich war zu sehr mit Dakota beschäftigt und hatte keine Zeit mehr für Selbstmitleid oder Pläne, wie ich mich am elegantesten umbringen konnte. Ein großer Teil der Therapie bestand aus körperlichen Aktivitäten: den Ball oder Frosch werfen, ihn streicheln, mich mit ihm auf dem Boden wälzen, ihn baden oder bürsten. All das waren Aktivitäten, die mir guttaten.
Obwohl ich nun zu Hause meinen eigenen vierbeinigen Physiotherapeuten und Psychotherapeuten hatte, ging ich weiterhin zu Dr. Attar. Doch die Sitzungen waren nun ganz anders. Statt mich auf meine Wut und Hoffnungslosigkeit zu konzentrieren, erzählte ich ihr von Dakota und mir, wie wir miteinander auskamen und was wir zusammen unternahmen. Ich begann, mich auf meine Therapiestunden bei Dr. Attar zu freuen und es machte mir Spaß, Dakota mit ihr und allen anderen zu teilen. Dakota zerrte mich aus meiner Höhle und brachte mich zu mir selbst zurück.
Unsere kurzen Spaziergänge bis ans Ende des Straßenblocks wurden ausgedehnter - bald stromerten wir durch das ganze Wohngebiet. Die Nachbarn fingen an, nach uns Ausschau zu halten. Wenn wir an einem Tag jemanden verpasst hatten, wartete er am nächsten Tag schon auf uns und wollte wissen, was passiert sei. Im August ließen Nancy und ich Dakota an der Hüfte operieren und deswegen fielen unsere Spaziergänge in der Nachbarschaft für ein paar Tage aus. Danach mussten wir tausend Mal aufs Neue erzählen, was der Grund für unser Ausbleiben war. Und dann wurde seine Rehabilitierung zu meiner Physio- und Psychotherapie. Immer wieder begegneten wir Leuten, denen ich von Dakota und der Rolle, die er in meinem Leben spielte, erzählte. Es war daher nicht überraschend, dass ich anfing, mehr über Dakota und weniger über mich zu sprechen.
Mein Leben hatte sich deutlich geändert. Innerhalb von sechs Monaten setzte Dr. Attar meine Medikamente gegen Angstzustände ab. Ich funktionierte wieder und genoss mein neues Leben mit »Cody«, wie ich ihn nannte. Wir lebten eine wahre Lebensweisheit: Geteilte Freude ist doppelte Freude - geteilter Schmerz ist halber Schmerz. Wenn ich jetzt zurückblicke, stelle ich fest, dass ich damals anfing zu ahnen, wer in Wirklichkeit wen gerettet hatte.
Es machte großen Spaß, Cody nur dabei zuzuschauen, wie er Hund war, und zu genießen, wie er im Hier und Jetzt lebte, ohne sich um die Vergangenheit zu scheren oder sich Sorgen über die Zukunft zu machen. Er lebte das Leben von Augenblick zu Augenblick und er war für jede Sekunde dankbar. Das liebte ich so an ihm und ich hoffte, von ihm lernen zu können, auch so zu sein.
♦ ♦ ♦
Es war im Frühjahr 1995. Seit meinem ersten Herzinfarkt waren mehr als drei Jahre vergangen. Vor Dakota hatte ich geglaubt, das Ziel meines nächsten Ausflugs würde meine eigene Beerdigung sein. Doch jetzt zwang er mich jeden Tag hinaus ins Freie und das genoss ich richtig. Ich liebte es, wie er seine Persönlichkeit überall hintrug, wohin wir auch gingen.
Irgendjemand hat einmal gesagt, wenn Hunde sprechen könnten, würden sie sagen: »Ich auch, ich auch!« Das ist exakt die Lebenseinstellung von Golden-Retriever-Hunden. Es scheint, als würden sie ständig sagen:
»Und was machen wir jetzt?«
»Wohin gehen wir heute?«
»Was isst du da?«
»Die Sonne fühlt sich toll an!«
»Hier, wirf den Ball!«
»Wer ist da?«
Cody hatte immer den Schimmer des Golden Retriever in seinen sanften, dunklen Augen. Er schien zu lächeln und mit sich im Reinen zu sein. Es war ein Blick, der jeden zum Lachen brachte und wenigstens für einen Augenblick vergessen ließ, welche Probleme man hatte oder noch kriegen könnte. Ich wünschte, ich hätte die Anzahl der Lächeln zählen können, die dieser Hund in anderen Menschen hervorgerufen hat.
Seine schimmernden rotgoldenen Haare waren wunderschön ... egal ob an ihm oder an unseren Kleidungsstücken oder Möbeln. Und sein Schwanz war ständig am Wedeln. Man sagt, ein Hund würde mit dem Schwanz lächeln. Dem würde ich nicht widersprechen. Cody bahnte sich mit dem Schwanz seinen Weg, und man musste sich gut überlegen, ob man einen zerbrechlichen oder mit einer Flüssigkeit gefüllten Gegenstand wirklich auf den Couchtisch stellen wollte.
Seine täglichen Bauchlandungen und Paddelkünste in unserem Swimmingpool hätten ihm den Stolz eines jeden olympischen Tierschwimmteams eingebracht. Klar befanden sich auch immer ein paar rote Hundehaare im Poolfilter. Wenn ich ihn säuberte, sagte ich mir einfach, dass Cody mir damit noch mehr Physiotherapie für mein Herz verabreichte und dass es mir guttat.
Zwar besaß er nur den einen grünen Frosch, aber es schien, als hätte er ein ganzes Dutzend davon - ich fand »sie« dauernd in meinem Sessel, auf dem Sofa, im Flur, auf unserem Bett und im Badezimmer. Und wenn ich nicht gerade auf den Frosch trat oder ihn von einem Möbelstück pflückte, hielt Dakota ihn mir unter die Nase und wollte spielen.
Jeden Tag sah ich, was Dakota nicht nur für mich tat, sondern auch für alle anderen, denen wir auf unseren täglichen Abenteuern begegneten. Die Wirkung, die er erzielte, faszinierte mich und ich wollte noch mehr erreichen. An dieser Tiertherapie war wirklich was dran, wie ich merkte. Ich suchte mir im Internet Informationen zusammen und telefonierte ein wenig herum, um mehr darüber zu erfahren.
Karen Costello hatte mir vorgeschlagen, ich sollte mit Dakota den Eignungstest, Canine Good Citizen (CGC) genannt, machen, der vom amerikanischen Rassehundeverband (AKC) durchgeführt wird. Das Prüfungsprojekt hat sich die verantwortungsbewusste Hundehaltung und anständige Verhaltensweisen von Hunden in der Öffentlichkeit zum Ziel gesetzt. Ich schöpfte den Verdacht, dass das - wie viele unserer Aktivitäten - etwas war, was angeblich für den Hund gedacht war, in Wirklichkeit jedoch mir guttun würde.
Ich rief den Rassehundverband AKC an und bekam die Anleitungen für die Prüfungsvorbereitung, und dann übten Cody und ich jeden Tag zu Hause und auf unseren Spaziergängen. Es war eine gute Therapie für mich und half uns, eine funktionierende Beziehung aufzubauen. Dakota ließ alles so leicht aussehen, dass ich mir nicht sicher war, ob wir wirklich alles richtig machten. Sollte das Ganze nicht schwieriger sein?, fragte ich mich.
Wir beschlossen, den Test bei der Hundeshow des Houston Kennel Clubs im Sommer zu absolvieren. Am Abend vor der Ausstellung konnte ich nicht schlafen. Ich war sehr nervös. Abgesehen von den Arztbesuchen und Spaziergängen in der Nachbarschaft war es buchstäblich das erste Mal in vier Jahren, dass ich mich aus dem Haus wagte.
Wahrscheinlich war es gut für uns, dass unsere Prüfung schon um neun Uhr stattfinden sollte. Ich hatte zwar keine Zuschauer erwartet, doch als wir ankamen, standen sie um den Ring herum. Dakota nahm es gelassen. Er war der Erste im Ring und zog die Prüfung durch, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes gemacht. Er nahm sämtliche Hürden mit Bravour: Fremde begrüßen? Er war noch nie einem Fremden begegnet und würde es wohl auch nie. Komische Geräusche? Er rührte keinen Muskel. Fremde Hunde? Er zuckte nicht mit der Wimper. Er hätte ein Poster-Hund sein können. Dakota bekam perfekte Noten - so etwas war den Prüfern noch nie untergekommen.
Als ich unsere Unterlagen einsammelte, kam eine Frau auf mich zu und sagte: »Hallo, ich bin Jan Hassler, die Geschäftsführerin von Paws for Caring (›Pflegedienst auf Pfoten‹). Unser Stand ist da drüben. Würden Sie bitte vorbeikommen, bevor Sie gehen?«
»Ja, sicher«, sagte ich. »Was ist Paws for Caring?«
»Wir arbeiten mit Tiertherapie.«
»Wir kommen gleich rüber.«
Jan hatte Dakota im Ring beobachtet. Sie sagte mir, sein Temperament würde sich perfekt für die Tiertherapie eignen und sie würde uns gerne helfen, bei dem Programm mitzumachen. Ich sagte ihr, dass ich überall Informationen über die Tiertherapie gesammelt hatte und wir unser eigenes kleines Therapieprogramm in der Nachbarschaft laufen hatten, doch dass es an der Zeit sei, sich wirklich mit einem anderen Menschen darüber auszutauschen.
Sie lächelte wissend. »Nun, Sie haben nur ein kleines bisschen von dem gesehen, was Sie damit erreichen können. Ich glaube, wenn Sie bei uns mitmachen, können Sie viele Menschen auf sehr sinnvolle Weise erreichen«, sagte sie.
Es war der perfekte Zeitpunkt für unsere Begegnung und wir hatten eine sehr interessante Unterhaltung. Jan berichtete mir von den Erfolgen der Menschen und Tiere, die bei der Organisation mitmachten, und von den Orten, an denen ihre Mitglieder wöchentlich eingesetzt wurden. Sie überzeugte mich restlos. Dakota war ein Naturtalent und ich konnte es kaum erwarten, mein Leben mit einer solchen Aktivität zu bereichern. Der nächste Schritt würde die AAT-Prüfung sein, die wir nach den Richtlinien des Haustierpartnerprogramms der Delta Society bei Paws for Caring machen konnten.
Ich hatte mich telefonisch mit Susan Duncan von der Delta Society angefreundet, und sie ermutigte jeden Schritt, den Dakota und ich machten. Es war gut zu wissen, dass Susan und die Mitarbeiter der Delta Society uns auf unserer neuen Reise zur Seite stehen würden. Der Qualifikationsprozess von Delta beinhaltete außerdem die Richtlinien und Regeln, die beachtet werden müssen, wenn man Tiere in Krankenhäuser, Pflegeheime und Schulen bringt, und bietet eine Haftpflichtversicherung über eine Million Dollar.
Die Prüfung an sich war im Grunde eine erweiterte Version der CGC-Prüfung; es wurden die Situationen nachgestellt, mit denen ein ehrenamtlicher Mitarbeiter und sein Tierpartner in einer Gesundheitseinrichtung rechnen mussten. Es näherte sich uns zum Beispiel jemand von hinten und ließ einen Nachttopf fallen. Ich zuckte zusammen, doch Dakota reagierte kaum. Oder ehrenamtliche Mitarbeiter, die in die Rollen von »Patienten« in Rollstühlen und Gehhilfen schlüpften, umzingelten uns. Cody blieb ruhig sitzen und zählte seine neuen Freunde. Andere Rollenspieler wurden zu neugierigen oder desorientierten Erwachsenen und groben Kindern, die uns zu nahe kamen und an Dakota zerrten. Ich wollte ihn wegziehen, doch er blieb sitzen und nahm es hin - oft wedelte er dabei sogar mit dem Schwanz.
Immer wieder sah Cody mich an, als wollte er fragen: »Sind wir endlich fertig?« Er war stabil und zuverlässig und verlor nie die Fassung. Auch diese Prüfung stellte für ihn keine große Herausforderung dar und ich war sicher weitaus nervöser als er. Anscheinend behinderte ich ihn jedoch nicht zu sehr, denn wir bestanden die Prüfung mit Auszeichnung. Wir waren bereit, mit unseren Besuchen zu beginnen. Doch bevor wir uns an die Arbeit machten, wollte ich noch mehr über Tiertherapie wissen. Daher recherchierte ich ein wenig. Wie ich dabei herausfand, basiert sie auf der simplen Tatsache, dass Tiere unser Leben verbessern.
Vor zehntausenden von Jahren tauchten Wölfe an den Lagerfeuern der Menschen auf, um nach Futter zu suchen. Das war der Anfang einer Beziehung, die seither anhält und gedeiht. Mit der Zeit entwickelten sich die wilden Wölfe zu zahmen Hunden (Katzen stießen erst später hinzu) und wurden dazu benutzt, für die Menschen zu arbeiten - vom Wachhund über den Schlittenhund bis hin zum Rattenfänger. Manchmal leisten Tiere sogar außergewöhnliche Heldentaten, wie zum Beispiel ihre Familie aufwecken und sie so vor einem Feuer zu bewahren oder sie vor wilden Tieren oder Kriminellen zu beschützen.
Und als zusätzlicher Vorteil dieser liebevollen Beziehung wurde das emotionale Band zwischen Mensch und Tier gestärkt. Einfach ausgedrückt ist es eine »Wohlfühlbeziehung«: Wir streicheln unseren Hund oder unsere Katze, wir sprechen mit unserem Vogel oder wir reiten unser Pferd und fühlen uns besser. All die Jahre hindurch haben diese scheinbar simplen Handlungen mit unseren Tierkameraden uns dazu gebracht, zu lächeln, unsere Probleme zu vergessen und uns ein bisschen besser zu fühlen. So war es ganz einfach und niemand suchte nach einer tieferen Erklärung.
Vor ungefähr 200 Jahren benutzte eine Gruppe von Quäkern in England Tiere, um Patienten in Heimen zu helfen, ihren Alltag zu meistern. Doch Tiertherapie wurde erst ab dem Zweiten Weltkrieg richtig dokumentiert, als Krankenhäuser Tiere zur Heilung der körperlichen und psychischen Verletzungen und Traumata einsetzten, die die Mitglieder der Streitkräfte erlitten hatten. Die Dokumentation basierte jedoch nicht auf wissenschaftlichen Berichten. Es wurde ganz einfach beobachtet, dass Tiere den Menschen halfen, sich wieder besser zu fühlen, egal ob zu Hause oder in einem Krankenhaus.
Die ersten Behindertenbegleithunde wurden vor ungefähr 70 Jahren als Blindenhunde eingesetzt. Später wurden Begleithunde auch für andere Funktionen ausgebildet, wie zum Beispiel zur Frühwarnung vor Anfällen, als Hörstützen, als Bewegungshilfe und als körperliche Unterstützung. Die Rolle und Vorteile der Begleithunde liegen auf der Hand: Die Tiere ermöglichen es ihren Menschen, wieder zu arbeiten und ein normales Leben zu führen, was ihnen die emotionale Unterstützung und Würde zurückgibt, die sie bisher vermissten. Doch Behindertenbegleithunde brauchen eine intensive Ausbildung und ihr Einsatz beschränkt sich auf eine spezielle Funktion und auf Menschen mit spezifischen Behinderungen.
Erst vor ungefähr 25 Jahren fing man an, die Tiertherapie ernst zu nehmen. Der Heilprozess von Patienten konnte häufig durch Interaktionen mit Tieren gefördert werden, und Therapeuten sowie medizinische Fachleute fingen an, dies zu dokumentieren. Tiere halfen Patienten, sich von Schlaganfällen zu erholen oder mit Behinderungen zurechtzukommen - Patienten lernten, sich wieder zu bewegen, indem sie eine Katze streichelten, einem Hund einen Ball zuwarfen, oder auf ein Tier zuzugehen, um ihm ein Leckerchen zu geben.
Die Motivation, sich mit einem Tier zu befassen, ist oft größer, als nur die Anleitungen des Therapeuten zu befolgen - das trifft vor allem auf Kinder zu. Unter den psychischen und spirituellen Vorteilen findet man verbale Interaktion, Aufmerksamkeit schenken, ein stärkeres Selbstbewusstsein, Abbau von Angstzuständen und Verringerung der Einsamkeit. Wenn ein Haustier in die Behandlung mit einbezogen wird, befassen sich Patienten tendenziell auch mehr mit anderen Menschen. Und Tiere können als Grundlage für das Erlernen von Vokabular, Gedächtnistraining und Konzepten wie Größe und Farbe dienen. Einfache Untersuchungen ergaben, dass ein Haustier den Blutdruck senken kann und dass Senioren, die sich einen Hund halten, seltener zum Arzt gehen als Senioren, die keinen Hund haben.
Der Erfolg der Therapie durch Tiere basiert auf dem Gedanken, dass unsere Tiere frei von Werturteilen sind und großartige Zuhörer abgeben, und dass sie uns bedingungslose, schwanzwedelnde Liebe schenken. Anders ausgedrückt: Lächeln, Unterhaltungen und Erinnerungen, die von unseren Tieren ausgelöst werden, bieten wahrhaftig heilende Momente.