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Berlin

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Mitte Januar wurde Mengele von der Front nach Berlin versetzt und aus Salsk ausgeflogen. Er meldete sich rasch bei seinem Mentor Otmar von Verschuer, der seit Kurzem das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie in Berlin leitete. Verschuer berichtete seinem Vorgänger Eugen Fischer von Mengeles Ankunft und von dessen Bericht über das militärische Fiasko bei Stalingrad:

Vor wenigen Tagen ist mein Assistent Mengele in zwei Tagen von Salsk im Flugzeug nach Deutschland gekommen. Er hat bei der SS-Division Wiking die ganzen Kämpfe mitgemacht, ist mit dem EK I ausgezeichnet und zunächst zu einer Dienststelle hier in Berlin versetzt, so daß er daneben am Institut etwas tätig sein kann. Er erzählte sehr interessant, daß das ganze Unglück rechts und links von Stalingrad durch einen Zusammenbruch der rumänischen Armee gekommen sei. Die Offiziere sind weggelaufen und haben ihre Soldaten im Stich gelassen. So artete schließlich alles in eine regellose Flucht aus. In dieses Wirrwarr stießen dann einige deutsche Panzer-Divisionen hinein. Doch mußten sie sich dann vor der großen russischen Übermacht zurückziehen.“65

Mengeles Verwundung erwähnte Verschuer in diesem Zusammenhang nicht. In Berlin wurde Mengele dem SS-Infanterie-Ersatz-Bataillon „Ost“ zugeteilt.

Obwohl Mengele formal immer noch mit dem Frankfurter Institut verbunden war, baute er eine enge Verbindung zum Kaiser-Wilhelm-Institut auf und erhielt den Status eines „Gastforschers“, dessen Name sogar auf einer internen Geburtstagsliste des Personals auftauchte. Anscheinend schrieb Mengele auf Wunsch Verschuers auch Gutachten.66 Trotz seiner Stellung als Assistent in Frankfurt, der zum Kampfeinsatz eingezogen war, ist klar, dass er seine Zukunft in Berlin sah und ebenso klar, dass Verschuer Pläne für seinen Protegé hatte. Auch Fischer sah wohl Mengeles Wert für Verschuer, denn er antwortete am 2. Februar auf dessen Brief: „Daß Du Herrn Mengele, wenigstens teilweise, hast, freut mich sehr für Dich.“67

Verschuers Wechsel nach Berlin, um Fischer als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts nachzufolgen, war Teil eines größeren strategischen Plans Fischers gewesen – dem Verschuer zustimmte –, den zukünftigen Kurs des Instituts zu bestimmen. Fischer glaubte laut Peter Weingart, „das Studium der menschlichen Vererbung sei so weit fortgeschritten, dass es die grundlegenden Wesenszüge normaler und pathologischer Erbanlagen beschreiben, auftretende Phänomene auf diese Anlagen beziehen und eine ungefähre Vorstellung vom Einfluss von Umwelteffekten auf sie liefern könne“. Es konnte aber nicht erklären, wie eine Erbanlage zum körperlichen Merkmal wurde.68 Mit den Worten Hans-Walter Schmuhls:

Die bis dahin weithin gültige Vorstellung, daß sich jedes Merkmal monofaktoriell nach den Mendelschen Regeln einfach dominant oder rezessiv vererbte, hielt den Ergebnissen der Mutationsforschung, der Populationsgenetik und der Entwicklungsphysiologie nicht stand und machte einem, wie man damals sagte, „höheren Mendelismus“ Platz, der von sehr viel komplizierteren Mechanismen der Vererbung ausging.69

Die Untersuchung des Zusammenspiels zwischen dem Genom (der genetischen Ausstattung) einer Person und ihrem Phänom (der Summe ihrer körperlichen Merkmale) wurde Phänogenetik genannt. In einem Bericht über die Arbeit des KWI-A beschrieb Fischer diese Herausforderung: „Der Weg von der fertigen Erbanlage bis zum fertigen ausgestalteten Erbmerkmal am Individuum ist noch unbekannt.“ Laut Schmuhl war es die Aufgabe der Phänogenetik, „genische und peristatische [umweltbedingte] Wirkgeflechte zu analytischen Zwecken zu entwirren“.70 Fischer plädierte für eine neue Betonung der Phänogenetik und eine damit verbundene geringere Konzentration auf die Rassenhygiene, die bei den Universitätsinstituten angesiedelt sein sollte. Das KWI-A wollte er ganz auf die reine Forschung orientieren.

Verbunden mit dieser Umorientierung des Kaiser-Wilhelm-Instituts war Fischers Wahl von Verschuer als Nachfolger anstelle des Rassenhygienikers Fritz Lenz. Fischer hatte mit Verschuer mehrere Jahre lang über seine Gedanken zur künftigen Ausrichtung des KWI-A beraten und war zuversichtlich, dieser werde seine Vision verwirklichen helfen. Verschuer übernahm den Direktorenposten im November 1942 und konnte die notwendigen Mittel und das geeignete Personal sichern, um die Forschung am Institut wieder anzuregen, die vor allem wegen des Wehrdiensts der Mitarbeiter zum Stillstand gekommen war.71 Außerdem trieb er „das von Fischer entwickelte Konzept der Phänogenetik energisch voran“.72 Für die Verwirklichung dieses „neue[n] Paradigma[s]“ war laut Weiss „eine Kombination aus experimenteller Forschung an Tieren und Menschen“ notwendig. Sie schreibt: „Wissenschaftler des Dahlemer Instituts konnten die notwendige humanklinische Ergänzung zu den laufenden Experimenten zur Entwicklungsgenetik normaler und pathologischer Merkmale bei Tieren liefern.“73

Mengeles viermonatige Verbindung mit dem Institut im Winter und Frühjahr 1943 legte die Grundlage für eine entscheidende Verbindung zwischen den Wissenschaftlern am Institut und einem Kollegen, der dabei helfen konnte, alle Arten von menschlichen Präparaten und Daten zu beschaffen, um ihre Arbeit zu fördern.


Drei SS-Offiziere in ihrer Freizeit auf dem Gelände des SS-Erholungsheims Solahütte bei Auschwitz im Juli 1944. Von links nach rechts: Richard Baer (Lagerkommandant von Auschwitz), Mengele and Rudolf Höss (ehemaliger Lagerkommandant von Auschwitz).

United States Holocaust Memorial Museum, mit freundlicher Genehmigung eines anonymen Schenkers

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