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5. Kapitel: Bei den Füchsen

Zwei Füchse hatten wir bereits erlegt, als sie plötz­lich von Überall wie aus dem Nichts auf­tauchten. Meine Jagdgefährten waren nirgends mehr zu se­hen, als die Wilden von allen Seiten auf mich zu schnellten und zu sprangen. Ich sah ihre schlanken, muskulösen Kör­per und ihre wilden, roten Gesich­ter um mich herum wirbeln und dann spürte ich einen harten und schmerzhaften Schlag auf dem Hinterkopf und verlor das Bewusstsein.

Als ich wieder erwachte, war es um mich her­um stockdunkel. Zuerst fühlte ich die Schmer­zen von dem Schlag im Nacken. Dann bemerkte ich, dass ich an Armen und Beinen ge­fesselt und an ei­nem Baumstamm oder Pfahl oder etwas ähnlichem angebunden war. Nachdem ich wohl erneut einge­schlafen war, näherte sich mir irgendwann eine grelle, hei­ße Flamme. Etwas stieß mir in die Rip­pen und ich erkannte, dass ein Wilder mit einer Fa­ckel und einem Holzstab vor mir stand.

Der Fuchs gab unverständliche kehlige und zi­schende Laute von sich und schien mich von oben bis unten zu begutachten, wobei er mich mit dem blendenden Licht der Fackel be­leuchtete und mich immer wieder grob mit seinem Stab anstieß, als nehme er eine genaue Untersuchung vor. Dann ver­schwand er wieder und ich schlief erneut vor Er­schöpfung ein.

Später fiel von irgendwo ein leichter, flackern­der Lichtschein auf den Ort meiner Gefan­genschaft und ich erkannte, dass ich mich in einem kleinen, niedrigen Höhlenraum befand, dessen Wände aus dunklem Gestein und fester, schwarzer Erde be­standen. Bald kamen mehrere Füchse, um ihre Beute zu betrachten, und stießen mich ebenfalls mit Stöcken und Lanzen an. Zum Teil fügten sie mir damit Stiche und kleinere Fleischwunden zu, was die Wilden weiter anstachelte und zu einem widerlichen Kichern und Glucksen anregte.

An Flucht war wohl kaum zu denken, doch zu meiner Überraschung banden die Füchse mich ir­gendwann los und führten mich in einen anderen, größeren Höhlenraum, in dessen Mitte sie ein La­gerfeuer errichtet hatten. Sie geboten mir mit gro­ben Gesten und kehligen Lauten, mich niederzulas­sen, und schließlich gaben sie mir ein paar bittere braune Wur­zeln zu essen und etwas Wasser zu trin­ken.

Nun durfte ich mich weitgehend frei in ihren Höhlengewölben und finsteren Gängen bewe­gen. Wenn ich jedoch an bestimmte Stellen kam, die vielleicht zu geheimen Räumen der Horde oder zu einem Ausgang führen mochten, dann erschien ein Fuchs und stieß mich brutal nieder, fauchte mich wild an und verwies mich auf die begrenzten Be­reiche zurück, in denen ich mich aufhalten konnte.

Mit der Zeit lernte ich, wo ich mich bewegen durfte und welche Bereiche der Höhle mir ver­wehrt waren. Ich suchte mir einen Schlafplatz, den ich mit etwas weichem Gestrüpp aus­legte, das ich in den Gängen gefunden hatte. Ähnlich schienen es auch die Wilden mit ih­ren Schlafplätzen zu halten, die keine gesonderten Privatbereiche kannten und sich ledig­lich in kleinen Gruppen auf Lagerstätten zusammen fanden, die so etwas wie Partner­schaften oder Familienverbände darstellen mochten. Zu bestimmten Zeiten versammelten sich die Füchse um ihr Lagerfeuer und es gab etwas zu essen, so­dass ich mich daran ori­entierte und mich zu ihnen gesellte, um nicht zu verhungern und zu verdurs­ten.

Außer gewissen Mahlzeiten und Schlafphasen, die jedoch nicht sehr regelmäßig vonstat­ten gin­gen, hatte ich keine Orientierung darüber, wann draußen Tag oder Nacht sein mochte. Und somit wusste ich auch nicht, wie lange ich bereits in dem Fuchsbau verbracht hatte, als ich schließlich die Gesichter der rund dreißig Füchse dieses Stammes unter­scheiden konnte und über einige Gesten und Laute hinaus begann, die Sprache des Wil­den Vol­kes zu erlernen. Ich nahm an ihren kargen Mahl­zeiten und Versammlungen um das Lagerfeuer teil ebenso wie an ihren spielerischen Stockkämpfen und den wenigen weiteren primitiven Aktivitäten zum Zeitvertreib in der tristen Höhle. Ich wurde langsam zu einem Mitglied jenes Volkes, dessen glänzendes rotes Fell ich als kleiner Junge nur in ausgestopfter Form oder zu Mänteln des Hochadels verarbeitet gesehen hatte.

Du heute nach oben“, sagte eines Tages der alte Schamane Oborion zu mir. Wie bei allen Füchsen hatte ich das Gefühl, dass der Sinn der Worte ei­gentlich nicht durch die Laute vermittelt, sondern vielmehr durch Gedanken übertragen wurde, wel­che der grunzende und zischende Singsang ledig­lich als Melodie begleitete, um eine gewisse Stim­mung aus­zudrücken.

Was geschehen?“, fragte ich.

Du heute auf den Altar des Lichtes“, sagte Oborion. „Größte Ehre für guten Fuchs!

Die Füchse hatten mich zwar für ihre Verhält­nisse recht freundlich behandelt, sie waren je­doch auch immer für eine seltsame Überraschung gut. Deshalb wusste ich nicht, was mich erwartete, und folgte Oborion mit gemischten Gefühlen. Er führte mich einen schmalen und langen Gang aufwärts und das erste Mal nach sehr langer Zeit gelangte ich wieder ans Tageslicht und konnte klare frische Luft atmen.

Nachdem ich mich blinzelnd an das Licht der roten Sonne gewöhnt hatte, blickte ich mich um und sah Hügel, Wiesen und Felder. In der Ferne war ein großer, grüner Wald unter hellem, violet­tem Himmel zu sehen. Der Ausgang der Höhle be­fand sich in einem relativ kleinen und unscheinba­ren Hügel, denn der verzweigte Fuchsbau war of­fenbar vollständig unterirdisch angelegt. Auf diese Weise konnten die Füchse sich schnell zurückzie­hen und waren für die Menschen kaum aufzuspü­ren, zumal sie einen der vielen, weit über die Land­schaft verstreuten Ausgänge bei Gefahr sehr leicht verschließen und verdecken so­wie für mögliche Eindringlinge unpassierbar machen konnten.

Oborion führte mich nun ein Stück weiter auf einen anderen Hügel, auf dem ein runder Platz mit einer Umrandung aus grauen Steinen und langen Holzpfählen gestaltet war. Dies war offenbar die Kultstätte des Wilden Volkes, welche der Schama­ne zuvor den Altar des Lichtes genannt hatte. Dar­um herum standen bereits drei weitere Fuchsmän­ner des Stam­mes. Außerdem war eine weitere ein­drucksvolle Gestalt anwesend: Ein Vertreter des Hirschvolkes mit einem menschlichen Körper, aber rotbraunem Fell über den kräftigen Muskeln. Auf der breiten Stirn seines tierischen Kopfes trug er ein mächtigen Geweih.

Der alte Fuchsschamane gebot mir, mich für die folgende Zeremonie in die Mitte des Steinkrei­ses zu begeben, während die fünf Wilden sich dar­um herum positionierten. Ich stellte mich also in die Mitte und jetzt kamen von allen Seiten weitere Füchse und Hirsche herbei gelaufen, um dem ritu­ellen Schauspiel beizuwohnen. Oborion nahm einen golde­nen Kelch und ein kurzes silbernes Messer zur Hand und betrat den Steinkreis. Er schritt den Kreis der Umstehenden ab und fügte je­dem einen Schnitt in den Unterarm zu. Das Blut ließ er in den goldenen Kelch fließen. Zuletzt schnitt er sich selbst und fügte sein Blut ebenfalls hinzu. Dann trat er vor mich hin.

Erhebe Arm“, sagte er weihevoll.

Ich tat wie mir geheißen und streckte ebenfalls meinen Unterarm vor, wie ich es bei den anderen gesehen hatte. Der Schamane schnitt leicht hinein und ließ das Blut in den golde­nen Kelch fließen. Er drehte sich um und erhob den Kelch in Richtung der fernen roten Sonne.

Du gekommen Sommersonnenwende“, sagte er. „Heute wieder Sommersonnenwende. In einem Jahr du geworden ein guter Fuchs. Prophezeiung der Vorfahren sagen: Ein Frem­der kommen zur Sonnenwende und führen dann die Füchse zu neu­em Leben. Geben der Sonne neue Kraft und führen Wildes Volk zu Freiheit und Frieden. Herrschaft auf der gan­zen Erde!

Daraufhin reichte Oborion den Kelch unter den Umstehenden herum und jeder von ihnen trank einen kleinen Schluck, auch der Schamane selbst. Er reichte mir den Kelch und ich brauchte nicht lange zu überlegen, was man von mir erwartete. Ich setzte ihn an die Lip­pen und nahm ebenfalls einen Schluck des dunklen Blutes der Wilden, das mit meinem ei­genen vermischt war. Dann betraten die drei umstehenden Füchse und der gewaltige Hirschmann ebenfalls den Steinkreis, begaben sich in die Mitte des Altars des Lichtes und knieten ge­meinsam mit Oborion zu meinen Fußen nieder.

Magisches Blut!“, rief der Schamane be­schwörend. „Magisches Blut der Erde! Magisches Blut der Sonne! Werde mächtige Waffe der Füchse! Mächtige Waffe für unseren Erlöser!

Ein silbernes Langschwert wurde gebracht und aus dem restlichen Blut aus dem goldenen Kelch formte Oborion unter beschwörendem Singsang in einer magischen Prozedur, die grelle Flammen auf­züngeln und Funken sprühen ließ, eine glänzende dunkelrote Perle, die er in den Schaft des silbernen Schwertes einsetzte. Er überreichte mir die magi­sche Waffe mit dem Blutstein.

„Silberner Fuchs!“, rief Oborion.

SILBERNER FUCHS!!!“, hallte es tausendfach aus den Hügeln wider. „RETTER UND ER­LÖSER DES GLORREICHEN VOLKES!!!

Einige der Füchse entzündeten Fackeln und streckten sie im Kreis um mich herum in den Him­mel, sodass ich die Hitze und den Rauch des Feu­ers spürte. Ich erhob das silberne Schwert hoch in die Luft, hoch in das Licht der sterbenden roten Sonne, um ihr neues Le­ben einzuhauchen.

Die Zauberer von Atlantis

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