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Das Handy weckte sie. Lara war die ganze Nacht nicht dagewesen. Im Zimmer herrschte völliges Durcheinander. Überall lagen Kleider, Puder war ausgeschüttet, Lippenstift war verschmiert.

Valentina steckte den Kopf unter das Kissen und versuchte den Alptraum der gestrigen Nacht zu vergessen. Jan hatte ihr in der Nacht noch eine SMS geschickt. Er berichtete, dass es sich bei der verletzten Frau um Claudia Müller gehandelt hatte. Er erzählte von seiner irren Fahrt in das Krankenhaus, dem vielen Blut, von Ärzten, Krankenschwestern, Polizei und den vielen Fragen.

Die verletzte Claudia musste operiert werden.

Aber David Buchmann hatte alles erledigt.

„Raus aus den Federn“, hörte sie die raue Stimme von David aus ihrem Handy. „Du bist in fünfzehn Minuten im Theater!“

Er legte auf und Valentina kroch aus dem Bett. Sie schnappte sich ein Handtuch, verließ das Zimmer und rannte in das Bad.

Jemand anderes war bereits unter der Dusche.

Das Wasser war heiß und so konnte sie wegen dem Dampf nicht sehen, wer da war.

Sie rief so laut sie konnte, um das Rauschen des Wassers zu übertönen: „Beeil dich! Ich muss in fünfzehn Minuten im Theater sein!“

Sie wollte das Gemeinschaftsbad gerade verlassen, als das Wasser plötzlich abgedreht wurde. Die Tür öffnete sich und zwei der jungen Schauspielschüler traten heraus. Die Schwänze standen erregt von ihren Körper ab. Sie lachten und ignorierten Valentina völlig, während sie sich gegenseitig abtrockneten.

„Kümmere dich nicht um uns, Schätzchen“, sagte einer von den Beiden.

Dann fassten sie sich an den Händen und verließen das Bad.

Valentina duschte, schminkte etwas ihr Gesicht, zog sich an und eilte die Treppen runter zum Theater.

„Nun komm schon, Valentina, wir warten auf dich“, schimpfte David Buchmann ungeduldig.

Da saßen sie alle:

David Buchmann, Clément de Réunion, Jan Berger, Lara Claire und die anderen der Truppe. Linda Murcia stand etwas abseits, ihr Gesicht bestand aus einer Maske perfekter Make-up Kunst. Sie trug eine teure, hellgelbe Hose und eine grüne Freizeitjacke.

„Wie geht es Claudia Müller?“, wollte Valentina wissen.

„Kümmere dich nicht darum“, zischte Clément als Antwort.

„Sie ist in besten Händen, Valentina“, sprach Jan in einem ruhigen Ton.

„Aber ich möchte wissen, wie es ihr geht“, beharrte sie.

„Sie hat eine Menge Blut verloren, aber es gab keine Infektion. Sie wurde noch letzte Nacht operiert und hat einige Bluttransfusionen bekommen. Aber sie wird niemals wieder Kinder kriegen. Okay. Nun weißt du es, Kleine“, sprach David mit sanfter Stimme.

„Hier wird schon genug Mist gemacht, David. Lass uns endlich an die Arbeit gehen“, sagte Clément und spielte mit seinem Kugelschreiber.

„Lass du mich mal die Dinge erledigen, Clément“, erwiderte David Buchmann und wandte sich dann direkt an Valentina. „Hat Herr de Réunion nicht versprochen, einen Star aus dir zu machen, Valentina?“

Die Stimme des Regisseurs klang verächtlich.

Valentina errötete und starrte auf den Boden. Sie wusste, dass Linda sie ansah und sie spürte auch die Blicke der anderen im Theater wie durchbohrende Dolche.

„Nun, jetzt hast du deine Chance, Mädchen. Die verletzte Claudia Müller kann wohl kaum mehr in dem Stück spielen. Offensichtlich fällt sie für den Rest der Saison aus. Du bekommst hiermit die Rolle und spielst mit Lara Claire die beiden weiblichen Nebenrollen.“

David Buchmann grinste kurz verächtlich zu Clément, sprach dann aber weiter zu Valentina: „Unser Schriftsteller hält sich für eine Mischung aus Henry Miller, Marquis de Sade und Steven King. Das Stück heißt: Der Fluch von Schloss Willburg. Du weißt bestimmt nicht, was es bedeutet oder um was es geht. Aber das macht nichts, du spielst eben und mehr wollen wir gar nicht.“

Valentina stand zitternd und mit aufgerissenen Augen vor dem Regisseur, der kurz die Story des Stückes umriss:

Es spielte in Schloss Willburg. Dort wurden Menschen von Geistern heimgesucht und von Werwölfen gejagt.

Valentina kam das alles ziemlich merkwürdig vor!

An Werwölfe oder Geister glaubte sie nicht. Sie hatte eine bürgerliche, katholische Erziehung genossen.

Was man nicht sieht und nicht kennt, das gibt es nicht!

Der Hauptdarsteller des Theaterstückes, ein Dastan of Phellan, wurde von Jan Berger gespielt. Die Rolle der Gefährtin, Beliar of Báthory, übernahm Linda Murcia. Dann gab es zwei Mädchen, die von den Werwölfen entführt und als Lustsklaven gehalten wurden. Diese beiden jungen Mädchen wurden nun von Lara und Valentina gespielt.

Die ganze Geschichte spielte in dem alten Schloss Willburg im Bayerischen Altmühltal. Daher war die Bühne auch in dieses unheimliche Licht und in diese finstere Silhouette getaucht.

Valentina konnte an der gezeichneten Bühnenrückwand ein Schloss erkennen.

„Ihr seht, reinste Klassik. Ein hochgeistiges Werk“, grinste David, der sich eine Zigarette nach der anderen anzündete. „Ich habe Mikail Godunov verpflichtet, der die Choreografie und den Tanz übernehmen und euch lehren wird, wie ihr vernünftig auf der Bühne herumhopst.“

„Ich bin keine besonders gute Tänzerin“, flüsterte Valentina.

„Kannst du ficken?“, fragte David mit einer strengen Stimme.

Das hübsche Gesicht von Valentina wurde rot und heiß.

„Ich glaube, du vögelst mit Jan. Mir ist scheißegal was du tust, aber stell dir irgendeinen Burschen vor, der dir einen verpasst und lass deine prächtigen Hüften ein wenig schaukeln.“

„Ich weiß nicht“, meinte Clément und streckte seinen langen gepflegten Körper aus. „Das Mädchen sieht ja gut aus. Aber wir brauchen einen richtigen Profi für die Rolle, David.“

„Wir haben hier aber keinen Profi! Und es ist zu spät, jetzt noch lange Bewerbungen anzusehen. Wir müssen vielleicht die Premiere bei dem jetzigen Stand um zwei Wochen verschieben. Aber wenn wir richtig rangehen, dann können wir es noch schaffen.“

David zertrat auf dem Boden seine Zigarette und gab Valentina das Rollenbuch.

„Daran kannst du dir die Zähne ausbeißen, Schätzchen“, sagte er.

„Ich bin hergekommen, weil ich spielen will“, erwiderte Valentina.

„Wie man fickt, hast du ja schon gelernt, Kleine. Und nun wird es Zeit, dass du lernst, wie man sich auf der Bühne bewegt und wie man spricht.“

„Schluss jetzt, ich hab genug davon gehört“, fauchte Linda Murcia und stand auf. Sie ging auf Valentina zu und legte den Arm um die Schultern des jungen Mädchens. Sie spürte, dass Valentina zitterte.

„Nur eine Frau weiß wirklich, wie sich ein junges Mädchen fühlt“, murmelte Linda. „Hör auf, sie zu quälen, David. Sie wird die Rolle großartig spielen. Ich werde mich um sie kümmern.“

„Hey, ich dachte, ich sollte die Szenen mit ihr durchgehen“, rief Jan und lehnte sich gegen den Rand der Bühne, während er die Arme hochwarf.

„Ihr könnt sie ja teilen“, meinte David sarkastisch.

„Ich liebe dich so schrecklich, David“, erklärte Linda mit ihrem professionellen Lächeln. „Du bist so gerissen. Ich bewundere das. Aber manchmal kannst du grausam sein. Natürlich ist Grausamkeit bei einem Mann manchmal aufregend, aber nicht jetzt und hier!“

Ich sollte es wirklich ihr überlassen, dachte David, die Hände tief in den Hosentaschen, ein Lächeln auf den Lippen. Ja, ich sollte es ihr überlassen, sie ist immer noch ein Profi und sie ist gut. Er bewunderte sie. Er respektierte Leute, die ihr Geschäft verstanden. Und sie verstand es. Er hasste Amateure, die dieses Scheißgeschäft ernst nahmen. Klar, Mädchen, dachte er. Wir beide verstehen uns.

„Was meinst du, Jan?“, hakte Linda nach.

David wandte sich an seinen jungen Assistenten, der wusste, was gutes Theater war und der auch wusste, was man zu machen hatte.

„Ich glaube, sie wird das hinkriegen. Lara wird mit Valentina prima harmonieren. Unser beiden Schönheiten werden das schaffen.“

Es war also abgemacht.

Valentina spielte mit!

Sie war jetzt ein Teil des Ensembles. Und sie hatte ein bisschen Sorge. Als sie das Theater mit Jan verließ, sagte sie: „Ich habe Angst, Jan. Meinst du, ich kann es schaffen?“

„Natürlich kannst du das. Du willst doch herausfinden, ob dir die ganze Schauspielerei auch Spaß macht, nicht wahr?“, sagte er lachend.

Sie sah irgendwie erschreckt zu ihm auf. Er hatte sie nie zuvor so gesehen. Plötzlich war sie so süß und unschuldig, ein bekümmertes junges Mädchen, das jemanden brauchte, der sie beschützte.

Vielleicht war er wirklich in sie verliebt?

Einen Augenblick lang hätte er sie am liebsten in die Arme genommen und sie vor der harten Welt da draußen beschützt, sie gegen jeden verteidigt, der sie berühren wollte. Und so wollte er sich immer an sie erinnern, an diesen einen flüchtigen Augenblick, in dem es nicht um Sex oder Alkohol oder um sonst irgendwelchen Kram ging.

Animalisches Verlangen

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