Читать книгу Winston Churchill - David Cannadine - Страница 11

II

Оглавление

Churchills eingefleischte Clan-Loyalität erstreckte sich weit über seine unmittelbaren Angehörigen hinaus und umfaßte auch jene ferneren Verwandten, die sich auf den abgelegenen Zweigen und Ästen seines weitverzweigten Stammbaums tummelten. Eine der Schwestern von Lord Randolph war Lady Cornelia Spencer-Churchill, die Winstons Karriere stets mit größtem Interesse verfolgte, »nicht nur um deines lieben Vaters willen, sondern auch deinetwegen«. 1869 heiratete sie Ivor Guest, einen Sprößling der großen Dynastie südwalisischer Eisenfabrikanten. Guest war ein unverbesserlicher Snob und sozialer Aufsteiger, dessen Ambitionen in den 1870er Jahren auf den Seiten von Truth und Vanity Fair derart verspottet wurden, daß er allgemein nur unter dem Spitznamen »the paying Guest« bekannt war.33 1880 wurde er von Disraeli zum Baron Wimborne ernannt, was ihn jedoch nicht davon abhielt, kurz nach der Jahrhundertwende Position gegen die Tories zu beziehen. Der vorgebliche Grund dafür war sein bedingungsloses Bekenntnis zum Freihandel, doch eine wahrscheinlichere Erklärung dürfte der Ärger darüber gewesen sein – so wurde gemunkelt – , daß sein Wunsch nach Erhebung in den Grafenstand abschlägig beschieden worden war. Im Januar 1910 versuchte er, einen seiner Söhne, Freddie, als Kandidaten der Liberalen für den örtlichen Wahlkreis East Dorset durchzubringen, doch wie es immer wieder vorkam, wenn eine Grundbesitzerfamilie die Seite wechselte, wurde auch hier behauptet, die Guests hätten die Bewohner ihres Wahlkreises auf unzulässige Weise beeinflußt – sei es durch Einschüchterung, sei es durch Bestechung – , und auf Antrag wurde die Wahl für ungültig erklärt.34

Lord Wimbornes ältester Sohn, ebenfalls ein Ivor Guest, war damit Churchills Cousin ersten Grades. Ebenso wie sein Vater behelligte er seine Umgebung ständig mit Petitionen: Herbert Asquith hielt ihn für »sehr unbeliebt«, und der allgemeine Eindruck, der in gesellschaftlichen und politischen Kreisen über ihn herrschte, kam sehr treffend in dem bitterbösen Couplet zum Ausdruck: »One must suppose that God knew best / When he created Ivor Guest.«35 1900 war er zum konservativen Abgeordneten für Plymouth gewählt worden, doch sechs Jahre später folgte er dem Beispiel seines Vaters und seines Cousins und trat zur Liberal Party über. Aktiv gefördert durch seinen »Freund und Verbündeten« Churchill, bemühte er sich um Aufstieg innerhalb des britischen Hochadels und um ein Amt in der Regierung. Asquith war davon zwar wenig angetan, doch 1910 verhalf er Guest zur Peerswürde als Lord Ashby St. Ledgers (sein Vater lebte zu der Zeit noch) und machte ihn zum Paymaster-General (Staatssekretär im Wirtschaftsministerium). Da ihm das nicht genug war, übte er mit Hilfe Churchills weiterhin Druck aus, um seine Ansprüche durchzusetzen. Schließlich akzeptierte er 1915 den Posten des Vizekönigs von Irland. Nach dreijähriger erfolgloser Amtszeit demissionierte er, tröstete sich mit der Würde eines Viscount und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Clementine Churchill fand sich nie mit ihm ab, und selbst nach Auffassung von Margot Asquith war er »nichts weiter als ein einigermaßen dreister Kerl«.36

Noch fragwürdiger war Freddie, der jüngere Bruder von Ivor Guest. Wie so viele Angehörige seiner Familie war auch er ein Snob, Playboy und politisches Leichtgewicht (1919 schlug er zur Eindämmung von Arbeiterunruhen allen Ernstes vor, man solle den Leuten Betäubungsmittel in den Tee mischen) und hatte zudem eine »ausgesprochene Neigung zu aufdringlichem Schnorrertum«. Auch er wechselte von den Tories zu den Liberalen, schaffte es 1906 allerdings nicht, gewählt zu werden. Daraufhin ernannte Churchill ihn zu einem seiner Privatsekretäre, und 1910 wurde er im zweiten Anlauf zum Abgeordneten des Familienwahlkreises East Dorset gewählt. Dank der Bemühungen seines Cousins fielen ihm schon bald kleinere Regierungsposten zu, doch erst 1917, mit seiner Ernennung zum »Einpeitscher« der liberalen Koalition, wurde er zu einer wichtigen (und finsteren) politischen Figur.37 In den folgenden fünf Jahren oblag es Guest, Mittel für den persönlichen Wahlkampffonds Lloyd Georges zu beschaffen. Somit war er unmittelbar in die Affäre um den Verkauf von Ehrentiteln involviert, und wahrscheinlich gehörte bei dem Korruptionsskandal auch Maundy Gregory zu seinen Kunden. In der Endphase der Koalitionsregierung löste er seinen Cousin an der Spitze des Ministeriums für Luftfahrt ab, doch danach bekleidete er keinen Posten mehr. In Ehrenfragen war er zynisch und kannte vermutlich mehr unerfreuliche Geheimnisse als irgend jemand sonst im öffentlichen Leben; Viscount Gladstone jedenfalls betrachtete ihn als »bösen Geist« Lloyd Georges. Selbst in seinem Nachruf in der Times hieß es, Freddie Guest sei nicht unbedingt eine angenehme Bekanntschaft gewesen.38

Durch die Ehe seines Großvaters Marlborough mit Lady Frances Anne war Churchill auch mit den Londonderrys verwandt. Diese Verbindung war nie so unkompliziert wie die zu den Gebrüdern Guest. Zwischen 1910 und 1914 erhob der sechste Marquess schwere Vorwürfe gegen Churchill, weil dieser für irische Selbstverwaltung, die umstrittene Home Rule eintrat, und mit dem siebten Marquess stand er den größten Teil der Zwischenkriegsjahre nicht gerade auf bestem Fuß.39 Immerhin setzte sich Churchill mindestens zweimal persönlich für seinen Verwandten ein: 1919, als er ihm als neuernannter Luftfahrtminister einen Posten als parlamentarischer Staatssekretär verschaffte; und 1928, als er bei Baldwin durchdrückte, ihn als Beauftragten für Arbeiten und öffentliche Bauten ins Kabinett zu holen. Den größten Teil der zwanziger Jahre widmete sich Londonderry jedoch der Ulster-Politik – eine Entscheidung, die Churchill für unklug hielt – , und in der Frage des Generalstreiks gingen ihre Ansichten auseinander. In den dreißiger Jahren entfernten sie sich noch weiter voneinander. Churchill übte heftige Kritik an Londonderry in dessen Amtszeit als Luftfahrtminister von 1931 bis 1935; er mißbilligte die Freundschaft Lady Londonderrys mit Ramsay MacDonald, die immer wieder Thema der Boulevardpresse war; und die Bewunderung seines Verwandten für Adolf Hitler fand er unverständlich. Kein Wunder also, daß er Londonderry weder in seiner Kriegskoalition noch in seinem Übergangskabinett von 1945 irgendeinen Posten anbot.40

Die letzte Marlborough-Verbindung – in den Zwischenkriegsjahren ebenfalls Gegenstand ausführlicher Berichterstattung – bestand zu einem jüngeren Zweig, der vom zweiten Sohn des vierten Herzogs abstammte: den Churchills von Wychwood. Der erste Viscount Churchill, der den Besitz 1886 geerbt hatte, veräußerte schon bald darauf den Großteil des Bodens der Altvorderen sowie die meisten Familienerbstücke und führte das Leben eines professionellen Höflings und Geschäftsmanns, der es schließlich zum königlichen Kammerherrn unter Eduard VII. und zum Vorsitzenden der Great Western Railway brachte.41 Berühmt wurde er in der Öffentlichkeit durch seinen lang anhaltenden Ehestreit, der alles, was die Familie noch an Vermögen und Reputation besaß, nachhaltig ruinierte. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg verlegte sich seine Frau unter Einfluß eines Mediums namens Kathleen Ellis auf Spiritualismus und Theosophie, woraufhin sich Lord Churchill von ihr trennte und sie für geisteskrank erklärte. Sie flüchtete mit ihrem Sohn nach Nordafrika, und ihr Mann versuchte vergeblich, die beiden mit Waffengewalt zurückzuholen. (1927 ließ er sich vor einem schottischen Gericht von ihr scheiden.) Während des Ersten Weltkriegs ging Lady Churchill nach Paris, zog mit Kathleen Ellis zusammen und zwang ihren Sohn, ihre Freundin zu heiraten. Nachdem er sich bereits mit seinem Vater überworfen hatte, brach der Sohn jetzt auch mit der Mutter, setzte sich nach Amerika ab, rauchte Opium, ging zur Bühne und wurde (zu Unrecht) beschuldigt, die Wimborne-Juwelen gestohlen zu haben.42

Neben diesen eher entfernten Marlborough-Beziehungen hatte Churchill auch Verbindung zu einer anderen Gruppe aristokratischer Familien, und zwar durch seine Mutter, Lady Randolph. Ihre älteste Schwester Clare war mit Moreton Frewen verheiratet, dem jüngeren Sohn eines Landjunkers aus Sussex, der in den 1890er Jahren ein Gut in Irland erbte. Doch der Mann, der damit Winstons Onkel war, führte seine Geschäfte so schlecht und wenig diskret, daß er den Spitznamen »Mortal Ruin« bekam. Er hatte sein Erbteil von 16.000 Pfund in eine Ranch in Wyoming gesteckt, doch 1887 war seine gesamte Investition dahin. Anschließend engagierte er sich in verschiedensten aberwitzigen Projekten: Herstellung von Achsenfett für Lokomotiven, künstliche Eisproduktion, Goldgewinnung aus Schrott, Scheidung von Blei aus Zink und Holzfällerei in Kenia.43 (Er las auch die Korrekturfahnen von Churchills erstem Buch, was zur Katastrophe geriet.) Durch all diese Unternehmungen verlor er Geld, das er sich geliehen hatte, und stand immer wieder am Rand des Bankrotts. Das Grundstück seines älteren Bruders in Sussex wurde mit einer Hypothek belastet und der Holzbestand gefällt; sein eigener Besitz in Irland war hoch verschuldet; er überredete sogar seine Kinder, ihre Leibrente zu verpfänden, sobald sie volljährig wären. Als seine Tochter Clare 1910 heiratete, mußte sie dies in einem Haus tun, das Freunde der Familie leihweise zur Verfügung stellten, ihr Vater hatte einen so schlechten Ruf, daß ihr Hochzeitskleid im voraus und in bar bezahlt werden mußte, und einige seiner zahlreichen Gläubiger tauchten uneingeladen beim Empfang auf. Als er 1924 starb, hinterließ er nicht einmal 50 Pfund. Ihm war, mokierte sich Kipling wortspielerisch über ihn, »nichts Menschliches fremd – ausgenommen der gesunde Menschenverstand« (He lived in every sense except what is called common sense).44

Lady Randolphs andere Schwester, Leonie, heiratete Sir John Leslie, einen achtbaren, pflichtbewußten irischen Baronet, dessen Familie in der Grafschaft Monaghan Land besaß. Ihr ältester Sohn, John Randolph, war damit Winstons Cousin. Auf der einen Seite bekannte er sich leidenschaftlich zu seiner Herkunft und schrieb verschiedene Bücher, in denen er die entschwundene Welt seiner Kindheit liebevoll heraufbeschwor. Er trauerte aufrichtig dem alten Paternalismus nach, beklagte die Eigentumsübertragung der großen irischen Besitzungen durch die Land Acts und den Untergang der europäischen Zivilisation als Folge des Ersten Weltkriegs. Voll Bitterkeit äußerte er sich über die Zersetzung der High Society durch jüdische Abenteurer und den verderblichen Einfluß der Presse.45 Doch im selben Atemzug, wie er den Verlust seines aristokratischen Erbes bedauerte, lehnte er es auch bewußt ab. Er »sträubte sich vehement gegen seine anglo-irische Abstammung, in die er hineingeboren war«, indem er auf seinen Erbanspruch auf den Familienbesitz verzichtete, sich zur römischkatholischen Kirche bekannte und die irische Form seines Namens – Shane – verwendete. Zur Bestürzung seiner Verwandtschaft engagierte er sich sogar für die Sache der irischen Nationalisten und kam durch Vermittlung Churchills mit John Redmond in Kontakt, dem Führer der Irish Nationalist Party. Im Januar 1910 trat er im Wahlkreis Londonderry City als Kandidat der irischen Nationalisten gegen den Erben des herzoglichen Hauses Abercorn an, und 1916 forderte er mit Nachdruck, die englische Regierung dürfe die Teilnehmer des Osteraufstands in Dublin 1916 nicht hinrichten lassen. Er war, kurz gesagt, ein echter Außenseiter unter der Aristokratie.46

Aufgrund von Lady Randolphs bemerkenswerter Ehekarriere gerieten zwei weitere Notabeln in Churchills familiären Umkreis, die noch unreinere Westen hatten. Der eine war ihr zweiter Gatte, George Cornwallis-West, Erbe von Ruthin Castle in Denbighshire, einer der ältesten Besitzungen an der walisischen Grenze. Ende des 19. Jahrhunderts befand sich das Anwesen in einem traurigen Zustand des Verfalls, und seine Eltern waren äußerst knapp bei Kasse. Unter diesen Umständen war es alles andere als klug, eine verschwenderische Person vom Schlage Lady Randolphs zu ehelichen, und schon 1906 waren denn auch Cornwallis-Wests Finanzen in einem so prekären Zustand, daß Churchill sich gezwungen sah, seinem Stiefvater unter die Arme zu greifen.47 Um an etwas Geld zu kommen, das er dringend benötigte, belastete Cornwallis-West seinen Erbanspruch auf Ruthin mit einer Hypothek und gründete – entgegen dem klugen Rat von Sir Ernest Cassel – in der Londoner City eine Emissionsbank. Von da ab lief alles schief. 1914 ließ er sich von Lady Randolph scheiden und heiratete Mrs. Patrick Campbell. 1916 brach sein Unternehmen zusammen, und er mußte Konkurs anmelden. 1920 schließlich sah er sich zur Tilgung seiner Schulden genötigt, den Familienbesitz zu versilbern, dessen Erbe er drei Jahre zuvor angetreten hatte. Inzwischen war auch seine Ehe gescheitert, in den Zwischenkriegsjahren gelang es ihm nicht, eine Stelle zu finden, und er mußte sich mühsam mit dem Schreiben von Reminiszenzen, Romanen und Biographien durchschlagen. Mrs. Campbell weigerte sich, in die Scheidung einzuwilligen, und erst nach ihrem Tod im Jahre 1940 konnte er wieder heiraten. Kurz darauf erkrankte er an Parkinson, und 1951 nahm er sich schließlich das Leben.48

Durch die Schwester seines Stiefvaters, Constance Cornwallis-West, verstärkten sich Churchills Familienbande zu einem weiteren mit Mängeln behafteten, nicht gesellschaftsfähigen Granden: Bend Or, zweiter Herzog von Westminster.49 Zwischen den Marlboroughs und den Grosvenors bestand ja – über die Guests – bereits eine doppelte Verbindung, und 1901 wurde Constance die erste von Bend Ors Ehefrauen. Die Cornwallis-Wests erhofften sich von dieser Vermählung eine Aufbesserung ihres Familienvermögens, doch der Ehe war kein Erfolg beschieden. Der Sohn und Erbe, den die Herzogin ihrem Gatten gebar, starb 1909, und danach ging das Paar getrennte Wege. 1919 wurden sie – begleitet von einem höhnischen Presseecho – geschieden, und auch drei weitere Ehen, die Bend Or dann noch einging, konnten ihm weder Glück noch Ruhe verschaffen. Aufgrund seines unziemlichen Ehelebens wurde er gezwungen, als Lord Lieutenant von Cheshire zurückzutreten, und weder Georg V. noch Georg VI. wollten irgend etwas mit ihm zu tun haben. Diese gesellschaftliche Ächtung trug das ihre dazu bei, seine ruhelose Paranoia zu verstärken. Er haßte die Demokratie, verabscheute die Juden, stimmte 1910 gegen die Parliament Bill und trat für einen Verhandlungsfrieden mit Hitler ein.50 Sein Tod im Jahre 1953 veranlaßte Henry Channon zu einem vernichtenden Nachruf: »Er war ruhelos, verdorben, leicht erregbar […]; sein Leben war leer und ein einziger Fehlschlag […]; nur selten hatte er gütige Momente, er hinterläßt nichts irgendwie Erinnernswertes.« Churchill hatte stets ganz anders empfunden und ließ aus der Downing Street verlauten, er blicke »voller Zuneigung und Dankbarkeit auf ein halbes Jahrhundert ungetrübter Freundschaft« zurück.51

Clementines aristokratische Verwandtschaft war mindestens so anrüchig wie diejenige ihrer Schwiegermutter. Ihre Schwester Nellie, die spielte und allgemein als ziemlich »leichtsinnig« galt, heiratete Bertram Romilly, dessen Vorfahren aus einem berühmten Geschlecht stammten, aber nicht reich waren. (Nellie mußte in den zwanziger Jahren vorübergehend sogar einen Hutladen führen, damit das Paar finanziell über die Runden kam.) Aus ihrer Ehe gingen zwei Söhne hervor, Esmond und Giles, und diese beiden Neffen Churchills waren in den Jahren zwischen den Kriegen regelmäßig in Chartwell zu Besuch. 1934 sorgte Esmond auf sensationelle Weise für Schlagzeilen, als er vom Wellington College ausriß. Er bezeichnete sich öffentlich als Kommunist und brachte eine subversive Zeitschrift mit dem Titel Out of Bounds heraus. Natürlich war das für die Presse ein gefundenes Fressen, es erschienen Sensationsgeschichten mit so verhängnisvollen, aber vorhersehbaren Überschriften wie »Winstons roter Neffe«. Zu allem Überfluß hatte Esmond auch noch einen Churchillschen Gesichtsausdruck und ein Churchillsches Temperament, so daß allgemein gemunkelt wurde, er sei in Wirklichkeit Winstons unehelicher Sohn. Auch in den folgenden Jahren tauchte er immer wieder in der Presse auf. 1936 ging er nach Spanien, um auf der Seite der Republikaner zu kämpfen. Im Jahr darauf brannte er mit seiner Cousine Jessica Mitford durch, was natürlich für noch größeren Pressewirbel sorgte.52

Dies war nicht die einzige Verbindung zwischen Clementine Churchill und den Mitfords. Ihre Tante, Clementina Ogilvy, hatte Bertram Mitford, den ersten Baron Redesdale, geheiratet. (In gewissen Kreisen zirkulierte sogar das Gerücht, Bertram sei in Wirklichkeit Clementines Vater.53) Folglich waren die Mitford-Kinder häufig in Chartwell zu Besuch, und Churchills Vater zeigte ein mehr als flüchtiges Interesse an der kleinen Diana. In den dreißiger Jahren geriet die Familie in ernste finanzielle Schwierigkeiten, und vier der Töchter eroberten regelmäßig die Schlagzeilen: Nancy bekannte sich zum Sozialismus und begann Romane zu schreiben; Jessica hielt es eher mit dem Kommunismus und brannte mit Esmond Romilly durch; Unity wurde zur bedingungslosen Hitler-Anhängerin; und Diana heiratete, nach ihrer Scheidung von Bryan Guinness, den britischen Faschistenführer Oswald Mosley.54 Wieder einmal hatte Churchill unter diesen entfernten, aber eindeutigen Verwandtschaftsbeziehungen zu leiden. In den späten dreißiger Jahren machten sowohl die englische als auch die deutsche Presse viel Aufhebens von der Tatsache, daß Winston und Unity miteinander verwandt waren. Und für den neuen Kriegspremier war es mehr als eine harmlose Peinlichkeit, daß zu den ersten Personen, die 1940 aufgrund der Defence of the Realm Regulations interniert wurden, auch Sir Oswald und Lady Mosley gehörten. (Es wurde sogar gemunkelt, daß dasselbe Schicksal auch Lord Londonderry ereilt habe.)55

Natürlich waren dies nicht die einzigen Verwandten auf Churchills weitverzweigtem, aristokratischem Stammbaum. Einige waren angesehene Männer des öffentlichen Lebens, etwa sein Onkel Lord Tweedmouth, Präsident des Geheimen Kronrats in der Regierung Asquith (der allerdings aufgrund seiner Geisteskrankheit zurücktreten mußte). Andere lebten unauffällig und schicklich, wie seine Tante Lady Anne Spencer-Churchill, die den siebten Herzog von Roxburghe heiratete und am Hof Königin Viktorias Mistress of the Robes war. Doch die gehörten nicht zu jenen Verwandten, die Schlagzeilen machten oder zum Gegenstand bösartiger Klatschgeschichten und Gerüchte wurden. Diejenigen aber, bei denen es doch der Fall war, lieferten der Presse immer wieder willkommene Themen, und diese zweifelhaften Familienverbindungen, die ja seine näheren Angehörigen betrafen, können Churchill in den Augen der Politiker und der Öffentlichkeit nur geschadet haben. Im November 1915 schrieb Moreton Frewen an jedes Kabinettsmitglied der Regierung Asquith und forderte, es dürfe Churchill nicht gestattet werden, im Zuge der Dardanellen-Affäre zurückzutreten (sein Brief blieb unbeachtet). Im September 1939 forderte Esmond Romilly, der damals als Journalist arbeitete, sein Onkel solle zum Premierminister ernannt werden. Es ist kaum anzunehmen, daß diese Intervention besonders hilfreich für ihn gewesen wäre.56

Churchills nachdrückliche Loyalität gegenüber seiner entfernteren Sippe galt anderen Politikern zumindest als »nervtötend« und »taktlos«.57 Für einen Intriganten war er zu stur und zeigte zu wenig Fingerspitzengefühl, und einige seiner Bemühungen waren eindeutig kontraproduktiv. Noch gravierender für ihn: Die Tatsache, daß er sich solche Mühe machte, die politische Karriere von fragwürdigen Leichtgewichten wie den Gebrüdern Guest oder Lord Londonderry zu fördern, bestärkte nur die ohnehin weitverbreitete Ansicht, er sei ein unverbesserlicher Nepotist und seinem Urteil könne man nicht trauen. Schwer vorstellbar, was er sich dabei gedacht haben muß, als er bei der Nachwahl in Westminster 1924 mit einem Wahlkampfteam auftrat, das Robert Rhodes James taktvoll als »recht bunt gemischte Versammlung von Bundesgenossen« beschreibt, zu der so deklassierte Gestalten und gesellschaftliche Außenseiter wie Moreton Frewen, Freddie Guest, Shane Leslie und der Herzog von Marlborough gehörten.58 Diese Verbindungen – mochten sie auch auf der bewundernswerten Auffassung beruhen, daß Blut nun mal dicker ist als Wasser – derart betont zur Schau zu stellen war außerordentlich unklug.

Winston Churchill

Подняться наверх