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KAPITEL 1

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William Ross saß erstarrt auf der Terrasse seines Lieblingscafés im Künstlerviertel von New Glasgow, die Teetasse halb erhoben, den Blick auf den Fernsehschirm an der Mauer des Innenhofs geheftet, als ohne Vorwarnung seine dunkelsten Geheimnisse erbarmungslos ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden.

»… enthält eine Flut bisher streng geheimer Informationen über eine Organisation, die ohne Aufsicht oder Rechenschaftspflicht operiert haben soll und offenbar Mitglieder innerhalb und außerhalb der Föderationsregierung hat.«

Die Kamera war auf eine Frau mit dunkler Hautfarbe gerichtet. Sie saß an einem Schreibtisch, auf dem das Emblem des Nachrichtendienstes der Föderation prangte. Ganz offenbar las sie nicht von einem sorgfältig vorbereiteten Skript ab, sondern konsultierte hastig zusammengestellte Notizen: Sie machte immer wieder Pausen, um rasch auf das Padd hinunterzuschauen, das sie vor sich auf dem Schreibtisch liegen hatte.

Ross spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Behutsam setzte er die Tasse auf ihrer Untertasse ab. Um ihn herum erstarben die Gespräche, als sich mehr und mehr Cafébesucher dem Fernsehschirm zuwandten und ihre Kuchenteller sowie ihre Begleiter vergaßen.

»Die Organisation ist unter dem Namen Sektion 31 bekannt. Ihre Geheimagenten stehen unter dem Befehl von zivilen Funktionären der Föderation sowie Sternenflottenoffizieren, offizielle Dienstwege werden unterlaufen. Offenbar wurde Sektion 31 vor über zweihundert Jahren gegründet, um die Erde vor internen sowie externen Bedrohungen zu schützen. Später weitete die Gruppierung ihre ›Mission‹ auf die gesamte Föderation aus. Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass zu ihren Aktivitäten Aggressionen gegen souveräne Regierungen zählen – ob diese der Föderation nun feindlich gesinnt waren oder nicht. Zudem muss das Vorgehen der Geheimorganisation gegen Bürger der Föderation als zum größten Teil illegal betrachtet werden. Offenbar wurde in den letzten beiden Jahrhunderten jeder einzelne Föderationsbürger von einer hoch entwickelten künstlichen Intelligenz aktiv überwacht, um bestimmte Handlungsmuster und somit Hinweise auf ›Bedrohungen‹ aufzuspüren. Personen, die auf Grundlage dieser Informationen als Gefahr für die Interessen der Föderation oder der Sternenflotte eingestuft wurden, wurden von Geheimagenten der Organisation ermordet. Sektion 31 erkennt weder die Autorität der Föderationsregierung noch der Sternenflottenführung an.«

Unwillkürlich verengte Ross die Augen zu Schlitzen und biss die Zähne zusammen. Er zwang sich, ruhig sitzen zu bleiben. Die Nachrichtensprecherin stockte erneut: Ihr war anzusehen, dass sie die Informationen selbst noch verarbeitete. Wie jedem guten Journalisten in solch einer Lage schossen ihr vermutlich tausend Fragen durch den Kopf, sie musste jedoch für ihre Zuschauer Haltung bewahren.

Da hast du’s. Das ist der Anfang vom Ende.

Die leise innere Stimme verhöhnte ihn. Es stimmte: Er hätte wissen müssen, dass der Frieden, den er hier gefunden hatte, nur von kurzer Dauer sein konnte. Beinahe sein ganzes Leben hatte er in den Dienst von anderen gestellt. Nur seiner Familie wegen hatte er letztendlich entschieden, diesen Schritt zu gehen. Doch nun würde er mit Entscheidungen konfrontiert werden, die er in bester Absicht getroffen hatte, stets das Gemeinwohl im Blick, auch wenn ihre Folgen schwer auf seiner Seele gelastet hatten. Alte Schulden, dachte er bitter. Alte Schulden, die doch noch eingetrieben werden.

Dir war doch klar, dass es früher oder später so weit sein würde. Gib’s zu: Du hast bloß gehofft, dass du den Löffel abgibst, ehe die Rechnung fällig wird!

Eine Weile lang hatte es so ausgesehen, als würde diese Strategie aufgehen. Nachdem Präsidentin Nanietta Bacco erfahren hatte, dass Ross in die gewaltsame Amtsenthebung Min Zifes verwickelt gewesen war, hatte sie seinen Rücktritt gefordert. Zu seiner eigenen Überraschung hatte er seinen Ruhestand genossen: Die unerwartete Freiheit und das entspannte Leben mit seiner Frau Stefana hier auf Caldos II hatten ihm gefallen. Auch mit seinem Sohn Zachary hatte er mehr Zeit verbringen können. Zachary war Student an der Columbia University auf der Erde, kam jedoch über die Semesterferien und an Feiertagen zu Besuch. Dann verbrachten Vater und Sohn jeden Morgen zusammen auf dem Tennisplatz hinter dem Haus. Trotz des Altersunterschieds, der (daran erinnerte Zach ihn gern) beinahe vierzig Jahre betrug, konnte Ross sich immer noch gegen seinen Sohn behaupten.

Mit Caldos II hatten sie eine glückliche Wahl getroffen: Als die Borg vor fünf Jahren noch einmal in den Föderationsraum eingedrungen waren, waren Ross und seiner Familie die katastrophalen Auswirkungen weitgehend erspart geblieben. Die einzige Kriegsfolge, die sie hautnah miterlebt hatten, war die Umsiedlung von Überlebenden gewesen, die ihren Heimatplaneten verloren hatten. Viele Bewohner von Caldos II hatten befürchtet, der Flüchtlingsstrom könnte eine unzumutbare Belastung sein, aber die Sternenflotte und die Föderation hatten ganze Arbeit geleistet und durch ihre Unterstützung dafür gesorgt, dass keine Probleme entstanden. Überall auf dem Planeten waren neue Dörfer und Gemeinden erbaut worden, die seit Beginn der Post-Borg-Ära wuchsen und gediehen. Es hatte nicht lange gedauert, bis das Leben auf Caldos II zur Normalität zurückgekehrt war.

Und jetzt? Jetzt würde dieses beschauliche Dasein, das er nach so langer Zeit im Dienst der Sternenflotte endlich für sich entdeckt hatte, ein Ende haben. Konnte er irgendetwas dagegen unternehmen? Ross erwog verschiedene Möglichkeiten, verwarf aber eine nach der anderen. Er hatte gehofft, auf Caldos II in Vergessenheit zu geraten. Der Planet war eine Koloniewelt gewesen, ehe er als vollwertiges Mitglied in die Föderation aufgenommen worden war. Noch immer war er ein Rückzugsort für all jene, die den politischen Machenschaften des 24. Jahrhunderts entfliehen wollten. Er profitierte von regelmäßigen Sicherheitspatrouillen und ziviler Handelsschifffahrt, war aber gerade abgelegen genug, um der Sternenflotte keinen Grund zu geben, einen dauerhaften Stützpunkt zu errichten. Wenn es Ross hier nicht gelingen würde, im Halbdunkel der Geschichte zu verschwinden – was blieb ihm dann noch übrig?

Gar nichts.

Wenn die Berichterstattung auf Tatsachen beruhte – und dass sie auf Tatsachen beruhte, war ihm klar –, konnte er sich nirgendwo verstecken. Man würde ihn aufspüren, so wie alle anderen auch.

Die Nachrichtensprecherin schaute wieder auf ihr Padd hinunter und räusperte sich. Als sie den Blick hob, las Ross eine wilde Entschlossenheit in ihren Augen.

»Mir liegt eine Liste von Personen vor, die in der Vergangenheit mit Sektion 31 zusammengearbeitet haben oder sogar noch zusammenarbeiten. Diese Liste ist … Es ist verstörend, die Namen darauf zu lesen. Bekannte Namen … Namen von Personen, die wir als Helden ansehen, als Bewahrer unserer Ideale. Wenn auch nur ein Bruchteil von dem veröffentlichten Material der Wahrheit entspricht, reden wir hier von einer in ihrem Ausmaß erschütternden Verletzung grundlegender Bürgerrechte sowie der Privatsphäre … Und die Schuldigen sind ausgerechnet diejenigen, die wir damit beauftragt haben, die Werte unserer Gesellschaft zu schützen!«

Die Aufregung würde sich legen. Gerichtsprozesse würden geführt und entschieden werden; die Verurteilten – und das schloss ihn ein – würde man nach Auckland in Neuseeland oder in eine andere Strafkolonie schicken. Und wenn es so weit war, würde sich kaum noch jemand daran erinnern, was er und zahllose andere im Lauf der Zeit an Gutem bewirkt hatten. Ehe die Föderation gegründet worden war – ja, ehe auch nur die ersten Erdraumschiffe die Grenzen des eigenen Sonnensystems überwunden hatten –, hatten Ross’ Vorgänger im Geheimen ihr ganzes Streben darauf gerichtet, die Menschheit davor zu bewahren, Opfer ihres eigenen blinden Idealismus und ihrer Naivität zu werden.

Und manchmal mussten zu diesem Zweck eben moralisch zweifelhafte Maßnahmen ergriffen werden. Ross war nicht immer darüber in Kenntnis gesetzt worden, warum bestimmte Ereignisse in Gang gesetzt worden waren, und anfänglich hatten ihn heftige Zweifel geplagt. Konnte man eine Organisation straffrei operieren lassen, die ebenjene Grundwerte mit Füßen zu treten schien, zu deren Schutz sie abgestellt war? Trotz seiner militärischen Ausbildung, seines Geschicks als Stratege und seiner Tendenz, die meisten Situationen schwarz-weiß zu malen (so war es leichter, sie in den Griff zu bekommen), hatte er sich nicht sofort mit den Methoden von Sektion 31 anfreunden können.

Aber nachdem er jahrzehntelang für die Geheimorganisation gearbeitet hatte – auch und gerade während des Dominion-Krieges –, war ihm klar geworden, welchen ungeheuren Nutzen eine solche Institution haben konnte. War Sektion 31 der Korruption fähig? Natürlich. Jedes Individuum, das unbeaufsichtigt und ohne Rechenschaftspflicht agierte, lief Gefahr, irgendwann dunkleren Regungen nachzugeben. Im übertragenen Sinne galt dasselbe für Gruppierungen. Sektion 31 hatte unleugbar immer wieder gegen die Gesetze der Föderation verstoßen, dabei jedoch auch viel erreicht.

Dank der beharrlichen Bemühungen Ozla Granivs würde nun die Öffentlichkeit darüber urteilen. Ross hatte die Karriere der Journalistin verfolgt und wusste, dass sie schon lange darauf hingearbeitet hatte, Sektion 31 bloßzustellen. Ihretwegen würde sich das Wissen um die guten sowie um die abscheulichen Taten der Geheimorganisation im ganzen bekannten Universum verbreiten. Erfolge, die einst still und heimlich gefeiert worden waren, würden nun den Bürgern der Föderation bekannt gemacht werden. Vielleicht würden sie sogar dankbar sein, wenn sie erfuhren, wie oft sie nichts ahnend um Haaresbreite der Auslöschung entgangen waren …

Natürlich würden sie auch erfahren, welche Maßnahmen ergriffen worden waren, um ihre Lebensweise zu beschützen. Würden die Ergebnisse dann noch eine Rolle spielen? Ross glaubte nicht daran. Er verstand die Leute sogar: Für die meisten war die Verteidigung ihrer Freiheit und Sicherheit nur ein abstraktes Konzept. Dass reale Situationen sich selten so ordentlich und geregelt darstellten wie ein gedankliches Konstrukt und manchmal den Einsatz zweifelhafter Mittel erforderten, konnten sie nicht ertragen, daher blendeten sie es lieber aus und nahmen die Errungenschaften der Gesellschaft, in der sie lebten, einfach als gegeben hin.

Und deshalb würde gar nichts bleiben. Wenn die naive, undankbare Öffentlichkeit mit Sektion 31 und dem Kampf der Geheimorganisation für sie, für die Gesellschaft fertig war, würde sich niemand an die errungenen Erfolge erinnern. Das Vermächtnis von Sektion 31 würde in den Schmutz getreten werden.

»William Ross!«

Ross erschrak, ließ sich aber nichts anmerken und wandte nur den Kopf. Zwei Personen traten auf die Terrasse heraus, die die graue Uniform des Sicherheitsdienstes der Föderation trugen. Die Frau, die seinen Namen gerufen hatte, ließ ihn nicht aus den Augen. Sie schlängelte sich zwischen den besetzten Tischen hindurch, eine Hand auf dem Phaser, der in ihrem Hüftholster steckte. Ihr Partner, ein dunkelhäutiger Mann, kam ebenfalls auf ihn zu. Allerdings war er zur Seite ausgeschert, um sich zwischen Ross’ Tisch und dem Tor zu positionieren, das auf die angrenzende Straße hinausführte.

Ross warf einen raschen Blick über die linke Schulter. Er wusste, dass es ein zweites Tor gab: Von dort aus führte ein Spazierpfad zu einem nahen Park. Zwei weitere Agenten in grauer Uniform flankierten dieses Tor, ein Mensch und eine Vulkanierin.

So komme ich hier nicht raus.

Ihm blieb noch eine letzte Option. Ross schob eine Hand in seine Jacke und tippte den Kommunikator an, den er an sein Innenfutter gepinnt hatte. Es war kein Gerät der Sternenflotte und bot ein paar Funktionen mehr als der Kommunikator, den er einst an seiner eigenen Uniform getragen hatte. Er klopfte mit den Fingerspitzen zweimal dagegen, um das Notfallevakuierungsprogramm zu aktivieren. Es würde ihn zu einem Versteck transportieren: eine kleine Hütte in den Bergen, zweihundert Meilen nördlich von New Glasgow. Seine Flucht war im besten Fall ein Aufschub, aber so würde er wenigstens Zeit haben, seine nächsten Schritte zu planen. Vor allem musste er entscheiden, was er wegen Stefana und Zach unternehmen sollte …

Er hatte erwartet, in die überraschten Gesichter der Sicherheitsagenten zu blicken, während er sich vor ihren Augen auflöste, doch es geschah – nichts.

Was in drei Teufels Namen … Natürlich, eine Transporterabschirmung! Sie haben damit gerechnet, dass ich so etwas versuche. Verflucht!

Hilflos saß Ross auf der Terrasse seines Lieblingscafés und sah der Frau in der grauen Uniform entgegen, die ihren Phaser nun auf seine Brust gerichtet hielt.

»Nehmen Sie sofort die Hand aus der Jacke, Sir!«

Ross streckte der Agentin schweigend beide Hände entgegen, die Handflächen nach oben gekehrt, um ihr zu zeigen, dass sie leer waren.

Die Frau winkte mit dem Phaser. »Bitte stehen Sie auf.«

Ross erhob sich. Der männliche Sicherheitsoffizier trat hinzu und legte ihm Handschellen an. Ross wehrte sich nicht.

»Admiral William Ross«, sagte die Frau und ließ ihren Phaser sinken. »Wir verhaften Sie wegen Verbrechen gegen die Föderation – einschließlich Verrats, Mordes, Verabredung zum Mord, Volksverhetzung und Verabredung zur Durchführung eines Staatsstreichs gegen rechtmäßig gewählte Amtsinhaber der Regierung der Föderation.«

Star Trek - The Next Generation: Vorhandenes Licht

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