Читать книгу Die Magier von Stonehenge Teil II. - Denise Devillard - Страница 8
1. Kapitel Unruhige Tage
Оглавление„Du darfst Mangeniohood ab sofort auf gar keinen Fall mehr ohne mich verlassen, Elisabeth“, sagte Matthew mit ernstem Blick. „Denn ich weiß nicht, was passiert, wenn du es doch tust.“ Elisabeth zog entrüstet ihre Augenbrauen hoch. „Aber ich kann doch nicht mein restliches Leben nur hier verbringen! Dann könnte ich ja nicht einmal mehr meine Eltern besuchen.“ Matthew schüttelte den Kopf. „Aber deshalb musst du doch nicht hinfahren. Sie können doch auch herkommen, das kann nicht das Problem sein. Ich werde mir inzwischen etwas überlegen, aber für die nächste Zeit, muss ich dich bitten, dich strikt daran zu halten.“ Elisabeth schnaubte hörbar. Nur widerwillig antwortete sie: „Nun gut, wenn du meinst, dass es sein muss, dann halte ich mich eben daran.“ Matthew sah ihren missmutigen Blick, setzte sich vor ihr auf den Boden, sah ihr tief in die Augen und sagte leise: „Schatz, es tut mir wirklich leid, aber es geht im Moment nicht anders. Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Samael und Xaphan sind zwar tot, aber ich weiß nicht, was jetzt passieren wird, wenn Paymon davon erfährt, dass ich sie getötet habe. Und ich kann nicht voraussagen, ob das Amulett dich vor einem Dämon wirklich beschützen könnte. Ich weiß es einfach nicht. Mangeniohood ist derzeit der beste Schutz, den wir haben. Deshalb ist es besser, wenn wir es jetzt vorläufig so halten, bis ich einen Weg gefunden habe, wie ich ihn bekämpfen kann.“ „Ok, wenn du meinst“, sagte sie nachdenklich. „Und was willst du jetzt tun?“ „Ich werde mich intensiv den Büchern widmen, denn wenn einer eine Antwort darauf hatte, dann bestimmt Myrddin.“ Elisabeth nickte zustimmend. „Das denke ich auch, ja. Es muss bestimmt einen Weg geben, sie zu vernichten, oder uns wenigstens vor ihnen zu schützen.“ „Bestimmt“, sagte Matthew mit sorgenvollem Unterton. Es war auch seine einzige Möglichkeit, da sein Großvater für ihn nun nicht mehr zur Verfügung stand. Und selbst wenn, wäre er wohl auch der Letzte gewesen, der ihn darüber informiert hätte.
Vier Monate waren seither vergangen und er hatte bis zum heutigen Tag nichts mehr von ihm gehört. Niemand wusste, wo er sich aufhielt, oder ob er überhaupt noch am Leben war. Matthew hatte in Cardiff Castle angerufen, jedoch hatte ihm Henry keine Antwort darauf geben können. Keiner hatte ihn seither mehr gesehen. So hatte Matthew nun niemanden, den er fragen konnte. Er musste sich selbst auf die Suche machen und einen Weg finden, aus dieser unglücklichen und gefährlichen Misere wieder herauszufinden.
„Vielleicht sollten wir uns beide einmal diese alten Bücher genauer ansehen. Ich meine, auch wenn ich nicht alles verstehen kann, aber doch wenigstens Teile davon. Und vielleicht finden wir ja irgendwelche Hinweise, die uns weiterhelfen könnten“, sagte Elisabeth nachdenklich. „Du willst mir helfen?“, fragte Matthew. „Na klar doch. Soll ich denn hier nur rumsitzen und warten bis vielleicht etwas passiert? Da komme ich lieber mit und versuche, dich dabei zu unterstützen so gut ich kann. Zudem kannst du die Sprache noch nicht gut genug, also wirst du mich ohnehin brauchen.“ Matthew nickte nachdenklich. „Das stimmt, so gut kann ich sie noch nicht. Also gut, dann machen wir uns gleich auf den Weg. Besser heute damit anfangen als morgen. Wer weiß schon, wie lange ich dafür noch Zeit habe. Und ich kann nicht einfach nur abwarten, bis etwas geschieht, und hoffen, dass meine Kräfte stark genug sind. Was, wenn sie es nicht sind?“ „Daran will ich gar nicht erst denken.“ Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Aber das muss ich zwangsläufig“, antwortete er mit ernstem Blick. „Ich weiß doch nicht, wie stark er wirklich ist. Ich kann nur davon ausgehen, dass er stärker sein muss als sie, sonst hätte mich mein Großvater kaum dafür gebraucht, ihn zu bekämpfen. Dann hätte er dies bestimmt schon längst alleine getan, wenn das so einfach wäre.“ Elisabeth nickte. „Ja, das ist logisch. Aber vielleicht weiß ja mein Vater eine Antwort darauf.“ Matthew sah sie überrascht an und fragte: „Dein Vater? Warum?“ „Na, weil er vielleicht mehr weiß als ich, wer weiß. Ich habe dir doch erzählt, dass wir einer Gemeinschaft angehören, die seit Urzeiten das Böse zu bekämpfen versuchte. Obwohl ich selbst ja nie etwas damit zu tun hatte.“
Matthew überlegte kurz. „Einen Versuch wäre es sicher wert. Kannst du ihn anrufen und herbitten?“ Elisabeth nickte, stand auf und ging zum Telefon, um ihren Vater anzurufen.
Als sie zurückkam, sagte sie leise: „Er kommt.“ Matthew sah sie an und fragte: „Und wann?“ „In einer halben Stunde.“ „Gut und hast du ihm gesagt, worum es geht?“ „Nein, das sage ich ihm lieber nicht am Telefon. Er weiß doch noch nicht einmal, wer du wirklich bist.“ Ihr sorgenvoller Blick sprach Bände. „Du hast ihm noch nichts davon erzählt?“ Matthew sah sie überrascht an. „Nein.“ „Warum nicht? Hast du etwa Angst, wie er reagieren könnte?“ „Ja, weil er dich einfach noch nicht so gut kennt wie ich. Und außerdem hat sich die passende Situation dafür einfach noch nicht ergeben. Ich kann ihm das ja schließlich nicht mal eben so zwischen Tür und Angel erzählen.“ Matthew wurde sichtlich nervös. „Na, dann bin ich aber gespannt, wie er jetzt darauf reagieren wird, wenn er es erfährt.“ Ihm war gar nicht wohl bei der Sache. Was, wenn ihr Vater es nicht verstehen konnte und ihn verurteilte? Bei Elisabeth war es etwas ganz anderes gewesen, weil sie ihn liebte, aber ihr Vater dachte da vielleicht ganz anders darüber. „Denkst du, er wird es verstehen?“, fragte er sie unsicher. Elisabeths Blick wirkte wenig überzeugend, als sie antwortete: „Das hoffe ich für uns.“
Eine halbe Stunde später fuhr der Wagen ihres Vaters vor. Er stieg aus und umarmte seine Tochter herzlich, die ihn an der Haustür in Empfang nahm. „Hallo Papa!“ „Hallo mein Mädchen! Na, was gibt es denn so Dringendes?“ „Nicht hier Papa, komm erst mal rein!“, sagte sie leise und ging ihm voran ins Wohnzimmer, wo Matthew auf sie wartete.
Matthew erhob sich von der Couch und ging auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. „Hallo Matt, na wie geht es dir?“ Matthew und Elisabeth warfen sich verschwörerische Blicke zu, die ihrem Vater nicht entgingen. Er sah seiner Tochter mit ernstem Blick in die Augen und sagte: „Na komm, sag mir, was los ist! Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt.“ „Papa, setz dich bitte erst einmal hin!“, antwortete Elisabeth leise. Ihr Vater nahm auf der Couch neben ihr Platz und wartete auf eine Antwort. Matthew versperrte die Tür, was ihren Vater noch stutziger machte. „Jetzt sagt mir endlich, was los ist!“ „Ich muss dir etwas erzählen“, begann Elisabeth vorsichtig. Sie warf Matthew einen hilfesuchenden Blick zu und er verstand sofort. „Es geht um mich“, warf er ein. Kevin, ihr Vater, sah ihn verwundert an und fragte: „Was willst du mir sagen?“ Matthew schluckte nervös. „Elisabeth hat mir erzählt, dass ihre Familie ein Geheimnis bewahrt seit vielen Generationen.“ Kevins Miene verfinsterte sich schlagartig. „Du hast ihm davon erzählt? Warum?“ Elisabeth antwortete: „Weil es nicht anders ging Papa. Außerdem sind wir nicht die einzigen, die ein Geheimnis haben.“ „Wie? Was soll das jetzt wieder heißen?“ Ihr Vater wirkte etwas verwirrt. „Kann mich bitte jetzt mal einer von euch endlich aufklären, was hier gespielt wird?“
Elisabeth holte tief Luft und sagte dann leise: „Matthew ist einer von ihnen.“ Ihr Vater sah sie überrascht an und fragte: „Was heißt das?“ Elisabeth schluckte und antwortete ihm: „Er hat gewisse Kräfte.“ Kevin sprang von der Couch hoch und rief entrüstet: „Er ist was?!“ Fassungslosigkeit stand in sein Gesicht geschrieben. „Du willst mir jetzt im Ernst erzählen, dass du einen von denen, die wir seit Jahrhunderten bekämpfen, geheiratet hast?? Wie konntest du das nur tun?!“ Elisabeth versuchte, ihn zu besänftigen, und nahm ihn bei der Hand. „Aber Papa, glaube mir, er ist nicht wie die anderen. Er hat sich geändert.“ Ungläubig und mit finsterem Blick, musterte ihr Vater Matthew. Er hatte Matt noch nicht oft gesehen, und kannte ihn einfach noch zu wenig, um ihn einschätzen zu können. Aber das hatte er nicht geahnt! Kevin antwortete betont beherrscht: „Du bist ein Magier?“ Matthew nickte und antwortete ihm: „Ja, das bin ich. Aber ich weiß, dass selbst auch erst, seit ich nach England gekommen bin.“ Ihr Vater sah ihn misstrauisch an.
Es war unschwer zu erkennen, dass er mit sich selber rang. Nur zu gut wusste er um die Gefahr, die dahinter lauerte. Doch was sollte er jetzt tun? Seine Tochter war bereits mit ihm verheiratet, er konnte daran nichts mehr ändern.
„Gut, dann erkläre mir jetzt ganz genau, wie das begonnen hat.“ Matthew nickte und begann, ihm dann in aller Ruhe seine gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Kevin hatte sich wieder hingesetzt und hörte ihm aufmerksam zu. Er versuchte, wirklich ruhig zu bleiben und die Situation zu verstehen, was ihm aber nur bedingt gelang.
Elisabeth saß ganz still daneben und hoffte, dass ihr Vater es besser verstehen würde, wenn er seine ganze Geschichte kannte.
Matthew beendete seine Geschichte mit dem Satz: „Ich kann mir denken, dass dir das nicht leichtfallen wird, aber ich habe mich wirklich geändert. Ich hoffe, dass du mich verstehen kannst und mich jetzt nicht gleich verdammst.“
Mit sehr ernstem, nachdenklichem Blick saß Kevin ihnen gegenüber und sagte eine Weile kein Wort. Er fühlte sich hintergangen und verraten. Seine eigene Tochter hatte ihm die Wahrheit verschwiegen! Gerade von ihr hatte er das nicht erwartet. Das musste er erst einmal verdauen. Er überlegte, was nun zu tun war, und betrachtete Matthew eingehend mit prüfendem Blick. Konnte er ihm wirklich trauen? Oder war dies alles nur ein sehr ausgeklügelter Schachzug ihrer alten Gegner?
Elisabeth unterbrach die Anspannung, die im Raum lag wie eine dicke, schwere Gewitterwolke. „Komm schon Papa, du kannst mir wirklich glauben! Matthew ist einer von den Guten. Er steht auf unserer Seite! Du kannst ihm genauso vertrauen wie mir.“ Kevin schüttelte misstrauisch den Kopf. „Ich weiß nicht so recht.“ Er fuhr sich nervös durch sein schon etwas schütteres Haar. Das war alles ein wenig zu viel auf einen Schlag. „Was, wenn das alles nur ein sehr gut durchdachter Plan von ihnen ist? Das wäre doch denkbar.“ Elisabeth schüttelte vehement den Kopf und machte noch einen letzten Versuch, ihn zu überzeugen. Doch sie ahnte schon, dass es hoffnungslos war. „Aber nein, glaub mir doch bitte. Er gehört nicht zu ihnen! Und er braucht jetzt deine Hilfe!“ Ihr Vater ignorierte ihre inständige Bitte, erhob sich stumm und verließ das Haus.
Matthew und Elisabeth sahen sich sehr beunruhigt und ratlos an. „Was machen wir jetzt?“ „Warten wir es ab. Vielleicht braucht er einfach nur Zeit, um darüber nachzudenken“, sagte sie nachdenklich. „Ok, aber was ist, wenn er nicht damit leben kann?“ Sein Schwiegervater hatte auf ihn nicht gerade den Eindruck gemacht, als ob er es irgendwann akzeptieren könnte. „Daran will ich gar nicht erst denken. Wir sollten lieber darauf vertrauen, dass er erkennen kann, wer und wie du wirklich bist.“ Sie nahm zärtlich seine Hand in die ihre und sagte: „Lass ihm ein wenig Zeit, Schatz. Ich denke, er wird sich schon wieder beruhigen.“ „Das hoffe ich, sonst haben wir noch ein Problem“, sagte Matthew. Er war sehr beunruhigt durch die ganze Situation, die sich innerhalb weniger Wochen stark verändert hatte. Irgendwie hatte er kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Gleichzeitig lief ihm die Zeit davon. Er wusste, dass Paymon jederzeit zuschlagen konnte. Und er würde nicht zögern, sich zu rächen, wenn er die Möglichkeit dazu bekam. Das war ihm völlig bewusst.
Nachdem ihr Versuch, ihren Vater um Hilfe zu bitten, fehlgeschlagen war, hatten sie beschlossen, sich gleich auf den Weg zu machen, um keine Zeit zu verlieren. Sie nahmen ihre Pferde und machten sich auf den Weg. In Myrddins Versteck angekommen, versuchten sie, Hinweise in seinen Aufzeichnungen zu entdecken.
Stunde um Stunde verstrich. Sie waren so damit beschäftigt, die Bücher zu durchsuchen, dass sie gar nicht bemerkten, wie spät es schon geworden war. Matthew hatte noch ein wenig Probleme, diese uralte Sprache zu verstehen, deshalb war er unabdingbar auf sie angewiesen. Immer, wenn er meinte, ein Wort gefunden zu haben, das vielleicht ein Hinweis sein konnte, zeigte er nur mit dem Finger darauf und sah sie fragend an. Aber sie schüttelte jedes Mal nur mit dem Kopf und Matthew suchte enttäuscht weiter.
Matthew machte sich große Sorgen. Er wusste nur zu genau, in welch großer Gefahr sie nun schwebten. Wenn er nicht bald einen Weg fand, Paymon effektiv zu bekämpfen, hatten sie so gut wie keine Chance gegen ihn. Sie konnten sich nicht für immer hier verstecken. Fieberhaft durchsuchte er die alten Schriften. Schließlich trug er allein die Schuld an dieser prekären Situation, die ihrer beider Leben nun bedrohte. Dabei ging es ihm gar nicht um sein eigenes Leben, nein, er dachte dabei nur an seine geliebte Frau, die er um jeden Preis beschützen wollte. Er betrachtete sie still von der Seite, wie sie über den alten Texten saß und grübelte. Sie hatte in seinem Herzen einen Stellenwert eingenommen, den kein Mensch zuvor je erreicht hatte. Ihre Liebe hatte aus ihm einen völlig anderen Menschen gemacht. Matthew mochte nicht einmal daran denken, dass er sie verlieren konnte. Es musste einfach einen Weg geben! Er schob die düsteren Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder ganz auf das Buch, das vor ihm lag. Jedes dieser Bücher umfasste Hunderte Seiten alten, leicht vergilbten Papiers. Die Stunden vergingen wie im Flug.
„Ich glaube, wir sollten es für heute lassen, Matthew. Es ist schon sehr spät geworden und morgen ist ja auch noch ein Tag.“ Elisabeth wirkte müde. „Ich kann mich auch gar nicht mehr so gut konzentrieren, das bringt heute nichts mehr.“ Matthew nickte stumm und ein wenig enttäuscht. „Ja, da hast du recht, lass uns gehen!“
Als der Felsen sich hinter ihnen schloss, umfing sie die Dunkelheit der Nacht, die längst hereingebrochen war. Der Mond war überschattet von finsteren Wolken und spendete nur zaghaft sein Licht. Eine schier undurchdringliche Stille lag über dem nachtschwarzen Wald. Nicht einmal ein Käuzchen war zu hören. Mit wachsamen Augen sah sich Matthew um, bevor sie sich auf die Pferde schwangen und zurück ritten. Auch wenn er wusste, dass Mangeniohood geschützt war, Paymon war ein starker Gegner und wer weiß, ob er nicht eines Tages einen Weg finden würde, diesen Schutz zu durchbrechen.
Matthew starrte nachdenklich an die Decke, als sie später nebeneinander im Bett lagen. Sie spürte seine düsteren Gedanken und sagte leise: „Mach dir keine Sorgen um mich, Schatz. Bestimmt wird alles gut werden.“ Er zog sie liebevoll in seine Arme und küsste sie sanft. „Ich hoffe sehr, dass du recht behältst. Schlaf jetzt, Liebes.“
Auch als sie schon lange eingeschlafen war, ließ er sie keine Sekunde aus seinen Armen, als hinge alles nur davon ab. Die Angst, sie zu verlieren, saß ihm seither ständig im Nacken. Er ahnte, dass Paymons Rache wohl zuerst auf das abzielen würde, was ihm am Liebsten war. Und das war eindeutig Elisabeth. Er würde alles dafür tun, um das zu verhindern.
„Guten Morgen, Matt“, flüsterte sie leise in seine Richtung, als sie erwachte. „Hast du gut geschlafen?“ „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Die ganze Situation lässt mir momentan einfach keine Ruhe. Ich mache mir wirklich große Sorgen, Elisabeth.“ Sie setzte sich auf, nahm sein Gesicht in ihre Hände, sah ihm ganz tief in die Augen und sagte: „Aber wenn du diese Sorgen überhandnehmen lässt, dann zehrt das auch an deinen Kräften und ändert nichts zum Besseren. Du musst schlafen, du brauchst deine Kraft, um weiterzumachen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich ein Weg finden wird. Hab doch ein wenig Vertrauen.“ Matthew war sehr müde nach der langen Nacht, in der er sich intensiv Gedanken gemacht hatte, was er tun konnte. Er war kein Stück weitergekommen, aber er spürte instinktiv, dass Elisabeth recht hatte. Und seine Kräfte waren derzeit alles, worauf er sich im Moment verlassen konnte. „Es ist ja noch sehr früh, versuch doch, noch ein wenig zu schlafen, Matt!“ Er nickte erschöpft, drehte sich auf die Seite und versuchte, an schönere Dinge zu denken, damit er einschlafen konnte.
Die Schwere der Müdigkeit tat letztlich ihr Übriges. Nach einiger Zeit tiefen ruhigen Schlafes, fand er sich plötzlich in einem seltsamen Traum wieder.
Vor ihm lag eine kleine Waldlichtung. Ringsum war alles dicht verwachsen und kein Weg erkennbar. Matthew wunderte sich, was er hier sollte. Es war so still, dass er seinen eigenen Atem hören konnte. Nicht einmal Tiere waren zu hören in dem nächtlichen Wald, der ihn umgab. Doch plötzlich erhob sich ein kleiner, fahler Lichtschein, der, aus der vor ihm liegenden Richtung zu kommen schien. Langsam bewegte er sich darauf zu, um dessen Ursprung zu erkunden. Als er am Ende der Lichtung angekommen war, geschah etwas Seltsames. Bei jedem Schritt, den er setzte, wichen die Bäume und Sträucher, die ihm zuvor den Weg versperrt hatten zurück. So gaben sie ihm Schritt für Schritt einen Weg frei, der zuvor nicht erkennbar gewesen war.
Matthew war ein wenig nervös, weil er nicht wusste, was der Grund für seine Anwesenheit hier war. Ihm war bewusst, dass er schlief, und schien dennoch gleichzeitig hellwach. Wer zum Teufel hatte ihn hierhergebracht? Ausgerechnet jetzt, wo er doch seinen Schlaf so dringend brauchte. Stirnrunzelnd und ein wenig verärgert, ging er dennoch weiter. Wenn ihn jemand seines Schlafes beraubte, musste es bestimmt äußerst wichtig sein.
Nachdem er eine Zeit lang den schmalen Pfad entlang gegangen war, kam er plötzlich an eine weitere kleine Lichtung, auf der eine alte Holzhütte stand. Er sah den Rauch, der aus dem halb zerfallenen Kamin aufstieg, und hielt darauf zu. Als er dann vor der geschlossenen Türe stand, hielt er kurz inne, atmete tief durch und wappnete sich innerlich. Er musste mit allem rechnen, auch mit Paymon. Obwohl das eigentlich nicht gerade zu ihm passen würde, aber er musste sehr vorsichtig sein, in seiner derzeitigen Situation. Angespannt und die rechte Hand bereit zum Kampf, öffnete er die knarrende alte Tür. Sein Blick fiel zuerst auf den Kamin, in dem ein Feuer brannte. Aus dem Kessel, der über dem Feuer hing, strömte ein eigenartiger Duft, der die ganze Hütte durchzog. Matthew spürte sofort, dass er nicht allein war, drehte sich abrupt um, und erblickte das von tiefen Furchen durchgrabene Gesicht eines alten Mannes, der plötzlich hinter ihm stand. „Schön, dass du gekommen bist, Matthew“, sagte der Alte mit rauer Stimme, die jedoch freundlich wirkte. „Wer sind sie?“, entgegnete Matthew etwas unsicher. „Das weißt du wirklich nicht?“, fragte ihn der Alte merklich belustigt. Matthew schüttelte den Kopf. „Komm, setz dich zu mir ans Feuer, mein Junge“, sagte der Alte ruhig, und verwies auf den Stuhl, der vor dem Kamin stand. Matthew musterte sein Gegenüber eindringlich. Lange, antike Kleider verhüllten den Alten, und sein schlohweißer Bart war so immens lang, dass er sogar seine Knie bedeckte. Man sah, dass er ein sehr hohes Alter erreicht hatte. Sein Gesicht wirkte müde und verhärmt, aber seine blauen Augen waren hellwach und wirkten listig und klug zugleich. Als er ihn so betrachtete, fiel es ihm urplötzlich wie Schuppen von den Augen. Überrascht fragte er: „Myrddin? Bist du Myrddin?“ Der Alte nickte stumm und wandte sich seinem Kessel zu, in dem er offenbar Kräuter zubereitete. Da sprudelte es nur so aus Matthew heraus. „Oh Myrddin, ich habe so viele Fragen, die du mir unbedingt beantworten musst, ich…“ Matthew war sehr aufgewühlt und konnte es kaum fassen. Damit hatte er niemals gerechnet. Der Alte nahm den Blick nicht von seinem Kessel, hob nur Einhalt gebietend die Hand, und sagte: „Warte.“ Matthew verstummte augenblicklich und sank in sich zurück auf seinem Stuhl. Er hatte so viele Fragen, die ihm nur er beantworten konnte, doch er hatte zu viel Respekt vor dem Meister, dass er es nicht wagte, sich seinen Anweisungen zu widersetzen.
Myrddin sah ihm direkt in die Augen und sagte: „Mein Junge, ich weiß sehr genau, was in dir vorgeht. Aber ich kann dir deine Fragen nicht alle beantworten, da du vieles davon selbst herausfinden und dadurch lernen musst. Auch ich ging eines Tages einen Weg, der sehr gefährlich war. Und ich habe lange gebraucht, um die Wahrheit zu finden. Er machte eine kurze Pause, räusperte sich und fuhr dann fort. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass du den Anfang der Dinge erfährst, damit du besser verstehen kannst. Vor langer Zeit gab es eine ganze Reihe von Magiern wie uns. Sie waren dazu ausersehen worden, den Menschen zu helfen, sie zu heilen, und das Böse in der Welt zu bekämpfen. Doch sie missbrauchten ihre Gabe, und viele verschworen sich der schwarzen Magie, verschafften sich damit nur eigene Vorteile, und bekämpften sich am Ende gegenseitig. Jeder von ihnen wollte die Macht alleine in Händen halten. So töteten sie ihre Rivalen grausam und auf brutalste Weise. Es gab nur noch wenige aus unseren Reihen, die den alten Regeln treu geblieben waren und den Angriff unserer Gegner auch überlebt haben. Doch über die Zeit starben sie alle durch ihre Gegner im Kampf, und ihr Wissen geriet in falsche Hände. Die Magier, die es sehr viel später, nach meiner Zeit noch gab, waren in der Mehrzahl nur habgierige, bösartige Schwarzmagier, die es vorzogen, die Menschen in die Irre zu führen. Ihnen ging es einzig darum, ihre Macht zu vergrößern und die Menschen zu manipulieren. So wie man es auch dich gelehrt hat.“
Matthew nickte nachdenklich. Myrddin hatte völlig recht damit. Auch er hatte lange gebraucht, um zu erkennen, dass der Weg, auf dem er sich befand, der falsche war. Erst als er gespürt hatte, dass das Böse über ihn die Oberhand gewann, war ihm immer mehr bewusst geworden, dass er so nicht weitermachen konnte. „Das Amulett nicht wahr?“, fragte ihn der Alte wissend. Matthew nickte nur stumm. Ihm brauchte er wohl nichts mehr erklären. Myrddin wusste offensichtlich ganz genau, wovon er sprach und auch, was ihn ihm jetzt vorging. Als hätte er seine Gedanken lesen können. „Ich weiß es deshalb, weil ich denselben Weg gegangen bin, Matthew. Es hat sehr viele Jahre gebraucht, damit ich verstehen konnte, wozu wir eigentlich berufen sind. Die Geschichten, die über mich erzählt werden, sind nur zum Teil wahr. Da wurde Matthew hellhörig. „Was genau?“, fragte er. Der Alte räusperte sich und versuchte sichtlich, ihm eine Hilfestellung zu geben, ohne zu viel zu verraten. Matthew musste es selbst herausfinden. Nur wenn er es am eigenen Leib erfuhr, würde er es auch glauben und erkennen. Es war ihm nicht erlaubt, ihm alles zu sagen. Er selbst war nur derjenige, der dem jungen Magier kleine Hinweise geben durfte.
„Aber was ist mit den Zeichen bei den Steinen in Pembroke? Was bedeuten sie?“, fragte Matthew wissbegierig.
Myrddins Blick verfinsterte sich sorgenvoll, als er antwortete: „Genau das ist das alte Tor zu dem Versteck der Schwarzmagier. Du musst sie aufhalten! Alles hängt zusammen! Ihr einziges Ziel ist es, die Welt ins Chaos und Verderben zu stürzen!“ Matthew spürte, dass der Alte große Hoffnung in ihn setzte, und wollte ihn nicht enttäuschen.
„Aber den Zugang habe ich damals nicht gefunden. Meine Zaubersprüche waren dort wirkungslos“, antwortete ihm Matthew nachdenklich. Myrddin strich bedächtig über seinen langen, weißen Bart und sagte: „Ich weiß Matthew. Man hat dich nicht alles gelehrt, da du ihnen nicht die Treue geschworen hast. Suche nach meinem letzten Buch. Es ist in schwarzes Leder gebunden. Es wird dir den Weg zur Wahrheit weisen! Nutze dazu meinen Ring und den Mantel! Mein Stab wird dich schützen auf deinem Weg dorthin!“
„Aber ich“…….
Matthew wollte ihm gerade noch antworten, als er plötzlich unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. „Matt, wach auf!“, rief Elisabeth und rüttelte ihn. „Du hast im Schlaf laut geschrien! Was ist los?“
Er richtete sich verwirrt im Bett auf und starrte sie an. „Ich habe was? Aber das kann doch gar nicht sein, ich habe gerade von Myrddin geträumt.“ Der überraschte Blick Elisabeths machte ihm bewusst, was er gerade gesagt hatte. Myrddin? Er schüttelte verwirrt den Kopf und war sich nicht mehr sicher, ob all das doch nur ein verrückter Traum gewesen war. Waren sein Wunschdenken und seine Sorgen wegen Paymon schon so groß, dass sein Unterbewusstsein solche Träume heraufbeschwor, aufgrund des starken Wunsches nach Antworten und Hilfestellung? Matthew musste sich eingestehen, dass dies leicht möglich war. Er konnte deshalb alles, was er gerade gesehen und gehört hatte, nicht für bare Münze nehmen. Dennoch blieb in seinem Hinterkopf eine zarte Hoffnung bestehen.