Читать книгу Observiere undercover die Polizei - Denise Remisberger - Страница 3
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ОглавлениеLisa stand am hohen Fenster ihrer alten Tessiner Villa und schaute interessiert ins Badezimmer ihres Nachbarn von gegenüber. Er hatte sein Fenster offen gelassen und tat so, als fühlte er sich nicht beobachtet. Er war Polizist.
Natürlich benutzte Lisa für ihre tägliche Observation ein gutes, etwas zu schweres Fernrohr für ihr fortgeschrittenes Alter und ihre magere Statur, das sie jeweils mit beiden Händen hochhielt, die Kugel grauweissen Haares auf dem Kopf wippend ob ihrer Anstrengung.
Sie musste aufpassen, dass der Druck des Fernrohrs nicht ihre Kontaktlinsen verschob. Auch im Alter wollte sie keine Brille haben.
Sergio, der Polizist, stand vor seinem Badezimmerspiegel und verkleidete sich als Ganove: halblange schwarze Perücke, senfgelb-giftgrün kariertes Jackett, schwarz-rote Plastiksonnenbrille, sieben goldfarbene Ringe auf beide Hände verteilt, drei goldene Kettchen am rechten Handgelenk und um den Hals, sowie eine enorme, absolut lausige Fälschung einer Rolex.
Den grimmigen Blick sollte er noch ein bisschen einüben, doch er hatte keine Zeit, er musste an die Arbeit.
Lisa wandte sich vom Fenster ab, legte das unhandliche, aber nützliche Fernrohr in eine Schublade, strich ihr langes olivfarbenes Seidenkleid glatt und platzierte ihre Füsse von Neuem in den flauschigen Pantoffeln, in Ocker gehalten und mit je einem Bommel in der Mitte.
Sie fühlte sich wohl in ihrem grossen Haus mit dem abbröckelnden Putz und dem palmenbestückten Garten drum herum.
Elvira wohnte in einem zweistöckigen modernen Appartementhaus zuoberst, unter sich Sergio, den Polizisten, und im Parterre zwei Musiker, Alfredo und Pietro, die den Keller als Übungsraum benutzten.
Sie spielten Grunge, trugen ihre Haare lang bis zu den Hüften und bevorzugten betont andere Jeans als der Rest der Menschheit. Ihre T-Shirts waren mit dem eigenen Bandnamen "Legalize Whatever" beschriftet, ihre Mäntel schwangen im adäquaten Rhythmus um sie herum und ihre Kopfbedeckungen lösten immer wieder Erstaunen aus.
Elviras Katze miaute unüberhörbar und stand, ganz schwarz-weiss getupftes Fellknäuel und anklagende dunkle Augen, neben ihrem leer gegessenen rosaroten Napf und wollte sofort eine zweite Portion.
"Du überisst dich!", mahnte Elvira.
Sassa war nicht derselben Meinung und miaute herzerweichend weiter, bis ihr Napf nochmals aufgefüllt wurde.
Dass es ein bisschen weniger war als die erste Ladung, kommentierte die Süsse mit einem extra stinkigen Furz. Dann ass sie.