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Zwischenmenschlicher Verkehrsfluss

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Öffentliche Verkehrsmittel sind eine feine Sache, vor allem für die Umwelt. Vom Faktor Geld mal ganz abgesehen. Auch wenn es einem jeden Monat die Tränen in die Augen treibt, was der jeweilige ÖPNV für eine Monatskarte nimmt, kommt man damit doch meist deutlich besser weg als mit einem eigenen Auto, das die Straßen noch mehr verstopft als das ohnehin schon der Fall ist.

Der Vorteil beim Auto ist, ganz klar, dass man alleine ist. Man kann die Musik so weit aufreißen, wie man will, man braucht sich keine Gedanken darüber machen, ob andere bemerken könnten, dass man vergessen hat, ein Deodorant zu benutzen, man kann rauchen, wenn einem danach zumute ist usw.

Die Tatsache, dass man trotz der Abgeschiedenheit innerhalb des eigenen Wagens mitnichten alleine unterwegs ist, dieser Umstand aber irgendwie einigen Menschen nicht klar ist und die daraus resultierenden Probleme werden im nächsten Kapitel beschrieben.

Hier geht es erst einmal um öffentliche Verkehrsmittel. Bei Reisen in Bus, Straßenbahn, der S- und der U-Bahn gilt: Auch hier ist man nicht alleine, auch hier gibt es noch andere Menschen. Und zwar eine Menge. Das sollte einem nach der ersten Woche aufgefallen sein, entsprechend könnte man seine Handlungsweise darauf einstellen.

So ist es zum Beispiel so, dass zwei Menschen nebeneinander auf diesen Bänken in Bussen und Bahnen sitzen können, auf den hinteren meistens fünf.

Jetzt gibt ein psychologisches Phänomen, das sich "Distanzzone" nennt und den optimalen Mindestabstand zwischen zwei Menschen im täglichen Leben definiert, bevor es unangenehm wird. Man unterscheidet zwischen:

1) Gesellschaftliche Distanz

Menschen, die man nicht kennt und denen man vielleicht auch gar nicht zu nahe kommen möchte. Der optimale Abstand beträgt hier mindestens 2-3 Meter, die Skala ist nach oben offen. Je weiter weg, desto besser.

2) Persönliche Distanz

Freunde, Bekannte und Kollegen dürfen auch gerne mal bis zu einem Meter an einen ran. Spätestens, wenn man sich begrüßt, geht das auch nicht anders. Wichtig ist hier, dass man den anderen zumindest ansatzweise kennt und auch sympathisch findet.

3) Intime Distanz

Diese Kategorie ist sehr guten Freunden, der eigenen Familie und Partnern vorbehalten und der Abstand beträgt nur noch einen halben Meter oder noch weniger, je nachdem, was man gerade vorhat.

Rein theoretisch müsste man also eine Menge sehr guter Freunde haben, wenn man morgens in die Bahn steigt. Das ist aber leider nicht so. Situationen wie der morgendliche Berufsverkehr fallen nämlich genau genommen unter die 'Gesellschaftliche Distanz'-Ebene, weil man 99,99 Prozent aller Menschen dort nicht kennt.

Es ist also normal, dass man sich einen Platz sucht, wo man möglichst alleine sitzt und den Rest der Leute ein wenig meidet. Das ist der Grund, warum zuerst immer alle Vierergruppen mit einer Person besetzt sind, und zwar am Fenster. Danach füllt sich das Ganze dann langsam auf. Diese großzügige Verteilung funktioniert aber nur so lange, wie die Bahn oder der Bus einigermaßen leer ist. Spätestens im besagten Berufsverkehr wird diese Grenze regelmäßig unterschritten.

Psychologisch ist diese Situation also ein wenig unangenehm, weil unnatürlich, keine Frage. Aber auch dies ist kein Umstand, der überraschend eintritt. Das passiert jeden Morgen, man könnte sich also daran gewöhnen. Jedoch sind einige Menschen der Meinung, dass die Distanz zum Nächsten niemals die 2 Meter Marke unterschreiten darf, egal wie voll es ist.

Da wird ignoriert, dass es rein aus dimensionalen Gründen nicht funktioniert, seine Beine auszustrecken. Da befinden sich nämlich meist die Beine des Gegenübers, und auch wenn viele Wissenschaftler an dem Problem arbeiten, so ist es leider immer noch nicht möglich, dass sich zwei Gegenstände am selben Ort zur selben Zeit befinden, ohne kurze Zeitreisen oder Dimensionsverschiebungen durchzuführen.

Auch ausladendes Zeitunglesen und dergleichen ist nicht drin, genauso wenig wie den Rucksack auf dem Rücken behalten, sich dann während der Fahrt regelmäßig hin und her drehen, um alle um sich herum ein wenig zur Seite zu schieben oder das Ding jemandem kräftig ins Kreuz zu rammen.

Es werden aber auch gerne Hilfsmittel verwendet, um die anfangs angesprochene Distanz aufrechtzuerhalten. Bestes Beispiel dafür sind Taschen aller Art.

Allgemein gilt: Taschen müssen nicht sitzen.

Sie können es gerne tun, wenn der Platz da ist, meinetwegen kann man sie auch zudecken und anderweitig hegen und pflegen und beschützen. Die Tasche neben sich liegen zu haben hat außerdem den Vorteil, dass man besser ran kommt, keine Frage. Das ist wie gesagt auch in Ordnung, wenn es die Situation erlaubt, aber diese kleinen persönlichen Transportbehältnisse fühlen sich genauso wohl, wenn sie zum Beispiel auf dem Boden abgestellt oder, wenn man Angst hat, das gute Stück könnte dreckig werden, auf dem eigenen Schoß gelagert werden. Im Falle von Einkaufstüten (die können dann ruhig dreckig werden, die Lebensmittel sind meistens noch extra verpackt), bietet sich der Platz zwischen den Füßen an.

Es gibt also keinen Grund, das allmorgendliche Gedränge noch ein bisschen zu verstärken, indem man ca. 5 Prozent der vorhandenen Sitzplätze mit seiner Tasche blockiert, obwohl sich bereits 27 Leute gegenseitig auf die Füße treten.

Passiert aber jeden Tag. Die Dinger werden von diesen Leuten oftmals auch erst weggenommen, wenn man sie laut und deutlich anspricht. Murrend und mit einem giftigen Blick wird dann die gute Gucci-Imitation beiseite geschoben, um den Platz freizumachen.

Aber auch hier: Pennen kann jeder mal. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn man mal einnickt oder gerade völlig geistesabwesend aus dem Fenster guckt oder das Ganze aus anderen Gründen einfach nicht mitkriegt, so steckt oftmals keine böse Absicht dahinter. Entsprechend ist das Letzte, das man jetzt machen sollte, sich einfach auf besagte Tasche oder den Rucksack zu setzen. Auf diese Weise unterstützt man im Zweifelsfalle tatkräftig die eigene Haftpflichtversicherung, aber eine kurzes Ansprechen oder auch Antippen der Person ist meistens völlig ausreichend und führt zum gewünschten Erfolg und alle sind zufrieden.

Das 'Auf die Tasche setzen' passiert übrigens auch gerne, wenn eigentlich gar kein Grund dafür existiert. Auch wenn in der näheren Umgebung sechs Plätze frei sind, kann man Wetten darauf abschließen, dass sich irgendein Depp genau da hinsetzen möchte, wo man gerade seine Tasche platziert hat.

Der Grund für dieses Verhalten ist wahrscheinlich, dass auf den anderen freien Plätzen Kontaktminen oder etwas Vergleichbares vermutet werden. Dort, wo bereits eine Tasche liegt, kann man sich gefahrlos hinsetzen, weil dieser Platz offensichtlich bereits entschärft wurde. Das Prinzip ist das gleiche wie auf der Autobahn. Da hält sich auch hartnäckig das Gerücht, die rechte Spur sei voller Nägel. Da darf man nicht fahren. Völlig egal, wie viel Platz da ist.

Bevor es allerdings zu den gerade beschriebenen Situationen kommt, muss man noch ein anderes Hindernis überwinden. Man muss erst einmal rein in den Wagen bzw. raus.

Es folgt ein kleiner Exkurs.

Als ich vor einigen Jahren in Hongkong war, fragte ich mich anfangs regelmäßig, ob ich blöde bin oder die Chinesen, oder ob das Phänomen der unglaublich häufigen Piktogramme und Hinweise an der doch sehr unterschiedlichen Kultur liegt, und bin schnell zu dem Schluss gekommen, dass Letzteres der Fall ist, das Ganze für einen Westeuropäer aber einigermaßen gewöhnungsbedürftig ist.

So ist es in Hongkong beispielsweise nicht unüblich, dass man an der vertikalen Seite einer Stufe am Anfang der Treppe (dort, wo hierzulande oftmals immer noch Hinweis 'Vorsicht, Frisch Gebohnert!' steht) den Hinweis findet: "Mind the Step!" (Vorsicht Stufe).

Sinnvoll, jedenfalls für die Leute, die gerade ein wenig träumerisch durch die Gegend laufen. In den USA würde ich das sogar erwarten, weil dort vom unmündigen Bürger ausgegangen wird und man den Erbauer der Treppe verklagen könnte, wenn man über eben diese erste Stufe stolpert und nicht darauf hingewiesen wurde, dass sie existiert. Diesen Hinweis jedoch auf jede zweite Stufe zu schreiben, und zwar bis ganz nach oben, halte ich immer noch für ein wenig übertrieben. Und wir reden hier von 26 Stufen.

Genauso befremdet war ich von den Piktogrammen auf den öffentlichen Hongkonger WCs, die einem erklären, dass man sich nach Benutzen der Örtlichkeiten doch bitte die Hände waschen möge und dann mittels mehrerer Bilder auch anschaulich erläutern, wie dieser Vorgang im Einzelnen funktioniert. Aber die Chinesen sind auch der Meinung, dass frisches Obst bei Erkältung eher ungesund ist, sondern die beste Kur in einem kräftigen Süppchen besteht, deren Hauptzutat Fleisch ist, das eine Stunde lang schön weich gekocht wurde.

All das habe ich aber eher schmunzelnd zur Kenntnis genommen und unter der Rubrik 'Andere Kulturen = Andere Sitten' abgespeichert.

Ins Grübeln bin ich gekommen, als ich mit der Hongkonger U-Bahn gefahren bin. Nicht nur, dass sie wesentlich häufiger fährt als hierzulande (geht auch nicht anders bei derartigen Menschenmassen), nein, das Ganze geht auch deutlich gesitteter und zügiger zu als beispielsweise in Hamburg.

Der Grund ist einfach: Auf dem Bahnsteig befinden sich dort, wo sich bei einem stehenden Zug die Türen befinden werden, links und rechts von dieser Fläche kleine diagonale Pfade, die gut sichtbar markiert sind und in deren Mitte ein Pfeil in Richtung der Tür bzw. der Bahn zeigt. Von diesen kleinen Pfaden gibt es insgesamt vier, jeweils zwei links und zwei rechts von der Tür. Sinn der Sache ist, dass man sich:

a) innerhalb der markierten Pfade in einer ordentlichen Schlange anstellt

b) so hinstellt, dass man die aussteigenden Menschen nicht behindert (neben und diagonal weg von der Tür) und

c) dabei in die richtige Richtung hinstellt, sodass man sehen kann, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, nun selbst den Wagen zu betreten (Pfeil).

Ich hielt das ganz damals für etwas übertrieben (den Pfeil halte ich immer noch für etwas übertrieben), aber man muss eines sagen: Es funktioniert. In drei Wochen war ich nicht einmal Zeuge eines Verhaltens, das ich hierzulande jeden Tag beobachten kann und das mich regelmäßig zu Weißglut treibt:

Die U-Bahn fährt ein. Zugegebenermaßen ist man morgens um 8 oftmals ein bisschen langsam im Hirn, aber nach mehreren Jahren sollte sich der oben angesprochene Langzeit-Lerneffekt eigentlich irgendwann einstellen, denke ich jedes Mal. Tut er aber irgendwie nicht. Jeden Morgen passiert das selbe:

Der Zug fährt ein, hält an, die Türen gehen auf, und die Menschen steigen ein und aus. Problem: Sie tun das mehr oder weniger gleichzeitig und völlig ungeordnet.

Die richtige Reihenfolge wäre es – wie in Hongkong – die bereits im Wagen befindlichen Fahrgäste erst aussteigen zu lassen, um dann durch Einsteigen den so frei gewordenen Raum selbst problemlos in Anspruch nehmen zu können.

Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass der Wagen weder irgendwann aufgrund von zu vielen Leuten auseinander platzt, noch die darin befindlichen Menschen einen qualvollen Erstickungstod erleiden, sondern immer genug Platz vorhanden ist, um sich wenigstens hinstellen zu können. Interessanterweise passiert das erstaunlich selten (nicht das Hinstellen. Die Reihenfolge. Das Hinstellen passiert sogar sehr regelmäßig).

Wenn hierzulande die Bahn einfährt, bilden sich als allererstes recht ungeordnete Menschentrauben dort, wo wahrscheinlich später einmal die Tür stehen bleiben wird. Das liegt zugegebenerweise daran, dass die Bahn in Hongkong wirklich auf den Punkt genau anhält, während hierzulande ein Spielraum von drei Meter fünfzig nicht unüblich ist, solche Phänomene wie Kurzzug mal außer Acht gelassen. So weit so gut. Wenn die Tür dann aufgeht, passieren in 50 Prozent aller Fälle zwei Dinge:

Fall 1:

Ungefähr 14 Leute wollen aussteigen. Diese 14 Menschen sind meistens so intelligent zu realisieren, dass sie maximal zu zweit zeitgleich aussteigen können, die Breite der Tür gibt einfach nicht mehr her. Kinderwagen, Räder und dergleichen machen das ganze noch enger. Bevor diese 7 Pärchen nun den Wagen verlassen haben, sodass der Pulk der Wartenden bequem einsteigen könnte, denken ein bis zwei der Wartenden, dass das alles viel zu dauert, und quetschen sich kurz nach dem 5. Pärchen vorbei an dem 6. Pärchen (spätestens aber noch kurz vor dem 7.) in den Wagen, was zu einem ziemlichen und völlig unnötigen Gedränge führt.

Bis hier könnte man noch sagen, dass der Rest der Menge ja nichts für diesen einen Idiot kann. Jetzt setzt aber zusätzlich auch noch der Lemminge-Effekt ein.

Kennen Sie nicht?

Am häufigsten zu erleben an roten Fußgängerampeln. Weit und breit ist kein Auto zu sehen und es stehen 10 Menschen an Straße und warten auf Grün. Mittlerweile hat der Gruppenzwang eingesetzt und keiner traut sich, als Erster gegen die Straßenverkehrsordnung zu verstoßen. Sobald jetzt aber die erste Person los geht (ist meisten jemand, der neu hinzukommt und die Gruppendynamik ignoriert) setzen sich mindestens weitere 50-60 Prozent der Gruppe in Bewegung. Im Gegensatz zu echten Lemmingen gucken sich die meisten dieser Mitläufer allerdings schuldbewusst um, weil sie sich irgendwie ertappt fühlen.

Zurück zu U-Bahn: Der Rest der Traube sagt sich so etwas wie: "Okay, wenn der Typ einsteigt, dann ist das ja wohl das Zeichen, dass ich jetzt auch darf", und die Masse drängt ohne zu Zögern in den Wagen.

Dass da immer noch 2-4 Personen sind, die offensichtlich auch noch aussteigen wollen, wird komplett ausgeblendet, was meistens dazu führt, dass das Gedränge kurzfristig noch viel größer wird und sich spätestens der letzte der Aussteigenden seinen Weg in die Freiheit mit mittlerer Gewalt bahnen muss, wenn er nicht noch ein bis zwei Stationen weiter fahren will. Das wird natürlich von 90 Prozent aller jetzt Einsteigenden als bodenlose Frechheit angesehen, schließlich hätte der Typ doch rechtzeitig aufstehen können und außerdem: Jetzt steigen wir ein, beides zeitgleich geht ja wohl nicht! Was für ein Idiot!

Fall 2:

Die Tür geht auf und die Traube derjenigen, die den Wagen betreten wollen, hat sich in einem hübschen und komplett geschlossen Halbkreis um die Tür herum angeordnet, der es jedem dreidimensionalen Menschen unmöglich macht, mehr als einen Meter auf dem Bahnsteig zurückzulegen, sofern man diesen denn überhaupt betreten kann.

Anstatt dass sich jetzt eine noch so kleine Lücke in dem Halbkreis bildet, die es wenigstens einer einzigen Person gestatten würde, seinen Weg fortzusetzen, blickt einen ein akkumulierter IQ von schätzungsweise 50 an, und man hört förmlich: "Hm. Ich will da rein. Da stehen aber Leute im Weg. Warum steigen die denn nicht aus? Das ist jetzt aber doof. Warum gehen die da nicht weg? Ich will doch da rein", verbunden mit einem absoluten Stillstand im besagten IQ-Tiefland. Da wird sich nicht bewegt, nicht mal einen Zentimeter. Es könnte ja dazu führen, dass man diesen unglaublich tollen Platz so nahe an der Tür verlieren könnte.

Höfliches oder auch sehr bedeutungsvolles Anstarren der Menge, um mitzuteilen, dass man als Aussteigender doch gerne jetzt auch wirklich aussteigen möchte, das aber nicht kann, weil dafür kein Platz bzw. Weg vorhanden ist, nützt meistens auch überhaupt gar nichts. Das Gehirn befindet sich bei den meisten gerade komplett auf Durchzug.

Das Einzige, was jetzt noch hilft, ist einfach losgehen und sich, um den Fahrplan nicht unnötig in Verzug zu bringen, den Weg durch die Menge mit leichter, manchmal auch deutlicherer Gewalt zu bahnen, um eine Lücke für sich selber und diejenigen zu brechen, die hinter einem ebenfalls darauf warten, dass sich das morgendliche Rote Meer endlich teilt.

Auch dies wird oftmals mit verwirrtem Gemurre registriert. Man hätte ja mal fragen können. Gibt ja keinen Grund, gleich so unhöflich zu werden!

Auch gerne genommen sind Knotenpunktstationen, bei denen bekannt ist, dass mindestens 50 Prozent der Fahrgäste aussteigen werden, wie z.B. dem Hauptbahnhof. Diejenigen, die an der Tür stehen, aber nicht aussteigen wollen, sollten jetzt Folgendes tun: Kurz mit aussteigen, sich neben die Tür stellen und dann wieder rein in den Wagen, wenn er leer ist. Auch dies wird oft und gerne nicht getan, weil es ist ja unlogisch. Man will ja nicht aussteigen, man will ja weiterfahren. Entsprechend bleibt man einfach stehen und blockiert gekonnt die Breite, die die Fahrgäste zum Aussteigen verwenden können – die Tür – um 30 bis 50 Prozent. Super Idee.

Die anderen 50 Prozent der Fälle gehen zugegebenermaßen einigermaßen geordnet und zügig vonstatten.

Draußen angekommen, ist das Elend aber noch nicht vorbei. Da sich Bahnhöfe oftmals unter oder deutlich über dem Erdboden befinden, muss man in der Regel ein bis zwei Treppen benutzen, um ins Freie zu kommen. Gerade bei manchen U-Bahnhöfen sind Rolltreppen deshalb eine feine Sache. Mal abgesehen davon, dass man auch auf einer Rolltreppe gehen kann, was die ganze Geschichte einfach deutlich zügiger ablaufen ließe, gibt es eine ganz einfache Regel für diese magischen Transportwege: Links Gehen, rechts Stehen. Steht meistens sogar am Anfang der Treppe auf der Seite gut lesbar dran.

Auch hier: Es passen zwei Menschen nebeneinander auf eine Rolltreppe. Wenn weit und breit keiner zu sehen ist, der Anstalten macht, diese Treppe in bewegter Form hinauf oder hinab zu steigen, können sich meinetwegen 25 Leute auf einer Stufe versammeln, um ein spontanes Picknick, eine Kleindemo oder einen Sit-in zu veranstalten. Spätestens im Berufsverkehr sollte man davon allerdings Abstand nehmen.

Man kann aber sicher sein, dass sich auf dieser Treppe, und sei sie noch so kurz, mindestens eine Person befindet, die sich genau neben eine zweite stellt, um dort dann den kompletten hinter ihr befindlichen Verkehr zu blockieren. Frei nach dem Motto: Hier steht schon jemand. Muss also ein guter Platz sein. Stell ich mich mal dazu. Ist ja auch gleich viel geselliger.

Nur mal so zum nebenher: Machen sie das mal z.B. in München. Sie werden staunen.

Das Gleiche gilt übrigens nicht nur für Menschen, sondern auch für Gegenstände. Koffer und dergleichen vor oder hinter sich abzustellen, widerspricht offensichtlich der natürlichen Ordnung. Nein, das Ding muss neben einem stehen! Genau so wie der Einkaufswagen im Supermarkt. Dabei wäre vor sich viel intelligenter. Augen sind ja durch die Bank weg nach vorne gerichtet, also müsste man nicht jedes Mal zur Seite blicken, um zu gucken, ob der Koffer noch da ist. Ebenso lässt es sich viel leichter auf der Rolltreppe rumknutschen, wenn sich der Größere auf die untere Stufe stellt. Aber nein. Das wird alles nebeneinander gemacht.

Nachdem man dann darauf hingewiesen hat, dass diese Personen den Weg blockieren und sie einem, wenn man Glück hat, ohne wüste Beschimpfungen eben jenen freigemacht haben, findet man sich irgendwann am unteren oder oberen Ende der Treppe wieder. Dort zu Hause ist ein anderer Vertreter dieser Hans-Guckindieluft-Spezies. Anstatt sich nämlich auf dem oftmals nicht besonders kurzen Weg auf der Rolltreppe Gedanken darüber zu machen, wo man eigentlich hin will, bleibt man, sobald die letzte Stufe verlassen wurde, erst einmal auf dieser großen silbernen Kontaktplatte stehen und orientiert sich, weil diese Platte scheinbar mit einer Aussichtsplattform verwechselt wird. Dass man dabei genauso im Weg steht, wie links auf der Treppe, geht diesen Leuten nicht in den Kopf.

Nach der letzten Stufe schaltet sich das Gehirn von hundert auf null schlagartig aus. Die Treppe liegt hinter einem, jetzt herrschen völlig andere Parameter, was die eigene Umgebung angeht. Anstatt jetzt noch zwei Meter weiter zu gehen, sich an den Rand zu stellen und dort in aller Ruhe die Umgebung zu betrachten, werden diese Menschen offenbar völlig unvorbereitet mit der Situation konfrontiert, dass man das Ende der Treppe erreicht hat.

Wohin jetzt? Erstmal stehen bleiben und in Ruhe nachdenken. Möglichst eben noch auf der Kontaktplatte. Und dann beim Nachdenken am besten noch 'ne Zigarette anzünden. Schließlich will es ja gut überlegt sein, welchen Weg man denn heute zur Arbeit nimmt.

Aber auch andern Ortens wird man Zeuge eines derartigen Verhaltens. Man stellt sich immer da hin, wo man am meisten im Weg steht. Das ist eng verbunden mit dem Verhalten des Einkaufswagens im Supermarkt.

Ich persönlich nenne es 'das Kuschelprinzip'. Irgendwas muss so etwas wie ein Geborgenheitsgefühl bei vielen Menschen auslösen, wenn sie an Stellen kommen, die eigentlich schon deutlich zu eng für mehr als anderthalb Personen sind. Da wird sich dann entweder alleine hingestellt, um spontan über den Sinn des Lebens zu philosophieren oder, wenn es sich einrichten lässt, gerne auch mal zu zweit, um ein spontanes Schwätzchen zu halten.

Beispielsweise ist es auf Fußwegen, gerade in Gegenden, die Geschäfte beinhalten, ein gerne gesehenes Schauspiel, dass zwei Menschen, die sich zufällig treffen, spontan stehen bleiben, um miteinander zu reden. Dagegen ist nichts einzuwenden, im Gegenteil. Ich freue mich auch, wenn ich Menschen treffe, die ich mag und denen ich unverhofft über den Weg laufe.

Die Frage ist jetzt aber, was man dann macht. Entweder geht man zwei Schritte an den Rand des Fußweges, um den Rest des Verkehrs nicht zu behindern (siehe Ende der Rolltreppe), oder man einigt sich auf eine Richtung, um diese dann gemeinsam einzuschlagen. Man kann sich schließlich auch in Gehen unterhalten.

Wo man sich nicht hinstellt, ist genau in die Mitte des Weges, den man somit nämlich oftmals gekonnt komplett blockiert. Es ist nun mal leider so, dass im Gegensatz zu Straßen viele Fußwege in diesem Land eher unter die Rubrik "Gasse" und nicht "Allee" fallen. Ebenso wenig ist der Radweg ein geeigneter Ort. Auch wenn der gerade so schön leer ist. Der nächste Radfahrer kommt nämlich früher oder später an, ärgert sich zurecht, dass da zwei Deppen den Weg blockieren, und muss nun notgedrungen auf den Fußweg oder die Straße ausweichen, was natürlich zu wüsten Beschimpfungen von allen Seiten führt.

Dass die Einzigen, denen mal kräftig eine gelangt werden müsste, die beiden Hornochsen sind, die dieses Manöver überhaupt erst nötig gemacht haben, fällt interessanterweise meistens nur dem Radfahrer auf.

In unglaublich vielen Fällen kommt es aber noch besser. Man geht ein Stück zur Seite und stellt sich neben irgendein Objekt, das auf dem Fußweg steht und diesen damit sowieso schon etwas schmaler macht. Vorzugsweise eine dieser Tafeln, auf der das aktuelle Tagesgericht eines Cafés geschrieben steht, oder eine dieser sich drehenden "Geöffnet"-Schilder.

Davor oder dahinter wäre eine gute Idee, denn die meisten Leute müssen um diese Gegenstände sowieso einen Bogen machen, sofern man denn keine kurzen Dimensionswanderungen vollziehen kann und möchte. Man würde die Länge des Bogens also nur etwas vergrößern. Sich daneben hinzustellen, ist blöd. Ist zwar schön kuschelig und wird recht schnell auch noch viel kuscheliger, wenn genug Leute versuchen, sich um einen herumzuwinden, aber klug ist es nicht. Wenn nämlich jetzt auch noch Radfahrer kommen und sehen, dass lauter Leute notgedrungen kurzfristig den Radweg benutzen, ist das Chaos perfekt.

Ganz besonders interessant wird es allerdings erst dann, wenn junge Mütter mit einem Kinderwagen dazukommen. Dann kann das Ganze sogar recht schmerzhaft werden. Dazu aber später mehr.

Kommentare und Erklärungsversuche bitte an mich.

Erst Denken - Dann Handeln

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