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Zwischenmenschlicher Verkehrsfluss 2
Оглавление'Im Weg stehen' ist auch etwas, was gerade bei Autofahrern sehr beliebt ist. Ich persönlich habe zwar einen Führerschein, besitze aber kein Auto und werde mir, solange ich in einer Großstadt wie Hamburg lebe, höchstwahrscheinlich niemals ein eigenes Auto kaufen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Da ist das Geld. So ein Auto ist ganz schön teuer. Zweitens macht es viel Dreck. Dann gibt es zumindest in Hamburg einen viel zu gut ausgebauten ÖPNV, der es einem erlaubt, abends einen Saufen zu gehen und trotzdem nicht nach Hause laufen zu müssen (im äußersten Notfall gibt es immer noch Taxis), und als Letztes bin ich nach mehreren Jahren aktivem Autofahren zu dem Schluss gekommen, dass ich keine Lust habe, mich regelmäßig über ca. 20 Prozent aller Autofahrer zu ärgern, die offensichtlich der Meinung sind, nach einmal bestandener Fahrprüfung alles vergessen zu können, was ihnen der Fahrlehrer seinerzeit mühsam beigebracht hat.
Abgesehen von so Kleinigkeiten, dass man nicht auf dem Fuß- oder Radweg parken darf, dass es Pflicht ist, die Scheinwerfer anzumachen, wenn es die Lichtverhältnisse verlangen, oder dass Geschwindigkeitsbegrenzungen dafür da sind, dass man sich dran hält (zugegebenermaßen sind Autofahrer da nicht alleine auf der Welt. Radfahrer, Motorradfahrer und auch Fußgänger sind oftmals genau so schlimm), gibt es zum Beispiel eine ganz klare Regelung dafür, wie man sich verhalten sollte, wenn man auf eine Kreuzung mit Ampel zufährt:
Wenn aufgrund des allmorgendlichen Rückstaus nicht hundertprozentig abzusehen ist, ob man diese Kreuzung während der Grünphase komplett und ohne anzuhalten überqueren kann, so hat man an der Ampel zu warten, bis ersichtlich ist, dass man dieses Vorhaben erfolgreich gestalten kann. Auch wenn noch Grün ist. Im Zweifelsfalle wartet man auf die nächste Grünphase. Wenn man das nicht tut, steht man nämlich, wenn es dumm läuft, immer noch mitten auf der Kreuzung, wenn die andere Richtung ihrerseits Grün hat. Was es zu vermeiden gilt. Sollte diese Kreuzung jetzt auch noch einen Fußgängerüberweg mit dazugehöriger Ampel oder gar einen Zebrastreifen beinhalten, so hat man dieses Stück Weg bitte noch in die Kalkulation mit einzubeziehen, denn sonst steht man mitten auf dem Fußgängerüberweg, wenn es dort Grün wird oder mitten auf dem Zebrastreifen. Was es ebenfalls zu vermeiden gilt.
Viele Autofahrer sind allerdings schon mit dem ersten Teil dieses Prinzips komplett überfordert. Frei nach dem Lemminge-Prinzip "Mein Vordermann fährt auf die Kreuzung, dann darf ich das auch!", findet man sich urplötzlich mitten auf der Kreuzung wieder und realisiert, dass man jetzt anhalten muss. Spätestens, wenn von rechts die Blechlawine auf einen zurollt und man immer noch auf genau demselben Fleck steht, wird klar, dass irgendwas nicht stimmt.
Auf den Gesichtern dieser Leute zeigt sich jetzt aber meistens keine Einsicht, dass sie einen Fehler gemacht haben, sondern entweder Wut auf die blöden Säcke vor einem, die die Kreuzung blockieren und der eigentlich Grund dafür sind, dass man nicht von der Stelle kommt, oder völlige Ratlosigkeit, wie man denn in eine derartige Situation geraten konnte. Schließlich war doch Grün, als man losgefahren ist. Folglich kann der Fehler ja nun nicht bei einem Selbst liegen. Da muss noch was anders im Spiel sein. Höchstwahrscheinlich die schlechte Ampelschaltung.
Dieser Ratlosigkeit folgt nicht selten eine leichte Panik, die dann zu sehr interessanten Fahrmanövern führt, die wiederum stellenweise recht spektakuläre Auffahrunfälle zur Folge haben. Schuld hat natürlich auch hier nur der Typ, der von rechts in einen rein gerauscht ist. Völlig unabhängig von der Tatsache, dass der Grün, man selbst auf der Kreuzung so gar nichts mehr zu suchen und sich darüber hinaus kurzfristig als Geisterfahrer versucht hat.
Was aber auf Fußgängerüberwegen passiert, spottet jeder Beschreibung. Einmal von der eigentlichen Kreuzung runter, ist offenbar alles in Ordnung und man kann guten Gewissens stehen bleiben. Wenn man als Fußgänger dann drauf hinweist, dass man auch hier regelwidrig im Weg steht, erntet man höchstens irritierte Blicke, sofern man denn überhaupt zu Kenntnis genommen wird. Schließlich befindet man sich immer noch auf einer Straße. Straßen sind für Autos gebaut worden und damit ist man im Recht! Blöde Fußgänger. Sollen die sich doch 'n Auto kaufen.
Hier mal ein kleiner Exkurs in die Straßenverkehrsordnung:
Ein Fußgängerüberweg ist genau wie ein Zebrastreifen ein Stück Fußweg, das nur zufälligerweise denselben Platz einnimmt, wie die Straße. Bei Fußgänger-Grün und im Falle von Zebrastreifen allgemein gilt: Als Autofahrer hat man dort nichts zu suchen, wenn die Fußgänger diesen Weg ihrerseits überqueren. Speziell in Verbindung mit den hübschen bunten Lichtern und Schildern, die für alle Verkehrsteilnehmer gut sichtbar anbracht sind, handelt es sich bei einer derartigen Vollpfostenhandlung genau genommen um ein Verkehrsdelikt, das mit einem Strafzettel und Punkten in Flensburg geahndet werden müsste. Bei einer Fahrprüfung würde man sofort und ohne jede Diskussion durchfallen.
Jetzt kommen auch noch zwei weitere Sachen hinzu, die man überhaupt nicht mehr logisch erklären kann. Anstatt, nachdem man realisiert hat, dass man den Fußgängern den Weg versperrt, wenigsten vor bzw. hinter sich so viel Platz zu lassen, dass der durchschnittliche Fußgänger sich zwischen den Autos hindurch bewegen kann, also genau so, wie man normalerweise einparkt (oder vielmehr sollte. Meistens passen zwischen zwei parkenden Wagen mindestens 3 Personen hindurch), wird sich radikal Stoßstange an Stoßstange gestellt, damit man, wenn schon nicht die Kreuzung, dann doch bitteschön den Fußgängerüberweg komplett und möglichst effizient blockiert.
Sollte dieser Fall einmal nicht eintreten, kann man fast schon sicher sein, dass einer der Wagen ein Lastwagen ist, der es aufgrund seiner Höhe und Länge spielend alleine schafft, sowohl die komplette Breite des Weges zu blockieren, als auch die Möglichkeit zu erkennen, ob denn überhaupt Grün ist, weil die Höhe des Wagens nun auch noch die Sicht auf die Ampel verdeckt.
Sollte man jetzt als Fußgänger den Wagemut besitzen, aus Verdacht oder purer Logik heraus (wenn man z.B. den Rest des Verkehrs beobachtet und merkt, dass jetzt Grün sein müsste) um besagten Lkw herum zu gehen, um zu gucken, ob man denn rein theoretisch die Ampelzone überqueren dürfte, kann man sicher sein, dass sich erboste Autofahrer mit lautem Hupen darüber beschweren, was man denn außerhalb des ja wohl klar ersichtlichen Bereiches des Fußgängerüberweges zu suchen hat.
Nicht selten verspüre ich bei solchen Gelegenheiten den Drang, einmal kräftig gegen den Reifen zu treten oder zumindest mit der flachen Hand ordentlich aufs Dach des Autos zu hauen, um das ich mich wie so viele andere auch herum schlängeln muss, um die andere Straßenseite rechtzeitig zu erreichen, bevor die Ampel auf Rot umspringt, und ich für alle Autofahrer sofort als Verkehrsrowdy und Freiwild angesehen werde.
Die wenigen Male, die ich dieses auch getan habe, haben natürlich unweigerlich dazu geführt, dass der Besitzer des Wagens schreiend aus seinem heiligen Pkw heraus und mir fast an die Gurgel gesprungen ist, obwohl an dem Auto nicht mal so etwas wie ein leichter Kratzer oder eine Delle zu entdecken war. Passiert übrigens auch dann, wenn man unabsichtlich nur leicht gegen das den Weg versperrende Vehikel stößt. Auch hier sind erstaunlich viele Beteiligte einhellig der Meinung, dass ja wohl nicht angehen könne, wie sich die Fußgänger verhalten.
Aber auch untereinander sind manche Autofahrer einfach nicht in der Lage zu realisieren, dass da noch andere Menschen auf der Straße unterwegs sind, auch wenn man innerhalb des eigenen Wagens alleine ist. Wenn auch der Abstand zum nächsten Auto meistens um und bei 4 Meter beträgt, man also, was die gerade aktuelle Distanzzonen angeht, voll im grünen Bereich ist, so kann das Ganze sehr schnell in die Kategorie 'Intime Distanzzone' rutschen. Wenn man dann Glück hat, wird der Motorblock des Hintermannes nur mit der eigenen Rückbank intim und nicht mit der eigenen Wirbelsäule. Wie das passiert? Ganz einfach.
Auf der Suche nach einer geeigneten Parklücke werden viele Menschen schnell ein bisschen aufgeregt, wenn sie nach etlichem um-den-Block-gefahre denn endlich einen Platz gefunden haben, wo das kleine Wägelchen in Ruhe vor sich hinrosten kann und verzetteln sich ein bisschen beim Einparken.
Jetzt gibt es mehrere Schritte, aus denen das Manöver 'Einparken' besteht. Als da wären:
- Fahren und suchen
- Finden
- Anhalten
- Rückwärtsgang einlegen
- Blinker setzen
- Einparken
Ist Ihnen was aufgefallen? Stimmt. Die Reihenfolge ist falsch. Es ist aber die, die durch die Bank weg angewendet wird, dabei zu einer unglaublichen Menge an Auffahrunfällen führt und der Grund für die plötzliche und meist unfreiwillige Unterschreitung aller Distanzzonen ist.
Auch wenn man als Autofahrer 'vorausschauend' fahren sollte, so können die wenigsten Leute in die Zukunft gucken. Wenn das so wäre, würden viel mehr Menschen im Lotto gewinnen oder sich nicht regelmäßig an der Börse verspekulieren. Auch nützt der beste Sicherheitsabstand nichts mehr, wenn der Vordermann völlig ohne Vorwarnung eine Vollbremsung veranstaltet, weil er gerade realisiert hat: "Ha! Da könnte ich glatt reinpassen!", und sein Glück kaum fassen kann.
Wenn ich das Haus verlasse, dann besteht diese Aktion aus einer festgelegten Reihenfolge:
- Tür aufmachen
- Rausgehen
- Tür zumachen
Wenn ich die Reihenfolge nicht einhalte, renne ich gegen Tür und muss mich nicht mal wundern.
Also:
- Erst Fahren und suchen.
- Dann realisieren: "Da ist eine geeignete Parklücke". Wenn man das zu spät erkannt hat: Dumm gelaufen. Einmal um den Block fahren und hoffen, dass sie gleich immer noch da ist.
- Dann, wenn man sich der Parklücke nähert (nicht erst, wenn man daneben ist oder schon dran vorbei): Den Blinker setzen. Der Hintermann weiß jetzt: Gleich wird irgendwas passieren, was zu einer Tempodrosselung führen wird und kann sich entsprechend verhalten, nämlich selbst schon mal vom Gas gehen, bremsen oder die Spur wechseln.
- Dann Bremsen. Und zwar langsam. Vollbremsungen sind schlecht für die Reifen, für die Bremsscheiben und wie bereits angedeutet unter Umständen sogar für die eigene Wirbelsäule. Vollbremsungen sind höchstens nötig, wenn einem Tiere, kleine Kinder, leicht verwirrte ältere Mitbürger oder völlig verwirrte sonstige Verkehrsteilnehmer spontan vor das Auto rennen.
- Dann den Rückwärtsgang einlegen und einparken.
Das mit dem 'rechtzeitig blinken' ist allgemein bei einigen Autofahrern etwas, das eher unter die Kategorie 'optional' fällt, sofern es denn überhaupt getan wird.
Zugegeben, es geht die anderen überhaupt nichts an, wo ich hin will, stimmt. Aber mal ehrlich: So interessant ist das Leben der meisten anderen nicht und man wird ja auch doch eher selten verfolgt, sodass derartige Aktionen wie spontanes Wechseln der Spur, abruptes Abbiegen ohne vorher zu blinken, Vollbremsungen vor dem Einparken und dergleichen doch eher unnötig sind. Sollte man tatsächlich verfolgt werden, so wende man sich bitte an die Polizei.
Und: Ja. Ich meine hier auch Radfahrer und Fußgänger. Diese Personengruppen können zwar nicht blinken, aber auch und gerade diese Verkehrsteilnehmer sollten sich in Erinnerung rufen, dass der Typ hinter einem nicht weiß, was gerade im eigenen Kopf so vor sich geht. Und das Unterschreiten der Distanzzonen endet bei diesen Personen fast immer an der eigenen Wirbelsäule.
Aber auch mein Freund die Hupe hat mir im Verlauf der letzten Jahre eine Menge Freude bereitet. Abgesehen davon, dass bei dem gerade beschriebenen Szenario auch gerne und viel gehupt wird – sowohl von denjenigen, die mitten auf der Kreuzung stehen als auch von denen, die von rechts auf die die Kreuzung blockierenden Autos zufahren – lässt mich der leicht inflationäre Gebrauch dieses Warnmittels stellenweise daran zweifeln, ob manche Leute nicht vielleicht wirklich ihren Führerschein im Lotto gewonnen haben.
Staus passieren, da kann man als derjenige, der sich hinten anstellen muss oder mittendrin steht, nichts machen, höchstens sich ärgern. Nun gibt es gewisse Gegenden in jeder Stadt, in denen Staus an der Tagesordnung sind. Vorzugsweise solche mit schmalen Straßen und kleinen Geschäften, die regelmäßig beliefert werden. Auch die Müllabfuhr, Umzugswagen, Unfälle, defekte Pkws oder Baustellen, die die Straßenbreite spontan halbieren, sind gerne gesehene Gründe für diese unfreiwilligen Grüppchenbildungen von Automobilen.
Begeistert beobachte ich recht regelmäßig folgendes Verhalten:
Eine Reihe von Autos steht hintereinander und wartet darauf, dass es weitergeht. Da es sich um eine gerade Straße handelt, kann man klar erkennen, worin die Ursache für das Gewarte besteht und wie viele Autos bereits vor einem stehen. Auch kann man meistens erkennen, wie weit z.B. das Be- oder Entladen vorangeschritten ist, und weiß so, ob es Sinn macht, kurz auszusteigen und sich kurz zu strecken oder gar einen Kaffee zu holen.
Früher oder später passiert es dann, dass ein weiterer Fahrer entweder langsam von hinten heranfährt oder um die Ecke biegt und sich notgedrungen hinten anstellt und ebenfalls wartet. Spätestens nach fünf Sekunden, als klar wird, dass die da alle nicht zum Spaß vor einem stehen, sondern dass es gerade wirklich nicht weiter geht, wird erst einmal kräftig auf die Hupe gedrückt. Das sind übrigens gerne dieselben Leute, die sich regelmäßig bitterlich darüber beklagen, dass die Kinder in der Kita um die Ecke so viel Lärm veranstalten und damit die Wohnqualität zerstören.
Warum? Was denken diese Leute? Dass sich alle 15 Vorderleute bei dem Klang umdrehen und dann realisieren, dass es ja eigentlich gar keinen Grund gibt, hier herumstehen und die eigenen Abgase einzuatmen, um dann geschwind weiter zu fahren? Oder dass jetzt alle vor einem den geheimen Ich-dreh-die-Räder-um-90-Grad-zur-Seite-und-mach-so-den-Weg-frei-Batmobile-Antrieb einschalten? Oder was?
Wenn jetzt wenigstens noch ein kräftiger Wutausbruch dazu kommen würde, der klar macht, dass dieser Stau nun gerade das Letzte ist, das dieser Mensch heute gebrauchen kann, verbunden mit einem ordentlichen Auf-dem-Lenkrad-Herumghämmer, dann würde ich das wenigstens noch verstehen können. Intellektuell vielleicht nicht unbedingt gutheißen, aber emotional könnte man diese Handlung wenigstens irgendwie ansatzweise nachvollziehen.
Aber nein. Es wird einmal kräftig auf die Hupe gedrückt und dann, weitere fünf Sekunden später, macht sich im Gesicht dieser Leute eine leichte Fassungslosigkeit darüber breit, dass es immer nicht weiter geht. Die Leute sehen doch, dass man vorbei will. Und überhaupt: Man hat doch gehupt!
Kommentare und Erklärungsversuche bitte an mich.