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Die VUCA-Welt

Ich habe jetzt schon häufiger den Begriff VUCA-Welt VUCAverwendet. Wahrscheinlich haben Sie auch schon einen ziemlich guten Eindruck davon bekommen, was ich damit meine. Lassen Sie uns nun ein wenig genauer hinsehen, wie diese VUCA-Welt eigentlich beschaffen ist.

Gefühlt ist alles schneller geworden, hektischer, kurzlebiger. Während Gelehrte im Mittelalter noch in der Lage waren, sich das gesamte verfügbare Wissen der Menschheit im Laufe ihres Lebens anzueignen, ist dies heutzutage bei der Vielzahl an Informationen sogar in sehr eng eingegrenzten Fachgebieten nicht mehr möglich. Diese Veränderung führt zu einem Anstieg von Komplexität und Dynamik und bewirkt, dass die bewährten Mechanismen an Wirkung verlieren oder sogar hinderlich werden.

Die Faktoren – Volatilität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit – werden gerne gemeinsam mit der Komplexität genannt, um die Herausforderungen der Umwelt zu beschreiben. In einer amerikanischen Militärhochschule tauchte Ende der 1990er Jahre ein Akronym auf, das heute in aller Munde ist und die maßgeblichen Eigenschaften dieser Umwelt auf die vier Bestandteile herunterbricht: VUCA. Schauen wir uns diese vier Bestandteile einmal genauer an.

Volatilität

Sucht man nach Synonymen für Volatilität, findet man Begriffe wie Schnelllebigkeit, Unbeständigkeit und Flüchtigkeit. Die Welt um uns herum ist in ständiger Veränderung. Dabei können schon kleinste Veränderungen unvorhersehbare Auswirkungen mit sich führen. Solche Veränderungen ereignen sich immer häufiger und ihre Auswirkungen sind, wegen der Verflechtungen und Zusammenhänge, oft sehr weitreichend.

Große Unternehmen und Marktführer, die gestern noch ganze Branchen beherrscht haben, verschwinden von der Landkarte. Vielleicht haben Sie auch von dem Schicksal der einstigen Riesen Nokia oder Kodak gehört. Nokia war lange Jahre Marktführer mit seinen Mobiltelefonen und hatte für das erste Smartphone, das auf den Markt kam, nicht viel mehr als ein Schmunzeln übrig. An entscheidender Stelle glaubte niemand daran, dass sich ein Telefon ohne Tasten durchsetzen würde. Und auf dem kleinen Bildschirm würde man auch sicher nicht im Internet surfen oder Videos schauen. Nokia sollte eines Besseren belehrt werden und brauchte Jahre, um wieder einigermaßen auf die Füße zu kommen. Kodak war es einige Jahre zuvor ähnlich ergangen. Man war Marktführer für Fotofilme und wähnte sich nahezu unverwundbar. Also redete man sich ein, niemand würde auf diese neuen Digitalkameras setzen und lief geradewegs in die Bedeutungslosigkeit, als sich diese Annahme als völlige Fehleinschätzung herausstellte.

So wie den beiden Größen vergangener Tage ging es mehr als der Hälfte der Fortune-500-Unternehmen seit dem Jahr 20001. Und die Prognosen deuten eine Fortführung, wenn nicht sogar eine Verstärkung dieses Trends an. Die durchschnittliche Zeit, die ein Unternehmen überlebt, liegt schätzungsweise bei 15 Jahren.

Vor diesen Herausforderungen stehen die Unternehmen mit ihren strategischen Produktentscheidungen ständig. Wenn ein übereifrig twitternder Präsident in der Lage ist, mit einer unbedachten (oder vielleicht doch genau kalkulierten) Äußerung die Aktienmärkte und ganze Wirtschaftszweige zu lenken, dann wird schnell offensichtlich, dass unsere Welt sehr volatil daherkommt.

Unsicherheit

Sie benötigen nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass diese Volatilität zu einer enorm großen Unsicherheit führt. Prognosen, die auf Daten der Vergangenheit beruhen, werden plötzlich wertlos, weil sich die Voraussetzungen jederzeit verändern können. Diejenigen, die an verantwortungsvollen Stellen in Wirtschaft und Gesellschaft stehen, stehen vor der entscheidenden Frage, wie sie überhaupt noch sinnvolle Entscheidungen treffen sollen, bei dieser herrschenden Unsicherheit über die Entwicklungen.

Nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für jeden einzelnen Menschen, steigt die Unsicherheit. Waren früher noch gesicherte Arbeitsplätze und lineare Karriereverläufe die Norm, steigt die Angst davor, keinen Platz mehr in der Arbeitswelt von morgen zu finden und ausgemustert zu werden. Wird der Zeitungsredakteur noch gebraucht, wenn digitale Magazine den Markt übernehmen? Was macht die Taxifahrerin, wenn Uber sich durchsetzt?

Glaubt man den Experten, dann fallen in Zukunft eine Vielzahl von Arbeitsplätzen der Digitalisierung zum Opfer. Was sollten also Kinder heute lernen, damit sie in einer unvorhersehbaren Arbeitswelt der Zukunft nicht unvermittelbar sind? Ist unsere Gesellschaft darauf vorbereitet? Der Unterschied zu früheren Zeiten ist, dass die Veränderungen viel schneller über uns hereinbrechen, die Auswirkungen sichtbar werden und die Nachrichten darüber sich viel schneller verbreiten.

Sie können beobachten, dass eine große Unsicherheit sich in allen Bereichen breitmacht. die spannende Frage, auf die wir später noch eingehen, ist, wie diese Unsicherheit sich letztendlich auswirkt. Sind die Menschen in der Lage, die Unsicherheit auszuhalten und Strategien zu entwickeln, damit umzugehen? Oder rufen sie nach Fixpunkten und starken Anführern, die ein Gefühl der Sicherheit geben?

Komplexität

Die hohe Volatilität führt dazu, dass Ursache-Wirkung-Zusammenhänge nur noch sehr schwer zu überschauen sind. Selbst für Computer, die eine große Zahl unterschiedlicher Ereignisse verarbeiten können, ist es in Echtzeit nicht möglich, klare Vorhersagen daraus abzuleiten. Eine einzige neue Idee kann ein ganzes Businessmodell in eine Krise stürzen.

Die Unsicherheit trägt einen beträchtlichen Anteil zur Komplexität bei. In der Regel sind Menschen an der Lösung komplexer Probleme beteiligt. Dadurch wirken ihre Einstellungen und Beziehungen sich aufeinander aus und können die Zusammenarbeit beeinflussen, was wiederum die Komplexität weiter erhöht. Es wird oft vom Flügelschlag des Schmetterlings erzählt, der einen Sturm auf einem entfernten Kontinent auslösen kann. Manchmal können sehr kleine Handlungen zu großen Auswirkungen führen. Dieses Bild ist der Chaos-Theorie entliehen, zeigt aber sehr schön, dass wir in der VUCA-Welt eher in komplexen (und manchmal chaotischen) Umfeldern sind und nur noch sehr selten in komplizierten.

Ambiguität

Ambiguität – oder auch Mehrdeutigkeit, Vieldeutigkeit – ist ebenfalls so allgegenwärtig in unserer Umwelt, dass sie es in das Akronym VUCA geschafft hat. Diese Vieldeutigkeit entsteht dadurch, dass Ihnen zwar eine schier unbegrenzte Zahl an Daten und Informationen zur Verfügung steht, diese allerdings erst sinnvoll ausgewertet und verarbeitet werden muss, um Sinn zu ergeben.

Kennen Sie das Kinderspiel „Teekesselchen“? Hierbei geht es darum, Wörter zu erraten, die mehrdeutig sind. Ein Spieler macht eine Aussage, in der er das gesuchte Wort beschreibt und durch „Teekesselchen ersetzt“. Ein anderer Spieler muss das Wort dann erraten. Zum Beispiel könnte ich Folgendes sagen: „Auf meinem Teekesselchen kann man sitzen und Geld finden“. Gesucht wäre hier eine Bank, die im Park stehen kann und mir eine Sitzgelegenheit bietet und die, eine Straßenecke weiter als Institution, mein Erspartes bewacht.

Wenn Sie nun Daten haben, dann ist eine Mehrdeutigkeit problematisch, wenn Sie nicht genug Kontext haben, um diese Mehrdeutigkeit zu entschlüsseln. Wenn ich nur das Wort „Bank“ in den Raum werfe, dann ist für Sie unmöglich zu entscheiden, ob ich die Sitzgelegenheit oder das Gebäude meine. Die Aussage „Ich war bei der Bank“, hilft Ihnen auch noch nicht wirklich weiter. Wenn aber der folgende Satz ergänzt wird: „Dort habe ich mich ein wenig ausgeruht und die Leute im Park beobachtet“, dann nehmen Sie korrekterweise an, dass ich die Sitzgelegenheit meint. Eine Schlussfolgerung daraus könnte nun sein, dass ich noch nicht die fünfzig Euro abgehoben habe, die ich Ihnen schulde. Somit könnten Sie auch Annahmen treffen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen.

Wird der Sinn eindeutiger, je mehr Daten und je mehr Kontext Sie bekommen? Spielen wir das Spielchen einmal weiter und erhöhen die Mehrdeutigkeit. „Ich war bei der Bank und habe bemerkt, dass ich keine Kohle hatte.“ War ich jetzt im Gebäude und wollte Geld abheben (das leider nicht mehr da war) oder habe ich mich mit Freunden im Park zum Grillen an der Parkbank getroffen und die Grillkohle vergessen?

Ich denke, Sie sehen, wo das Problem mit Vieldeutigkeit liegt. Nun ist es heute zum Glück möglich, mit modernen Technologien eine enorm große Zahl unterschiedlicher Daten zu erheben und diese auswerten zu lassen (Big Data). Durch ausgefeilte Algorithmen können so ganze Persönlichkeitsprofile erstellt und Vorlieben ermittelt werden, die dann zum Beispiel für personalisierte Werbung genutzt werden. Dies wiederum erlaubt es den Anwendern, ein möglichst gutes, auf Sie abgestimmtes Angebot zu platzieren.

Dennoch können diese Algorithmen auch komplett danebenliegen. Und sie erlauben auch keine treffgenaue Vorhersage für die Zukunft, nur statistische Wahrscheinlichkeiten. Alle Daten müssen nach wie vor interpretiert werden und da besteht die Chance, dass die Interpretation falsch ist.

Aber nicht nur in Big Data zeigt sich ein Effekt von Vieldeutigkeit. In nahezu allen wichtigen Fragen gibt es kein richtig oder falsch, schwarz oder weiß. Auf welchen Daten und auf welchen Grundlagen sollten Sie eine Entscheidung fällen? Die politischen Parteien nähern sich immer mehr der Mitte an (zumindest die einst großen Volksparteien), die Unternehmen fordern Eigenverantwortung, behandeln die Mitarbeiter aber oft wie kleine Kinder, Offenheit gegenüber anderen Kulturen wird verlangt, gleichzeitig soll aber die eigene Kultur nicht vergessen werden, … Wie entscheidet man sich hier richtig? Es gibt keine eindeutige Antwort.

➤ Tipps für VUCA-Helden

Die VUCA-Welt ist allgegenwärtig und als VUCA-Held sollte man seine Umwelt kennen.

1 Beobachten Sie Ihre Umwelt und finden Sie Beispiele für VUCA.

Seien Sie aufmerksam, was um Sie herum geschieht und halten Sie die Augen offen. Oftmals sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht. Nur wenige Dinge verändern sich so radikal, dass sie sofort als massive Veränderung erkannt werden. Wenn Sie aber die Perspektive wechseln (oder den Zeitrahmen), dann werden sie vielleicht deutlicher.

 Wo sehen Sie Beispiele für Volatilität?

 Wo sehen Sie Beispiele für Unsicherheit?

 Wo sehen Sie Beispiele für Komplexität?

 Wo sehen Sie Beispiele für Ambiguität?

1 Nehmen Sie eine entspannte Haltung ein.

Sehen Sie die VUCA-Welt nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance. Machen Sie sich bewusst, wo die Risiken und wo die Möglichkeiten liegen. Schauen Sie sich dabei auch Ihr Umfeld an. Wie verhalten sich die Menschen, mit denen Sie zu tun haben? Sind sie sich der Herausforderung bewusst?

 In Bezug auf Ihr Vorhaben, welche Herausforderungen stellt VUCA?

 In Bezug auf Ihr Vorhaben, welche Chancen bietet VUCA?

 Wie können Sie das Risiko minimieren und die Chancen am besten nutzen?

 Wie gehen Sie damit um, wenn Menschen in Ihrem Umfeld (scheinbar) noch nicht auf VUCA vorbereitet sind? Wie können Sie ihnen helfen, ihre Umwelt besser zu verstehen?

Roadmap durch die VUCA-Welt

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