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(2) § 111 Abs. 2 AktG: Einsichts- und Prüfungsrechte
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Ein wichtiges Recht des Aufsichtsrats ist das Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 111 Abs. 2 AktG.[86] Es baut auf der Berichtspflicht des Vorstands aus § 90 AktG auf und soll dem Aufsichtsrat eine umfassende Informationsgrundlage verschaffen. Hiernach ist der Aufsichtsrat berechtigt, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie deren Vermögensgegenstände – aus konkretem Anlass[87] – einzusehen und zu prüfen. So kann sich der Aufsichtsrat auf eigene Initiative Informationen über den Vorstand und die Ordnungsgemäßheit der Vorstandstätigkeit beschaffen.[88]
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Der Begriff „Bücher und Schriften“ ist beispielhaft zu verstehen.[89] Es sind insbesondere auch die Einsicht in elektronische Informationssysteme sowie die Besichtigung von Geschäftsräumen und Betrieben erfasst.[90] Das Einsichts- und Prüfungsrecht gibt dem Aufsichtsrat auch das Recht, den Vorstand zu dem Gegenstand laufender Untersuchungen zu befragen bzw. um Stellungnahme zu bitten.[91] Allerdings bezieht sich das Einsichtsrecht nur auf die Bücher, Schriften und Vermögenswerte der Gesellschaft und nicht allgemein auf Vorgänge in der Gesellschaft.[92] Diesbezüglich ist der Vorstand allerdings verpflichtet, Fragen, die im Zusammenhang mit dem Thema der Einsicht und Prüfung stehen, entweder selbst zu beantworten oder durch sachkundige Angestellte beantworten zu lassen.[93] Der Aufsichtsrat ist auch befugt, Mitarbeiter im Zusammenhang mit den eingesehenen Dokumenten bzw. besichtigten Produktionsstätten zu befragen, aber nur, sofern ein enger Zusammenhang zur Besichtigung besteht.[94]
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Wie der Aufsichtsrat konkret sein Prüfungsrecht ausübt, liegt in dessen Ermessen, § 116 S. 1 AktG i.V.m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. [95] Der Aufsichtsrat kann also – im Rahmen einer Abwägung – entscheiden, welche Unterlagen er anfordert, welche Räumlichkeiten er besichtigt und wen er zu dem Gegenstand der Prüfung befragt.
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Das Einsichts- und Prüfungsrecht ist Organrecht des Aufsichtsrats und setzt daher einen Beschluss des Gesamtorgans voraus.[96] Auch eine Beauftragung einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch Beschluss nach § 108 Abs. 1 AktG ist möglich, § 111 Abs. 2 S. 2 Fall 1 AktG. Statt einzelne Mitglieder zu beauftragen, kann der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss einsetzen,[97] allerdings ist diese Übertragung auf bestimmte Überprüfungsaspekte beschränkt. Der Prüfungsauftrag muss inhaltlich genau umrissen sein.[98] Bei Beauftragung einzelner Aufsichtsratsmitglieder wird das Prüfungs- und Einsichtsrecht im konkreten Fall vollumfänglich auf die betreffenden Personen übertragen.[99] Dem Aufsichtsrat als Ganzem steht dieses Recht dann nicht mehr zu. Hat der Aufsichtsrat einen ständigen Prüfungsausschuss eingerichtet, so ist auch dieser dazu berechtigt, im Einzelfall die Befugnisse aus § 111 Abs. 2 S. 2 AktG an einzelne Aufsichtsratsmitglieder zu übertragen.[100] Der Aufsichtsrat kann zudem externe Sachverständige, wie Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Rechtsanwälte, mit der Ausführung „bestimmter Aufgaben“ beauftragen, § 111 Abs. 2 S. 2 Fall 2 AktG. Diese Auswahl erfolgt durch den Prüfungsausschuss, wenn dieser vom Aufsichtsrat hierzu per Beschluss ermächtigt wurde, nicht jedoch durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder.[101] Jedoch wird nicht das Einsichts- und Prüfungsrecht selbst übertragen, dieses bleibt beim Aufsichtsrat, sodass die Sachverständigen über keine originären Rechte verfügen.[102] Die Sachverständigen verfügen nur über die abgeleiteten Rechte, die sich aus dem konkret erteilten Auftrag ergeben, also vom Aufsichtsrat ausdrücklich eingeräumt wurden.[103] Die Reichweite des Auftrags muss daher eindeutig erkennbar und klar festgelegt sein.[104]
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Zu beachten ist, dass sich der Informationsanspruch des Aufsichtsrats jedoch in erster Linie an den Vorstand richtet. Dieser bleibt Informationsschuldner. Der Aufsichtsrat darf also nicht versuchen, sich im Alleingang die benötigten Informationen zu beschaffen, sondern muss den Vorstand um die Beschaffung und Überlassung der gewünschten Informationen bitten.[105] Hierin kann zwar die Gefahr gesehen werden, dass der Vorstand die zu übermittelnden Informationen verfälscht oder unliebsame Informationen filtert.[106] Dies ist aber praktisch unvermeidbar und hinzunehmen. Der Vorstand muss aus den vorhandenen Dokumenten und Informationen, die für den Aufsichtsrat relevanten und angeforderten Unterlagen heraussuchen. Der Aufsichtsrat wäre hierzu regelmäßig wohl gar nicht oder nur mit erheblich höherem Aufwand in der Lage.[107]
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Vom Einsichts- und Prüfungsrecht sind auch Unterlagen und Vermögensgegenstände der Gesellschaft erfasst, die sich auf verbundene Unternehmen beziehen, hingegen nicht, die bei verbundenen Unternehmen befindlichen Unterlagen und Vermögensgegenstände.[108] [109]
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die dem Aufsichtsrat zustehenden Aufsichts-, Einsichts- und Prüfungsrechte dem Aufsichtsrat die Möglichkeit geben, den Vorstand bei der Leitung der AG zu kontrollieren. Allerdings geben sie dem Aufsichtsrat keine Befugnisse, unternehmensinterne Untersuchungen selbst durchzuführen oder anzuordnen. Aufgrund der fehlenden direkten Einfluss- und Zugriffsmöglichkeit des Aufsichtsrats auf die Vorgänge in der Gesellschaft ist eine eigene, unternehmensinterne Untersuchung durch den Aufsichtsrat in der Praxis kaum realisierbar. Eine Abstimmung mit dem Vorstand im Einzelfall ist daher unumgänglich.