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2. Szene: Selbstmörder

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»Dead man walking!«, wenn einer von uns geht. Gegangen wird. Wir strecken unsere Hände durch die Eisenstäbe und schütteln sie dem GEWEIHTEN, wir winken den Wärtern und applaudieren dem Henker, denn der Gang zwischen den Zellen ist der Gang der Gänge.

Neulich, der Selbstmörder. Unsanft hinauskomplimentiert. Seine Schreie ließen mich die Ohren zuhalten. Verurteilt wegen versuchten Selbstmords.

Denn GESETZ IST GESETZ!

Als Kind bin ich gerne am Feuer gesessen. Manchmal sprang eine Wurst vom Grill, direkt in die Glut. So erlebte das in die Wurst eingegangene Tier sein Sterben ein zweites Mal. Es, nein, sie krampfte, zuckte, bäumte sich auf und ihr anschwellendes Fleisch spannte die Pelle; Heulen und Zischen, bis sie zerriss, sich über die ganze Länge häutete und gelblicher Saft herausspritzte. Aus weißer Haut wurde schwarze Kruste, vom Fleisch blieb nur Kohle und endgültig konnte man von Tod sprechen.

Doch nein! Rechtzeitig stichst Du mit einer Gabel hinein und holst sie raus. Gerade noch. Ihre Erleichterung; natürlich nur, um zwischen Deinen Zähnen zermalmt zu werden.

Zu früh gefreut?

Und wenn sie sterben wollte? Absichtlich vom Rost gerutscht? In die Flammen? Und erst dort, unter unerträglichen Schmerzen schwach geworden und wieder einen Lebenswillen gefunden - unendlich froh, von Dir gerettet zu werden?

Und wenn ich mich selbst gleich mit verbrannt hätte? Mich mit Benzin übergossen und angezündet? Und man mich gerettet hätte, bevor es vorbei gewesen wäre? Dann LÄGE ich jetzt hier. Auf einem Krankenbett mit Brandblasen, nässenden Wunden und rohem Fleisch; Verbände, Infusionsflaschen und jeder Teil von mir BRENNT. Sie würden mich am Leben halten, mit der ganzen Gewalt des Hippokratischen Eids. Keinen Tag eher dürfte ich tot sein. Ich läge also auf dem Bett, und dann würde sie kommen. Sie - nicht Rosea, Rosea würde nicht kommen, aber: - meine Putzfrau. Und nun würde sie mich sehen, denn nun wäre ich UNÜBERSEHBAR! Ich könnte nicht sprechen, mein Gesicht ein bandagierter Klumpen, aber ich würde spüren, wie sie sich mir näherte und sich an mein Bett stellte, voller Mitgefühl, und auch ein bisschen Ekel dabei. Ich würde sie hören können, ein atemloses Seufzen. Ganz langsam, ganz vorsichtig würde ihre Hand über meinem Arm schweben, jenen, der allein noch unversehrt wäre. Es würde Minuten dauern, bis sie sich traute, ihre Hand zu senken.

Ich würde diesen Moment genießen, die Wärme ihres Körpers, und dann würden sich meine verbliebenen Härchen aufrichten, würden sie empfangen, ihre sorgenden Finger, würden sich sanft niederdrücken lassen, bis sich Haut auf Haut legte.

Von da an würde sie jeden Tag etwas länger bleiben, würde immer ihre Hand auf meinen Arm legen, würde mit mir sprechen; flüsternd, dass es die Anderen nicht hören, zärtlich, mitfühlend, liebevoll. Ich bliebe stumm, aber mit meinen restlichen Fingern würde ich ihr Zeichen geben. Trotz der Unerträglichkeit wäre ich glücklich.

Bis der Tag käme, der für jeden von uns kommt. Man würde mich mitsamt Bett hinunterschieben. Die Putzfrau würde heimlich weinen, niemand dürfte es wissen. Ein letzter Druck auf meinen Arm, ein letztes Zeichen meiner Hände, und dann: in meinem dunklen Kopf nur das dumpfe Rumpeln des schwer rollenden Bettes und die Stöße sich öffnender und schließender Eisentore.

>>> Kommentar der Putzfrau: »Wassendas für’n nasser Fleck unterm Bett? Wie Eiter. Als hätt' der was. Der gehört in Behandlung. Meine Meinung.«

Geschichten aus der Todeszelle

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