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Wissen ist das Kind der Erfahrung

Leonardo da Vinci 1452 - 1519

Ein schöner Mord

„Ein paar ruhige Tage, etwas Entspannung. Oder ein schöner Mord“, sagte Jonathan Popskin zu der getigerten Katze seiner Nachbarin Mrs. Stuart, die sie Miss Marple getauft hatte. Sie besuchte ihn des Öfteren.

„Oder lieber ein schönes Gedicht, meine Kleine.“ Er kraulte sie hinter den Ohren. „Oder ein Urlaub, ein Gedicht, ohne Mord.“

Er ging von seiner Terrasse ins Wohnzimmer, schritt an die kleine Bücherwand und griff blindlings nach einem Buch.

„Gedichte von Robert Burns. Welch ein Zufall. Warum kein anderes Buch? Tod auf dem Nil, zum Beispiel. Dann könnte ich ins warme Ägypten fliegen. Es wäre meine erste Reise ins Ausland? Robert Burns, Schottlands Nationaldichter. Also auf nach West-Schottland.“ Während er seinen Koffer packte, zitierte er Robert Burns: “Oh, Mary, sollst am Fenster steh‘n, Es ist die lang ersehnte Nacht; Dein süßes Lächeln lass mich seh’n ...“ Popskin lachte auf. „Das ist wahrlich nichts für einen Zweiundsiebzigjährigen!“

Popskin buchte dann per Internet einen Flug nach Ayr und brach zwei Tage später auf.

Mrs. Gloria Stuart, seine Nachbarin, sollte sich um das Nötigste kümmern. „Wann kommen Sie zurück?“

„Das kommt immer darauf an, was mich dort halten sollte.“

Und er kratzte urplötzlich seinen Buckel an der Wand und guckte dabei seine irritierte Nachbarin an. Mrs. Stuart dachte unvermittelt an seine komischen Vorahnungen.

In Ayr nahm er sich einen Mietwagen und fuhr nach Doonfoot, einem Dorf in herrlicher Landschaft. Die Farben Schottlands zeigten sich von ihrer schönsten Seite. Doonfoot liegt nicht weit von dem Ort, an dem der berühmte schottische Dichter Robert Burns geboren wurde: Alloway. Popskin stieg in Doonfoot im „Belleisle Country Hotel“ ab. Und war sehr angetan von dem Landhaus aus dem Jahre 1829. Die Gärten, die sich wunderbar um das Hotel schlängelte und das nahe Rotwild, waren ganz nach seinem Geschmack. Natürlich hatte er auch einen Reisführer und einen Gedichtband von Robert Burns zur Hand. Tags drauf spazierte er nach einem ausgezeichneten Frühstück bis zur uralten Schlossruine Greenham. Sie stand auf einem vorhängenden Granitfelsen. Unterhalb ein schmaler Strand. Die See war ruhig und der Himmel leicht bewölkt. Von der Ruine herab sah er eine junge Frau an der steilen Klippe, die scheinbar etwas suchte. Unverhofft begann sein Buckel zu jucken.

„Bitte nicht, Jonathan, Himmel, ich habe Urlaub!“ Er rubbelte seinen Buckel an der Mauer des Schlossturms.

Am Abend führte man ihn im Hotel an einen Tisch, an dem überraschenderweise genau jene junge Frau saß. „Jonathan Popskin“, stellte er sich vor.

„Mrs. Evelyn Parker. Sehr erfreut. Wir haben wohl heute das Vergnügen?“

Es gab Rehbraten in Portwein. Dann hörte er Mrs. Parker erstaunt zu. Sie war also die Gattin von Lord John Parker, Mitglied des Oberhauses. Erstaunlich junge Frau für einen neunzigjährigen Mann, dachte er sich. ,,Wie gut, dass mein Buckel jetzt nicht juckt“, sagte er.

„Juckt?“, fragte sie verdutzt.

„Entschuldigen Sie, aber mein Buckel juckt immer bei so reizenden Damen.“ Er konnte ihr ja schlecht sagen, dass er bei ihr den Eindruck einer hinterhältigen Ehebrecherin hatte. Gefühle sind eins, Fakten etwas anderes. Und so brachte er den Dichter Burns ins Gespräch. „Robert Burns´ Finger juckten bei Damen ja bekanntlich auch.“

„Schreiben Sie auch Gedichte, Mr. Popskin?“

Er verneinte und lud sie an die Hotelbar ein.

„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie frage, aber was suchten Sie so ausdauernd an der Klippe unterhalb der alten Ruine von Greenan?“

Sie wirkte sichtlich erschrocken. „Nichts, junge Vögel, glaube ich. Ich hörte es zwitschern.“

Um Mitternacht verabschiedete man sich, und er ging grübelnd zu Bett. „Nichts hatte sie gesagt. Zwitschernde Vögel, hm? Von Dichtung hatte sie auch keine Ahnung. Bei mir zwitschert es langsam auch.“

Am folgenden Vormittag machte sich Popskin zu Fuß auf den Weg nach Alloway. Immer die Greenfield Avenue hinunter. Robert Burns reetgedecktes Geburtshaus gefiel ihm. Eine Diaschau ergänzte zudem sein Wissen über den schottischen Nationaldichter. Draußen betrachtete er den vielgestaltigen Garten. Plötzlich blieb sein Blick an einem blühenden Busch hängen. Er blickte hinein und sah auf frisch aufgewühlter Erde einen Stofffetzen. Popskin suchte einen Ast und stocherte so lange, bis plötzlich ein halbes Ohr auftauchte. Er erschauderte und kniete und buddelte. Zum Vorschein kam Evelyn Parker, mit aufgeschlagener Stirn. Popskin lief ins Museum zurück und benachrichtigte die Polizei in Ayr. „Ein Mordopfer im Urlaub, und ich hielt sie für eine Verbrecherin. Auf deinen Buckel ist kein Verlass mehr“, sagte er sich.

Binnen weniger Minuten wimmelte es am Tatort von Polizeibeamten. Nachdem Inspektor Paul Davidson Popskins Aussage aufgenommen hatte, machte sich dieser auf zur alten Schlossruine. Unterwegs telefonierte er vom Handy mit einem alten Freund in London und machte einen kurzen Stopp in seinem Hotel. Er stürmte in den Garten, dann an die Rezeption. Er sagte nichts über den Tod von Mrs. Parker.

„Ist Mrs. Parker zufällig alleine hier abgestiegen?“ Der Portier bejahte, und schickte Popskin unter einem Vorwand hinaus. Angeblich würde ein kaputter Rasensprenger die Gartenmöbel bewässern. Kaum war der Portier draußen, griff Mr. Popskin zum Zimmerschlüssel. Einen Ausweis fand er dort genauso wenig wie schon am Tatort. Plötzlich schrillte sein Handy.

„So, so, Peter! John Parkers Frau ist seit mehreren Jahren tot und er selbst vegetiert in einem Seniorenstift in der Nähe von Glasgow.“

Popskin notierte sich die Telefonnummer des Seniorenstifts und wählte. „Entschuldigen Sie bitte, mein Name ist Dr. Todd von der Gesundheitsbehörde. Arbeitet bei ihnen zufällig eine Evelyn Parker?“

„Nein Dr. Todd. Hier arbeitet nur eine Evelyn Duncan. Sie ist gerade im Urlaub.“

Daraufhin beschrieb er Evelyn. „Ja, das ist unsere Mrs. Duncan.“

Popskin guckte beiläufig aus dem Fenster und sah die Polizei ankommen. Er eilte hinunter und bückte sich an der Rezeption. „Hier liegt ein Schlüssel“, sagte er.

„Oh, vielen Dank“, antwortete der Rezeptionist.

Dann ließ sich Popskin ein Taxi bestellen. Der Inspektor ging stumm an ihm vorbei, als er ins Taxi stieg „Zum Robert Burns Cottage, bitte.“

Der junge Mitarbeiter im Cottage wunderte sich über einen weiteren Besuch von Popskin. „Ich recherchiere für das Tageblatt von Maidstone. Ich schreibe einen ausführlichen Bericht über Robert Burns, Sie verstehen mich? Sagen Sie, mein lieber Freund, in welchem Zusammenhang steht eigentlich unser ehrenwerter Lord John Parker mit diesem Haus?“, wollte Popskin wissen und schmeichelte tänzelnd um den jungen Mann herum.

Der wirkte seltsamerweise plötzlich sehr nervös. „Lord Parker ist inzwischen schwer erkrankt und senil, aber er schuf dieses Museum. Er sammelte Geld und Beziehungen. Es ist das letzte Werk von Lord Parker. Er ist ein sehr beliebter Mann hier gewesen und Ehrenbürger von Alloway.“

Popskin war fast zufrieden. „Noch eine Frage. Sie wissen ja, dass ich die Leiche fand. Mich würde interessieren, ob hier vielleicht etwas entwendet wurde?“

„Nein, nichts. Es ist schrecklich für das Haus, für alle“, stammelte der junge Mann und verdrehte die Augen.

Dieser Bursche wurde seltsam. Popskin nickte zufrieden und wollte sich nochmals alle Räume anschauen, immerhin sei er nicht oft in Schottland. Dann ein günstiger Moment. Er schoss mit seinem iPhone ein Bild des jungen Mannes, gerade als dieser an einem Ölporträt von Burns stand. „Sorry, aber ich wollte diesen Burns unbedingt knipsen.“ Draußen telefonierte er nochmals mit dem Seniorenstift und fragte nach einer Kollegin, einer Freundin von Mrs. Duncan. Von ihr ließ er sich die Handynummer geben und sendete ihr das Bild des Museumsangestellten. Das wäre doch gelacht, wenn man diese kleinen Mobiltelefone nicht nutzen wüsste, dachte er sich, und schon kam die Antwort per SMS.

„Das ist der Freund von meiner Freundin. Er heißt Ken und arbeitet in einem Museum. Was ist mit Evelyn? Geht es ihr gut?“

Popskin schrieb zurück, dass er sich am Abend melden würde. Evelyn Duncan war also die Pflegerin von Lord Parker und die Museumsaufsicht ein Freund, sinnierte er. Aber was hatte sie gestern an der Klippe unterhalb der Ruine gesucht, nein eher versteckt? Sofort machte er sich auf den Weg. Er kletterte müde hinunter zur Klippe und suchte am Felsen nach einem Loch. „Jonathan, für diesen Sport bist du bald zu alt“, sprach er zu sich selbst. Dann fand er in einem Spalt eine Mappe. In ihr befanden sich etliche Seiten mit Gedichten von Burns. „Originale! Hol mich der Teufel! Jetzt wird mir vieles klar. Aber warum wurde sie ermordet?“

Er rief Inspektor Davidson an und klärte ihn auf. Er solle ihn dann von der Ruine abholen, gemeinsam könnten sie zum Burns-Haus fahren. Der Inspektor war über alle Maßen empört, doch er beruhigte sich genauso schnell.

„Und was haben Sie mit diesen Manuskripten zu tun? Sie sagten mir heute Mittag, dass nichts aus dem Museum gestohlen worden sei. Ich nehme an, dass hier irgendwo Ihre Fingerabdrücke zu finden sind“, und hielt ihm die Mappe unter die Nase.

„Evelyn hat sie gestohlen. Sie wollte sie verkaufen. Als ich wissen wollte, wo die Manuskripte sind, gab es einen Streit, einen Unfall. Aus Versehen fiel sie auf einen Stein. Sie müssen mir glauben. Panisch vergrub ich sie.“

Popskin fuhr dem Inspektor über den Mund: „Damit waren aber doch die Manuskripte verloren, oder konnte sie Ihnen das Versteck verraten? Woher kennen Sie sich?“

„Sie verriet mir noch das Versteck. Ich wollte sie später holen und heimlich zurücklegen. Deshalb sagte ich, dass nichts fehlen würde. Evelyn lernte ich vor drei Jahren kennen. Lord Parker stellte sie mir als seine Pflegerin vor. Es tut mir alles so leid.“

„Wie war es in Schottland?“, fragte Gloria Stuart und kraulte Miss Marple auf ihren Armen.

„Wünschen Sie sich nie einen schönen Mord. Greifen Sie nie blind zu einem Buch und fahren dann auch noch an den Ort der Geschichte.“

„Aber Sie waren doch nur vier Tage in Schottland.“

„Aber in denen bin ich mehr gelaufen, geklettert und fahrradgefahren als in einem Monat hier in Headcorn.“

„Und dieser Dichter?“

„Oh, Mrs. Stuart, Burns schrieb manchmal nur ein Gedicht an einem Tag. Ich rettete allein an einem Tag ein Dutzend Gedichte von ihm.“


Popskins Mordfälle

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