Читать книгу Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband) - Detlev G. Winter - Страница 9

4. Flucht aus Ni

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Bericht Atlan:

»Wohin ist er gegangen?«, fragte ich verblüfft und hätte beinahe meine Waffensysteme aktiviert. Das wäre allerdings wenig sinnvoll gewesen, denn Giffi Marauder war urplötzlich spurlos verschwunden. Genau in dem Moment, in dem ich geglaubt hatte, ihm diesen Wunsch anzusehen.

»Offenbar ist er Teleporter«, meinte Jen.

»Nein«, widersprach Bonsin. »Ich spüre es, wenn jemand in meiner Nähe teleportiert. Shaggy mag alles sein, aber er ist kein Teleporter.«

»Er ist ein Agent der Grauen Lords, vielleicht sogar selbst ein Grauer Lord«, argwöhnte ich, denn ich sah vor meinem geistigen Auge wieder ablaufen, wie sich ein Ebenbild Giffi Marauders in einen Grauen Lord verwandelte.

Mach dich nicht zum Narren!, warnte der Extrasinn.

Ich hatte im selben Moment erkannt, was der Extrasinn meinte, deshalb korrigierte ich mich unverzüglich.

»Immerhin hat er uns vor Krart und seinen Absichten gewarnt«, sagte ich. »Demnach kann er doch nichts mit den Grauen Lords zu tun haben.«

»Ich bin sogar davon überzeugt, dass wir in ihm einen Freund gefunden haben«, warf Jen ein. »Er verheimlicht zwar einiges vor uns, aber bestimmt nicht, weil er unser Gegner wäre.«

»Warum dann?«, fragte Iruna von Bass-Teth. »Hat Giffi Marauder nicht selbst gesagt, er hätte an einer Sitzung der Grauen Kammer teilgenommen und sei anschließend mit Krart zum Vagenda geflogen? Das alles wäre ihm kaum möglich gewesen, wenn er gegen die Grauen Lords arbeitete.«

Ich nickte, obwohl ich den demagogischen Wirkungsfaktor ihrer Argumentation erkannte. Aber für mich stand fest, dass er nicht beabsichtigt war – und ein Körnchen Wahrheit gab es schließlich auch in ihrer Behauptung.

»Vielleicht weiß er selbst nicht, dass er unser Gegner ist«, schwächte Iruna ab. »Er sympathisiert möglicherweise sogar mit uns. Das würde seine Warnung vor Krarts Absichten erklären. Nur ändert es nichts daran, dass er wahrscheinlich zu den Grauen Lords gehört. Wir sollten ihn von uns fernhalten.«

»Nun, zurzeit hält er sich selbst von uns fern«, stellte Tengri mit einem Unterton von Ironie fest. »Vielleicht hält er uns für gewalttätig.«

»Das glaube ich nicht«, entgegnete ich und ärgerte mich über die unangebrachte Ironie, die Tengri gegenüber Iruna an den Tag legte. »Ich denke, dass er geflohen ist, weil er merkte, dass er sich verraten hat. Genauso gut kann er uns den Grauen Lords gegenüber verraten, selbst wenn er das gar nicht beabsichtigt.«

»Richtig«, pflichtete Iruna mir bei.

Der Hathor machte eine Miene, als ob er einiges dagegen einwenden wollte, doch dann wurde sein Gesicht ausdruckslos. Er hatte wohl erkannt, dass ich keine weiteren Kränkungen Irunas hinnehmen würde.

»Ich bin dafür, dieses Thema auszuklammern«, sagte Jen – in der offenkundigen Absicht, eine Auseinandersetzung zwischen dem Hathor und mir zu vermeiden. »Kümmern wir uns zunächst darum, was aus Sokrat und Clio geworden ist, desgleichen aus den beiden Jaschemen und den Exterminatoren.«

»Und aus dem Tabernakel von Holt!«, rief Bonsin. »Soll ich teleportieren und nachsehen?«

»Nicht so hastig!«, mahnte Tengri. »Ich denke, Suu Oon Hoo kann uns sagen, was aus unseren Gefährten geworden ist.«

»Sie befinden sich auf dem Weg hierher!«, erklang die mentale Stimme des Lla Ssann. »Ich habe ihnen über einen Schatten berichtet, wo ihr seid. Zurzeit droht ihnen keine Gefahr, denn die Grauen Heere haben ihren Vormarsch eingestellt.«

»Hat die Armee der Schatten sie aufgehalten?«, fragte Jen.

»Es sieht so aus. Aber einem neuen, massiven Angriff würden die Schatten nicht lange widerstehen, weil die Vitalenergie, die sie stabilisiert, mehr und mehr zerrinnt.«

»Lässt sich das Abfließen der Vitalenergie aufhalten oder verzögern?«, drängte Tengri.

»Nein!«, sagte Suu Oon Hoo unmissverständlich. »Jedoch wird vorerst keine neue Offensive der Grauen beginnen. Mir wurde soeben gemeldet, dass ein Gleiter mit einem Unterhändler der Lords hierher unterwegs ist. Ich habe veranlasst, ihm freies Geleit zu geben.«

»Krart!«, entfuhr es mir.

»Das denke ich auch«, sagte Tengri.

Ich sah den Hathor verstohlen von der Seite an, doch ihm war nichts mehr von seiner Opposition gegen Iruna anzumerken. Vielleicht war ihm selbst deutlich geworden, dass sie es nur gut mit uns meinte und die wertvollste Verbündete war, die wir im Tiefenland haben konnten.

Ich zeigte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »Gehen wir Krart ein paar Schritte entgegen«, schlug ich vor.

Als wir einen der Speicher halb umrundet hatten, bemerkte ich die erschreckende Veränderung, die mit dem Glaslabyrinth vor sich gegangen war.

Hatte vor Tagen noch ein dünner goldener Schleier aus freier Vitalenergie über dem Kristallland gehangen, so war er nun endgültig verflogen. Der Himmel hatte eine bleifarbene Tönung angenommen. Mir kam es sogar vor, als leuchteten die Speicher der Vagendakrone auf dieser Seite schwächer als bei unserer Ankunft.

»Es wird alles gut werden, Atlan«, sagte Iruna von Bass-Teth.

Ich wandte den Kopf und blickte sie an. Es war fast ein Wunder. Sie brauchte nur ein paar Worte zu sagen, eigentlich brauchte sie nur da zu sein – und sofort wuchs meine Hoffnung auf ein gutes Ende unseres Unternehmens.

Sie streckte mir ihre Hand entgegen, und ich fühlte mich unvermittelt wie im siebten Himmel. Ich war überzeugt, wir würden das Tiefenland retten.

Impulsiv ergriff ich ihre Hand und drückte sie. Im selben Moment konnte ich wieder befreit auflachen.

»Ich will dich zur Frau haben, Iruna«, raunte ich so leise, dass keiner der Gefährten es hören konnte. »Ich habe viele Frauen gekannt, aber nie mit einer den Bund fürs Leben geschlossen. Mit dir würde ich es tun.«

Sie sah mich sonderbar an.

Du machst dich einmal mehr zum Narren!, kritisierte der Logiksektor.

Ich lachte innerlich. Gerade mein Logiksektor schien das logische Denken vergessen zu haben. Vielleicht wirkte auch der Graueinfluss nach, dem wir verschiedentlich ausgesetzt gewesen waren. Jedenfalls sah mein Extrasinn alles nur noch negativ.

»Dort kommt ein Gleiter!«, sagte Tengri und deutete schräg in die Höhe.

Eine Sekunde später sah ich die wuchtige Maschine ebenfalls. Sie näherte sich rasch, setzte zur Landung an und kam wenige Meter vor uns auf. Ein Schott öffnete sich im Bug.

Lordrichter Krart stieg aus.

»Da bin ich wieder, meine Freunde!«, rief er – und es klang, als meinte er es ehrlich. »Ich bin gekommen, weil ich hoffe, dass ich euch diesmal zur besseren Einsicht bekehren kann. Inzwischen müsst ihr erfahren haben, wie schlecht die Raum-Zeit-Ingenieure die Dienste ihrer Helfer lohnen.«

»Lohnt ihr die Dienste eurer Helfer besser?«, fragte Iruna mit wahrhaft göttlicher Verachtung. »Wenn sie für euch siegten, würdet ihr ihnen als Dank dafür nur ein Dahinvegetieren in einer grauen und hoffnungslos negativen Welt bieten. Das Universum müsste trostlos dahindämmern, ohne positive und negative Höhepunkte, im Quasi-Stillstand der Zeiten.«

Das waren die Worte einer Göttin. Sie hatte den wahren Kern des Problems bloßgelegt. Ich strahlte sie begeistert an.

Krart hob die mageren Ärmchen. »Ich weiß nicht, wer du bist!«, schnarrte er aufgeregt. »Aber ich habe aus deinen Worten herausgehört, dass deine Vorstellung vom Universum völlig falsch ist.« Seine Stimmkraft steigerte sich, sogar das Schnarren verschwand. »Was du als erhaltenswert hinstellst, dieses Auf und Ab positiver und negativer Höhepunkte, ist keinesfalls die universelle Norm. Es ist auch nicht einfach eine natürliche Ausnahme von der Regel, sondern eine Krankheit – eine krankhafte Entartung des Universums.

Am Anfang war das Grausein. Das gesamte Universum war vom Tiefeneinfluss durchdrungen, denn dieser Einfluss ist der Basisfaktor aller Existenz. Überall herrschte absolute Harmonie, von den subatomaren Teilchen angefangen über die ersten Lebensformen bis hin zu Sternen, Galaxien und Galaxiengruppen.

Das war so, bis eine außeruniverselle Macht in Erscheinung trat – die Kosmokraten – und dem Universum ein künstliches Schöpfungsprogramm aufzwang. Ihr nennt es den Moralischen Code.

Die Energie seiner psionischen Felder durchdrang den Kosmos und verdrängte den Tiefeneinfluss. Damit war das Universum aus dem Gleichgewicht gebracht, und zwei absolut gegenläufige Kräfte wurden geboren. Die eine nennt sich ›Macht des Chaos‹, die andere ›Macht der Ordnung‹. Beides ist Heuchelei, denn keine dieser Mächte will die Ordnung des Grauseins wiederherstellen.

Erst, als TRIICLE-9 mutierte und seinen Platz in der Tiefe verließ, verlor das psionische Netz des Moralischen Codes seinen Einfluss in einem Teil des Kosmos. Das Grausein bekam eine neue Chance, und wir Lordrichter und Grauen Lords dienen seiner Wiedererrichtung im gesamten Universum. Wir sind die Vertreter der wahren, weil ursprünglichen Schöpfung.«

»Geschwätz!«, widersprach Iruna von Bass-Teth, kaum dass der Lordrichter endete. »Grausein ist Negation von Leben. Das wahre Leben manifestiert sich in der ständigen Auseinandersetzung und in der Unordnung. Alles andere ist kein Leben.«

Tengri Lethos wölbte die Brauen und sah sie ausdruckslos an. Er hatte etwas gegen Iruna, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Das war offensichtlich.

»Iruna von Bass-Teth hat vollkommen recht!«, rief ich mit einer Schärfe, die eigentlich nicht beabsichtigt gewesen war – und ich rief es in Richtung des Hathors. Da ich fair und sachlich bleiben wollte, wandte ich mich eindeutig an Krart, als ich weitersprach: »Ich denke, dass ihr Grauen selbst keine wissenschaftlich definierbaren Vorstellungen von dem habt, was ihr die ›wahre Schöpfung‹ und das ›harmonische Grausein‹ nennt. Eure Psyche ist negativ deformiert. Ihr seid von einer Art Psychoseuche erfasst, die wahrscheinlich durch das Verschwinden von TRIICLE-9 und die dadurch hervorgerufene Beschädigung des Moralischen Codes verursacht wurde.«

»So ist es«, pflichtete Jen mir bei.

Tengri nickte kaum merklich. »Ich denke auch, dass du es treffend formuliert hast, Atlan«, wandte er sich an mich.

»Iruna hat es zuerst formuliert«, konterte ich. »Und besser, weil kürzer als ich.« Ich wandte mich wieder an den Lordrichter. »Es ist aussichtslos, Krart. Du hättest dir den Weg zu uns ersparen können. Wir kapitulieren nicht. Vielmehr werden wir kämpfen – und siegen.«

»Zumindest werden wir alles tun, um zu verhindern, dass der Graueinfluss die ganze Tiefe durchdringt«, stimmte der Hathor mir zu.

Krart ließ seine Schultern sinken. »Ihr seid Narren«, sagte er. »Ich wollte euch zu Mitgliedern der Grauen Kammer machen. Doch nun, da ihr weiterhin uneinsichtig bleibt, werden jene von uns Handlungsfreiheit bekommen, die für den Kampf plädieren. Grau werden oder sterben, ist ihr Motto.«

Er wandte sich um und ging zu seinem Gleiter zurück. Gleich darauf hob das Fahrzeug ab und entfernte sich unter dem bleigrauen Himmel.

Wir gaben uns dem Gefühl hin, diese Runde für uns verbucht zu haben – bis die Grauen Heere ein heftiges Feuer aus schweren Waffen eröffneten und binnen weniger Minuten die ersten Breschen im Wall der Vagendakrone entstanden ...

»Das ist der Anfang vom Ende!«, teilte uns Suu Oon Hoo mental mit. »Ich kann mich nicht länger halten. Einige Aktivatorspeicher der Vagendakrone sind bereits grau geworden und haben deshalb dem Beschuss nicht standgehalten. Bald werden alle Speicher dieses Schicksal erleiden.«

»Du darfst den Mut nicht verlieren!«, rief ich unwillig. »Hast du nicht gehört, was wir Krart entgegneten? Wir werden kämpfen und siegen.«

»Womit?«, erkundigte sich der Lla Ssann resignierend. »Mit Worten kann niemand dem Graueinfluss widerstehen. Die Armee der Schatten löst sich zunehmend auf. Ich werde meinen Vitalenergiespeicher verlassen und körperlich materialisieren. Wenn ihr wollt, führe ich euch durch die Vagendakrone zur anderen Seite, wo sich das Zentrum des Vagendas befindet. Ich weiß zwar nicht, wie ihr euch von dort aus retten wollt, aber ihr würdet wenigstens nicht unter den Trümmern der Krone begraben.«

»Schon wieder fliehen.« Ich seufzte und sah Iruna Hilfe suchend an. »Irgendwann wird es nicht mehr weitergehen.«

»Bis dahin dürfen wir die Hoffnung nicht verlieren, Atlan!«, sagte die Akonin. »Die Grauen Heere wären nicht die erste Truppe, die sich totsiegte. Schon in wenigen Stunden können ihre Kräfte verbraucht sein – und die Lage würde sich zu unseren Gunsten wenden. Deshalb müssen wir durchhalten, auch wenn es hoffnungslos erscheint.«

Strahlschüsse aus schweren Geschützen schlugen in unserer Nähe ein. Sie verursachten ein Energiegewitter, das mich an einen Weltuntergang denken ließ. Die glühenden Trümmer eines explodierten Speichers regneten weit im Umkreis nieder und begruben den Eingang zu dem Treppenschacht und dem Fluchtstollen unter sich.

Selbstverständlich hatten wir schon bei den ersten Entladungen Schutz gesucht und zudem unsere Schirme aktiviert. Kaum hörte der Beschuss auf, flogen wir los. Eisige Kälte stieg in mir auf, als ich sah, dass zwei unbeschädigt gebliebene Speicher in unserer Nähe ihren Goldglanz verloren hatten und sich grau zu färben begannen.

»Suu Oon Hoo!«, schrie Iruna. »Du musst materialisieren und uns ins Tal bringen!«

Der Tiefenschwimmer antwortete nicht.

»Vielleicht ist er tot«, befürchtete Jen.

»In dem Fall würden wir ihm bald folgen«, erwiderte die Akonin. »Ohne den Lla Ssann kämen wir niemals auf die andere Seite. Es gibt unsichtbare Energiebarrieren, die nur von einem Autorisierten desaktiviert werden können.«

»Ich dachte, du hättest eine ähnliche Funktion wie der Lla Ssann«, wandte ich mich Iruna zu. »Zumindest was die Vollmachten anbelangt.«

Sie lachte bitter. »Das war ein Irrtum, Atlan. Ich bin rein zufällig hierhergekommen, als ich jemanden zu retten versuchte.«

Abermals brauchten wir Deckung, weil der nächste Feuerschlag über die Vagendakrone hereinbrach. Ein wahres Inferno tobte über das Plateau hinweg.

Als der Beschuss verebbte, nahm ich sofort den Faden wieder auf: »Iruna, wen wolltest du retten?«

»Meinen Bruder«, antwortete sie. »Leider weiß ich nicht, ob es mir gelungen ist.«

Für ein paar Sekunden hatte ich die beklemmende Vorstellung gehabt, es wäre vielleicht ein Geliebter gewesen, den Iruna hatte retten wollen.

Du Barbar!, zeterte mein Extrasinn. Im Angesicht des Todes zitterst du davor, die Akonin könnte einen Geliebten haben.

Das verstehst du nicht!, gab ich hitzig zurück.

Ein klatschendes Geräusch ertönte. Als ich aufsah, krümmte sich wenige Meter vor uns ein etwa drei Meter langer und 50 Zentimeter durchmessender milchig weißer Wurm. In der Mitte des Körpers pulsierte es goldfarben unter der Haut.

»Folgt mir!«, vernahm ich die mentale Stimme Suu Oon Hoos.

Erst da wurde mir bewusst, dass der Wurm vor uns die körperliche Existenzform des Lla Ssanns war – und meine Gefährten schienen es zur gleichen Zeit zu erfassen.

Als das Wesen sich vom Boden erhob und scheinbar schwerelos davonschwebte, folgten wir ihm. Ich nahm an, dass es telekinetische Kräfte für seine Fortbewegung einsetzte. Doch darüber machte ich mit in diesen Sekunden keine Gedanken, denn hinter uns brach erneut ein Inferno aus. Nur wer das einmal selbst erlebt hat, kennt die zermürbende, demoralisierende Wirkung einer solchen Hölle, in der kein Platz für Heldentum ist, sondern nur für nackte Furcht.

Ich kannte dieses entsetzliche Gefühl. Deshalb wunderte ich mich auch nicht, dass Bonsin in aller Panik teleportierte, ohne sich darum zu kümmern, was aus uns wurde.

Allerdings materialisierte er sofort wieder. Er musste von einer Psi-Sperre oder Ähnlichem zurückgeschleudert worden sein. Schreiend wälzte der Abaker sich am Boden.

Tengri und ich erreichten ihn gleichzeitig. Wir hielten ihn fest und aktivierten das Medosystem seines Anzugs. Bonsin trug ja wie Clio eine Nachbildung der Exterminatoren-Kombis – und diese Monturen besaßen keine selbsttätigen Medosysteme, sondern brauchten einen externen Zugriff.

Der junge Abaker wurde zwar schnell ruhiger, aber seine Augen verrieten, dass er noch nicht wieder klar zu denken vermochte. Tengri und ich trugen ihn hinter unseren Gefährten her. Der Beschuss hörte nach kurzer Zeit auf – oder wir waren, ohne es zu bemerken, hinter eine Energiebarriere geraten. Auf jeden Fall wurde es beinahe unheimlich still.

»Es tut mir leid, falls ich deine Gefühle verletzt habe, Atlan«, flüsterte der Hathor über den auf schwächste Leistung gedrosselten Helmfunk. »Es war kein böser Wille, doch Iruna hat etwas an sich, das mir Furcht einflößt. Ich kann es nur nicht definieren.«

Ich unterdrückte den Impuls, Tengri ziemlich heftig zu antworten. Mit einiger Mühe redete ich mir ein, dass er wirklich nicht in böser Absicht handelte, sondern vielleicht schon vom Graueinfluss verändert worden sei.

»Schon gut«, gab ich zurück. »Du siehst ein, dass du Iruna unrecht getan hast, und ich werde dir nichts nachtragen. Ich bin sicher, dass sie dir ebenfalls verzeiht.«

Er stöhnte enttäuscht. Da war ich mir wirklich sicher, dass der Graueinfluss seine Psyche verändert hatte. Früher war Tengri nie starrsinnig gewesen. Ich würde viel Geduld mit ihm haben müssen.

Kurze Zeit später ließen wir die Vagendakrone hinter uns. Suu Oon Hoo hielt an, und wir versammelten uns um ihn. Bonsin war noch nicht wieder Herr seiner selbst. Ich setzte das Medosystem seines Schutzanzugs zum zweiten Mal ein.

Erst danach sah ich mich richtig um. So weit ich blicken konnte, sah ich in einen fast unmerklich abfallenden Talkessel hinein. Es war ein erschütterndes Bild, denn von der goldfarbenen flüssigen Vitalenergie, die den Kessel nach Aussage des Tabernakels ausgefüllt hatte, war kaum mehr als ein kümmerlicher Rest vorhanden, der sich zudem schnell zur Mitte hin verlief.

Da der Talkessel des Vagendas rund 9000 Kilometer durchmessen sollte, war die Mitte ohnehin rund 4500 Kilometer entfernt. Immerhin sah ich in der Mitte des jenseitigen Horizonts einen goldenen Schein flackern. Das musste die aufsteigende Vitalenergie sein, die von der Lichtebene aufgesogen wurde.

Wir standen vielleicht zwei Minuten lang wie erstarrt und beobachteten die abfließende Vitalenergie. An den Talrändern wurden die Tunnelöffnungen frei, durch die einst die Energieströme in das Kavernensystem des Tiefenlands geleitet worden waren. Allein schon dieser Anblick hatte etwas schrecklich Deprimierendes.

Eine Serie von Donnerschlägen mahnte uns zum Aufbruch. Krarts Truppen hatten den Beschuss wieder aufgenommen. Kein Zweifel: Sie waren fest entschlossen, das Zentrum des Vagendas sturmreif zu schießen.

»Wir werden uns niemals aufgeben, Atlan«, sagte Iruna von Bass-Teth neben mir. »Mich schreckt selbst die Finsternis nicht.«

»Noch ist es nicht finster«, erwiderte ich und legte einen Arm um sie. Iruna zitterte.

»Spürst du die ungezügelte Wildheit, die nach unserer Lebenskraft giert?«, flüsterte sie.

Ein kalter Schauer überkam mich. Wie Iruna das sagte, mutete es unheimlich an.

»Nur Mut!«, raunte ich zurück.

Der Beschuss wurde heftiger. Als die ersten Strahlbahnen die Energiebarrieren der Vagendakrone durchbrachen und glühende Trümmer bis zum Talkessel flogen, wurde unsere Lage unhaltbar.

Suu Oon Hoo setzte sich wieder in Bewegung. Er wurde schneller und schneller, und wir mussten ebenfalls beschleunigen, um den Anschluss an ihn nicht zu verlieren. Hinter uns wurden beinahe schlagartig alle Aktivatorspeicher grau, die bislang noch im Goldschimmer geleuchtet hatten. Der Wall zerbröckelte und sank zu einer Schutthalde zusammen. Vor und unter uns floss die restliche Vitalenergie immer schneller davon.

Ich hörte auf zu denken, während wir flohen. Alles Denken hatte seinen Sinn verloren. Es erlosch, und jedes Zeitgefühl mit ihm. Es schien, als wären wir alle schon so gut wie tot.

Irgendwann verschwand die graue Schutthalde der ehemaligen Vagendakrone hinter uns. Wir erreichten die Mitte des Talkessels und sahen die letzten Reste der Vitalenergie als golden leuchtenden Geysir zur Tiefenkonstante empordröhnen und dort verschwinden. Das dabei entstehende Geräusch erschütterte unsere Bewusstseine.

Suu Oon Hoo schwebte weiter, obwohl wir innehielten, weil wir dem Energiegeysir nicht zu nahe kommen wollten. Er verabschiedete sich nicht einmal – ein Beweis dafür, dass die Panik ihn überwältigt hatte. Mit einem matten Lichtblitz verschwand er in der Energiesäule und stieg entstofflicht in ihr hinauf. Danach erlosch die Säule, denn der Talkessel war leergeronnen.

Dunkelheit kroch von allen Seiten heran.

Vielleicht hätten wir entkommen können, wenn wir uns ebenfalls dem Energiegeysir anvertraut hätten. Aber uns hatte die Zeit gefehlt, Für und Wider abzuwägen.

Wir standen reglos da, ergeben in unser Schicksal, das nur der Tod sein konnte. Die Truppen der Grauen Lords feuerten nicht mehr. Sie tauchten von allen Seiten gleichzeitig aus der Dunkelheit auf. Der mit ihnen kommende Graueinfluss lähmte unsere Willenskraft. Wir waren Gefangene, ehe wir es uns versahen.

Tage später:

Wir legten dicht unterhalb des Passes über den Grenzwall eine Pause ein. Wir, das waren Iruna von Bass-Teth, Tengri Lethos-Terakdschan mit seinem Orbiter Bonsin, Jen Salik, der undurchsichtige Nomade Giffi Marauder – und ich selbst. Widrige Umstände zwangen uns zu dieser Rast, denn in diesem Bereich des Landes Ni tobte ein fürchterlicher Gravitationssturm. Es wäre Wahnsinn gewesen, um jeden Preis gegen die entfesselten Gewalten anzukämpfen.

Wir waren den Grauen Lords entkommen.

Dass wir es überhaupt noch einmal schaffen würden, hätten wir uns auf dem Vagendaplateau keineswegs mehr träumen lassen. Die Grauen hatten uns gefangen genommen und über das Transmittersystem in ihre Bergfestung im Land Ni gebracht. Lordrichter Krart war versessen darauf, uns Ritter der Tiefe zum Grauleben zu bekehren.

Gib es schon zu: Das Beste, was euch geschehen konnte, mischte sich der Extrasinn in meine Gedanken ein. Krart ist gar nicht so übel.

Soll das heißen ...? Ich brachte den Protest nicht zu Ende, weil mich das spöttische Lachen des Extrasinns ärgerte. Wir hatten es immerhin Giffi Marauder zu verdanken, dass wir unser Freiheit zurückhatten.

Trotzdem ärgert dich, dass du so gar nicht weißt, woran ihr mit ihm seid.

Das stimmte. Ich hatte mir dennoch vorgenommen, nicht noch einmal danach zu fragen. Giffi schwieg dazu. Er war auf unserer Seite, das allein zählte. Und eines Tages, sobald ihm danach war, würde er darüber reden. Bis dahin musste ich mich damit abfinden, dass er kam und ging wie es ihm gefiel. Ihm – oder Shiva, wer immer das sein mochte.

»Worüber denkst du nach, Atlan?«

Die Frage schreckte mich aus meinen Überlegungen auf. Es war ausgerechnet Giffi Marauder, der fragte. »Über dich«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Und über Shiva.«

Er war nicht einmal überrascht, ich bemerkte nicht das leiseste Aufleuchten in seinen Augen. Shaggy rieb sich lediglich mit zwei Fingern die mächtige Nase.

»Tu's nicht«, meinte er eher beiläufig. »Immer nur grübeln bringt dich nicht weiter.«

Er sprach aus Erfahrung. Das hörte sich jedenfalls so an. Besondere Kräfte hatten uns zur Flucht verholfen – Kräfte, die auf irgendeine Weise mit ihm zusammenhingen. Punkt. Akzeptiert.

Und weiter! Das Unwetter schien zumindest etwas abzuflauen.

Seit wir den Fuß des bis zur Tiefenkonstante aufragenden Grenzwalls erreicht hatten, nach einer kräftezehrenden Flucht quer durch die Bergfestung und das Land Ni, verfolgt und gehetzt von den zu Grauleben gewordenen beiden Jaschemen und den Exterminatoren, tobte der Gravitationssturm. Keiner von uns wusste, ob das Unwetter natürlich entstanden oder von den Grauen Lords künstlich hervorgerufen worden war. Es spielte im Grunde genommen auch keine Rolle. Wer bei ständig wechselnder Schwerkraft mit jähen Änderungen nach oben und unten mit einer flugfähigen Kombination unterwegs ist, der wird dermaßen geschüttelt und gestaucht, dass sein Unterbewusstsein ihn aus reiner Notwehr in tiefe Lethargie versinken lässt.

Wir waren zerschlagen, erschöpft und psychisch ausgelaugt. Unsere Muskeln zitterten. Bei jeder Schwerkraftveränderung versuchten wir, uns mit den Händen in der rauen Oberfläche des aus allem möglichen Metallschrott aufgeschütteten und teilweise zusammengeschmolzenen Gebirges festzuklammern. Es gelang nicht immer.

Ein naher Gletscher aus Formenergie reflektierte das Licht einer nicht einsehbaren Quelle extrem stechend.

»Atlan!«, schrie Iruna.

Ich ließ meinen Halt los, wurde über eine eisglatte Schräge geschleudert und prallte mit der Akonin zusammen. Umschlungen rutschten wir bis in eine schmale Rinne ab. Gleichzeitig sprang die Schwerkraft auf einen Wert zurück, mit dem der Antigrav des TIRUNS mühelos klarkam.

»Wo sind wir, Atlan?«, stöhnte Iruna. Ihre Nerven waren nicht mehr die besten.

Ich sah mich um, hielt sie immer noch an mich gedrückt. Wir lagen in der schräg verlaufenden Rinne, die allem Anschein nach am höchsten Punkt des Grenzwalls endete. Dort oben sah ich ein hell strahlendes, auf der Spitze stehendes Dreieck, das eigentlich nur der Durchbruch zur Lichtebene sein konnte. Das Land Ni umschloss die Lichtebene, hielt sie geradezu im Würgegriff. Die Rinne war ein Einschnitt in einem Bergkegel aus grauweißem, glänzendem Metall, das sehr geschmeidig zu sein schien. Ich tippte auf gediegenes Platin.

Wir waren dicht vor dem Ziel.

»Bald haben wir es geschafft«, sagte ich zu Iruna und zog sie noch ein wenig fester an mich.

»Dann kann uns nichts mehr trennen.« Ihre Augen strahlten mich an.

»Dort oben sind wir in Sicherheit«, bestätigte ich.

Nacheinander erreichten auch die Gefährten in den nächsten Minuten die Rinne und schlossen wieder zu uns auf.

»Wir haben die Verfolger abgehängt«, stellte ich fest. »Von Wachtruppen ist jedenfalls nichts mehr zu sehen. Ich denke, wir nutzen die Gunst der Stunde und steigen zum Durchgang in die Lichtebene hinauf. Zu Fuß, damit wir nicht im letzten Moment geortet werden.«

Giffi Marauder blickte mich so eigentümlich an, dass ich sofort das nächste Problem kommen sah. »Was ist los, Shaggy?«, erkundigte ich mich mit dumpfer Ahnung bevorstehenden Unheils.

Der Nomade schüttelte den Kopf. »Nicht hier. Ich muss ohne Helmfunk mit dir reden, Atlan – und mit ihr.« Er blickte Iruna an.

»Mit Iruna von Bass-Teth?«, vergewisserte ich mich.

»Ja, mit ihr«, antwortete er ausweichend und anscheinend äußerst verlegen. Zugleich mit einer Eindringlichkeit, der ich mich nicht zu entziehen vermochte.

»Geht schon voraus!«, wandte ich mich an die Gefährten. »Wir drei kommen rasch nach.«

»Zögert nicht zu lange damit!«, mahnte Tengri, ohne uns anzusehen.

Er weiß oder ahnt etwas!, raunte der Logiksektor.

Aber was? Sag's mir!, dachte ich zurück.

»Bitte, schaltet den Funk aus!«, sagte Giffi und öffnete seinen Helm.

Iruna und ich machten es ihm nach. Als er dann noch zögerte, konnte ich mich nicht länger zurückhalten.

»Was, zum Teufel, hast du mir mitzuteilen, Shaggy?«

Er senkte den Blick. Gleich darauf sah er mich wieder fest an – und dann Iruna.

»Sie kann nicht mitkommen!«

»Was?«, entfuhr es mir, dann stutzte ich. »Warum nennst du sie nicht bei ihrem Namen, sondern redest darum herum?«

»Sie heißt nicht Iruna, und sie ist auch keine Akonin«, flüsterte der Nomade stockend.

»Die Finsternis soll dich holen, du Bastard!« Iruna von Bass-Teth fauchte Giffi an wie eine Tigerin, die ihre Jungen verteidigt. »Töte ihn, Atlan!«

»Ihr würdet beide sterben«, sagte Giffi hastig. »Das Sextadimelement der Lichtebene ist tödlich für jeden Sarlengort, der einmal in einem aufgezwungenen Albtraum in seinem weißen Turm gefangen war – und sie ist eine Sarlengort. Du würdest sie festhalten, wenn sie stürbe, Atlan, und müsstest deshalb dort oben mit ihr sterben.«

»Eine Sarlengort?«, wiederholte ich und spürte, wie dunkle Schwingen über mir zusammenschlugen. »Ich habe den Namen schon gehört.«

»Es ist der Name meines Volkes«, sagte Iruna matt. »Es ist so gut wie tot – und vielleicht ist es mir nicht einmal gelungen, meinen Bruder zu retten.«

Mir dämmerte die Wahrheit, aber ich brauchte Gewissheit.

»Dein Bruder?«, fuhr ich sie an. »Wer ist dein Bruder?«

»Er nannte sich Kazzenkatt«, antwortete Giffi Marauder an ihrer Stelle. »Das ist Sarlengortisch und bedeutet so viel wie Ich will leben.«

Kazzenkatt, das Element der Lenkung!, dachte ich, während ich in einer Sturmflut aufgewühlter Emotionen versank. Und Iruna soll seine Schwester sein? Das ist unmöglich!

»Das ist nicht wahr!«, fuhr ich sie an und packte sie an den Schultern. »Sag, dass es nicht stimmt! Sag schon!«

»Es hat keinen Sinn, die Wahrheit zu leugnen, Atlan«, sagte sie traurig. »Es hat nie einen Sinn gehabt. Ich träumte einfach einen schönen Traum.«

Wehmütig blickte sie in unergründliche Ferne.

»Vor Äonen vernichteten die W'in mein Volk«, sagte sie tonlos und scheinbar geistesabwesend. »Sie konnten nur die weißen Türme nicht zerstören, die uneinnehmbaren Festungen, von denen aus wir Sarlengort einst die Galaxis Narzesch erobert und beherrscht hatten. Deshalb sorgten sie dafür, dass die Türme zu Gräbern wurden. Wir träumten noch, aber es waren die Träume von Toten, die sich von anderen Toten nur dadurch unterschieden, dass sie nicht verwesten.

Zweimal wurden die Träume gestört. Das erste Mal vom letzten Vertreter des Alten Volkes. Er weckte meinen Bruder und zwang ihn mit Drohungen und Versprechungen, ihm als Element der Lenkung seines Dekalogs zu dienen. Nicht grundlos wählte er Kazzenkatt aus, denn kein Sarlengort konnte träumen wie er.

Das zweite Mal brachen Agenten der Genetischen Allianz in die Träume ein. Sie zapften meine tiefsten Gedanken und Gefühle an und beschlossen, mich zu ihrem Werkzeug zu machen. Ich sollte meinen Bruder aufspüren und töten. Als Träumende war ich dazu nicht fähig, darum schufen sie sich Kreaturen, die in Jahrtausenden meinen Turm aufbrachen und mich herausholten. Mein Bewusstsein wurde auf Stahl übertragen, mein Körper eingeschmolzen zu einer beliebig formbaren Substanz. Danach wurde ein neuer Körper für mich erschaffen und das Bewusstsein aus dem Stahl in sein Gehirn übertragen.

Doch mein Ich hatte auch im Stahl weiter geträumt, ohne dass die Feinde das herausfanden. Als es in den neuen Körper floss, gelang es ihm, mit diesem Körper zu fliehen und sich im fünfdimensionalen Netz zu verbergen, das unsichtbar das Universum durchzieht. Ich suchte nach meinem Bruder – nicht, um ihn zu töten, sondern um ihn zu erlösen. Leider erfuhr der Herr der Negasphäre davon.«

Sie schwieg mit gesenktem Kopf, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich musste nur fortwährend daran denken, dass sich am Beispiel von Kazzenkatt und seiner Schwester erneut die uralte Wahrheit offenbarte, dass es weder das absolut Böse noch das absolut Gute gibt.

»Und?«, brachte ich nach einer Weile hervor.

»Ich habe versucht, ihn zu retten«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist. Die Kälte schob sich zwischen unsere Träume. Ich versuchte, zu ihm zu gelangen – und landete hier, im Tiefenland. Mithilfe der Vagendakrone und des Glaslabyrinths konnte ich um mein Bewusstsein herum den Körper wieder aufbauen, den die Agenten der Genetischen Allianz gezüchtet hatten.«

Ich war wie vor den Kopf geschlagen und so benommen, dass ich mich eine Zeit lang für jede Wahrnehmung gesperrt haben musste. Als ich wieder zu mir kam, war Iruna von Bass-Teth verschwunden. Jawohl: Iruna von Bass-Teth! Für mich würde sie diesen Namen behalten.

Ich wusste, dass es sinnlos gewesen wäre, ihr zu folgen und sie einholen zu wollen.

»Wie bist du darauf gekommen?«, wandte ich mich an Giffi Marauder, der vor mir stand und mich forschend ansah.

»Shiva hat mich darauf gebracht«, antwortete der Nomade und hielt mir ein faustgroßes, eiförmiges Objekt entgegen, über dessen Oberfläche ein energetisches Farbenspiel geisterte. Offenbar n-dimensionale Energie. Ich erkannte es, weil es mich überdeutlich an die WAND im Reich der Jaschemen erinnerte.

»Shiva!«, wiederholte ich sinnend. Schon die ganze Zeit über war mir, als müsste ich mich an etwas erinnern; ich kam nur nicht darauf, an was. Ich wischte die Überlegung beiseite. »Was wird aus Iruna?«, wollte ich wissen .

»Ich werde sie begleiten«, erklärte Giffi und verstaute Shiva in seinem Beutel. »Mit Shivas Hilfe gelingt es mir vielleicht, für sie und mich einen Weg aus der Tiefe ins normale Universum zu finden.«

»Aber ich darf Iruna nicht im Stich lassen!«, begehrte ich auf, obwohl ich es besser wusste.

»Du bist ein Ritter der Tiefe.« Giffi zeigte den Pass hinauf. »Dort oben ist dein Platz. Vielleicht sehen wir uns irgendwann und irgendwo wieder. Soll ich Iruna etwas ausrichten?«

»Sag ihr, dass ich sie liebe!«

»Es wird ihr helfen«, versicherte der Nomade. »Übrigens, du wirst Bonsin dort oben nicht finden, Atlan. Er hat sein gesamtes Psi-Potenzial eingesetzt, um die Falle, die euch dort oben gestellt wurde, zu eliminieren. Dabei erlitt er einen Schock und wurde von Grauen überwältigt.«

Er drehte sich um, schaltete sein Flugaggregat ein und flog schnell davon. Ich befahl dem TIRUN, mich zum Pass hinaufzubringen.

Auf dem höchsten Punkt des Grenzwalls holte ich meine Gefährten ein. Sie stellten mir keine Fragen, und ich war ihnen dankbar dafür. Gemeinsam überflogen wir den höchsten Punkt und drangen in die blendenden Lichtfluten jenseits des Grenzwalls ein.

Plötzlich war das Tabernakel von Holt wieder da. Es flog vor uns her, als sei das die selbstverständlichste Sache überhaupt. Dabei gab es nichts, was selbstverständlich war. Ich hatte es erst wieder erfahren müssen.

In diesen Minuten nahm ich mir vor, mit niemandem über Iruna von Bass-Teth zu reden. Ich würde jedoch nie aufhören, nach ihr zu suchen – bis ich sie entweder wiederfand oder die Gewissheit ihres Todes erhielt.

Zuerst aber musste ich Kontakt zu den Raum-Zeit-Ingenieuren bekommen und ihr Geheimnis lüften. Sehr viel hing davon ab – unter Umständen das Schicksal des Universums.

Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband)

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