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3: Jamie Durham

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Nach einer Woche kam meine Rettung. Jamie zog ein, Jamie Durham. Ich war schon mürbe vom Warten. Mutter hielt mich immer noch hin, Garys Kumpel mit dem Segelboot trieb sich sonst wo herum, und ich war unfähig, mich aufzuraffen zu einer echten Aktion. Zum Beispiel auf einem Cargoschiff anzuheuern oder mich als blinder Passagier auf eine Fähre zu schmuggeln. Oder zu trampen, weiter nach Süden. Früher waren solche Aufbrüche leicht gewesen für mich. Immer hatte ich Glück, immer traf ich fantastische Leute, die mir aus der Klemme halfen. Und Frauen, schöne Frauen, die sich mir schenkten. Nun fühlte ich mich impotent, ausrangiert, alt, und ich gelangte, wenn ich es wagte, in den Spiegel zu schauen, zu der Erkenntnis, dass ich noch nie einen quälenderen Stillstand durchgemacht hatte. Eine richtige Depression.

Jamie kam nachmittags an. Ich war spazieren und sah ihn erst abends. Er saß auf dem Sofa der Lounge, vor sich einen Koffer, neben sich Eddie, das Plüschkänguru. Wie der abgereiste Australier. Er blieb in sich gekehrt, beteiligte sich nicht am Gespräch der Heiratstouristen. Ab und zu strich er über die Brusttasche seiner Jacke, die er anbehielt trotz der Wärme. Er fiel mir sofort auf, denn er war deutlich jünger als der Rest der Belegschaft. Einunddreißig, und selbst das grämte ihn schon, wie er mir einmal sagte, nachdem wir uns kennengelernt hatten.

Soweit ich es beurteilen konnte, war er nicht hässlich. Nur ein bisschen klein geraten vielleicht. Er reichte mir bis zur Schulter, war weder zu dick noch zu dünn, hatte noch keinen Specknacken oder Bauch vom Trinken, hatte melancholische, feuchtblaue Augen, Myriaden von Sommersprossen im Gesicht und die Haare struppig gegelt, wie es daheim in England gerade angesagt war. Er trug Jeans, T-Shirt, Markenturnschuhe. Sein Bartwuchs war schwach, was nur praktisch sein kann, und am Kinn hatte er eine Narbe, die er sich als Junge beim Abrutschen von einem Brückengeländer geholt hatte, genauer gesagt beim Fast-Hindurchrutschen zwischen den Streben einer alten Holzbrücke, die in seinem Dorf an der südenglischen Küste über einen Fluss führte.

Sein Bett bei Gary hatte er vorgebucht, über die Webseite des Hostels. Bei der Buchung gab es ein Missverständnis. Dieses führte dazu, dass er spät abends noch in der Lounge hockte, als die anderen längst ausgeschwärmt waren. Gary raunte mir zu, der Neue sei unschlüssig, ob er bleiben oder wieder abhauen wolle. So etwas kam vor. Gary ging zu seiner Freundin, ich aber fühlte mich gestört in meiner Einsamkeit am Ende des Tresens. Ich konnte mich weder auf die Gitarrenmusik konzentrieren, die von unten heraufklang, noch auf die Nymphen in den Musikvideos. Schließlich räumte ich das Feld und ging schlafen. Am nächsten Morgen betrat ich wieder die Lounge, eine Zigarette zwischen den Lippen, den Kopf voller saftloser Drohungen an meine Mutter. Mein Fach im Hostelkühlschrank war leer und Garys Mikrokredit aufgebraucht. Ich hatte Hunger und ich fragte mich, ob ich noch einmal auf Garys Hilfe rechnen durfte und wie lange das gutgehen konnte. Denn auch für meine Übernachtungen hatte ich bisher nichts bezahlt.

Jamie saß auf der Couch, als hätte er sich keinen Millimeter bewegt. Ich nickte einen Gruß, setzte mich auf meinen Platz. Weil im Hostel noch alles schlief, hörte man das leiseste Geräusch: das Knistern der Glut an meiner Kippe, das Schnippen des Zeigefingers, wenn ich Asche abklopfte. In diese Stille hinein knurrte mein Magen. Und wie zur Antwort knurrte der Magen von Jamie.

Jamie stand auf.

»Weißt du zufällig, wo man hier was zu essen herkriegt?«, fragte er mich, offenbar dankbar für den Gesprächsanlass.

Ich blies Rauch aus.

»Klar. Hast du Griwna dabei?«

Er hatte reichlich. Griwna und Dollar, Euro und Pfund. Eine halbe Reisebank steckte zwischen den Lederlappen seines Portemonnaies. Er zeigte mir die Scheine, und seine Finger zitterten, so unterzuckert war er bereits.

Ich sagte: »Okay, dürfte reichen.«

Wir gingen über die Deribasov Street. Wie wir so nebeneinanderher liefen, hätte man uns aus der Ferne vielleicht für eine Neuausgabe von Don Quijote und Sancho Pansa halten können, beim Näherkommen eher für einen alternden Hippie und seinen Neffen aus dem Mainstream. Ich wusste noch nicht, was Jamie nach Odessa geführt hatte. Es war mir herzlich egal. Hauptsache, er bezahlte mein Frühstück. Wir kamen zum Kathedralenplatz, wo die einheimischen Opas schon vormittags über ihren Schachbrettern brüteten und ihre Enkel auf Ponys ritten. Das Bistro an der Ecke war gut besucht. Es roch nach Knoblauch und Milch, und irgendwie hatte die Sowjetzeit hier überlebt – vielleicht in den weißen Häubchen der Köchinnen oder im Dunst, der aus den Töpfen und Pfannen stieg. Wir nahmen Tabletts, reihten uns ein in die Schlange vor den Vitrinen. Es gab Salate, Borschtsch und Soljanka, gefüllte Pasteten, Kürbismus, Schnitzel und Steaks, Hähnchen, Fisch und allerlei Würstchen, und zum Dessert Nougatcremetorten, Mohnzöpfe und Fruchtgelee. Ich war nicht bescheiden, und auch Jamie lud sein Tablett voll. An der Kasse bezahlte er für mich mit.

Wir saßen einander gegenüber am Fenster, mit Blick auf die Straße, auf der Autos und Kleinbusse holperten. Wir aßen schweigend. Gegen Ende der Mahlzeit hatte ich ein Déjà-vu. Ich glaubte plötzlich, Jamie zu kennen. Ihm schon einmal begegnet zu sein. Das war kaum möglich, wegen der Altersdifferenz und den unterschiedlichen Biografien. Er war fest angestellt im Call Center seines Heimatdorfs, wie er mir später erzählte. Ich war weltweit unterwegs gewesen mit Entwicklungshilfeprojekten. Und trotzdem. Solche Verwechslungen kommen vor. Man muss sie verzeihen. Zu vieles begegnet uns mit den Jahren, als dass unser Gedächtnis noch alles richtig sortieren kann. Das Ergebnis ist eine Art Morphing, mit dem es all die Gesichter, Farben, Geräusche, Düfte und andere Eindrücke verschmilzt, die es speichert. Das Gedächtnis besteht nicht aus sauber getrennten Schichten. Es ist eine vieldimensionale Matrix, die ständig vergleicht und Wiederholungen sucht, weil sie das Vertraute und Ähnliche liebt.

Hatte ich Jamie Durham schon einmal gesehen oder erinnerte er mich nur an jemanden? Gott sei Dank, ich erkannte den Unterschied noch. Ich war noch nicht wie mein Vater, der durch die Katakomben seiner Erinnerung irrte, während Mutter mit ihren Freundinnen zum Bridgespielen ging. Jamie katapultierte mich zurück zu einem Sonntag, der ein Vierteljahrhundert in der Vergangenheit lag. Anfang der Achtzigerjahre. Wir waren fertig mit essen, er kaute am Daumennagel und guckte dabei aus dem Fenster, eingeschüchtert vom Unbekannten dort draußen. Sein Nägelkauen war unbewusst. Eine alte Gewohnheit. Bis er den Daumen in den Mund schob, wie ein Trost suchendes Kind. Dabei ertappte er sich und zog den Daumen schnell wieder heraus. Er wurde rot im Gesicht, was bei ihm aussah, als blühten die Sommersprossen. Ich tat natürlich, als hätte ich nichts gemerkt, doch dieser kleine Moment löste das Déjà-vu in mir aus.

Ich war damals achtzehn gewesen, sagenhaft jung, hatte das Matric-Zeugnis frisch in der Tasche und war gerade angekommen in London. Von daheim war ich weg, um der Armee zu entgehen. Zwei Jahre sinnloser Drill auf Afrikaans und dazu die Gefahr, in die Kriege geschickt zu werden, die das Regime in Namibia und anderswo führte ... Darauf hatte ich keine Lust. Ich hatte ein gutes Internat absolviert, wie es sich schickte in meiner Familie, und nun ging ich zum Studium ins Land meiner Vorfahren.

Zurück nach Südafrika durfte ich als Deserteur nicht. Nicht einmal auf Besuch, sonst drohten Gefängnis und Strafdienst. Ich war jung und dachte darüber nicht nach. Das Exil bedeutete für mich den Aufbruch ins Erwachsenenleben, keine erzwungene Emigration. London war aufregend zu jener Zeit. Es gab keine Rassenschranken, und es gab viele andere Saffas wie mich, die schnell berüchtigt wurden für ihr Saufen und die Arroganz, mit der sie über die engen Wohnungen klagten, das schlechte Wetter, die kleinen Portionen Fleisch. Mein Vater, enttäuscht wegen meiner Flucht vor der Pflicht, wie er das Desertieren nannte, hatte mir die Mittel gestrichen und wollte mich am liebsten nie wiedersehen. Wir hatten uns überworfen, und deshalb studierte ich nicht in Oxford oder Cambridge, sondern an einer bescheideneren Einrichtung in der Hauptstadt. Mutter und meine Schwester Rosalie schrieben mir regelmäßig. Mutter knüpfte für mich Kontakt zu einem Zweig ihrer Familie, der zu Beginn des Jahrhunderts nicht ausgewandert war und noch in London wohnte. Eine Urenkelin der Großtante zweiten Grades, so ungefähr. Ich versprach, diese Leute einmal zu besuchen, und fand mich an einem verregneten Tag in einem Reihenhäuschen in Clapham wieder.

Die Gesichter am Tisch sind mir abhandengekommen; hier lässt mich die Gedächtnismatrix im Stich. Aber ich weiß noch, wie ich mich fühlte. Ich hatte Liebeskummer. Meine Freundin Suzanne hatte aus Kapstadt geschrieben, dass sie nicht wie geplant nachkommen werde. Sie war die Tochter unserer Nachbarn in Newlands, meine erste Liebe, und jetzt war sie mit einem Kumpel von mir zusammengekommen. Das wurmte mich schrecklich. Außerdem musste ich beim Anblick des mickrigen Pinschers, den die Verwandten als Hund bezeichneten, an Lloyd denken, Vaters Dobermann. Er war auf den Geruch menschlicher Rassen trainiert, doch er erkannte das innere Wesen und war immer freundlich zu unseren Dienstmädchen, Gärtnern, Chauffeuren, nie aber zum Chef meines Vaters, wenn der mit seiner Frau zum Braai-Grillen kam. Ich vermisste Lloyd. Ich vermisste Suzanne. Und ich hasste den Londoner Regen.

Meine Verwandten behandelten mich mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination. Oh, du kommst aus diesem schrecklichen Land!, sagten sie. Wir kaufen eure Orangen nicht mehr! Gleichzeitig merkte ich, dass sie auf eine Einladung spekulierten. Safari im Kruger Park, Sonne tanken am Strand von Durban, wilde Negertänze in KwaZulu-Natal. So stellten sie sich den Traumurlaub vor. Sie hatten zwei Kinder: ein Mädchen im Teenageralter, das meinem Blick auswich, um mich heimlich anzustarren, und einen Jungen von vier oder fünf. Er hatte rötliches Haar und Myriaden von Sommersprossen, ein richtiges sproetgesig, wie man auf Afrikaans sagen würde, und er lutschte noch Daumen, wofür ihn die Eltern ständig ermahnten und ihm kleine Klapse auf den Kopf gaben. Nach dem Essen fasste er einen mutigen Plan. Er kam zu mir, dem Fremden am Tisch, kletterte auf meine Knie und rollte sich ein wie ein Tierjunges. Geschützt vor dem Zugriff seiner Familie, lutschte er Daumen. Ich fühlte mich überrumpelt. Dieses Kind suchte Zuflucht bei mir! Und obwohl er mir nicht sympathischer war als der Rest der Verwandtschaft, keimte ein Gefühl der Verantwortung in meiner Brust. Ein väterliches Gefühl, möchte man sagen. Eine Vorahnung meines Berufs. Denn was sind Entwicklungshelfer anderes als Eltern auf Zeit, mit allen Gefahren der Überheblichkeit und seelischen Korruption?

Ich habe die Familie nicht noch einmal besucht. Ich ging lieber auf Partys, tanzte in den Underground-Clubs im Londoner East End und machte Eroberungen. Meine wertvollste, von der ich viel lernte, war Camilla, Dozentin für Wirtschaftshilfe an meiner Uni und zwölf Jahre älter als ich. Sie vertrat eine kosmopolitische Weltsicht, wollte am liebsten alle Nationalstaaten abschaffen und jegliche Diskriminierung beenden. Ideale, die mir sehr vernünftig erschienen. Vom Gedanken an Heimat im herkömmlichen Sinne löste ich mich ... und ich trieb mich nach dem Studium in vielen Ecken der Welt herum. Faire Kaffee-Kooperative in Angola, Trinkwasser für Slums in Kuala Lumpur, Mikrokredite für indonesische Geschäftsfrauen, neue Maissorten für Dschungelbauern in Guatemala, Solarzellen für die Hütten kenianischer Hirten, Schulpflicht für die Kinder mexikanischer Ureinwohner und anderes mehr. Nie blieb ich lange genug an einem Ort, um Wurzeln zu bilden. Ich liebte das NGO-Leben, das Gefühl, Gutes zu tun und trotzdem unverbindlich zu bleiben. Ich war ein junger Mann, von vielen Frauen begehrt. Und ich kostete meine Privilegien aus.

Nun war ich arbeitslos. An den kleinen Daumenlutscher aus Clapham hatte ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gedacht. Falls er noch lebte, musste er etwa so alt sein wie Jamie. Nach unserem Brunch gingen Jamie und ich hinüber zum Stadtgarten. Wir setzten uns auf eine Bank am Springbrunnen, ich mit langgestreckten Beinen, Jamie in gedrungener Haltung, als würden das friedliche Rieseln vor uns, die Mütter mit ihren Kinderwagen und die Rentner, die bedächtig ihre Sonnenblumenkerne kauten, eine Bedrohung darstellen.

»Wie lange bist du schon hier?«, fragte er mich.

»Eine Woche.«

»Ich einen Tag. Na ja, verdammt, schon fast zwei. Einen Tag hab ich verplempert.«

Sein Dialekt klang jugendlich. Die verschluckten Silben und Endungen ließen mich an Fotografien von Martin Parr denken. Londoner Arbeitervolk, das am braunen Kiesstrand von Brighton zwischen überquellenden Müllkörben in der Sonne brät. Ich lag damit nicht ganz richtig. Jamie stammte aus einem Dorf Richtung Portsmouth, ein gutes Stück westlich die Küste entlang. Er war kein Tagestourist aus der Großstadt, sondern jemand, der aufgewachsen war mit schlichten Holzhütten am Strand, mit Herbststürmen und der Legende von einer Anemone, die in der Lagune seines Dorfs lebte. Man hätte ihm Poesie zutrauen können.

»Wieso verplempert?«, fragte ich. »Was ist denn so eilig?«

Er antwortete nicht, sondern strich über die Brusttasche seiner Jeansjacke. Eine Geste, die mir schon am Abend zuvor aufgefallen war. Dann erklärte er mir ein wenig umständlich, es habe da ein Missverständnis gegeben bei seiner Buchung. Er hatte das Hostel im Internet für ein H-O-T-E-L gehalten. Ein Buchstabe Unterschied, fünf Zimmergenossen mehr. In Doppelstockbetten. Wie früher im Ferienlager. Obwohl die Männer alle schon ziemlich alt waren, nicht wahr? Dazu der Treppenaufgang im Haus. Alles verwahrlost.

»Du hättest nicht bleiben müssen«, erwiderte ich. »In der Fußgängerzone stehen Werbeschilder für private Apartments, und Hotels, wie du sie suchst, gibt es auch.«

»Na ja«, sagte er, »kann schon sein. Aber ich hab bei Gary alles im Voraus bezahlt, mit Kreditkarte.«

Ich kratzte meine Bartstoppeln und sagte, er werde sich schon eingewöhnen. Es sei ja nicht für die Ewigkeit. Diese tröstlich gemeinten Worte bewirkten das Gegenteil.

»Fünf Tage hab ich noch übrig«, sagte er gequält, »dann geht mein Flug.«

Es klang nach einer Galgenfrist. Ich wartete ab. Er würde allein entscheiden, ob er sich mir anvertraute. Bettler dürfen nicht wählerisch sein, diese Weisheit traf wohl auf uns beide zu. Doch vielleicht war es besser, er behielt seine Geschichte für sich. Ich durfte mich nicht mehr einmischen in fremde Belange, musste erst selbst wieder in Ordnung kommen, ehe ich anderen Ratschläge gab. Durch den Wasserschleier des Springbrunnens beobachtete ich ein Teenagerpärchen auf der Bank gegenüber. Aneinanderklebende Körper im Tumult der Hormone. Eine Freizügigkeit, die nur wenige Kulturen öffentlich duldeten. Neben mir fasste Jamie in seine Jackentasche. Er zog ein Blatt Papier hervor, faltete es auseinander im grünen Halbschatten der Akazien. Es war ein Frauensteckbrief, ähnlich denen, die Charles Spretzer in seinem Portfolio hortete.

»Sie heißt Julia«, flüsterte Jamie und strich zärtlich über das Blatt.

Die Fotos waren schwarz-weiß, daheim ausgedruckt an einem billigen Drucker. Aber das Mädchen auf ihnen sah klasse aus. Zwanzig Jahre jung, seidiges Haar, die Augen blau oder grün, auf jeden Fall ausdrucksstark. Sinnlicher Mund, Wangenknochen vom slawischen Typ, der Kopf in die Hand gestützt und seitlich geneigt, das Lächeln verführerisch, die Beleuchtung im Studio professionell.

»Aha«, sagte ich, möglichst neutral, denn nun wusste ich, dass mein neuer Bekannter doch in den Lonely Hearts Club passte.

»Und sie ahnt nich’ mal, dass ich hier bin!«, stöhnte er.

»Warum hast du’s ihr nicht gesagt?«

»Konnte ich nicht! Das ist alles total verzwickt. Auf jeden Fall muss ich sie suchen. Bitte Guy, hilfst du mir, sie zu finden?«

Ich hatte mich sicher verhört. Doch er meinte es ernst. Er konnte nicht ahnen, was das Wort helfen für mich bedeutete und warum es für mich nicht mehr in Frage kam. Er wiederholte die Bitte, redete auf mich ein. Julia wohne irgendwo außerhalb, erklärte er mir, nicht im Zentrum. Er traute den Taxifahrern nicht, konnte die Straßenschilder nicht lesen. In mir sah er den Älteren mit Ortskenntnis und Erfahrung. Was natürlich kaum stimmte, denn im Grunde war ich ebenso fremd in Odessa wie er und meine Falten waren kein Zeichen von Weisheit. In einem Punkt lag er richtig: Weder Taxifahrer noch kyrillische Schilder brachten mich aus der Fassung.

»Bezahlen musst du«, sagte ich. »Ich bin blank.«

Er sprang auf.

»Kein Problem, ich hab genug!«

Er schien froh, denn nun hatte er etwas, das den Handel zwischen uns rechtfertigte. Ich brauchte Geld, er brauchte Begleitung. Ein simpler Pakt, den auch ich akzeptierte.

Die Reise des Guy Nicholas Green

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