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Vorwort
ОглавлениеMit Entfremdung II liegt nun, als Band vier der Reihe Die Legende lebt, der zweite Teil einer Hommage an den legendären Krimi-Autor Stieg Larsson vor. Und die wichtigste Information steht gleich hier am Anfang: Dieses Buch erschließt sich auch ohne Kenntnis des als Entfremdung I vorgelegten ersten Bandes. Der Anfang erzählt eine komplett neue Geschichte, und erst am Schluss werden alle Fäden zusammengeführt.
Karl Stig-Erland Larsson (1954-2004), wie der Bestseller-Autor mit bürgerlichem Namen hieß, verbrachte seine Kindheit im dörflichen Bjursele, einer entlegenen Gemeinde Nordschwedens, in der Obhut seiner Großeltern. Wie mag ihn dieses ländliche Leben, diese Ruhe und Abgeschiedenheit, beeinflusst haben? Müssen da, unter dem Eindruck eisiger Nächte und langer Winter, nicht schon früh düstere Gespinste den Geist des fantasiebegabten Heranwachsenden belauert haben? Haben die einsame Hütte, die Blomkvist bei seinen Recherchen zum Verschwinden von Harriet Vanger bezieht, oder die Schüsse im Wald nicht möglicherweise genau da ihren Ursprung? Wer Stieg Larsson ein literarisches Denkmal setzen möchte, muss da ansetzen. So entstand Tim Rasmussen, der Einsiedler, ein Blomkvist gewissermaßen, der aus dem Hüttenexil nicht mehr herauskommt.
Das zweite Charakteristikum, an dem ich mich für meine Hommage orientieren konnte, ja musste, waren die unglaublich guten Plots des Schweden. Sie machen ja in maßgeblicher Weise den Erfolg der drei Millennium-Romane aus. Wie im Fall der verschwundenen Harriet langsam, Schritt für Schritt die Wahrheit ans Licht kommt, das Graben in der Vergangenheit, die Art und Weise, wie der Autor seine Leser bei den Recherchen von Blomkvist und Salander selbst zu kleinen Co-Detektiven macht und sie so in seine Geschichte hineinzieht, hineinsaugt, das war und ist meisterhaft, fesselnd, spektakulär und diente als Vorbild vor allem für den ersten Teil von Stieg Larsson lebt!, der im März 2016 erschien.
Es liegt nahe, dass Larsson, wenn er nicht auf so schicksalhafte Weise vorzeitig aus diesem Leben abberufen worden wäre, weiter literarisch von den Bildern langer Winternächte und grimmiger nordischer Kälte zehren würde. Die Idee, einen schrägen Einsiedler zu kreieren, kam auf, einen Menschen, der, aus welchem verborgenen Grund auch immer, sich von der Gesellschaft abgewendet hat, der von seinen Mitmenschen nichts mehr erwartet, der seinem Hund mehr vertraut als jedem menschlichen Wesen: Tim Rasmussen. In bester Verblendung-Manier musste es danach darum gehen, diesen jungen Mann, etwas jünger als Mikael Blomkvist, mit einer finsteren, lange zurückliegenden Geschichte zu konfrontieren. Diese Geschichte musste viel größer sein, als es Tim sich in seinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können, und sie musste ihm derart über den Kopf wachsen, dass er, genau wie Blomkvist, am Ende selbst in Lebensgefahr geraten würde.
Wer sich mit Stieg Larssons Lebensgeschichte ein bisschen besser auskennt, etwa weil er die Biografie von Kurdo Baksi gelesen hat, weiß außerdem, dass der Autor als Jugendlicher mit einem grässlichen Gewaltverbrechen konfrontiert wurde, das sich auf seine spätere Motivwahl als Literat sicherlich ausgewirkt hat. Auch diesem Befund versucht Stieg Larsson lebt! auf die diesem Werk eigene Weise Rechnung zu tragen. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten, denn besonders gut informierten Lesern und vor allem den pfiffigen Kombinierern unter ihnen habe ich damit vielleicht schon zu viel verraten.
Ich gebe es auch in dieser Vorrede zu Teil II noch einmal unumwunden zu: Ich kann Stieg Larsson nicht das Wasser reichen. Insbesondere eine Figur, die auch nur annähernd die Komplexität und Faszination einer Lisbeth Salander erreicht, sucht man hier vergebens. Jeder Versuch, sie zu kopieren oder zu plagiieren, wäre auch unklug. Die kritische Aufnahme des vierten Millennium-Bandes und das Urteil vieler unzufriedener Larsson-Fans beweisen, dass die Leser originäre Geschichten mehr zu schätzen wissen als Plots, die in ein vorgegebenes Korsett gezwängt werden, weil Marketing-Strategen es so wollen. Der Zuspruch, den Entfremdung I seitens seines kleinen Nischenpublikums erfahren hat, nachdem das Buch im Winter 2016 ohne Werbe-Etat, ohne Marketing-Maßnahmen und vor allem auch ohne die geringste Nutzung sozialer Medien und Netzwerke, nur mit den bescheidenen Mitteln der DIEBMA-Agentur als Kindle-Edition veröffentlicht wurde, nähren jedenfalls die Hoffnung, dass der eine oder andere Leser, die eine oder andere Leserin Freude auch an dem zweiten Teil dieses sicherlich unvollkommenen Versuchs haben wird, dem großen Schweden ein kleines Denkmal zu setzen.
Didier Desmerveilles
1. Juni 2016
Das Recht ist wie ein Paar Hosen, die man letztes Jahr für einen heranwachsenden Jungen gekauft hat, aber es ist immer dieses Jahr, und die Nähte sind geplatzt, und die Unterschenkel schauen heraus.
Robert Penn Warren