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Kapitel 5 Die Bedeutung der Wiedergeburt
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Das Problem, das wir selbst sind – warum wir hier sind, was wir sind, was hinter und vor und um uns ist und was wir mit uns selbst, unseren inneren Bedeutungen und unserer äußeren Umgebung anfangen sollen – das ist die Frage, die mit allen ihren Verwicklungen die Summe der Philosophie ist und in die letztlich alles menschliche Forschen einmündet. In der Vorstellung der entwicklungsmäßigen Wiedergeburt, sofern wir sie als Wahrheit erkennen und ihren Prämissen und Folgerungen zustimmen können, finden wir einen hinreichenden Anhaltspunkt für eine Antwort auf alle diese untereinander verbundenen Seiten dieser einen immerwährenden Frage. Eine spirituelle Evolution, für die unser Universum den Schauplatz und die Erde die Bühne bildet, obwohl ihr Plan noch vor unserem doch begrenzten Wissen zurückgehalten wird – diese Art, das Leben zu sehen, ist ein lichtvoller Schlüssel, mit dem wir viele dunkle Türen aufschließen können. Aber wir müssen diese Evolution im richtigen Blickwinkel betrachten, um ihre wahren Proportionen zu erhalten, und besonders, um sie nicht so sehr in ihrem mechanischen Ablauf, sondern vielmehr in ihrer spirituellen Bedeutung zu sehen. Versäumen wir dies, dann werden wir in philosophische Spitzfindigkeiten verstrickt und auf dieser oder jener Seite zu übertriebenen Negationen gedrängt, und unsere Aussage, so vollkommen ihre Logik auch sein mag, bleibt doch für das Gesamtverständnis und die vielschichtige Seele der Menschheit unbefriedigend und ohne Überzeugungskraft.
Die bloße Vorstellung wiederholter Geburten als Prozess unserer Seelen-Existenz führt uns nicht viel weiter als die simple materielle Wirklichkeit dieses einzelnen Lebens im Körper, diese erste Tatsache unserer bewussten Empfindung und Erinnerung, die der Anlass aller unserer Betrachtungen ist. Zwar erinnert uns die Wiedergeburt, hinter unserem vorliegenden Ansatzpunkt und diesem einen Zipfel unserer Gattung in den Bereichen des Seins vorangehend, an eine Vergangenheit, an bedeutungsvolle frühere Lebensbahnen, an eine Seelen-Existenz in vielen voraufgegangenen Körpern, die unmittelbar das haben entstehen lassen, was wir jetzt sind. Doch zu welchem Nutzen oder Vorteil, wenn es in unserem früheren Dasein und in unserem weiteren Fortbestehen keinen progressiven Sinngehalt gibt? Die Wiedergeburt räumt das Hindernis der leeren Wand des nahen Todes vor uns weit weg aus unseren Augen; unsere Erdenreise wird nun weit weniger ein langer oder kurzer Weg, den man nicht zurückgehen kann und der jäh und bestürzend in einer Sackgasse endet; unserem physischen Tod ist das grausamste Gift seines Stachels genommen. Denn die Last des Todes ist für den Menschen, das denkende, wollende, fühlende Geschöpf, nicht der Verlust dieses dürftigen körperlichen Gehäuses oder Gefährts, sondern sie besteht in der blinden psychischen Endgültigkeit, an die der Tod gemahnt, das stupide materielle Ende unseres Wollens, Denkens, Strebens und Mühens, das brutale Abbrechen der guten und lieben Herzensbeziehungen und -neigungen, die sinnlose, verurteilende Unterbrechung dieses wunderbaren und allestragenden Seelen-Sinnes, der uns unsere strahlenden Einblicke in die Herrlichkeit und Wonne des Daseins gibt – dies ist der Missklang und die grausame Inkonsequenz, gegen die das denkende, lebendige Geschöpf revoltiert, weil sie unglaubhaft und unzulässig sind. In der feurigen Spannung, die unser Leben, unser Mental und unsere Psyche zur Unsterblichkeit treibt und die dem Aufhören nur dadurch zustimmen kann, dass sie ihrer eigenen Naturflamme feind wird, und in der Absage an sie, die von der dumpfen Ergebenheit des träge dem Tod wie dem Leben zustimmenden Körpers über uns gebracht wird, liegt der ganze schmerzvolle, unversöhnliche Widerspruch unserer Doppelnatur. Die Wiedergeburt nimmt die Schwierigkeit weg und löst sie im Sinne einer Seelen-Kontinuität mit einem Pulsieren physischer Wiederholung. Wie andere nicht-materialistische Lösungen gibt sie der Eingebung der Seele gegen den Hinweis des Körpers Recht und sanktioniert die Forderung nach dem Weiterleben, im Gegensatz zu einigen anderen Lösungen jedoch rechtfertigt sie das körperliche Leben wegen seiner Nützlichkeit für die stete Selbsterfahrung der Seele; unser allzu flüchtiger Auftritt im Körper ist dann kein vereinzelter Zufall und kein abgebrochenes Zwischenspiel mehr, sondern er wird durch eine erfüllte Zukunft wie auch eine schöpferische Vergangenheit für seine im anderen Fall zufälligen Handlungen und Beziehungen gerechtfertigt. Doch ist es mit bloßem Weiterbestehen und mechanischer Kontinuität nicht getan; das ist nicht alles, was unser seelisches Wesen bedeutet, nicht die ganze lichte Bedeutung des Weiterlebens und der Kontinuität; ohne Aufstieg, ohne Ausweitung, ohne ein Hinaufwachsen geradeswegs in das Licht mit der Kraft unseres Geistes plagen sich unsere höheren Teile hier unvollendet, ist unsere Geburt in der Materie durch keine angemessene Bedeutung gerechtfertigt. Wir sind nicht viel besser dran, als wenn der Tod unser Ende bliebe; denn unser Leben wird dann letztlich eine in das Endlose fortdauernde, erneuerte und zeitweise konsequente Sinnlosigkeit anstelle einer inkonsequenten, jäh endenden und bald dem Urteilsspruch verfallenen Vergeblichkeit.
Die Wiedergeburt bewirkt außerdem, dass die Welt um uns – unsere Umgebung, ihre Einflüsse, ihre günstigen Gelegenheiten – nicht mehr als eine Stätte vergänglichen physischen Blühens zurückgelassen wird oder als ein Leben, das sich sehr wenig um den Einzelnen kümmert und diesem auch sehr wenig bedeutet, obschon es vielleicht der Gattung Mensch während deren unbestimmter längerer Zeitdauer viel bieten kann. Die Welt wird für uns zu einem Feld der Seelen-Erfahrung, zu einem System der Seelen-Wiederkehr, einem Mittel der Selbstverwirklichung, vielleicht zu einer Kristallisation der wirksamen Selbst-Reflexionen des Wesens. Doch zu welchem Zweck, wenn unsere Wiederkehr nur eine Wiederholung oder ein unschlüssiges Fluktuieren innerhalb weniger fester Gruppentypen ist, deren Leistungszyklus sehr begrenzt und immer unvollendet bleibt? Denn darauf läuft es hinaus, wenn es kein Ventil nach oben, kein unendliches Fortschreiten, weder Entrinnen noch Ausweitung in die Unendlichkeiten der Seele gibt. Die Wiedergeburt sagt uns, dass das, was wir sind, eine Seele ist, die ständig das Wunder der Selbst-Verkörperung vollbringt; doch warum diese Verkörperung, was hat diese Seele hier mit sich zu tun und welchen Gebrauch soll sie von dieser Welt machen, die ihr als grandioser Schauplatz, als schwieriges, formbares Material und als Belagerungsgeschütz in Gestalt vielfältiger Reize und Anregungen gegeben ist – das ist schwerlich klarer als zuvor. Doch die Vorstellung der Wiedergeburt als Anlass und Möglichkeit für eine spirituelle Entwicklung füllt jede Lücke aus. Sie macht aus dem Leben einen bedeutungsvollen Aufstieg und nicht einen Wiedergeburtsmechanismus; sie eröffnet uns die göttlichen Ausblicke einer wachsenden Seele; sie bringt die Welten in einen Zusammenhang spiritueller Selbstausdehnung; und mit dem zuverlässigen Versprechen an alle, dass jetzt oder in Zukunft ein großer Fund getätigt wird, veranlasst sie uns, nach der Selbst-Erkenntnis unseres Geistes und der Selbst-Erfüllung einer weisen und göttlichen Absicht in unserer Existenz zu suchen.
Der bedrückende Sinn eines Kreisens in mechanischer Wiederholung und das leidenschaftliche Suchen nach einem Durchlass für das absolute Entrinnen belasteten die früheren Aussagen über die Wahrheit der Wiedergeburt und hinterließen trotz der Tiefe, die sie ausloteten, den Eindruck einer nicht zufriedenstellenden Unzulänglichkeit – nicht einer unlogischen, denn sie sind hinreichend logisch, wenn ihre Prämissen angenommen werden, sondern einer unbefriedigenden, weil durch sie unser Sein für uns nicht gerechtfertigt wird. Denn indem sie den göttlichen Nutzen des kosmischen Wirkens verfehlen, versagen sie darin, dass sie uns Gott, uns selbst und das Leben nicht mit hinreichend umfassender, geduldiger und fester Vollständigkeit erklären, sie verwerfen zuviel, gehen an dem positiven Sinn unserer Bemühung vorbei und lassen uns mit einem gewaltigen Nachklang spiritueller Vergeblichkeit und kosmischer Dissonanz zurück. Keine Aussage über den Sinn unseres Seins oder Nicht-Seins hat der Wiedergeburt größeres Gewicht beigelegt als die buddhistische; doch ihre nachdrückliche Bestätigung ist eine um so stärkere Leugnung. Sie fasst die Wiederkehr der Geburt als eine nicht enden wollende mechanische Kette auf; mit einem Gefühl des Leidens und des Ekels sieht sie im ewigen Sichdrehen eines gigantischen kosmischen Energie-Rades keinen göttlichen Sinn in dessen Umdrehungen, sie sieht dessen Beginn als eine Bestätigung unwissender Begierde, sein Ende als eine auslöschende Seligkeit des Entrinnens. Das sich nutzlos drehende Rad stört auf ewig den Frieden des Nicht-Seins und erzeugt Seelen, deren einzige schwere Chance und deren ganze Musteraufgabe darin besteht aufzuhören. Die Vorstellung des Seins ist nur eine Erweiterung unseres ersten materie-beherrschten Gefühls von der Welt, von unserer Erschaffung in ihr und unserem endgültigen Ende. Sie greift unser erstes klares Bild vom körperlichen Leben an jeder Stelle auf und formuliert alle seine Einzelheiten im Sinne einer seelischeren und spirituelleren Vorstellung unserer Existenz.
Im materiellen Universum sehen wir ein riesiges System periodischer mechanischer Wiederkünfte. Eine ungeheure mechanische Wiederkehr lenkt alles lang Andauernde und Weite; eine ähnliche, jedoch schwächere, alles Vergängliche und Kleine. Die Sonnen schießen hervor ins Sein, rollen flammend im Raum, verschwenden Kraft durch Bewegung, verblassen und sind erloschen; vielleicht, um wieder aufzuflammen ins Sein und ihren Lauf von neuem zu beginnen, oder aber es treten andere Sonnen an ihre Stelle und drehen ihre Runden. Die Jahreszeiten der Zeit wiederholen ihre wandellosen Zyklen ohne Ende. Immer lässt der Lebensbaum seine vielfältigen Blüten sprießen, wirft sie ab und lässt die gleichen wieder hervorbrechen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Der menschliche Körper wird geboren und wächst, wird schwach und schwindet dahin, doch aus ihm werden andere Körper geboren, die denselben einen sinnlosen Zyklus aufrechterhalten. Dieser ganze bemühte und beharrlich fortdauernde Vorgang ist für das Verständnis deshalb ein Rätsel, weil darin offenbar nicht der geringste Sinn und keine Bedeutung liegt außer der bloßen Tatsache eines grund- und zwecklosen Daseins, dem das aufhebende oder ausgleichende Faktum des individuellen Aufhörens auf dem Fuße folgt beziehungsweise es erleichtert. Und dies deshalb, weil wir den Mechanismus wahrnehmen, jedoch die Macht, die diesen Mechanismus in Gebrauch nimmt, und die Absicht in diesem Gebrauch nicht sehen. In dem Augenblick aber, in dem wir erkennen, dass es einen bewussten, in sich selbst weisen und unendlichen Geist gibt, der über das Universum nachsinnt, und eine geheime, langsam sich selbst findende Seele in den Dingen, gelangen wir zur Notwendigkeit einer Idee in seinem Bewusstsein, zur Notwendigkeit von etwas, das durch diese großen, planvollen Tätigkeiten konzipiert, gewollt, in Bewegung gesetzt wird und mit Sicherheit geleistet und allmählich erfüllt werden soll.
Die buddhistische Darstellung lässt jedoch in ihrem streng mechanischen Lebenssystem weder ein Selbst noch einen Geist noch ein ewiges Wesen gelten. Sie erfasst nur das Phänomen eines ständigen Werdens und erhebt es von der physischen zur psychischen Ebene. So wie es für unser physisches Mental klar ist, dass es Energie, Tätigkeit und Bewegung gibt, die durch ihre materielle Kraft die Formen und Mächte des materiellen Universums erschaffen können, so gibt es für die buddhistische Sicht der Dinge Energie, Tätigkeit und Karma, die durch ihre psychische Ideen- und Assoziationskraft dieses eingekörperte Seelen-Leben mit seiner kontinuierlichen periodischen Wiederkehr schaffen. Wie der Körper eine dem Zerfall ausgesetzte Gestaltung, Zusammensetzung und Verbindung ist, so ist auch die Seele eine auflösbare Gestaltung und Verbindung; das seelische Leben erhält sich wie das physische Leben selbst durch ein ununterbrochenes Fließen und eine ständige Wiederholung derselben Tätigkeiten und Bewegungen. Wie diese ständige Erbfolge von Leben eine Verlängerung des einen universellen Lebensprinzips durch fortgesetzte Schaffung ähnlicher Körper, eine mechanische Wiederkehr ist, so ist auch das System der Seelen-Wiedergeburt eine ständige Verlängerung des Prinzips des Seelen-Lebens durch fortgesetzte Schaffung von ähnlichen eingekörperten Assoziationen und Erfahrungen mittels Karma, eine mechanische periodische Wiederkehr. Wie die Ursache dieser ganzen physischen Geburt und dieser fortlaufenden Vererbung ein dunkler Wille zum Leben in der Materie ist, so ist die Ursache der fortgesetzten Seelen-Geburt ein unwissender Wunsch oder Wille, in der universellen Karma-Energie zu sein. Wie das ständige Kreisen des Universums und die Bewegungen seiner Kräfte individuelle Existenzen erzeugen, die sich durch individuellen Tod vom Sein freimachen oder in ihm enden, so gibt es dieses ständige Rad des Werdens und der Karma-Bewegung, wovon individualisierte Seelen-Leben gebildet werden, die sich aus ihrer ununterbrochenen Aufeinanderfolge durch ein Hinschwinden und Aufhören befreien müssen. Das Erlöschen des eingekörperten Bewusstseins ist unser offenbares materielles Ende; auch für die Seele ist das Ende ein Erlöschen, die inhaltslose Befriedigung des Nichts oder irgendeine unbeschreibliche Seligkeit eines überbewussten Nicht-Seins. Der Kern dieser Auffassung ist die Behauptung des mechanischen Geschehens oder periodischen Wiederkehrens der Geburt; doch während Ende und Zerfall des körperlichen Lebens aufgezwungen sind, endet das Seelen-Leben durch eine gewollte Selbstauslöschung.
Die buddhistische Theorie fügt der ersten klaren Bedeutung des Lebens lediglich eine sich ins Endlose fortsetzende Verlängerung durch Wiedergeburt hinzu, die eine Last, nicht ein Gewinn ist, sowie die spirituelle Größe der Disziplin der Selbstauslöschung – letztere zweifellos von großem Wert. Die illusionistische Lösung tut etwas hinzu, unterscheidet sich aber in ihrem Motiv nicht sehr von der buddhistischen. Sie setzt gegen die sinnlose kosmische Wiederholung eine Ewigkeit unseres eigenen absoluten Wesens; aus der Unwissenheit, durch die der illusorische Mechanismus einer periodischen Wiederkehr der Wiedergeburt entsteht, entrinnt sie in das Selbstwissen unserer unbeschreibbaren Existenz. Dies scheint eine positive Spannung einzuführen und unserem Sein eine Wirklichkeit zu verleihen, die einen Anfang, eine tragende Mitte und ein daraus folgendes Ergebnis hat. Doch hier klafft eine Lücke durch das Fehlen aller wahren und gültigen Beziehung zwischen diesem unserem eigentlichen Wesen und unserem ganzen Werden und Geborenwerden. Das letzte Ergebnis und Ende unseres Geborenwerdens wird nicht als eine absolute Erfüllung dessen, was wir sind, dargestellt – das wäre eine große, reiche und herrlich positive Philosophie –, auch nicht als die endgültige Bestätigung einer fortschreitenden Selbstfindung – auch dies gäbe unserem Leben einen noblen Sinn –; es ist eine Abwendung von der Forderung des universalen Geistes, ein Zurückweisen aller dieser kosmischen Ideen, Imaginationen, Aspirationen, dieses Wirkens und Ins-Werk-Setzens. Der Weg, unser uns gegebenes Wesen zu finden, ist eine absolute Ablehnung unseres ganzen Werdens. Wir steigen zum Selbst auf durch eine befreiende Verneinung von uns selbst, und am Ende folgt die Idee im Universum ihrer ungeheuerlichen und ziellosen Bahn, doch das Individuum hört auf und hat seinen Segen. Das Motiv dieser Denkweise ist wie in der buddhistischen dasselbe bedrückende Gefühl eines unwissenden kosmischen Wiederkehr-Mechanismus und dieselbe hohe leidenschaftliche Ungeduld, sich freizumachen. Vorhanden ist die Anerkennung eines göttlichen Ursprungs des Lebens, jedoch eine Nicht-Anerkennung jedes göttlichen Sinns im Leben. Und was die Wiedergeburt anbelangt, so wird sie in ihrer Bedeutung zu einem ständigen Mechanismus der Selbsttäuschung, und der Wille, nicht zu leben, wird uns als letzte Errungenschaft, als das höchste Gut und das eine wünschenswerte Ergebnis des Lebens vorgewiesen. Die Befriedigung, die der Illusionismus gibt – denn eine Art hoher, nüchterner Befriedigung gibt er dem Intellekt und einer spirituellen Tendenz –, liegt einmal darin, dass die offenkundige Antinomie zwischen dem Universum, diesem großen, beschwerlichen und despotischen Mechanismus, und dem Geist, der fühlt, dass er von anderer, göttlicherer Natur ist, zu einem letzten Punkt hindrängt; sie liegt sodann in der großen Erleichterung für eine Seele, die sich leidenschaftlich nach Freiheit sehnt, jedoch gezwungen ist, als eine Triebfeder der schwerfälligen Maschine weiterzuarbeiten, und darauf brennt, die kosmische Last abwerfen zu können; und endlich liegt sie in der freien, nackten Absolutheit dieses spirituellen Abschlusses. Auf die Frage nach Gott, nach dem Menschen und nach dem Sinn des Lebens gibt der Illusionismus jedoch keine wahre, weil keine fruchtbare Antwort; durch ein geschicktes Ausweichen entfernt er sich lediglich davon und nimmt ihnen alle Bedeutung, so dass jede Frage nach Sinn und Willen in dieser ganzen furchtbaren Arbeit, in diesem Hämmern und Suchen sinnlos wird. Doch kann der Mensch der Herausforderung von Gottes Universum an die Erkenntnis und Stärke des menschlichen Geistes letztlich nicht mit Ablehnung und Ausweichen begegnen, auch wenn eine einzelne Seele vor diesem Anspruch in spiritueller Trance oder im Schlaf Zuflucht nehmen oder durch deren blinde Tore in das Absolute entrinnen kann, wie sich auch der Mensch vor der Last des Handelns und dem Kummer in die Nichtbewusstheit zurückziehen mag. Etwas wird vom Geist des Universums mit unserer Arbeit im Dasein beabsichtigt, es liegt ein Sinn in diesen grandiosen Rhythmen, und er hat sie nicht in einem ewig währenden Irrtum oder nur so zum Spaß erschaffen1. Dies zu wissen und es zu besitzen, bewusst die verborgenen Sinngehalte des Welten-Seins zu finden und zu erfüllen, ist dem menschlichen Geist aufgegeben.
Andere Darstellungen oder Färbungen der Idee der Wiedergeburt räumen dem Dasein einen positiveren Sinn ein und haben ein stärkeres Vertrauen in die Macht und Wonne des Seins, seinen geheimen Quellen; aber sie straucheln schließlich alle über die Grenzen der Menschheit und die Unfähigkeit, aus ihrer Knechtschaft einen Ausweg in der Weltordnung zu finden, weil sie glauben, diese sei etwas seit ewigen Zeiten Festgelegtes, sasvatibhyah samabhyah –, kein ewig sich entwickelnder und schöpferischer, sondern ein unveränderlicher Zyklus. Die Vaishnava-Vorstellung von Gottes Spiel trifft eigentlich das Geheimnis der verborgenen Wonne im Herzen der Dinge und ist ein leuchtend helles Licht mitten hinein in die Dunkelheit des Rätsels; isoliert kann sie es jedoch nicht lösen. Hier in der Welt ist mehr als ein Spiel geheimer Wonne; da ist Erkenntnis, da ist Macht, da ist Wille und eine gewaltige Arbeit. So betrachtet wird die Wiedergeburt allzu sehr zum Selbstzweck eines Spiels göttlicher Laune, und unsere Welt ist zu groß und zu mühevoll, als dass dies ihre Begründung sein könnte. Eine so buntscheckige Wonne, wie sie hier unserem Werden beigegeben wird, ist ein Verkleidungs- und Suchspiel ohne jedes Versprechen einer göttlichen Vollkommenheit, ihre Kreise scheinen letztlich nicht wert, ausgeschritten zu werden, und mit Freuden wendet sich die Seele ihrer Erlösung aus den frustrierenden Irrgärten des Spiels zu. Die tantrische Lösung zeigt uns eine höchste, überbewusste Energie, die sich hier selbst hinausschleudert in wimmelnde Welten und mannigfaltige Wesen, und in ihrer Ordnung steigt die Seele von Geburt zu Geburt und folgt ihren Millionen Formen, bis sie sich in einer letzten menschlichen Reihe dem Bewusstsein und den Mächten ihrer eigenen Göttlichkeit öffnet und durch sie in einer raschen Erleuchtung zum ewigen Überbewusstsein zurückkehrt. Wir finden endlich den Anfang zu einer befriedigenden Synthese, eine Rechtfertigung des Daseins, eine sinnvolle Konsequenz in der Wiedergeburt, einen Nutzen und eine hinreichende, wenngleich nur vorläufige Bedeutung für die große Bewegung des Kosmos. Auf Grund ganz ähnlicher Prinzipien ist der moderne Geist, sobald er bereit ist, die Wiedergeburt zu akzeptieren, geneigt, sie in Augenschein zu nehmen. Doch ist die Betonung des göttlichen Potenzials der Seele zu gering, diejenige des Entrinnens in das Überbewusstsein voreilig; die Vorbereitungszeit, die die höchste Energie für ein so kurzes und unzureichendes Blühen einrichtet, ist allzu lang und gewaltig. Hier klafft eine Lücke, hier fehlt noch ein Geheimnis.
Es gibt gewisse Grenzen unseres eigenen Denkens, über die alle diese Lösungen straucheln, und das Haupthindernis ist unser Sinn für die mechanische Natur des Universums und unsere Unfähigkeit, auf einen Menschheitstypus vorwärtszuschauen, der größer ist als unser gegenwärtiger. Wir sehen den überbewussten Geist in seinem Glanz und seiner Freiheit, und wir sehen das Universum in seiner nichtbewussten Knechtschaft unter dem periodischen Kreislauf seiner mechanischen Wiederkünfte, oder wir sehen das Dasein als eine abstrakte Wesenheit und die Natur als eine mechanische Kraft; die bewusste Seele steht als Bindeglied zwischen diesen Gegensätzen, aber sie ist selbst so unvollkommen, dass wir in diesem Glied das Geheimnis nicht zu finden vermögen und auch keine starke Autorität für den Ausgleich daraus machen können. Also sprechen wir die Geburt als einen Irrtum der Seele an und sehen unsere Befreiungschance darin, diese Fesseln unserer Geburt abzuschütteln und eine heftige Rückwendung zum überkosmischen Bewusstsein oder zur Freiheit des abstrakten Seins zu vollziehen. Wenn aber nun die Wiedergeburt in Wahrheit keine lange schleppende Kette, sondern vielmehr zuerst eine Leiter für den Aufstieg der Seele und schließlich eine Aufeinanderfolge mächtiger spiritueller Gelegenheiten wäre? Es wird so sein, wenn das unendliche Dasein nicht das ist, was es für den logischen Intellekt zu sein scheint, eine abstrakte Wesenheit, sondern was es für die Intuition und die tiefere Seelen-Erfahrung ist: eine bewusste spirituelle Wirklichkeit, die hier so wirklich ist wie in jedem weit entfernten absoluten Überbewusstsein. Denn dann wäre die universale Natur kein Mechanismus mehr, der nur das Geheimnis seiner eigenen nichtbewussten Mechanik hütete und nur den Zweck des bloßen wiederkehrenden Funktionierens hätte; sie wäre dann die bewusste Energie des universalen Geistes, verborgen in der Größe seiner Vorgänge, mahimanam asya. Und die Seele, die aufsteigt vom Schlaf der Materie durch das Pflanzen- und Tierleben zur menschlichen Stufe der Lebenskraft und hier mit der Unwissenheit und der Begrenzung darum kämpft, ihr unendliches Königreich in Besitz zu nehmen, wäre der Mittler, dazu berufen, in der Natur den Geist zu entfalten, der in deren Feinheiten und Weiten verborgen ist. Dies ist der Sinn des Lebens und die Welt, die die Idee der evolutionären Wiedergeburt uns erschließt; das Leben wird sogleich eine aufsteigende Entwicklungsreihe für die Entfaltung des Geistes. Es nimmt eine höchste Bedeutung an: Der Weg des Geistes in seiner Macht ist gerechtfertigt, kein närrischer, leerer Traum, kein ewiges Delirium, keine mechanische Riesenplackerei oder ausdruckslose Vergeblichkeit mehr, sondern die Summe der Werke eines großen spirituellen Willens und einer großen spirituellen Weisheit: Die menschliche Seele und der kosmische Geist schauen einander mit edlem, göttlichem Sinn in die Augen.
Die Fragen, die unser Dasein umstellen, werden sofort in einer gewissen befriedigenden Fülle aufgeklärt. Wir sind eine Seele des transzendenten Geistes und Selbstes, die sich im Kosmos in einer ständigen evolutionären Einkörperung entfaltet; deren physische Seite ist nur eine Formgrundlage, die in ihrer Evolution den aufsteigenden Stufen des Geistes entspricht, der wahre Sinn und das wahre Motiv ist jedoch das spirituelle Wachstum. Hinter uns liegen die vergangenen Perioden der spirituellen Evolution, die schon erklommenen, nach oben führenden Stufenfolgen des Geistes, auf denen wir uns durch ständige Wiedergeburt zu dem entwickelt haben, was wir sind, und wo wir uns in dieser gegenwärtigen mittleren Periode des Aufstiegs immer noch entwickeln. Rings um uns ist der ständige Prozess der Entfaltung in ihrem universalen Aspekt im Gange: Die vergangenen Perioden sind hierin enthalten, erfüllt, von uns überschritten, werden aber in allgemeiner und verschiedenartiger Form immer noch wiederholt als Rückhalt und Hintergrund; die gegenwärtigen Perioden sind keine überflüssige Wiederkehr, sondern in aktiver Fruchtbarkeit trächtig mit allem, was vom Geist noch entfaltet werden soll, sie sind keine periodische Wiederkehr in der n-ten Dezimalen, die ihre Gestalten auf ewig hoffnungslos wiederholt, sondern eine sich ausweitende Folge von Mächten des Unendlichen. Vor uns liegen die größeren Potenziale, die noch nicht erklommenen Stufen, die geplanten mächtigeren Manifestationen. Diese Möglichkeiten der nach oben führenden Selbstentfaltung des Geistes zu leben, ist der Grund unseres Daseins. Was wir mit uns und unseren Sinngehalten tun müssen, ist dies: zu wachsen und sie höheren Sinngehalten göttlichen Seins, göttlichen Bewusstseins, göttlicher Kraft, göttlicher Wonne und vielfältiger Einheit zu öffnen; und was wir mit unserer Umwelt tun müssen, ist dies: sie bewusst für die wachsenden spirituellen Vorhaben zu nutzen und sie immer mehr zu einer Gießform für die ideelle Entfaltung der vollkommenen Natur und Selbsterschaffung des Göttlichen im Kosmos zu machen. Dies ist sicherlich der Wille in den Dingen, der sich groß und planvoll ohne Hast noch Rast durch beliebige periodische Zyklen auf eine immer größere Beseelung seiner eigenen endlichen Ausdrucksformen mit seiner eigenen unendlichen Wirklichkeit zubewegt.
Dies alles ist für das Mental, das in den Formen der Gegenwart lebt, nicht viel mehr als eine Hypothese, und für den sorgfältigen, mit Überzeugung forschenden skeptischen Geist muss es so sein; denn wenn die Evolution eine anerkannte Vorstellung ist, ist die Wiedergeburt ihrerseits nur eine Mutmaßung. Nimmt man sie als das, ist sie doch eine bessere Hypothese als die naiven, kindlichen religiösen Lösungen, die aus der Welt eine willkürliche Laune und aus dem Menschen die atmende Lehmpuppe eines allmächtigen, mit menschlichem Mental ausgestatteten Schöpfers macht, und mindestens eine so gute Hypothese wie die Vorstellung einer materiellen, nichtbewussten Kraft, die irgendwie in ein unsicheres, kurzlebiges, aber stets weiterlaufendes Bewusstseinsphänomen hineinschlittert, oder eines schöpferischen Lebens, das nach der Bergsonschen Formel in Unterdrückung, jedoch beständig inmitten des allgemeinen Sterbens arbeitet; eine so gute Hypothese auch wie die Vorstellung eines mechanischen Wirkens von Prakriti, Maya und Shakti, in die ein wirkliches oder unwirkliches Einzelwesen hineintappt oder in denen es marschiert, dandramyamano andhena niyamano yathandhah,2 bis es sie mittels einer spirituellen Befreiung wieder verlassen kann. Ausführlich philosophisch hinterfragt, wird es nicht den Anschein haben, dass die Hypothese in Widerspruch zu den bekannten Existenzprinzipien stünde oder mit den Tatsachen und Notwendigkeiten des Seins oder den Erfordernissen von Vernunft und Intuition nicht übereinstimmte, auch wenn sie einen noch nicht verwirklichten Faktor, nämlich Zukünftiges, anerkennt; denn eben dies ist in der Vorstellung der Evolution mit enthalten. Sie kann jede religiöse Erfahrung oder Aspiration verändern, jedoch nicht grundsätzlich zu ihr in Widerspruch stehen – denn sie ist nicht unvereinbar mit einer Einung mit dem Überbewusstsein oder der Seligkeit in jenseitigen Himmeln oder mit jeder persönlichen oder unpersönlichen Beziehung zum Göttlichen, da diese sehr wohl Höhen der spirituellen Entfaltung sein können. Ihre Wahrheit wird von spiritueller Erfahrung und Verwirklichung abhängen; doch hauptsächlich von dieser bedeutsamen Frage, ob es etwas in den Seelenkräften des Menschen gibt, das einen höheren Ausdruck des Seins als seine gegenwärtige Mentalität verspricht, und ob dieser höhere Ausdruck für seine eingekörperte Existenz wirksam gemacht werden kann. Dies ist die Frage, die die psychologische Forschung noch zu prüfen hat, und dies ist das Problem, das im Laufe der spirituellen Evolution des Menschen gelöst werden muss.
Es gibt transzendentale Fragen nach der metaphysischen Notwendigkeit, Möglichkeit und letzten Wirklichkeit einer evolutionären Manifestation dieser Art, doch brauchen sie hier und jetzt nicht in das Spiel gebracht zu werden; vorerst sind wir nur mit deren Wirklichkeit für die Erfahrung und mit der ablaufbedingten Bedeutung der Wiedergeburt beschäftigt, mit der offenkundigen Tatsache, dass wir zu einer Art Manifestation gehören und uns unter dem Druck einer Art Evolution vorwärtsbewegen. Wir sehen eine Macht am Werk und wollen herausfinden, ob in dieser Macht ein bewusster Wille, eine geordnete Entwicklungsmöglichkeit steckt, und wir müssen zuerst entdecken, ob sie das blinde Ergebnis eines organisierten Zufalls oder eines nichtbewussten, selbstaufgezwungenen Gesetzes ist oder der Plan einer universalen Intelligenz oder Weisheit. Haben wir einmal die Entdeckung gemacht, dass es einen bewussten Geist gibt, dessen Ausdruck diese Bewegung ist, oder lassen wir dies als unsere Arbeitshypothese gelten, sind wir verpflichtet, weiterzugehen und zu fragen, ob diese sich entwickelnde Ordnung mit dem jetzigen Sein des Menschen aufhört oder ob sie mit etwas mehr beladen ist, zu dem sie und der Mensch aufwachsen müssen, ein unfertiger Ausdruck, eine größere, noch nicht gefundene Ausdrucksform, und in diesem Fall ist es klar, dass der Mensch zu diesem Größeren aufwachsen muss; es vorzubereiten und zu verwirklichen, muss die nächste Stufe seiner Bestimmung sein. Diesem neuen Schritt in der Evolution muss seine Geschichte als einer Rasse unterbewusst zustreben, und die Kräfte der höchsten Einzelwesen müssen halbbewusst darum ringen, dass dieses Größere geboren wird; und da die aufsteigende Ordnung der Wiedergeburt stets den Stufen der Evolution folgt, kann auch diese nicht dazu bestimmt sein, plötzlich stehenzubleiben oder jäh, ohne Rücksicht auf den beabsichtigten Schritt, in das Überbewusste wegzuschießen. Die Beziehung unserer Geburt zum Leben auf anderen Stufen des Bewusstseins und zu irgendeinem beliebigen transzendenten Überbewusstsein sind wichtige Probleme, doch muss ihre Lösung etwas sein, das in Einklang mit der Absicht des Geistes im Universum steht; alles muss zu einer Einheit gehören und nicht zu einem Durcheinander spiritueller Unvereinbarkeiten und Widersprüche. Nach diesem Grundsatz muss unser erster Brückenschlag vom Bekannten zum Unbekannten die Entdeckung sein, wie weit die noch unfertige Leiter der Evolution in der irdischen Entwicklungsreihe emporsteigen kann. Die ganze ablaufbedingte Bedeutung der Wiedergeburt kann in dieser einen, noch nicht in Angriff genommenen Entdeckung stecken.
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1 Der wunderbare und prägnante Satz des Korans: „Denkst du, dass ich Himmel und Erde und alles, was zwischen ihnen ist, nur so zum Spaß erschaffen habe?“
2 Umhertappend wie der Blinde, geführt vom Blinden.