Читать книгу Die Evolution der Seele und Natur - Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter - Страница 16

Kapitel 7 Involution und Evolution

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Worte Sri Aurobindos

Der westliche Evolutionsgedanke ist die Aussage über einen Gestaltungsprozess, keine Erklärung unseres Seins. Auf die physikalischen und biologischen Daten der Natur beschränkt, macht er nicht, beziehungsweise nur summarisch oder oberflächlich den Versuch, seinen eigenen Sinn zu entdecken, sondern er begnügt sich damit, sich als das allgemeine Gesetz einer ganz geheimnisvollen und unerklärlichen Energie darzustellen. Die Evolution wird zu einem in Bewegung befindlichen Problem, das sich damit zufrieden gibt, mit automatischer Regelmäßigkeit sein eigenes Puzzle zu bearbeiten, es jedoch nicht zu lösen, denn da die Evolution nur ein Prozess ist, versteht sie sich selbst nicht, und da sie ein blinder, immerwährender Automatismus mechanischer Energie ist, hat sie weder Ursprung noch Ergebnis. Sie hat vielleicht einmal begonnen oder sie beginnt immer; vielleicht wird sie mit der Zeit anhalten beziehungsweise sie macht immer irgendwo Halt und kehrt zu ihrem Anfang zurück, aber es gibt kein Wozu, nur großes Getöse und viel Wirbel um das Wie ihres Anfangens und Aufhörens; denn ihre Tätigkeiten entspringen keiner spirituellen Absicht, sondern nur der Kraft rastloser materieller Notwendigkeit. Der alte Evolutionsgedanke war die Frucht philosophischer Intuition, der moderne ist ein Produkt wissenschaftlicher Beobachtung. Beiden fehlt etwas, wie wir gesehen haben, doch der alte erfasste den Geist der Entwicklung, wo der moderne sich mit der Form und dem äußerlichsten Mechanismus begnügt. Der Sankhya-Denker gab uns die psychologischen Elemente des gesamten Evolutionsprozesses an die Hand, analysierte Mental und Sinne und die subtile Grundlage der Materie und erriet einige Geheimnisse der ausführenden Energie, hatte aber kein Auge für die Einzelheiten der physischen Arbeit der Natur. Auch sah er in ihr nicht nur die einhüllende augenfällige aktive Kraft, sondern die tragende, verborgene spirituelle Wesenheit, obwohl er infolge seines übermäßig analytischen Intellekts und besessen von dessen Liebe zu scharfen Spaltungen und symmetrischen Gegensätzen das Zusammensein von Seele und Kraft durch einen ursprünglichen und ewigen Abgrund beziehungsweise eine Trennungslinie voneinander schied. Der moderne Wissenschaftler strebt danach, aus der naturwissenschaftlichen Methode, deren sorgfältiges Funktionieren er ermittelt hat, ein vollständiges System und eine komplette Institution zu machen, er ist jedoch blind für das Wunder, das in jedem Schritt steckt, oder er nimmt es hin, dass das Gefühl dafür in der befriedigten Beobachtung eines weitgeordneten Phänomens verlorengeht. Doch immer bleibt das Wunder der Dinge, das mit dem unerklärlichen Wunder alles Daseins eins ist – wie es auch in den alten Schriften heißt:

ascaryavat pasyati kascid enam,

ascaryavad vadati tathaiva canyah;

ascaryavac cainam anyah srnoti,

srutvapyenam veda na caiva kascit.

„Man schaut es an und sieht ein Wunder,

ein anderer erzählt, es sei ein Wunder,

ein anderer hört, es sei ein Wunder,

doch was es ist, bei all dem Hören, niemand weiß es.“

Wir wissen, dass es eine Evolution gibt, aber was Evolution ist, wissen wir nicht; dies bleibt immer noch eines der Urgeheimnisse der Natur.

Denn die Evolution wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet, wie es bei den Darstellungen und Lösungen üblich ist, die die menschliche Vernunft von der tiefen und unauslotbaren Weise des Geistes in den Dingen bietet; das Problem der Schöpfung wird nicht beseitigt, auch wenn sie den Anschein einer soliden, ordentlichen Tatsache erweckt, genauso wenig, wie die religiöse Behauptung eines sich außerhalb befindlichen allmächtigen Schöpfers dazu imstande war oder die mystische Maya des Illusionisten, aghatana-ghatana-patiyasi, (sehr geschickt, das Unmögliche zustande zu bringen), eine seltsame, existierend nichtexistente Macht mit einer Idee in Dem, das jenseits und ohne Ideen ist, selbst-ermächtigt, eine existierend nicht-existente Welt zu erschaffen, existierend, weil sie ganz offenkundig besteht, nicht-existent, weil sie von zusammengestoppelter Beschaffenheit einer traumhaft-unwirklichen Vergänglichkeit ist. Das Problem hat nur eine Ausdehnung erfahren, es wurde weiter zurückverlagert und nahm eine subtilere, geordnetere, durch ihre Weitschichtigkeit nur um so schwierigere äußere Gestalt an. Aber auch wenn sich unsere Befragung lediglich auf das einzige Ergebnis der Evolution beschränkt, erhebt sich doch die Schwierigkeit, welche Bedeutung den beobachteten nackten äußeren Tatsachen eigentlich zukommt, was mit Evolution gemeint ist, was sich „evolviert“, und woraus und mit welcher Kraft der Notwendigkeit. Der Wissenschaftler begnügt sich mit der Behauptung einer Ur-Materie oder Ur-Substanz atomarer, elektrischer oder ätherischer Art oder wie auch immer sie sich schließlich zeigen mag; diese produziert gerade durch die Natur ihrer eigenen, ihr innewohnenden Energie oder einer in ihr wirkenden und auf sie einwirkenden Energie – diese beiden Energien sind nicht dasselbe, und die Unterscheidung, obschon sie am Anfang des Prozesses belanglos zu sein scheint, hat letztlich eine erhebliche Auswirkung –, sie produziert also dank einem unerklärbaren Gesetz, einem ständigen System von Ergebnissen oder einem anderen unveränderlichen Prinzip eine Anzahl verschiedener Grundformen und Kräfte der Materie oder verschiedene spürbare und wirksame Strömungen der Energie: Diese entstehen, so scheint es, wenn die winzigen Urpartikel der Materie in mannigfaltig angeordneten Quantitäten, Verhältnissen und Kombinationen zusammentreffen und alles Übrige eine wechselnde, sich entwickelnde Aufstiegsbewegung organisierter Energie und ihrer evolutionären Auswirkungen, parinama, ist, die auf diese rohe, konstituierende Grundlage angewiesen sind. Dies alles ist oder wäre eine korrekte Aussage über Erscheinungstatsachen – doch dürfen wir nicht vergessen, dass die grundlegende Wissenschaftstheorie neuerdings durch eine umstürzende, rasche Neuordnung erheblich erschüttert wurde –, aber sie bringt uns keinen Schritt weiter voran zu der allerwichtigsten Hauptsache, die wir wissen wollen. Die Art, wie der Mensch die Welt sieht und erfährt, zwingt seiner Vernunft die Notwendigkeit einer einzigen ewigen Ursubstanz auf, deren Formen alle Dinge sind, und einer einzigen ewigen Urenergie, deren Variation der ganze Strom vom Handeln und seinen Folgen ist. Aber im ganzen ist die Frage die, was die Wirklichkeit dieser Substanz und die Wesensnatur dieser Energie ist.

Sodann fragt es sich, auch wenn wir annehmen, dass der am wenigsten erklärbare Teil des Wirkens eine evolutionäre Entwicklung des Immateriellen aus der Materie ist, ob diese Entwicklung dennoch eine Schöpfung oder eine Befreiung, eine Geburt von etwas zuvor nicht Existierendem oder ein langsames Ans-Licht-Bringen von etwas schon als unterdrückte Tatsache oder als ewige Möglichkeitsform Existierendem ist? Und das Interesse an der Frage wird akut, ihre Wichtigkeit nicht abzuschätzen, wenn wir zu dem noch unerklärten Phänomen von Leben und Mental kommen. Ist das Leben eine Schöpfung aus unbelebter Substanz oder die Erscheinung einer neuen, einer plötzlich oder langsam aus der rohen materiellen Energie heraus entstehenden Kraft, und ist das bewusste Mental eine Schöpfung aus dem nichtbewussten oder unterbewussten Leben oder erscheinen diese Kräfte und Gottheiten, weil sie immer da waren, obschon in einem verschleierten und von uns unerkennbaren Zustand ihrer verborgenen oder unterdrückten Idee und Tätigkeit, ihres Namens und Numens? Und wie steht es mit der Seele und mit dem Menschen? Ist die Seele ein neues Ergebnis oder eine neue Schöpfung unseres mentalisierten Lebens – auch so betrachten sie viele, denn als eine sich ihrer selbst bewusste, helle, unterscheidbare Kraft erscheint sie erst deutlich, wenn das denkende Leben einen hohen Intensitätsgrad erreicht hat – oder ist sie nicht eine dauernde Wesenheit, das ursprüngliche Mysterium, das jetzt seine verborgene Form enthüllt, die ewige Begleiterin der Energie, die wir Natur nennen, ihre geheime Bewohnerin oder ihr eigentlicher Geist und ihre wahre Wirklichkeit? Und ist der Mensch eine biologische Schöpfung einer rohen Energie, der es irgendwie, ganz unerwartet und unerklärlich, gelang, mit dem Fühlen und Denken anzufangen, oder ist er in seinem wahren Selbst jenes innere Wesen und jene innere Macht, die der ganze Sinn der Evolution und die Herrin der Natur ist? Ist die Natur nur die Kraft des Selbstausdrucks, der Selbst-Formation, der Selbst-Erschaffung eines geheimen Geistes, und der Mensch, so eingeengt er in seiner gegenwärtigen Fähigkeit auch immer sein mag, das erste Lebewesen in der Natur, in dem diese Kraft anfängt, bewusst selbsterschaffend ganz vorn in der Tätigkeit zu stehen, in dieser äußeren Kammer des physischen Wesens, um dort ans Werk zu gehen und durch eine immer mehr ihrer selbst bewusste Evolution deren ganzen menschlichen Sinngehalt beziehungsweise deren göttliche Möglichkeit, soweit er es vermag, ans Licht zu bringen? Das ist die klare Schlussfolgerung, zu der wir letztlich kommen müssen, wenn wir erst einmal eine spirituelle Evolution als den Schlüssel zu der ganzen Entwicklungsbewegung, als die Wirklichkeit dieser ganzen aufsteigenden Schöpfung gelten lassen.

In dem Wort Evolution im eigentlichen Sinn steckt als ursprünglicher Grundgedanke die Notwendigkeit einer vorausgegangenen Involution. Wenn ein verborgenes spirituelles Sein das Geheimnis aller Tätigkeiten der Natur ist, müssen wir diesen latenten Wert des Gedankens voll zur Wirkung kommen lassen. Wir müssen daher zwangsläufig annehmen, dass alles, was sich herausentwickelt, schon „eingewickelt“ vorhanden war, passiv oder anders aktiv, in jedem Fall jedoch vor uns verborgen in der Schale der materiellen Natur. Der Geist, der sich hier in einem Körper manifestiert, muss von Anfang an im Ganzen der Materie und in jedem Knoten, jeder Bildung und in jedem Partikel der Materie involviert sein; Leben, Mental und was immer über dem Mental ist, das müssen latente, inaktive oder verhüllt aktive Kräfte in allen materiellen Energieprozessen sein. Die einzige Alternative wäre, die beiden Seiten unseres Wesens durch die scharfe Sankhya-Spaltung auseinanderzutreiben; dies wäre jedoch eine zu starke Trennung von Geist und Natur. Die Natur wäre träge und mechanisch, aber sie würde sich an ihr Werk machen, in Tätigkeit versetzt durch einen auf sie ausgeübten Druck des Geistes. Geist wäre Sein, bewusst und in seiner eigenen Essenz frei von der Naturtätigkeit, würde aber in der Erscheinungsform sein Bewusstsein tatsächlich oder scheinbar verändern als Antwort auf eine Reaktion der Natur. Das eine würde die Bewegungen der aktiven Macht reflektieren, das andere würde ihre Tätigkeiten mit dem Bewusstsein des seines selbst bewussten unsterblichen Seins erleuchten. In diesem Fall hätte die evolutionäre wissenschaftliche Auffassung eine Berechtigung, nach der die Natur ein weitläufiger Energiemechanismus ist und Leben, Mental und natürliche Seelentätigkeit ihre Stufenleiter von Entwicklungsprozessen. Unser Bewusstsein wäre dann nur eine lichtvolle Übersetzung der selbstgetriebenen, rastlosen mechanischen Tätigkeit in für die Erfahrung zugängliche Zeichen des zustimmenden spirituellen Zeugen. Aber die lähmende Schwierigkeit bei dieser Vorstellung ist der ganz entgegengesetzte Charakter unserer eigenen höchsten Erkenntnis; denn schließlich, und da die Energie der universalen Kraft die Steigungen ihrer eigenen Möglichkeiten überwindet, wird die Natur immer offenkundiger eine Macht des Geistes und ihr ganzer Mechanismus nur zu Formen seiner erfinderischen Meisterschaft. Die Kraft der Flamme kann von der Flamme nicht getrennt werden; wo die Flamme ist, ist die Kraft, und wo die Kraft ist, ist das feurige Prinzip. Wir müssen zur Vorstellung eines Geistes zurückkehren, der im Universum gegenwärtig ist, und wenn der Prozess seiner Werke der Macht und seiner Erscheinungsformen in Evolutionsstufen verläuft, drängt sich die Notwendigkeit einer vorangegangenen Involution auf.

Dieser Geist in allem ist nicht von Anfang an sichtbar, sondern verrät sich im zunehmenden Licht der Manifestation. Wir sehen, wie die komprimierten Mächte der Natur, befreit von ihrer ursprünglichen Involution, in leidenschaftlichem Schaffen allmählich die Geheimnisse ihrer unendlichen Fähigkeit offenbaren und anfangen, einen Druck auf sich selbst und auf das tragende untere Prinzip auszuüben, um dessen niedrigere Strömung, von der sie gezwungenermaßen abhängen, einem höheren, ihrer Eigenart gemäßen Wirken zu unterwerfen und in der Größe ihrer sich selbst offenbarenden Ausarbeitungen ihre eigene Größe zu fühlen. Das Leben bemächtigt sich der Materie und haucht ihr die zahllosen Formen seiner überreichen Schöpferkraft ein: seine subtilen, wechselnden Muster, seine Geburts-, Todes- und Wachstumsbegeisterung, sein Ergriffensein von der Handlung und ihrem Echo, seinen Willen zu einer immer komplexeren Ordnung des Erlebens, seine bebende, heraustastende Suche nach der Bewusstwerdung seiner Freude, seines Schmerzes, seines verstehenden Tatensturms; das Mental ergreift das Leben, um es zu einem Instrument für die Wunder des Willens und der Intelligenz zu machen, die Seele besitzt das Mental und hebt es durch die Anziehungskraft des Schönen und Guten, der Weisheit und Größe in die Freude eines noch nicht ganz hervorgetretenen idealen höchsten Daseins; und in dieser ganzen wunderbaren Bewegung und diesen emporklimmenden Größen setzt jeder Schritt seinen Fuß auf eine höhere Sprosse und eröffnet einen klareren, weiteren und volleren Horizont und Ausblick auf den stets geheimen und stets sich selbst manifestierenden Geist in allem. Das auf die physische Evolution gerichtete Auge hat nur den Anblick einer mechanischen Größe und Subtilität der Schöpfung; die Evolution des sich dem Mental öffnenden Lebens, die Evolution des Mentals, das sich der Seele seines eigenen Lichtes und Wirkens öffnet, die Evolution der Seele aus den begrenzten Mächten des Mentals heraus in den strahlenden Glanz der Unendlichkeiten des spirituellen Seins, das sind die bedeutsameren Dinge, sie erschließen uns größere und subtilere Bereiche des sich selbst enthüllenden Geheimnisses. Die physische Evolution ist nur ein äußeres Zeichen, sie ist die immer komplexer und subtiler werdende Entwicklung einer tragenden Struktur, die wachsende äußere metrische Gestalt, dazu ersonnen, die aufsteigenden Intonationen der spirituellen Harmonie zu stützen. Die spirituelle Bedeutung trifft uns in dem Maße, wie die Töne anschwellen; doch erst, wenn wir ganz oben auf der Leiter angelangt sind, sind wir dem vollen Sinn dessen gewachsen, wozu alle diese ersten formalen Metren als äußere Konturen, als Grundriss oder Rohentwurf gemacht wurden. Das Leben selbst ist nur ein buntes Medium, die physische Geburt eine praktische Einrichtung für die immer größer werdenden Geburten des Geistes.

Der spirituelle Evolutionsprozess ist also in gewissem Sinne eine Schöpfung, aber eine Selbst-Erschaffung, nicht ein Erschaffen von etwas, das noch nie da war, sondern ein Ans-Licht-Bringen von etwas, das im Sein enthalten war. Das Sanskrit-Wort für Schöpfung bedeutet ein Herauslösen, Herauslassen in das Wirken der Natur. Die Upanishad verwendet in einer eindrucksvollen Metapher das Bild der Spinne, die ihr Netz aus sich selbst hervorbringt und das Gebilde erschafft, in dem sie ihren Posten bezieht. Dieses Bild wird in der alten Schrift nicht auf die Evolution der Dinge aus der Materie angewendet, sondern auf das uranfängliche Ans-Licht-Bringen des zeitlichen Werdens aus der ewigen Unendlichkeit; die Materie selbst und das materielle Universum sind letztlich ein solches Netz oder gar nur ein Teil davon, aus dem spirituellen Sein des Unendlichen ans Licht gebracht. Dieselbe Wahrheit, dasselbe Gesetz gilt für alles, was wir vom Auftauchen der Dinge aus der Involution in der materiellen Energie sehen. Wir könnten hier beinahe von einer doppelten Evolution sprechen. Eine dem Unendlichen innewohnende Kraft fördert aus ihm ewig ihre Struktur des Wirkens in einem Universum zutage, dessen unterste Stufe auf einer Involution aller Mächte des Geistes ruht, die ihrerseits nichtbewusst in die selbstvergessene Leidenschaft des Formens und Bauens jener Kraft absorbiert sind. Daraus folgt der Aufstieg und die fortschreitende Befreiung von einer Kraft nach der anderen, bis der selbstenthüllte und durch Wissen und Meisterschaft seiner Werke befreite Geist wieder die ewige Fülle seines Seins in Besitz nimmt, worin er dann die vielfältigen Herrlichkeiten seiner Natur vereint, umfasst und hält. Auf jeden Fall erscheint der spirituelle Prozess, von dem unsere menschliche Geburt ein Schritt und unser Leben ein Teil ist, als das Ans-Licht-Bringen einer Größe,asya mahimanam, die geheim, innewohnend und in sich selbst gefangen, versunken in Form und Wirken der Dinge ist. Unser universales Handeln bildet eine Evolution ab, das Entrollen einer mannigfaltigen Macht, die in der rohen Kompliziertheit der Materie versammelt und eingerollt liegt. Der nach oben führende Fortschritt aufeinanderfolgender Geburten ist ein Aufstieg ins Erwachen und ein immer größer werdendes Licht eines Bewusstseins, das in die erste hermetische Schlafkammer der ewigen Energie eingeschlossen ist.

Eine Parallele dazu haben wir in der yogischen Erfahrung der Kundalini, der ewigen Kraft, die zusammengerollt am Grund des Körpers ganz zuunterst liegt, im Gefäß oder der Kammer, muladhara, Sockel, Erdzentrum des physischen Nervensystems. Dort schlummert sie, eingerollt wie eine Python, vollgefüllt mit allem, was sie in ihrem Wesen angehäuft hält, doch wenn sie vom frei dahineilenden Atem, vom Strom des Lebens getroffen wird, der nach ihr auf die Suche geht, erwacht sie und steigt flammend die Sprossen des Rückgrats empor und sprengt ein Zentrum nach dem anderen der involvierten dynamischen Geheimnisse des Bewusstseins, bis sie zuoberst den Geist findet, sich ihm anschließt und eins mit ihm wird. So geht sie von einer Involution in Nichtbewusstheit durch eine Reihe aufgehender Herrlichkeiten ihrer Kräfte in das größte ewige Überbewusstsein des Geistes ein. Einer ebensolchen Bahn folgt diese geheimnisvolle, sich entwickelnde Natur in der Welt um uns. Nichtbewusstes Sein ist nicht so sehr ein Mutterboden als eine Kammer materialisierter Energie, in welcher alle Kräfte des Geistes konzentriert sind; sie sind da, aber sie arbeiten unter den Bedingungen der materiellen Energie, involviert, wie wir sagen, und daher augenscheinlich nicht als sie selbst, denn sie sind in eine Wirkensweise übergegangen, die unterhalb ihrer eigenen normalen Stufe liegt, wo die charakteristischen Merkmale, an denen wir sie erkennen und zu kennen glauben, von einer geringeren, unentdeckten Wirkenskraft unterdrückt werden. In dem Maße, wie die Natur die Stufenleiter emporsteigt, befreit sie sie in ihre erkennbaren Energiestufen und erschließt die Funktionen, durch die sie sich und ihre Größe fühlen können. An der höchsten Spitze erhebt die Natur sich in das Selbstwissen des Geistes, der ihre Tätigkeit beseelte, dessen wahre Größe aber wegen seiner Involution oder Verhüllung in den Formen ihres Wirkens nicht erkannt werden konnte. Geist und Natur werden in der Entdeckung des Geheimnisses der Naturenergien am oberen Ende der spirituellen Evolution eins durch eine Seele in der Natur, die in der Befreiung der Wahrheit zur Bedeutung ihres eigenen Wesens erwacht: Die Seele erkennt, dass ihre Geburten die Geburten, das Form-Annehmen eines ewigen Geistes waren, um sich als sich selbst zu erkennen und nicht als ein Geschöpf der Natur, und sie erhebt sich zum Besitz der enthüllten, vollen und höchsten Kraft ihrer eigenen wirklichen und spirituellen Natur. Diese Befreiung kommt zu uns als Krönung einer spirituellen Evolution, weil Befreiung Sich-Selbst-Besitzen ist.

Wir müssen die ganze dichte Bedeutung dieser Involution berücksichtigen. Der in die materielle Energie involvierte Geist ist mit allen seinen Kräften da; Leben, Mental und eine größere supramentale Macht sind in der Materie involviert. Doch was meinen wir, wenn wir sagen, dass sie involviert sind? Meinen wir, dass alle diese Dinge ganz verschieden sind, voneinander abgeschnitten durch essentielle Abtrennung, doch durch Wechselwirkung zusammen aufgewickelt, oder meinen wir, dass es nur ein einziges Sein gibt mit seiner einen Energie, mit wechselnden Schatten des Lichts seiner Kraft, differenziert im Spektrum der Natur? Wenn wir sagen, Leben sei in die Materie oder in materieller Kraft involviert – denn die Materie scheint im Grunde nur eine wechselnde, selbstersonnene Gestaltung dieser Kraft zu sein-, meinen wir denn damit nicht, dass dieses ganze universale Wirken, auch in dem, was uns als seine nichtbewusste, unbeseelte Tätigkeit erscheint, eine Lebensmacht des mit Gestaltung befassten Geistes ist und wir ihn nicht erkennen, weil er auf einer niedrigeren Stufe ist, wo die charakteristischen Merkmale, an denen wir das Leben erkennen, nicht klar zutage liegen oder in der Dumpfheit der materiellen Hülle nur gering entwickelt sind? Die materielle Energie wäre dann Leben, das in die Dichte der Materie hineingepackt wäre und in ihr sich heraustastete um seiner eigenen stärker erkennbaren Kraft willen, die es in sich selbst innerhalb der materiellen Verhüllung findet und zur Tätigkeit befreit. Das Leben seinerseits wäre eine Energie eines geheimen Mentals, eines Mentals, das in seinen eigenen Formen gefangen ist und in den nervösen Suchbewegungen des Lebens nach seiner stärker erkennbaren Macht des Bewusstseins bebt, die es in der vitalen und materiellen Unterdrückung entdeckt und zur Sensibilität befreit. Zweifellos wirken diese Kräfte praktisch als verschiedene Energien, doch ihrem Wesen nach wären sie eine einzige Energie, und ihre Wechselwirkung stellte die Macht des Geistes dar, der durch seine höheren auf seine niedrigeren Kräfte einwirkt, zunächst von ihnen abhängend, dann jedoch in einer Wendung auf der Stufenleiter seines Aufstiegs sie überragend und beherrschend. Auch das Mental könnte möglicherweise nur eine niedrigere Stufe und Formulierung sein, die von einem viel größeren oder supramentalen Bewusstsein abgeleitet ist, und dieses Bewusstsein mit seinem größeren Licht und Willen wäre ebenfalls eine charakteristische Ursprungsmacht des spirituellen Seins, die Macht, die in allem, im Mental, im Leben, in der Materie, in Pflanze, Metall und Atom durch ihr unumgängliches Wirken insgeheim ständig die Idee und Harmonie des Universums verbürgt. Und was ist der Geist selbst anderes als unendliches Dasein, ewiges, unsterbliches, doch immer bewusstes, sich selbst wahrnehmendes Sein – und darin liegt der Unterschied zwischen dem mechanischen Monismus des Materialisten und der spirituellen Theorie des Universums –, das sich hier in einer für unsere Begriffe endlichen Welt ausdrückt, von dem jedoch jede Bewegung Zeugnis für das Unendliche ablegt? Und diese Welt ist, weil der Geist die Wonne seines eigenen unendlichen Daseins und die Wonne seiner eigenen unendlichen Selbst-Variation hat; Geburt ist, weil alles Bewusstsein Macht von seinem eigenen Sein mitführt und alle Seinsmacht selbsterschaffend ist und die Freude ihrer Selbst-Erschaffung haben muss. Denn Erschaffung, Schöpfung bedeutet nichts anderes als Selbstausdruck; und die Geburt der Seele im Körper ist lediglich eine Art und Weise ihres eigenen Selbstausdrucks. Daher sind alle Dinge hier Ausdruck, Form, Energie, Tätigkeit des Geistes; die Materie ihrerseits ist nur Form des Geistes, das Leben nur Seinsmacht des Geistes, das Mental nur die Ausarbeitung von Bewusstsein des Geistes. Die ganze Natur ist eine Entfaltung und ein Spiel Gottes, Macht, Tätigkeit und Selbst-Erschaffung des einen spirituellen Seins. Die Natur bietet dem Geist zugleich die Kraft, das Instrument, das Medium, das Hindernis und das Ergebnis seiner Kräfte, und dies alles, die Hindernisse wie das Instrument, sind die notwendigen Elemente für eine allmählich fortschreitende und sich entwickelnde Schöpfung.

Doch wenn der Geist seine ewige Größe in das materielle Universum involviert hat und dort seine Kräfte mittels eines geheimen Selbstwissens „herausentwickelt“, sie in einer grandiosen Aufeinanderfolge unter den selbstauferlegten Schwierigkeiten einer materiellen Seinsform offenbart, sie von einer ersten verhüllenden, in sich versunkenen Nichtbewusstheit der Natur entbindet, fällt es nicht schwer, zu glauben oder zu erkennen, dass diese in die Menschheit hineingebildete Seele ein Sein von diesem Sein ist, dass auch dieses aus der materiellen Involution heraus durch wachsenden Selbstausdruck in einer Reihe von Geburten aufgestiegen ist, von welchen jede Stufe eine neue Kammlinie darstellt, die die Aussicht auf höhere Kräfte des Geistes eröffnet, und dass dieses Sein noch weiter hinaufsteigt und durch die gegenwärtigen Wände seiner Geburt nicht für immer beschränkt ist, sondern in eine göttliche Menschheit hineingeboren wird, wenn wir es wollen. Unser Menschsein ist der bewusste Treffpunkt des Endlichen und des Unendlichen, und es ist unser Privileg, auch in dieser physischen Geburt immer mehr diesem Unendlichen entgegenzuwachsen. Dieses Unendliche, dieser Geist, der in uns wohnt, aber nicht durch Mental oder Körper gebunden oder eingeschlossen wird, ist unser eigenes Selbst, und unser Selbst zu finden und zu sein, war, wie die alten Weisen wussten, stets das Ziel unseres menschlichen Strebens, denn es ist das Ziel der ganzen unendlichen Tätigkeit der Natur. Doch die Natur dehnt sich durch stufenweise Selbstfindung zu ihrer spirituellen Wirklichkeit aus. Der Mensch selbst ist ein doppelt involviertes Wesen; das meiste von ihm im Mental und darunter ist in ein unterschwelliges Bewusstsein oder Unterbewusstsein involviert; das meiste von ihm über dem Mental ist in ein spirituelles Überbewusstsein involviert. Wenn er im Überbewusstsein bewusst wird, werden die Höhen und Tiefen seines Wesens durch ein Wissenslicht beleuchtet, das anders ist, als es die flackernde Lampe der Vernunft jetzt in einige Ecken werfen kann; denn dann wird der Sieger dieses ganze wunderbare Feld seines Seins erleuchten, wie die Sonne das ganze Planetensystem beleuchtet, das sie aus ihren eigenen Herrlichkeiten hervorgebracht hat. Dann erst kann der Mensch die Wirklichkeit seines eigenen Mentals, Lebens und Körpers erkennen. Das Mental wird in ein größeres Bewusstsein verwandelt werden, das Leben wird eine direkte Macht und ein direktes Handeln der Gottheit sein, und gerade auch der Körper wird nicht mehr dieser erste grobe atmende Lehmklumpen sein, sondern regelrecht ein Bild und Körper spirituellen Seins. Zu dieser Verklärung auf dem Gipfel des Berges, zur göttlichen Geburt, divya janma, sind alle diese Geburten eine lange Reihe mühseliger Schritte. Eine Involution des Geistes in der Materie ist der Beginn, aber das spirituelle Annehmen einer göttlichen Geburt ist die Fülle der Evolution.

Ost und West haben entgegengesetzte Lebensanschauungen, die zwei Seiten einer Wirklichkeit sind. Auf der einen Seite die pragmatische Wahrheit, die das vitale Denken des modernen Europa so stark und ausschließlich betont, weil es in die Lebenskraft, in den ganzen Tanz Gottes in der Natur verliebt ist; auf der anderen Seite die ewige, unwandelbare Wahrheit, der sich der in Ruhe und Ausgeglichenheit verliebte indische Geist mit der gleichen unbedingten Sucherleidenschaft gerne zuwendet: Zwischen beiden ist die Trennung nicht so scharf, der Streit nicht so heftig wie der jetzt vom parteiischen Mental, von der aufspaltenden Vernunft und der verzehrenden Leidenschaft eines ausschließlichen Verwirklichungswillen ausgerufene. Die eine ewige, unwandelbare Wahrheit ist der Geist, und ohne Geist hätte die pragmatische Wahrheit eines sich selbst erschaffenden Universums weder Ursprung noch Grundlage; sie wäre bedeutungsarm, ohne innere Führung, letztlich verloren, die Schaustellung eines ins Leere verpuffenden Feuerwerks. Doch die pragmatische Wahrheit ist auch nicht ein Traum des Nicht-Existierenden, eine Illusion oder ein langes Dahingleiten in ein sinnloses Delirium schöpferischer Fantasie; das hieße, aus dem ewigen Geist einen Trinker oder Träumer, einen Narren seiner eigenen gigantischen Wahnvorstellungen zu machen. Die Wahrheiten des universalen Daseins sind von zweifacher Art: Wahrheiten des Geistes, die ihrerseits ewig und unwandelbar sind, und das sind die Größen, die sich selbst hinaus ins Werden werfen und dort ständig ihre Kräfte und Bedeutungen verwirklichen, und das Spiel des Bewusstseins mit ihnen, die Dissonanzen, die melodischen Variationen, der Wohlklang des Möglichen, progressive Noten, Umkehrungen, Verkehrungen, die Umwandlungen, aufsteigend in eine größere Harmoniegestalt; und aus alledem erschafft und erschuf der Geist immer sein Universum. Doch sich selbst erschafft er darin, er ist Schöpfer und Schöpfungsenergie, Ursache, Methode und Ergebnis der Tätigkeit, er ist der Maschinist und die Maschine, die Musik und der Musiker, der Dichter und das Gedicht, Supramental, Mental, Leben und Materie, Seele und Natur.

Bei unseren Problemlösungen werden wir von einem Ur-Irrtum verfolgt. Wir lassen uns durch das Auftreten eines Widerspruchs verwirren; wir setzen die Seele gegen die Natur, den Geist gegen seine schöpferische Energie. Aber Seele und Natur, Purusha und Prakriti sind zwei ewig Liebende, die ihre immerwährende Einheit besitzen und ihre ständige Verschiedenheit genießen, und in der Einheit sind sie voll Leidenschaft für das vielfältige Spiel ihrer Verschiedenheit, und bei jedem Schritt der Verschiedenheit sind sie voll des geheimen Sinns oder des offenen Bewusstseins der Einheit. Die Natur nimmt die Seele in sich hinein, so dass diese in einer Trance der Vereinigung mit deren verzehrender Schöpfungsleidenschaft einschläft, und auch die Natur scheint dann im Wirbel ihrer eigenen schöpferischen Energie zu schlafen; und das ist die Involution in der Materie. Oben kann es sein, dass die Seele die Natur in sich hineinnimmt, so dass diese in einer Trance des Einsseins mit dem in sich versunkenen, sich selbst besitzenden Geist einschlummert, und auch die Seele scheint in der Tiefe ihres eigenen selbstverschlossenen, unbeweglichen Seins zu schlummern. Und doch ist dieses ganze rhythmische Pochen und Pulsieren oben und unten, ringsumher und im Inneren die Ewigkeit des Geistes, der sich so in Seele und Natur selbst gestaltete und mit vollkommener Bewusstheit alles genießt, was er durch diese Involution und Evolution in sich selbst erschafft. Die Seele erfüllt sich in der Natur, wenn sie in ihr das Bewusstsein jener Ewigkeit und deren Macht und Freude besitzt und das natürliche Werden mit der Fülle des spirituellen Seins umwandelt. Die ständige Selbsterschaffung, die wir Geburt nennen, findet da die vollkommene Evolution von allem, was sie in ihrer eigenen Natur fasst, und enthüllt ihren eigenen höchsten Sinn. Die vollständige Seele besitzt ihr ganzes Selbst und die ganze Natur.

Daher ist diese ganze Evolution ein Wachsen des Selbstes in der materiellen Natur zu dem bewussten Besitz seines eigenen spirituellen Seins. Sie beginnt mit der Form – offenbar einer Form der Kraft –, in der ein Geist verborgen wohnt; sie endet in einem Geist, der bewusst seine eigene Kraft lenkt und seine eigenen Formen erschafft oder annimmt aus freier Freude über sein Sein in der Natur. Die Natur beginnt die Evolution, indem sie ihr eigenes Selbst und ihren eigenen Geist involviert und unterdrückt in sich hält, als einen gefangenen Herrn des Daseins, ihrer Weise von Geburt und Wirken untertan – und doch ist diese Weise die seine und dieser Geist die Bedingung für ihr Sein und für das Gesetz ihres Wirkens: Der Geist krönt die Evolution, indem er die bewusste Natur in sich fasst, die vollständig ist durch seine Vollständigkeit, befreit durch seine Befreiung, vollendet in seiner Vollkommenheit. All unsere Geburten sind die Geburten dieses Geistes und Selbstes, die eine Seele in der Natur geworden sind oder diese hervorgetrieben haben. Zu sein ist der Zweck unseres Daseins – es gibt keinen anderen Zweck, kein anderes Ziel, denn Bewusstsein und Seligkeit des Seins ist Anfang, Mitte und Ende, da jene ohne Beginn und Ende sind. Das aber bedeutet, in Evolutionsstufen gesehen, immer weiter zu wachsen, bis wir in unsere eigene Fülle des Selbstes hineinwachsen; alle Geburt ist eine progressive Selbstfindung, ein Mittel zur Selbstverwirklichung. Zu wachsen an Wissen, an Macht, an Wonne, Liebe und Einssein hin zum unendlichen Licht, zur Fähigkeit und Seligkeit der spirituellen Existenz, uns zu universalisieren, bis wir eins sind mit allem Sein, und ständig unser gegenwärtiges, begrenztes Selbst zu überschreiten, bis es sich voll der Transzendenz öffnet, in der das Universale lebt, und darauf unser ganzes Werden zu gründen – das ist die volle Evolution dessen, was jetzt in der Natur dunkel eingehüllt liegt oder halbentwickelt in ihr arbeitet.

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Die Evolution der Seele und Natur

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