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Kapitel 4 Die doppelte Seele

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Es gibt eine doppelte Seele oder ein doppeltes seelisches Prinzip in uns, so wie jedes andere kosmische Prinzip in uns ebenfalls doppelt ist. Denn wir haben zwei Mentale, ein Oberflächenmental unseres manifestierten evolutionären Egos, die oberflächliche Mentalität, die durch uns in unserem Auftauchen aus der Materie geschaffen wurde; und ein anderes, ein inneres Mental, das durch unser eigentliches mentales Leben und seine starren Begrenzungen nicht behindert wird, das etwas Großes, Mächtiges und Leuchtendes ist, das wahre mentale Wesen hinter jener oberflächlichen Form der mentalen Personalität, die wir fälschlicherweise für uns selbst halten. In gleicher Weise haben wir zwei Leben, ein äußeres, das durch seine vergangene Evolution im physischen Körper eingeschlossen ist, das lebt und geboren wurde und sterben wird; während das andere eine subliminale Lebenskraft ist, nicht eingepfercht zwischen den engen Grenzen unserer physischen Geburt und unseres physischen Todes, sondern unser wahres vitales Wesen hinter jener Lebensform, die wir unwissentlich für unser wirkliches Dasein halten. Selbst im Stoff unseres Seins besteht diese Dualität: denn hinter unserem Körper haben wir ein feineres, stoffliches Dasein, das die Substanz, nicht nur für unsere physischen, sondern auch unsere vitalen und mentalen Hüllen liefert, und daher unsere wirkliche Substanz ist, die diese physische Form stützt, die wir irrtümlicherweise für den ganzen Körper unseres Spirits halten. In gleicher Weise haben wir eine doppelte seelische Wesenheit in uns, die oberflächliche Begierdenseele, die in unserem vitalen Streben wirkt, in unseren Gefühlen, in unserem ästhetischen Talent und mentalen Suchen nach Macht, Wissen und Glück, sowie eine subliminale Wesenheit, eine reine Macht des Lichts, der Liebe, Freude und verfeinerten Essenz des Wesens, die unsere wahre Seele hinter der äußeren Form des seelischen Daseins ist, das wir so oft mit dem Namen Seele auszeichnen. Wenn ein Widerschein dieser größeren und reineren seelischen Wesenheit an die Oberfläche tritt, sagen wir von einem Menschen, er habe eine Seele, und wenn sie in seinem äußeren, seelischen Leben fehlt, sagen wir von ihm, er habe keine Seele.

Die äußeren Formen unseres Wesens sind die unserer kleinen, egoistischen Existenz; die subliminalen sind die Formierungen unserer größeren, wahren Individualität. Diese sind daher jener verborgene Teil unseres Wesens, in welchem unsere Individualität unserer Universalität nahe ist, diese berührt, und in fortwährender Beziehung und fortwährendem Austausch mit ihr steht. Das subliminale Mental in uns ist offen für das universale Wissen des kosmischen Mentals, das subliminale Leben in uns ist offen für die universalen Kräfte des kosmischen Lebens, das subliminale Physische in uns ist offen für die universalen Kraftformierungen der kosmischen Mächte; die dichten Wände, durch die unser Oberflächen-Mental, -Leben und -Körper von diesen Dingen getrennt sind, und welche die Natur mit soviel Mühe, so unvollkommen und mit Hilfe so vieler geschickt schwerfälliger, physischer Methoden durchstoßen muss, sind dort im Subliminalen ein verdünntes Medium von Trennung und Kommunikation zugleich. In gleicher Weise ist auch die subliminale Seele in uns dem universalen Entzücken offen, das die kosmische Seele in ihr eigenes Dasein aufnimmt, und in das Dasein der Myriaden Seelen, das sie verkörpert, und in die Tätigkeiten von Mental, Leben und Materie, durch welche die Natur sich zu deren Spiel und Entwicklung hergibt; doch von diesem kosmischen Entzücken ist die Oberflächenseele durch die egoistischen Wände von großer Dichte ausgeschlossen, die zwar Pforten des Durchlasses besitzen, doch die Anflüge göttlich-kosmischen Entzückens verblassen bei ihrem Durchgang, werden entstellt oder müssen sich als ihr eigenes Gegenteil maskieren.

SRI AUROBINDO (18:220)

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Die Seele und das Leben sind zwei ganz verschiedene Mächte. Die Seele ist ein Funke des Göttlichen Spirits, der die individuelle Natur stützt; Mental, Leben und Körper sind die Instrumente für die Manifestation der Natur. In den meisten Menschen ist die Seele verborgen und durch das Wirken der äußeren Natur verdeckt; sie verwechseln das vitale Wesen mit der Seele, denn das Vital ist es, welches den Körper anregt und treibt. Doch dieses Vital besteht aus Begierden und ausführenden Kräften, guten und schlechten; es ist die Begierdenseele und nicht die wahre Seele. Erst wenn die wahre Seele hervortritt und die Tätigkeit der instrumentalen, menschlichen Natur zu beeinflussen und dann zu beherrschen beginnt, kann der Mensch seine vitalen Begierden überwinden, und einer göttlichen Natur entgegenwachsen.

SRI AUROBINDO (22:300)

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Wenn Wissen die weiteste Macht des Bewusstseins ist, und seine Aufgabe darin besteht, zu befreien und zu erleuchten, ist dennoch die Liebe die tiefste und intensivste Macht des Bewusstseins, und es ist ihr Privileg, der Schlüssel zu den unergründlichsten und geheimsten Winkeln des Göttlichen Mysteriums zu sein. Der Mensch, da er ein mentales Wesen ist, neigt dazu, dem denkenden Mental, dessen Vernunft und Willen und seiner Art der Annäherung an die Wahrheit und ihrer Verwirklichung, die höchste Bedeutung beizumessen, ja, er sieht sich sogar zu der Annahme veranlasst, dass es keine andere gibt. Das Herz mit seinen Emotionen und unberechenbaren Regungen ist in der Sicht seines Intellektes eine dunkle, ungewisse und oft gefährliche und irreführende Macht, die durch den Verstand, den mentalen Willen und die Intelligenz unter Kontrolle gehalten werden muss. Und dennoch ist im Herzen oder dahinter ein tieferes, mystisches Licht; dieses ist zwar nicht das, was wir Intuition nennen – denn diese, obwohl dem Mental nicht zugehörig, kommt dennoch durch das Mental herab – es hat aber dennoch eine direkte Fühlungnahme mit der Wahrheit und ist dem Göttlichen näher als der menschliche Intellekt in seinem Wissensstolz. Gemäß der alten Lehre ist der Sitz des immanenten Göttlichen, des verborgenen Purushas, im mystischen Herzen – der geheimen Herzenshöhle, hrdaye guhayam, wie es die Upanishade ausdrückt –, und nach der Erfahrung vieler Yogis kommt von seinen Tiefen die Stimme oder der Atem des inneren Orakels.

Diese Zweideutigkeit, diese gegensätzlichen Erscheinungen von Tiefe und Blindheit, entstehen durch den doppelten Charakter des menschlich-emotiven Wesens. Denn in den Menschen befindet sich im Vordergrund ein Herz voller vitaler Emotionen, ähnlich dem der Tiere, wenn auch vielfältiger entwickelt; seine Emotionen werden von egoistischer Leidenschaft gelenkt, blinden, instinktiven Neigungen und dem ganzen Spiel der Lebensimpulse mit ihren Unvollkommenheiten, Perversionen und oft schmutzigen Entartungen, – das Herz ist von Lüsten, Begierden und Wutanfällen, von intensiven oder ungestümen Forderungen, von den kleinen Begierden oder niedrigen Schäbigkeiten einer dunklen und gefallenen Lebenskraft bedrängt und ihnen ausgeliefert, und verdorben durch seine Sklaverei an jedweden Impuls. Dieses Gemisch des emotiven Herzens und des sinnlich-lüsternen Vitals schafft eine falsche Begierdenseele im Menschen; diese ist das rohe und gefährliche Element, dem der Verstand zu Recht misstraut, er empfindet die Notwendigkeit einer Kontrolle – obgleich die tatsächliche Kontrolle, oder besser gesagt, die Gewalt, die er über unsere rohe und beharrliche, vitale Natur auszuüben vermag, immer sehr unsicher und irreführend ist. Die eigentliche Seele des Menschen aber ist nicht dort; sie ist in dem wahren, unsichtbaren Herzen in einer leuchtenden Höhle der [menschlichen] Natur verborgen: dort, wo das göttliche Licht einsickert, ist unsere Seele, ein schweigendes, innerstes Wesen, dessen nur wenige je gewahr werden; denn obzwar alle eine Seele haben, sind sich nur einige ihrer wahren Seele bewusst, oder fühlen ihren direkten Impuls. Dort wohnt der kleine Funke des Göttlichen, der diese dunkle Masse unserer Natur stützt, und um ihn herum wächst das seelische Wesen, die geformte Seele oder der wirkliche Mensch in uns. In dem Maße wie dieses seelische Wesen in ihm wächst, und die Regungen des Herzens dessen Weisungen und Impulse spiegeln, wird sich der Mensch mehr und mehr seiner Seele bewusst, er hört auf, ein überlegenes Tier zu sein; dann und wann zu flüchtiger Schau der Gottheit in ihm erwachend, öffnet er sich immer mehr ihren Hinweisen auf ein tieferes Leben und Bewusstsein und dem Impuls zu göttlichen Dingen. Es ist einer der entscheidenden Momente des integralen Yoga, wenn dieses seelische Wesen befreit wird, und hinter dem Schleier hervortritt, und die volle Flut seiner Ahnungen, Gesichte und Impulse auf das Mental, das Leben und den Körper des Menschen ausgießt, wenn es beginnt die Errichtung der Gottheit in der Erdnatur vorzubereiten.

SRI AUROBINDO (20:140)

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Das seelische Wesen

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