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Kapitel 5 Die Natur des seelischen Wesens

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Es ist die eigentliche Natur der Seele oder des seelischen Wesens, sich zu der Göttlichen Wahrheit hinzuwenden, wie die Sonnenblume zu der Sonne; sie akzeptiert alles und klammert sich an alles an, das göttlich ist, oder sich auf die Gottheit hinentwickelt, und sie zieht sich von allem zurück, was diese entstellt oder leugnet, von allem, was falsch und ungöttlich ist. Dennoch ist die Seele zunächst nur ein Funke und dann eine kleine Flamme der Gottheit, die inmitten großer Finsternis brennt; meist ist sie in ihrem inneren Heiligtum verhüllt, und zu ihrer Enthüllung bedarf sie des Mentals, der Lebenskraft und des physischen Bewusstseins, und sie muss diese dazu bewegen, ihr [der Seele] so gut es geht, Ausdruck zu verleihen; im Allgemeinen hat sie damit bestenfalls insoweit Erfolg, dass sie deren Äußerlichkeit mit ihrem inneren Licht durchdringt und mit ihrer läuternden Feinheit deren dunkle Verborgenheiten oder grobes Gemisch modifiziert. Selbst wenn ein geformtes seelisches Wesen vorhanden ist, das sich mit einiger Direktheit im Leben auszudrücken vermag, ist es dennoch in allen, ausgenommen in einigen wenigen, nur ein kleiner Teil des [menschlichen] Wesens – „nicht größer an Körpermasse als der Daumen eines Menschen“, welches das Gleichnis war, das von den alten Sehern gebraucht wurde –, und es ist nicht in der Lage, sich gegen die Dunkelheit und unwissende Kleinheit des physischen Bewusstseins durchzusetzen, gegen die falsche Sicherheit des Mentals oder die Arroganz und Heftigkeit der vitalen Natur. Diese Seele muss das menschlich-mentale, gefühlsbetonte und sinnliche Leben akzeptieren, so wie es ist, seine Voraussetzungen und Aktivitäten, seine bewahrten Formen und Erscheinungen; sie muss sich hart mühen, das göttliche Element in all dieser relativen Wahrheit, die mit fortwährendem, verfälschendem Irren vermischt ist, zu befreien und zu mehren, diese Liebe, preisgegeben der Benutzung durch den Tierkörper oder der Befriedigung durch das vitale Ego, dieses Leben eines durchschnittlichen Menschentums, das mit der seltenen und fahlen Erkenntnis einer Gottheit durchwirkt ist, aber auch den dunklen Scheußlichkeiten des Dämons und Untiers. Obgleich unbeirrt in ihrem eigentlichen Willen, muss sie oft unter dem Druck ihrer Instrumente (dem Mental, Vital und dem Physischen) fehlerhaftem Tun nachgeben, falscher Anwendung der Gefühle, falscher Wahl der Person, dem Irren in der genauen Formulierung ihres Willens, in der Art, ihr unfehlbares, inneres Ideal auszudrücken. Dennoch besteht eine Ahnung im Inneren, dass sie ein verlässlicherer Führer als der Verstand ist, oder auch als das höchste Verlangen, und selbst durch offensichtliches Irren und Fehlen vermag ihre Stimme immer noch besser zu leiten, als der präzise Intellekt und das erwägende, mentale Urteil. Diese Stimme der Seele ist nicht das, was wir Bewusstsein nennen –, denn das ist nur ein mentaler und oft konventioneller, irrender Ersatz; es ist ein tieferer und seltener gehörter Ruf; dennoch, wenn er gehört wird, ist es das weiseste, ihm zu folgen; es ist sogar besser, dem Ruf seiner Seele folgend umherzuirren, als mit dem Verstand und dem äußeren moralischen Ratgeber scheinbar geradeaus zu gehen. Doch erst, wenn sich das Leben dem Göttlichen zuwendet, kann die Seele wahrhaft hervortreten und ihre Macht den äußeren Gliedern auferlegen; denn da sie selbst ein Funke des Göttlichen ist, besteht ihr wahres Leben und eigentlicher Daseinsgrund darin, dass ihre Flamme dem Göttlichen entgegen wächst.

SRI AUROBINDO (21:144)

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Die wahre Seele, verborgen in uns – subliminal haben wir gesagt, doch ist das Wort irreführend, denn diese Gegenwart befindet sich nicht unter der Schwelle des Wachmentals, sondern brennt vielmehr im Tempel des innersten Herzens hinter dem dichten Schirm eines unwissenden Mentals, Lebens und Körpers, nicht subliminal, sondern hinter dem Schleier – diese verhüllte, seelische Wesenheit ist die Flamme der Gottheit, die immer in uns brennt, nicht zu löschen, nicht einmal durch jene dichte Unbewusstheit eines spirituellen Selbstes im Inneren, das durch unsere äußere Natur verdunkelt ist. Sie ist eine Flamme, geboren aus dem Göttlichen, strahlender Bewohner der Welt der Unwissenheit, und sie wächst in ihr, bis sie fähig wird, sie [die Unwissenheit] dem Wissen zuzuwenden. Sie ist der verborgene Zeuge, die verborgene Kontrolle, der heimliche Führer, der Dämon des Sokrates, das innere Licht oder die innere Stimme des Mystikers. Sie ist das, was fortdauert, unvergänglich in uns, von Geburt zu Geburt, unberührt durch Tod, Verfall oder Verfälschung, ein unzerstörbarer Funke des Göttlichen. Sie ist nicht das ungeborene Selbst oder der Atman, denn das Selbst, während es über das Dasein des Individuums wacht, ist sich immer seiner Universalität und Transzendenz bewusst, während sie in die Formen der Natur ausgesandt ist, die individuelle Seele, caitya purusa, die Mental, Leben und Körper stützt, und hinter dem mentalen, vitalen und feinstofflichen Wesen in uns steht und beobachtet und von deren Entwicklung und Erfahrung profitiert. Diese anderen personalen Mächte im Menschen, diese Wesen seines Wesens, sind in ihrem wahren Dasein auch verhüllt, aber sie bringen zeitweilige Persönlichkeiten hervor, die unsere äußere Individualität ausmachen, und deren oberflächliches Tun und oberflächliche Erscheinungsform wir unser Selbst nennen: diese innerste Wesenheit also nimmt in uns als die seelische Person Gestalt an, stellt eine seelische Personalität heraus, die sich von Leben zu Leben verändert und wächst und entwickelt; denn sie ist der Reisende zwischen Geburt und Tod, und zwischen Tod und Geburt, und unsere natürlichen Teile sind lediglich seine vielfachen und veränderlichen Gewänder. Das seelische Wesen kann zunächst nur eine verborgene, teilweise und indirekte Tätigkeit durch Mental, Leben und Körper ausüben, da diese Teile der [menschlichen] Natur als ihre Instrumente des Selbstausdrucks entwickelt werden müssen, und lange ist sie durch deren Evolution begrenzt. Gesandt, um den Menschen in der Unwissenheit zum Licht des Göttlichen Bewusstseins zu führen, formt sie aus der Essenz all der Erfahrung in der Unwissenheit einen Kern des Seelenwachstums in der Natur; das Übrige wandelt sie in Stoff für künftiges Wachstum der Instrumente [Mental, Vital, Körper], die sie gebrauchen muss, bis sie bereit sind, eine leuchtende Instrumentation des Göttlichen zu sein. Es ist diese geheime, seelische Wesenheit, die das wahre, ursprüngliche Bewusstsein in uns ist, tiefer als das konstruierte und konventionelle Bewusstsein des Moralisten, denn sie ist es, die immer auf Wahrheit und Recht und Schönheit hinweist, auf Liebe und Harmonie und alles, was eine göttliche Möglichkeit in uns verkörpert, und sie harrt aus, bis diese Dinge das wesentliche Erfordernis unserer Natur werden. Es ist die seelische Personalität in uns, die als der Heilige, der Weise, der Seher blüht; wenn sie ihre volle Stärke erreicht hat, wendet sie das Wesen zur Erkenntnis des Selbstes und des Göttlichen, zur höchsten Wahrheit, dem höchsten Guten, der höchsten Schönheit, Liebe und Seligkeit, den göttlichen Höhen und Weiten, und öffnet uns der Berührung spiritueller Zuneigung und Universalität und spirituellen Einsseins. Wo andrerseits die seelische Personalität schwach ist, roh oder schlecht entwickelt, fehlen die subtileren Regungen in uns, oder sind arm an Charakter und Kraft, selbst wenn das Mental stark und brillant und gebieterisch ist, die Lebenskraft dominierend und erfolgreich, das körperliche Dasein reich und glücklich und ein offensichtlicher Herr und Sieger. Es ist dann die äußere Begierdenseele, die pseudo-seelische Wesenheit, die herrscht, und wir verwechseln ihre falschen Deutungen der seelischen Eingebung und Aspiration, ihre Ideen und Ideale, ihre Begierden und Sehnsüchte mit dem wahren Seelenstoff und Reichtum spiritueller Erfahrung.1 Wenn die geheime, seelische Person in den Vordergrund treten und die Begierdenseele ersetzen kann, und offen und gänzlich, nicht nur teilweise und von hinter dem Schleier, die äußere Natur von Mental, Leben und Körper zu lenken vermag, können diese in Seelenbildnisse des Wahren und Rechten und Schönen geformt werden, und am Ende kann die ganze Natur in das wahre Ziel des Lebens gewandelt werden, den höchsten Sieg, den Aufstieg in das spirituelle Dasein.

SRI AUROBINDO (18:225)

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Liebe Mutter, Sri Aurobindo sagt, die Stimme des gewöhnlichen Bewusstseins ist nicht die Stimme der Seele. Was ist sie dann?

Die Stimme des gewöhnlichen Bewusstseins ist eine ethische Stimme, eine moralische Stimme, die zwischen Gut und Böse unterscheidet, die uns ermutigt Gutes zu tun und untersagt Böses zu tun. Diese Stimme ist im gewöhnlichen Leben durchaus nützlich, solange bis man sich seines seelischen Wesens bewusst wurde und zustimmt, gänzlich von ihm geführt zu werden – in anderen Worten, bis man sich über das gewöhnliche Menschentum erhebt, sich von allem Egoismus befreit, und ein bewusstes Instrument des göttlichen Willens wird. Die Seele selbst, die ein Teil des Göttlichen ist, steht über allen moralischen und ethischen Begriffen; sie badet im Göttlichen Licht und verkörpert es, sie kann das ganze Wesen aber erst dann lenken, wenn das Ego aufgelöst wurde.

DIE MUTTER (16:249)

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In einem bestimmten Stadium des Yoga, wenn das Mental hinreichend beruhigt ist und sich nicht länger bei jedem Schritt auf das Genügen seiner mentalen Gewissheiten stützt, wenn das Vital stetig und gebändigt wurde, und nicht mehr auf seinem eigenen voreiligen Willen besteht, seinem Anspruch und Begehren, wenn das Physische hinreichend gewandelt wurde, um nicht die innere Flamme gänzlich unter der Masse seiner Äußerlichkeit, Dunkelheit oder Trägheit zu ersticken, vermag ein innerstes Wesen, in der Tiefe verborgen, und nur in einer seltenen Einflussnahme gefühlt, hervorzutreten und das übrige zu erleuchten und die Führung der Sadhana zu übernehmen. Sein Wesen besteht in einer eingleisigen Ausrichtung auf das Göttliche oder den Höchsten, eingleisig und dennoch plastisch in Tat und Bewegung; es schafft keine Starrheit der Richtung wie der eingleisige Intellekt oder einen Fanatismus der vorherrschenden Idee, oder einen Impuls wie die eingleisige vitale Kraft; es deutet vielmehr in jedem Augenblick und mit feiner Sicherheit auf den Weg zur Wahrheit, unterscheidet automatisch den rechten Schritt vom falschen, und befreit die Göttliche oder Gottwärtige Bewegung von dem anhaftenden Gemisch des Ungöttlichen. Seine Tätigkeit ist wie ein Suchlicht, das alles aufzeigt, was in der [menschlichen] Natur geändert werden muss; es hat in sich einen leidenschaftlichen Willen, der auf Vollkommenheit besteht, auf einer alchimistischen Transmutation des ganzen inneren und äußeren Daseins. Es sieht die göttliche Essenz überall, es weist jedoch die bloße Maske und tarnende Form zurück. Es beharrt auf Wahrheit, auf Willen und Stärke und Meisterung, auf Freude und Liebe und Schönheit, doch auf einer Wahrheit des bleibenden Wissens, welches die bloß praktische, momentane Wahrheit der Unwissenheit übersteigt, auf einer inneren Freude, und nicht auf bloß vitalem Vergnügen, – denn es zieht eher ein läuterndes Leiden und läuternden Kummer den herabsetzenden Befriedigungen vor – es besteht auf Liebe, die sich himmelwärts schwingt, und nicht an den Pfahl egoistischen Verlangens gefesselt ist oder mit ihren Füßen im Morast steckt, auf einer Schönheit, der die priesterliche Würde, das Ewige zu deuten, zurückerstattet wurde, auf Stärke und Willen und Meisterung, nicht als Instrumente des Egos, sondern des Spirits. Sein Wille ist auf die Vergöttlichung des Lebens gerichtet, die sich in einer höheren Wahrheit ausdrückt, und auf seine Weihung an das Göttliche und Ewige.

SRI AUROBINDO (20:145)

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Ist die Seele in jedem immer rein oder muss sie geläutert werden?

Sie ist immer rein. Sie ist aber mehr oder weniger individualisiert und unabhängig in ihrem Tun. Was im [menschlichen] Wesen seelisch ist, ist immer rein, wie es der Begriff sagt, denn sie ist derjenige Teil des Wesens, der mit dem Göttlichen in Kontakt ist und die Wahrheit des Wesens ausdrückt. Doch kann dies wie ein Funke in der Finsternis des Wesens sein; oder aber es kann ein Lichtwesen sein, bewusst, voll geformt und unabhängig, mit allen Abstufungen dazwischen.

Ist sie im Allgemeinen verhüllt?

Es ist das äußere Bewusstsein, das nicht in Kontakt mit ihr ist, denn es ist nach außen statt nach innen gewandt – es lebt inmitten all der äußeren Geräusche und Bewegungen, in dem, was es sieht, was es tut, was es sagt, statt nach innen zu schauen, in die Tiefen des Wesens, und auf die inneren Eingebungen zu lauschen.

DIE MUTTER (5:394)

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Es ist das Wirken des seelischen Wesens, nicht das [seelische] Wesen selbst, das mit den mentalen, vitalen und physischen Unzulänglichkeiten vermengt wird, da es diese benützen muss, um das wenige auszudrücken, was von dem wahren seelischen Gefühl durch den Schleier dringt. Durch das Streben des Herzens nach dem Göttlichen wird das seelische Wesen frei von diesen Unzulänglichkeiten.

SRI AUROBINDO (24:1108)

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Die Seele ist immer rein, doch ihr Wissen und ihre Kraft sind in ihr eingeschlossen und treten nur hervor, wenn das seelische Wesen sich entwickelt und stärker wird.

SRI AUROBINDO (22:297)

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Liebe Mutter, hat ein äußeres Leben voller böser Taten und eines niedrigen Bewusstseins eine Auswirkung auf das seelische Wesen? Besteht die Möglichkeit seiner Herabsetzung?

Ein niedriges und schlechtes Leben kann nur die Wirkung haben, das äußere Wesen immer vollständiger vom seelischen Wesen zu trennen, das sich in die Tiefen des höheren Bewusstseins zurückzieht und manchmal sogar jegliche Beziehung mit dem Körper durchtrennt, von dem dann meist ein asurisches oder rakshasisches Wesen Besitz ergreift.

Das seelische Wesen selbst steht über jeder Möglichkeit einer Minderung.

DIE MUTTER (16:249)

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1 Das Wort „Seele“ wird in unserem gewöhnlichen Sprachgebrauch meist in Bezug auf diese Begierdenseele, und nicht die wahre Seele gebraucht. Noch freier wird es hinsichtlich psychologischer und anderer Erscheinungen von abnormaler oder übernormaler Art benutzt, die in Wirklichkeit mit dem inneren Mental, dem inneren Vital und dem Feinstofflichen verbunden sind, subliminal in uns, und die nichts mit der direkten Tätigkeit der Seele zu tun haben. Selbst Phänomene wie Materialisierung und Entmaterialisierung sind hierin eingeschlossen, obwohl sie ganz offensichtlich keine Seelentätigkeiten darstellen, und kein Licht auf die Natur oder das Dasein der seelischen Wesenheit werfen können.

Das seelische Wesen

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