Читать книгу Der Zef'ihl, der vom Himmel fiel - Dieter Bohn - Страница 5

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Das Erste, was Adriaan Deneersen wahrnahm, war seine Nase. Er lag auf dem Bauch und seine Nase drückte sich schmerzhaft an die Innenseite des Schutzhelms. Eine kleine Lache aus Blut schwappte in der Rundung des Helms. Rote Luftblasen zerplatzten, als er durch die Nase ausatmete. Der Geschmack im Mund ließ ihn vermuten, dass sie es war, die geblutet hatte.

Kann man in seinem eigenen Blut ertrinken?

Die Gedanken kamen träge, krochen wie Schnecken an die Oberfläche seines Bewusstseins.

Stöhnend drehte er seinen Kopf auf die Seite, um die Nase zu entlasten. Sofort meldeten sich neue Schmerzen aus anderen Gegenden seines Körpers. Einen Augenblick lang dachte er mit Schrecken daran, ob er vielleicht innere Blutungen hatte und langsam vor sich hin starb. Aber dann beruhigte er sich damit, dass es ihm in diesem Fall wesentlich schlechter gehen müsste.

Durch den dünnen Blutfilm auf der Scheibe erkannte er Grashalme. Sie hatten eine merkwürdig lang gestreckte Pagodenform, aber es waren unverkennbar Grashalme. Er lag in einem dichten Meer aus Gras. Am oberen Rand seines Gesichtsfeldes lugten vereinzelte blaue Flächen des Himmels zwischen den Halmen hervor.

Stöhnend zog er seinen linken Arm unter seinem Körper hervor, brachte beide Ellenbogen auf Brusthöhe und versuchte sich aufzustützen. Eine Welle des Schmerzes durchraste ihn. Keuchend wälzte er sich über die linke Seite auf den Rücken. Dabei lief ihm die Blutpfütze im Helm in sein Ohr. Angewidert verzog er das Gesicht. Jeder Atemzug schmerzte. Eine Weile blieb er so liegen und starrte in den blauen Himmel. Einzelne Schäfchenwolken, schwach rosa getönt von einer rotstichigen Sonne, trieben behäbig durch sein Gesichtsfeld.

Die Nässe im linken Ohr störte ihn jetzt mehr, als die verebbenden Schmerzen in seinem Körper. Auf einmal schien der Wind zu drehen und blies einen schwarzen Rauchfaden über ihn. Sein Blick verfolgte die Schwaden zu ihrem Ausgangspunkt. Dort, in etwa zwanzig Meter Entfernung, lag die Rettungskapsel zwischen verkohlten Büschen. Deneersen konnte nicht erkennen, ob es die Kapsel war, die qualmte, oder das verbrannte Gestrüpp, das noch vor sich hin glomm. Zwei Meter von ihm entfernt hatte sich das abgesprengte Schott schräg in das Grasmeer gebohrt.

Eine Welle der Erleichterung ließ ihn die Augen schließen.

Sein Plan, seine Flucht war geglückt!

An das Aufsetzen hatte er keine Erinnerung. Auch nicht daran, dass er die Kapsel nach der Landung verlassen hatte. Aber irgendwie musste er ja hier hingekommen sein.

Deneersen biss die Zähne zusammen und zog seinen rechten Arm so weit zu sich heran, dass er das Multifunktionsdisplay am Unterarm ablesen konnte. Ein Riss verlief quer über das Glas. Einzelne Anzeigeelemente links und rechts des Risses waren ausgefallen, aber das Display schien immer noch zu funktionieren. Es sagte ihm auch, dass er einen ganzen Tag bewusstlos, hilflos im Gras gelegen hatte. Keuchend hob er den anderen Arm ebenfalls an und tippte mit den unförmigen Fingern des klobigen Handschuhs auf die übergroßen Tasten der Bedienelemente. Er las eine Temperatur von 28 Grad Celsius ab. Kein Wunder, dass er schwitzte.

Die Schwerkraft lag etwas höher als Erdnorm. Auch der Sauerstoffgehalt war erhöht, aber noch nicht so hoch, dass er zu Euphoriezuständen führen würde. Die übrigen Analysewerte zeigten, dass er die Luft würde atmen können. Und früher oder später musste er sie atmen, denn der Sauerstoffvorrat seines Anzuges ging langsam, aber sicher zur Neige.

Mit unbeholfenen Bewegungen der unhandlichen Handschuhe ließ er die Routinen anlaufen, mit der die Atmosphäre auf die wichtigsten Krankheitserreger untersucht wurde. Dies würde einige Zeit dauern.

Adriaan machte sich keine Illusionen. Falls die Luft verseucht war, dann war er so oder so tot, denn der Luftvorrat war bereits bedenklich geschrumpft.

Mühsam und mit Schmerzen in allen Gliedern wälzte er sich zurück auf den Bauch. Eins nach dem anderen zog er die Knie an und rappelte sich umständlich auf. Sein Kopf dröhnte und der schwere Rückentornister zog ihn zusätzlich nach unten. Schließlich stand er aufrecht auf seinen wackeligen Beinen. Langsam drehte er sich um die eigene Achse.

Die Kapsel war rund einen halben Kilometer von einem dichten Wald entfernt niedergegangen, der sich bis zum Horizont über eine sanft geschwungene Hügellandschaft zog. Die andere Hälfte des Panoramas wurde von einem schier endlosen Grasmeer beherrscht. Vereinzelt ragten hier und dort kugelförmige Büsche oder einsame Bäume aus der Oberfläche heraus. Das Gras reichte ihm bis zu den Knien. Erst jetzt fiel Adriaan der leichte türkisfarbene Stich der Halme auf. Auch die Bäume und die Büsche ließen keinen Zweifel aufkommen, dass er sich auf einem fremden Planeten mit einer exotischen Umwelt befand.

Vertreter der Fauna waren nicht zu sehen. Aber da einige der Bäume, die aus der Grasebene wuchsen, etwas trugen, das wie Blüten aussah, sollte es auch etwas geben, was der Funktion von Bienen entsprach.

Deneersen wandte sich in Richtung der Rettungskapsel. Mühsam setzte er einen Fuß vor den anderen, und als er endlich den verbrannten Kreis um das eiförmige Gefährt erreichte, musste er sich an der Kapsel abstützen und verschnaufen. Die schwarzen Hitzeschutzkacheln im unteren Drittel strahlten immer noch Wärme ab.

Als er halbwegs wieder zu Kräften gekommen war, warf er einen ungeduldigen Blick auf das Display. Fünf Minuten musste er noch auf das Ergebnis der Analyse warten.

In der Kapsel gab es einiges, das er für das Überleben auf diesem Planeten würde gebrauchen können. Aber so geschwächt, wie er war, konnte er in seinem unförmigen Anzug mit den klobigen Handschuhen nicht wieder in die Kapsel klettern und diese Dinge bergen.

Am wichtigsten erschien ihm im Moment die Projektilpistole aus der Notfallausrüstung. Damit würde er sich sicherer fühlen, falls ihm ein größerer Vertreter der hiesigen Tierwelt über den Weg laufen sollte.

Eine Tonfolge erklang und die Anzeige an seinem Handgelenk signalisierte mit einem grünen Farbumschlag die Unbedenklichkeit der Luft. Er löste die Arretierung und riss sich den Helm vom Kopf. Dann nahm er einen tiefen Atemzug.

Als er nach dem Hustenanfall wieder zu Atem kam, zwang er sich dazu, langsam und flach zu atmen.

Der hohe Sauerstoffanteil, dachte er. Es dauerte eine Weile, bis die roten Flecken vor seinen Augen verschwanden.

Die Luft roch … unbeschreiblich. Da war vor allem Moos mit einem schwachen Hauch Zimt. Und natürlich der metallische Geruch der Kapsel. Der süßliche Gestank der Hitzeschutzkacheln. Und der Mief nach Angst und Schweiß, der aus der Halskrause seines Anzugs stieg.

Für Feinwerkerarbeiten sind diese Dinger nicht gemacht, dachte er, als er unbeholfen den Bajonettverschluss des linken Handschuhs löste. Achtlos ließ er ihn ins Gras fallen. Mit der nun freien Hand ging es einfacher. Auch der andere Handschuh landete zwischen den Halmen.

Dann entkoppelte er die verschiedenen Anschlüsse, die seinen Anzug mit den Gerätschaften auf seinem Rücken verbanden. Unter Ächzen und Stöhnen entledigte er sich des Rückentornisters.

Adriaan stemmte die Hände in seine Seiten und drückte den Rücken durch.

Nun endlich konnte er in das Fahrzeug zurückklettern, das ihm das Leben gerettet hatte. Die Enge im Inneren brachte die Erinnerungen zurück.

Beißender Geruch nach Ozon. Das Schütteln der Kapsel, das seine Zähne schmerzhaft aufeinander schlagen lässt. Die Bänder der Sicherheitsgurte, die ihm kaum Luft zum Atmen lassen. Und der Lärm, der ihn fast betäubt.

Er erinnerte sich an Leuchtanzeigen, die vor seinen Augen hin und her sprangen und verwaschene Farbstreifen bildeten. Die meisten hatten ein grünes Licht gezeigt, und die roten Tupfer zwischendrin hatte er bei dem Rütteln nicht zuordnen können. Irgendwie hatte er es noch geschafft, seinen Raumhelm zu schließen, bevor er bewusstlos geworden war.

Er schüttelte den Kopf, um diese Erinnerungen zu vertreiben, aber das brachte ihm erneut Kopfschmerzen ein.

Der Sender!, schoss es ihm durch den Kopf. Ich muss den Notsender ausschalten!

Hastig schaute er sich in der Kapsel um. Farbige Anzeigen signalisierten den Status der Systeme. Leuchtmarkierungen machten auf verschiedene Stauräume aufmerksam. Kleine Schilder an Schubfächern wiesen auf den dahinterliegenden Inhalt hin. An der Decke über dem Sitz fand er das Gesuchte. Anscheinend war die Funkbake in der Spitze des Eintrittskörpers untergebracht.

Er löste die Schnellverschlüsse, riss die Klappe auf. Ein unüberschaubarer Kabeldschungel verband die Steckmodule. Kurzerhand griff er hinein und riss einzelne Kabel heraus. Beim dritten Versuch sprang die Anzeige für den Notsender auf Rot.

Nun begann er, systematisch die markierten Stauräume zu durchsuchen.

Er fand Päckchen mit dehydrierten Nahrungsmitteln und einen Notvorrat an Wasser. Er nahm einen großen Schluck. Den Notfallkoffer fand er im Fach unter dem Sitz. Als Adriaan ihn endlich aus der Kapsel gewuchtet hatte, musste er sich ins Gras setzen und erneut verschnaufen. Wenigstens ließen die Schmerzen langsam nach.

Der Koffer war bis zum Rand mit eingeschweißten Überlebensutensilien dicht gepackt.

Zuoberst lag eine klobige Leuchtpistole mit drei, an den Griff geklebten Patronen.

Er legte sie neben sich in das Gras. Dann griff er sich das nächste Päckchen, das dem Aufdruck nach medizinisches Erste-Hilfe-Material enthielt. Darunter kam die kleine, kurzläufige Projektilpistole zum Vorschein. Zwei lose Magazine lagen daneben. Adriaan besaß keine Erfahrung mit solchen Waffen. Darum nahm er die Pistole vorsichtig mit den Fingerspitzen aus dem Koffer. Sie war schwerer als gedacht. Er wandte sich suchend um, wie jemand, der bei etwas Illegalem ertappt worden war. Alles, was er über Waffen wusste, hatte er in Filmen gesehen. Aber er würde nicht umhin kommen, sich mit dieser Materie zu beschäftigen. Bestimmt gab es Raubtiere auf diesem Planeten, vielleicht sogar in dem Wäldchen dort drüben. Er drehte die Pistole zur Seite und sah, dass der Sicherungshebel auf »S« stand. Dann zog er den Schlitten nach hinten und schaute in die Kammer, so wie er es aus den Filmen kannte. Durch den leeren Magazinschacht hindurch sah er die klobigen Schuhe des Anzugs, aber eine Patrone schien nicht im Lauf zu sein.

Mit gehörigem Respekt schob er das Magazin in den Schacht und legte die Waffe neben der Leuchtpistole ab. Den restlichen Inhalt des Koffers durchwühlte er nur noch oberflächlich. Da waren Kompass, Leuchtfarbe, Taschenlampe, Schreibutensilien, Antibiotika.

Schweiß lief ihm über seine Stirn in die Augen. Ohne die isolierende Wirkung des geschlossenen Schutzanzuges machte sich langsam die Wärme der Luft bemerkbar. Er wischte ihn mit dem Ärmel ab. Als er das verschmierte Rot auf dem Weiß des Anzugs sah, wurde er wieder daran erinnert, dass seine Nase geblutet hatte. Jeder Knochen und Muskel protestierte zwar noch, aber ansonsten schien er keine Verletzungen davongetragen zu haben.

Er wollte gerade die Verschlüsse an seiner Hüfte lösen, die Ober- und Unterteil zusammenhielten, da forderte eine Bewegung am Horizont des Grasmeeres seine Aufmerksamkeit.

Etwas kam auf ihn zu.

Adriaan starrte angestrengt auf die Stelle am Horizont. Kurz sprang sein Blick zum Koffer mit der Notausrüstung. Fragend zog er die Brauen zusammen. Ein Fernglas war ihm nicht aufgefallen. Er spähte wieder zum Horizont. Der »Fleck« war in mehrere einzelne Objekte zerfasert, die sich unabhängig voneinander bewegten. Eine größere Anzahl Lebewesen kam auf ihn zu. An ihrem Ziel bestand kein Zweifel.

Deneersen sah sich gehetzt um. Da war die Kapsel im Kreis der verbrannten Pflanzen, die immer noch leicht qualmten. Da waren Büsche und der Wald.

Ob das Eingeborene sind? Bestimmt haben sie die Kapsel herunterkommen gesehen, halten sie vielleicht für einen Stern, der sich vom Himmel gelöst hatte. Oder für ein böses Omen.

Hektisch stopfte er die ausgepackten Sachen zurück in den Notfallkoffer, bis auf die beiden Pistolen. Mit zittrigen Fingern riss er den Klebestreifen am Griff der Leuchtpistole ab, lud sie mit einer der Patronen und steckte sie griffbereit in eine der rechten Außentasche des Anzugs. Dann klemmte er die Projektilpistole in eine Schlaufe auf der Rückseite des Anzugs. Was sollte er nur tun? Fliehen? In dem klobigen Anzug war er bestimmt nicht besonders schnell und die Notfallausrüstung wollte er auch nicht unbedingt zurücklassen.

Sich im Wald verstecken? Seine Spuren waren im Gras bestens zu sehen. Wer immer sich da näherte, würde rasch herausbekommen haben, wo er sich hingewandt hatte. Ihnen entgegentreten? In den hektischen Minuten vor seiner Flucht in die Rettungskapsel, als ihm klar geworden war, dass sein Leben keinen Credit mehr wert war, hatte er keine Zeit mehr gehabt, sich über die Eingeborenen zu informieren. Es hatte ihm gereicht, dass die Daten von einem erdähnlichen Planeten mit frappierend menschenähnlichen Lebewesen auf einem mittelalterlichen Niveau und guten Überlebenschancen sprachen. Und dass die Quarantäne seine Häscher von einer Verfolgung abhalten würde.

Er verdrängte die Schuldgefühle, die in ihm hochstiegen, als er an die anderen Passagiere dachte.

Der Peilsender in den Kapseln wird ihr Einsammeln erleichtern. Ich habe drängendere Probleme.

Mittlerweile konnte er deutlich humanoide Gestalten ausmachen.

Mit Sicherheit gab es in der Rettungskapsel ein Funkgerät, und wer konnte wissen, welche bis jetzt unentdeckten Schätze mehr? Die durfte er nicht einfach den Fremden überlassen!

Was soll ich bloß tun? Den »Gott, der von den Sternen herab gestiegen ist« spielen? Den Engel aus dem Himmel?

Adriaan ertappte sich dabei, dass er unschlüssig von einem Bein auf das andere trippelte. Er verzog verärgert seinen Mund.

Das dürften die Eingeborenen auch bemerkt haben, schalt er sich. Benimmt sich so ein göttliches Wesen?

Was sie wohl in der Kapsel sehen würden? Einen Himmelswagen, der herniedergefahren ist? Einen Teufel, der auf einem Feuerstrahl ritt? Für ein Verschwinden war es auf jeden Fall zu spät. Eine Flucht könnten sie als Angst oder Unterlegenheit interpretieren. Er aber musste ihnen mit Stärke gegenübertreten.

Also doch die »Gottnummer«!

Adriaan beugte sich in die Kapsel und schaltete die Positionslichter ein. Gelbe Lichter blitzten auf. Die Menge kam abrupt zum Stehen. Einige der Wesen gestikulierten heftig. Dann setzen sie sich wieder in Bewegung, und sie zeigten keine Anzeichen von Zögern, Furcht oder Ehrfurcht.

Adriaan war zu aufgeregt, um mehr als einen kurzen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Wesen sich auf den ersten Blick nicht von Menschen unterschieden. Für Details waren sie noch zu weit weg, doch wie es aussah, trugen sie durchweg Kilts. Die Oberkörper bedeckte eine Art Poncho. Es herrschten erdige Farben vor, hier und da von Grüntönen unterbrochen. Die länglichen Gegenstände in ihren Händen beunruhigten Deneersen. Es konnten Ackergeräte sein, aber auch Waffen. Er straffte die Schultern, musste Selbstbewusstsein zeigen, die Überlegenheit eines Gottes. Dabei zitterten seine Hände.

Jetzt erkannte er auch Gesichter. Menschliche Gesichter! Die meist braunen Haare trugen sie schulterlang. Erste Stimmfetzen einer harten Sprache drangen zu ihm herüber. Und es hörte sich nicht nach einer ehrfürchtigen Menge an, sondern klang eher wie eine aufgebrachte Meute.

Adriaan breitete beide Arme in einer, wie er hoffte, salbungsvollen Geste zum Himmel aus, aber die Wesen schienen immer noch nicht beeindruckt zu sein.

Am Horizont zeigte sich eine weitere Bewegung. Es schien eine einzelne Person zu sein, die sich sehr schnell näherte. Wahrscheinlich ein Reiter auf was auch immer.

Die Gruppe hatte ihn fast erreicht. Nun wurde sie langsamer, als ob der Mut sie verlassen hätte.

Dann standen sie vor ihm.

Eine unnatürliche Stille breitete sich aus. Nur das Geräusch des herangaloppierenden Reiters drang leise aus der Ferne. Die Menge vor Adriaan schien den Reiter nicht zu bemerken. Bis auf die Kleidung hätten es Menschen von der Erde sein können. Ihre Haut war durchweg sonnengebräunt und sah aus, als ob sie häufig Wind und Wetter ausgesetzt war. Adriaan zählte zwölf Personen. Vier davon schienen Frauen zu sein. Bei einer vierschrötigen Gestalt war er nicht sicher, ob er einen Mann oder eine Frau vor sich hatte. Auf ihren Gesichtern spielte eine Mischung aus Furcht, Wut und Fanatismus. Adriaan merkte, wie seine Beine zu zittern anfingen. Der Mann, der ihm am nächsten stand, fuchtelte mit etwas, das wie eine gerade, dreizinkige Gabel aussah.

Adriaan hob seine Arme und zeigte seine leeren Hände. Sofort wich die Menge einen Schritt zurück. Ein Raunen und Murren hob an. Dann schubste eine Frau in der zweiten Reihe den Mann mit der »Gabel« voran. Drohend baute er sich vor Adriaan auf. Dabei rief er ihm etwas in seiner kehligen Sprache zu. Es klang nicht nach einer Einladung. Deneersen spreizte abwehrend die Finger seiner Linken, während die rechte Hand langsam nach der Leuchtpistole in der Beintasche tastete. Der Fremde stand nun zwei Meter vor seinen Begleitern, die ihn anscheinend zu etwas anfeuerten.

»Ich komme in Frieden!«, sagte Adriaan Deneersen … und kam sich im gleichen Moment albern vor. »Bitte, ich will euch nichts tun!«

Das schien den Mann nur aggressiver zu machen. Angetrieben von der Menge hinter sich, sprang er vor, und gleich wieder zurück, als ihn offensichtlich der Mut verließ.

Adriaan fühlte, wie seine Knie weich wurden. Etwas musste er tun.

»Jetzt ist es gut!«, schrie er der Menge entgegen. Dann machte er einen Schritt nach vorne, bei dem beinahe seine Beine versagten. Er zog die Leuchtpistole aus der Tasche und richtete sie in den Himmel.

»Ich komme von da oben! Und ich komme … verdammt noch mal! … in Frieden!«

Er drückte er ab. Zischend verließ ein Feuerstrahl den Lauf und erblühte am Himmel über ihnen zu einer gleißenden Feuerblume, die für einen kurzen Moment die Sonne verblassen ließ. Ein Aufschrei ging durch die Gruppe, als sie in rotes Licht getaucht wurde. Die hinten Stehenden wandten sich zur Flucht, die Augen furchtsam zum Himmel gerichtet. Aus den Augenwinkeln bemerkte Adriaan, dass das Reittier in der Ferne sich aufbäumte und beinahe seinen Reiter abwarf.

Auch der Mann vor ihm sprang erschreckt zurück. Dann nahm er eine drohende Haltung ein und stieß einen scharfen Befehl aus. Mit einer herrischen Kopfbewegung winkte er die anderen heran, während sein Blick nicht von Adriaan abließ.

Mit dem Mut einer Übermacht hinter sich drang er auf Deneersen ein, die Gabel streitbar vorgereckt. Der ließ die Leuchtpistole fallen, riss die Pistole in seinem Rücken aus der Schlaufe, lud durch und zielte mit durchgedrückten Armen auf den Angreifer, so wie er es in unzähligen Filmen gesehen hatte.

»Halt!«

Der andere konnte ihn zwar nicht verstehen, aber Deneersens drohende Haltung und sein Tonfall sprachen eine eindeutige Sprache. Der Fremde stockte, unsicher ob des plötzlichen Ausbruchs des Wesens in der weißen Rüstung. Doch nur für einen Moment. Erneut hob der Anführer im Kilt seine Gabel.

»Halt, hab ich gesagt!« Adriaans Stimme überschlug sich.

Dann überstürzten sich die Ereignisse.

Von links sprang ein anderer mit einem spitzen Stock hinzu, bereit zum Zustechen. Aus einem Reflex heraus riss Deneersen die Waffe herum und drückte ab. Der Rückstoß fuhr durch seine ausgestreckten Arme und stieß ihn hintenüber. Mit schmerzverzerrtem Gesicht landete er im Gras. Irgendwo links von ihm, da wo er den Angreifer – vielleicht? – getroffen hatte, breitete sich Tumult aus. Einige flohen. Aber der Anführer der Truppe, derjenige, der Adriaan zuerst bedroht hatte, wich nicht zurück. Drohend baute er sich vor Adriaan auf, die Gabel zum Zustechen erhoben. Die Zeit schien eingefroren. Adriaan sah nur eine dunkle Silhouette vor der Sonne. Der Nachhall des Schusses dröhnte noch in seinen Ohren. Alles an ihm schmerzte: besonders sein Steißbein vom Aufprall auf dem Boden und seine Arme vom Rückstoß der Waffe, die er so sträflich falsch gehalten hatte. Er lag auf dem Rücken, den Oberkörper halb auf den linken Ellenbogen aufgestützt. Seine Rechte umkrampfte die Waffe, richtete sie auf den Schatten vor sich, diesmal mit angewinkeltem Arm. Bis zu diesem Moment hatte er noch nie einem Menschen bewusst ein Leid zugefügt. Nun hatte er aus einem Reflex heraus gehandelt. Ob er überhaupt jemanden getroffen hatte, wusste er nicht. Er konnte, durfte seinen Blick nicht von der Gestalt über sich abwenden.

»Bitte …! Bitte geh weg!«, flüsterte er. Das Stück Metall in seiner Hand wog wie Blei. Sein Zeigefinger schien wie steif gefroren. Er war nicht fähig, abzudrücken … auf dieses außerirdische Wesen zu schießen, das doch so verblüffend wie ein Mensch aussah. Die Sekunden tröpfelten dahin, langsam, wie die Schweißtropfen, die sein Gesicht hinunter krochen.

Der Fremde über ihm regte sich zuerst. Adriaan bewegte leicht seinen Arm und drückte ab. Diesmal riss der Rückstoß nur seine Hand nach hinten. Er hatte diesen Mann nicht töten können! Und so zerriss es nur die Gabel am Ansatz der »Zinken«. Verdutzt starrte der Mann auf das zersplitterte obere Ende des Stockes, den er nun in seinen Händen hielt. Sein Mund öffnete sich zu einer Geste des Unglaubens. Dann verzerrten sich seine Gesichtszüge. Er riss das untere Ende des Steckens hoch und knallte es Deneersen an die Schläfe. Langsam, wie in Zeitlupe kippte die Welt um Adriaan herum auf die Seite.

Das Letzte, was er sah, war eine schwarz gekleidete Gestalt in einer Wolke aus Staub, die von einem Reittier herabsprang, das wie ein prähistorischer Hadrosaurier aussah.

Dann wurde es dunkel.

Der Zef'ihl, der vom Himmel fiel

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