Читать книгу Der Zef'ihl, der vom Himmel fiel - Dieter Bohn - Страница 8
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ОглавлениеDer K’atok betrachtete den »Sandkasten« mit sorgenvollem Gesicht. Es war ein länglicher, rund zwei Meter breiter Tisch, rundherum nach oben hin mit einem handhohen Rahmen eingefasst. Ein Kerzenleuchter an jeder Ecke tauchte eine aus Sand modellierte Landschaft in helles Licht. Kurze Stöckchen formten einen groben Umriss. Blau eingefärbter Sand bildete die größeren Flüsse und das Meer im Osten nach. Kleine Holzklötzchen in verschiedenen Formen und Größen symbolisierten die großen und kleineren Ansiedlungen und die befestigten Lager des Landes.
Der Sandkasten stellte den zentralen Punkt des Planungszimmers dar. In diesen Raum kamen nur die höchsten Mitglieder des Militärs hinein. Diesmal jedoch war der K’atok alleine. Er kam oft alleine hierher. Das da im Sandkasten war Kofane, sein Land. In all seiner Vielfalt und seinen Ausprägungen. Vom Senjo-Gebirge im Südwesten bis zum Meer im Osten.
Sein Land, begrenzt von den Flüssen B’rell im Norden und Turp im Süden, war annähernd quadratisch, bis auf zwei fingerförmige Zipfel, die sich rechts und links um die felsigen Ausläufer des Senjo-Gebirges herumwanden. Mit viel Fantasie sah es wie eine zupackende Hand aus.
Doch so oft der K’atok auch hierher kam, seine Probleme wurden nicht kleiner. Im Gegenteil: Sie wuchsen mit der Anzahl der Grüppchen roter Holzklötzchen, die sich jenseits der Grenzstöckchen links und rechts des Gebirges anhäuften … und immer näher kamen.
Es klopfte an der großen Türe.
»Komm herein, Zetul!«
Die Tür öffnete sich knarzend und sein oberster Feldherr betrat den Raum. Er ließ sich auf sein rechtes Knie sinken und senkte kurz den Kopf. Mit einer nachlässigen Geste bedeutete der K’atok ihm aufzustehen.
»Nun, wie macht er sich?«, fragte der K’atok. »Wann ist er so weit, dass er uns versteht?«
»Er lernt schnell. Allerdings gibt es in seiner Zelle auch wenig, was ihn vom Lernen ablenken könnte.« Der Zetul grinste. »Andererseits sind in einer Zelle auch zu wenige Gegenstände, um neue Worte zu lernen. Sob’uhn hat mich vor einem Zehntag um Papier und Stifte gebeten, um dem Fremden durch Zeichnungen neue Worte beizubringen. Mittlerweile soll er sich schon ganz gut verständigen können. Vielleicht sollte man ihn …« Der Zetul stockte.
»Ja?«
»Verzeiht, Herr, aber vielleicht sollte man ihn in eine etwas freundlichere Umgebung bringen … langsam anfangen, ihm unsere Welt zu zeigen, damit er auch die entsprechenden Worte lernen kann. Man könnte ihn ja in einer Behausung in der Stadt unter Hausarrest stellen.«
Der K’atok erlaubte sich ein nachsichtiges Lächeln. »Genau das hatte ich auch vorgehabt, mein Zetul. Aber es gab Gründe für das Wegschließen! – Wie hat er seine Krankheit überstanden?«
»Nun, ein paar Tage sah es so aus, als würde er uns unter den Händen wegsterben. Zum Glück hat ein Wärter so viel Weitsicht besessen, dass er mir rechtzeitig Bescheid gegeben hat. Ohne die Künste Eures Leibarztes, den Ihr so großzügig mit seiner Heilung betraut habt, wäre er gestorben.«
Der K’atok nickte zustimmend »Aber der Arzt war nicht persönlich bei ihm?«
»Nein, nein, Herr! Wie Ihr befohlen habt. Nur seine Gehilfen haben sich um den Fremden gekümmert.«
»Und wie geht es diesem Sob’uhn?«
»Ich habe den Eindruck, dass es ihm besser geht, als es ihm in einer Zelle gehen dürfte. Ein Gefängnis sollte keinen Spaß machen! Doch es scheint ihm Freude zu machen, für den Fremden den Lehrer zu spielen.«
»Ich meinte: Sob’uhn ist nicht krank geworden?«
»Warum sollte er? Er hat sich doch nicht erkältet.«
Wieder lächelte der K’atok. »Zetul, du bist ein hervorragender Heerführer. Nicht nur Waffen, Männer, Reiterei können ein Land zerstören. Dass ich den Fremden wegschließen ließ, hatte nicht nur den Grund, ihm ein wenig Demut beizubringen. Er kommt aus einem fremden … Land. Und wer weiß, welche fremdartigen Krankheiten es dort geben mag. Darum hab ich ihn diese Zehntagen von anderen Menschen ferngehalten. Abgesehen von Sob'uhn, den Wärtern und den Gehilfen des Arztes. Wir können uns nicht noch einmal so eine Seuche wie vor dreißig Jahren leisten.«
Bei der deine und meine Eltern gestorben sind, schickte der K'atok in Gedanken hinterher. Er sah am Blick des Zetuls, dass dieser das Gleiche dachte, es aber nicht laut auszusprechen wagte.
»Nun denn!«, sagte der K’atok. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich ihn mir zur Brust nehme! Lass ihn säubern, einkleiden und heute Nachmittag zu mir bringen. Und den Lehrer gleich mit. Möglicherweise hat er mehr von seinem Schüler erfahren, als uns lieb sein kann.«
Der Zetul nickte.
»Und wenn du gehst, schicke mir einen der Sekretäre rein. Sie sollen eine Behausung vorbereiten.«
Zum ersten Mal seit seiner Landung verspürte Adriaan Deneersen wieder so etwas wie Hoffnung.
Lange Zeit hatte er nur sterben wollen, so elend war ihm zumute gewesen. Das hatte sich erst gebessert, nachdem ihn dieser Quacksalber mit seinen Pasten, Salben und Tinkturen in Ruhe ließ. Die Tage davor waren ein einziger fiebriger Albtraum. Seine Flucht vom Raumschiff. Der Absturz. Der Kampf mit den Bauern. Nackt, frierend und in Todesangst in einem dunklen Rattenloch. Die beiden grimmigen Wärter, die sich im Nachhinein – für Gefangenenwärter – als ganz passable Zeitgenossen herausgestellt hatten. Dann eine Woche lang nur Fieber, Durchfall und Erbrechen. Und er als Versuchskaninchen für diese Karikatur eines Medizinmanns.
Da war ihm erst richtig klar geworden, dass er sich auf einem Hinterwäldlerplaneten ohne moderne Medizin befand. Sicher gab es Kräuter und Säfte gegen Husten und Schnupfen, und sicher schmierten die hiesigen Schamanen Salben auf irgendwelche Wehwehchen. Aber was geschah, wenn jemand wirklich krank wurde? Riss man hier ohne Betäubung die Zähne heraus? Bohrte man bei einer Mittelohrentzündung ein Loch in das Trommelfell? Musste man sterben, falls sich der »Blinddarm entzündete«? So gesehen war seine Lebenserwartung auf dieser Welt möglicherweise geringer, als wenn er sich in die »Obhut« des Demoriums begeben hätte.
Immerhin ging es ihm langsam etwas besser: Man gab ihm warme Decken, zu essen und zu trinken. Und nun ließ man sie sogar baden! Ihn und seinen Mithäftling Sob’uhn.
Sie beide saßen in je einem Holzzuber in einer Art Waschküche irgendwo in diesem großen Gebäude. Wenn er Sob’uhn richtig verstanden hatte, befanden sie sich in einem Nebengebäude des Palastes eines gewissen »K-A-Tock«. Ob das der Herrscher dieses Landstriches war oder nur ein lokaler Edelmann, hatte Adriaan bei seinem begrenzten Vokabular noch nicht herausfinden können. Dabei war die Sprache selbst nicht besonders schwierig. Nur die harte Aussprache, die manchmal nur aus einer Ansammlung von hervorgespuckten einzelnen Konsonanten zu bestehen schien, bereitete ihm große Probleme. Sob’uhn hatte sich in den letzten drei dieser zehn Tage dauernden Wochen als geduldiger Lehrer erwiesen, und Adriaan als wissbegieriger Schüler. Er wusste: Wenn er auf diesem Planeten überleben wollte, musste er unbedingt die Landessprache lernen.
Umma, der kleinere der beiden Wärter, mit denen Adriaan sich fast so etwas wie angefreundet hatte, stand an der Holztüre und hatte ein Auge auf sie. Vor gut einer halben Stunde waren Adriaan und Sob’uhn von ihm aus ihrer Zelle abgeholt worden. Über ihr Ziel hatte er nichts verraten. Um so größer war die Überraschung, als er sie in diesen Raum führte, in dem schon zwei Holzzuber mit dampfendem Wasser, samt so etwas wie Seife, auf sie warteten.
Was für eine Wohltat das war, sich endlich wieder waschen zu können, die Reste von Kot, Urin und Erbrochenem, die er immer noch an sich kleben fühlte, von seinem entkräfteten Körper zu spülen.
Adriaan hielt die aufgeweichte Seife hoch.
»S’tsch«, nannte ihm Sob’uhn die neue Vokabel. Dann bezeichnete er ein paar andere, der für Adriaan unbekannten Gegenstände im Raum.
Mittlerweile wurde Adriaans Haut bereits schrumpelig. Aber Umma ließ sie nicht aus ihren Zubern heraus. Überhaupt war er nicht besonders gesprächig, denn auch Fragen von Sob’uhn beantwortete er nur einsilbig.
Nach einer Weile pochte es an der Türe. Umma sah nach, wer draußen war und ließ dann Kiegon ein. Der trug einen Stapel aus Stoffen auf seinem Arm, den er auf einem Tisch absetzte. Er nahm zwei Handtücher aus dem Stoffturm, die er Sob’uhn und Deneersen zuwarf.
Die beiden Gefangenen stiegen aus den Wannen und trockneten sich ab. Kiegon und Umma warfen sich vielsagende Blicke zu, so wie sie es oft taten, wenn sie Adriaan sahen. Das, was sie dabei schwatzten, war zu schnell, als dass Adriaan etwas verstand.
Sob’uhn war als Erster mit dem Abtrocknen fertig. Er wollte zu seinen Lumpen greifen, die er beim Ausziehen achtlos neben die Wanne fallen gelassen hatte, doch Kiegon sagte etwas zu ihm und hielt ihm eine Hälfte des Stapels auf dem Tisch hin. Kiegon griff sich den restlichen Stoß und reichte ihn Deneersen.
Das Bündel entpuppte sich als Kleidung. Saubere, frische, wohlriechende Kleidung. Zumindest wohlriechend im Vergleich zu ihrem Gefängnis und den stinkenden Lumpen am Fußboden. Deneersen legte einen Teil der Kleidungsstücke auf einem trockenen Flecken auf dem Steinboden ab – ganz dicht schienen die Zuber nicht zu sein, oder er hatte zu viel geplanscht – dann schaute er sich an, was er da in Händen hielt. Es war einer der hier so beliebten Kilts. Adriaan erinnerte sich, bei seiner unerfreulichen Begegnung mit den Bauern, niemand in Hosen gesehen zu haben.
Obwohl »Kilt« wahrscheinlich der falsche Ausdruck war. Denn dieser knielange Rock trug kein Schottenmuster, sondern bestand aus einem schmucklosen beigefarbigen Stoff, der sich allerdings wesentlich weicher als die Lumpen anfühlte, die er die letzten vier Wochen ununterbrochen am Leib getragen hatte. Deneersen hob gerade einen Fuß, um in den Rock zu steigen, als Umma ihn mit einem Ruf auf sich aufmerksam machte. Deneersen setzte den Fuß wieder ab. Umma hatte eine Art breiten Gürtel aus Stoff von seinem Stapel aufgehoben und reichte ihn Adriaan.
»Erst das!«, bemerkte Sob’uhn von der Seite. »Schau! So!«
Damit schlang er sich den Stoff zwischen seinen Beinen hindurch und wickelte sich die Enden um den Bauch. Mit geübten Griffen verbarg er seine Genitalien in dem Band zwischen seinen Beinen. Adriaan vermutete, dass dies so etwas wie die lokale Unterwäsche zu sein schien.
So gut wie möglich machte er es seinem Zellengenossen nach, begleitet von spöttischen Bemerkungen von Umma und Kiegon. Von nun an beobachtete Adriaan, wie Sob’uhn sich anzog und ahmte ihm alles nach. Als er fertig angekleidet war, beugte er sich über den Badezuber und warf einen Blick auf sein Spiegelbild. Sehr genau konnte er sich durch die Wellen im Wasser und bei dem schummrigen Kerzenlicht nicht erkennen. Doch es reichte, um festzustellen, dass ihn das Gesicht eines Wilden ansah. Mit beiden Händen fuhr er über sein Kinn. Die Wochen ohne Rasur hatten einen kräftigen Bart sprießen lassen. Ringe unter seinen Augen und die ausgezehrten Wangen ließen ihn vor sich selbst erschrecken. Erst jetzt fiel ihm auf, wie wenig die anderen Männer im Gesicht behaart waren. Sob’uhn, mit dem er nun seit Wochen die Zelle teilte, und der sich bestimmt schon seit langer Zeit nicht mehr rasiert hatte, zeigte einen weitaus geringeren Bartwuchs als er selbst. Und auch die beiden Wärter, die nicht nach übertriebenen Reinlichkeitsfanatikern aussahen, verfügten nur über den spärlichen Bart eines Jünglings in der Pubertät.
Adriaan sah an sich hinunter. Die einfarbige, braune Bluse hatte er in den Rock gestopft. Seine Füße steckten in wollenen Kniestrümpfen, von denen er den einen in der Pfütze auf dem Boden nass gemacht hatte. Darüber trug er einfache, zusammengenähte Stoffschuhe mit ledernen Sohlen.
»Komm jetzt … gehen!«, war alles, was Adriaan von dem Redeschwall, den Kiegon ausstieß, verstand. Doch die Aufforderung und die Gesten zur Tür waren eindeutig. Zwei Bottiche und ihre Lumpen blieben zurück.
Kiegon ging voran. Dann folgten Sob’uhn und Adriaan. Umma bildete den Abschluss.
Sie wurden durch Gänge geleitet, die Adriaan noch nie gesehen hatte.
Plötzlich stieg die Angst in ihm hoch, dass er nun vielleicht zu einer Gerichtsverhandlung oder gar zu seiner Hinrichtung geführt werden sollte. So weit er diese Gedanken auch als unwahrscheinlich abtat, ein Rest dieses beklemmenden Gefühls begleitete ihn. Er redete sich ein, dass ihre Wärter in einem solchen Fall anders auftreten würden.
Nach einigen Hundert Metern und einer Handvoll Türen sah Adriaan das Licht der Sonne wieder. Uul warf zwar nur ihren Schein durch ein Fenster hoch oben im Flur an die Wand, aber es war ein Anblick, von dem er nicht gedacht hätte, dass er ihn in seinem Leben noch einmal sehen würde.
Wie lange er in den Zellen verbracht hatte, konnte er nicht sagen. Es mochten vier Wochen oder vier Monate sein. Während seiner Krankheit, seines Deliriums, hatte er jegliches Gefühl für Zeit verloren.
Vielleicht lag es an dem Licht, aber die Gänge sahen hier sauberer und einladender aus. Alle paar Meter hingen Kerzenleuchter an den Wänden, die, den verbrannten Dochten der Kerzen nach, auch benutzt wurden. Ob es im Kerker so etwas wie Schichtdienst gab, konnte er nicht sagen. Die beiden Wärter waren die Einzigen, die er zu sehen bekommen hatte, wenn sie Essen brachten oder den Eimer wechselten. Und auch jetzt begegnete ihnen kein anderer Eingeborener.
Am Ende des Flurs ging es durch eine weitere Tür, dann standen sie im Freien.
Deneersen hob geblendet den Arm vor die Augen. Die Luft flimmerte vor Hitze. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Kein Wunder, dass alle im Rock herumliefen. So auch die vier Soldaten, die sie vor der Tür erwarteten. Auch wenn Adriaan nicht viel vom soldatischen Leben verstand, so erkannte er doch, dass er es hier mit einem anderen Schlag als den beiden Kerkermeistern zu tun hatte. Es waren nur Details, doch diese hier kleideten, redeten und bewegten sich anders als Umma und Kiegon. Die vier machten den martialischen Eindruck einer strengen Schule. Gehetzt sah Adriaan sich um, aber er entdeckte nirgends einen Galgen, einen Scheiterhaufen oder ein ähnliches Objekt, das ihn vom Leben in den Tod befördern sollte.
Der staubige Innenhof maß rund dreißig Meter im Quadrat. Dunkle Öffnungen unterbrachen die weiß getünchten Wände. Steinerne Stufen führten an den Außenseiten auf die flachen Dächer, wo vereinzelt Soldaten irgendwelchen Tätigkeiten nachgingen. Er zog die Nase kraus und schnüffelte. Die Luft roch nach Staub und exotischen Ausdünstungen.
Auch auf Bänken vor den Häusern saßen Soldaten. Manche kauerten sogar auf dem Boden. Der eine putzte seine Stiefel, ein anderer ging mit einem Wetzstein über sein Krummschwert. Aber keiner würdigte sie mit mehr als einem kurzen Blick.
Vom Dialog der Soldaten mit den beiden Wärtern bekam Deneersen nur so viel mit, dass es um ihr Bad ging. Umma hob noch kurz die Hand, dann verschwanden er und sein Kollege wieder in dem Gang, aus dem sie gekommen waren. Für einen Moment bedauerte Deneersen sie für ihren »Arbeitsplatz«, der so wenig Tageslicht bot.
Ihre Bewacher setzten sich in Bewegung. Adriaan fühlte sich nach vorne gedrängt.
Ihr Pulk bewegte sich quer über den Platz und steuerte zielstrebig auf einen Torbogen mit zwei Wächtern davor zu. Als sie die Männer erreichten, verschwand einer im Dunkel des Durchgangs und kam gleich darauf mit zwei Seilen zurück.
»Hände vor!«
Das verstand Adriaan und es verunsicherte ihn. Zögernd tat er, wie geheißen. Routiniert schlang der Soldat ihnen je ein Seil um die Hände – fest, aber nicht schmerzhaft. Deneersen suchte den Blick seines Zellengenossen, doch der zuckte nur die Schultern und ließ sich widerstandslos fesseln.
Sob’uhn hatte es gut. Er war nicht beinahe von einem Mob getötet worden. In den Tagen und Wochen ihres Sprachunterrichts hatte Adriaan herausgehört, dass er eigentlich Lehrer war. Jedoch einer, der den Mund nicht halten konnte, wenn es angebracht war. Auf Adriaan machte er den Eindruck eines politischen Aktivisten. Das war es wohl auch, was ihn ins Gefängnis gebracht hatte. Die genauen Hintergründe hatte er nicht verstanden. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn als der Alte davon erzählte, ereiferte er sich so sehr, dass es ihm egal zu sein schien, ob sein neuer Schüler alles begriff. So wie es Adriaan sah, hatte er seinen Mund gegenüber den Herrschenden zu weit aufgerissen und musste nun eine Weile sein Mütchen kühlen. Sob’uhn hatte also keinen Grund, um sein Leben zu fürchten. Ganz im Gegensatz zu Deneersen, der fühlte, dass seine Beine schon wieder weich wurden. Zum Helden war er wahrlich nicht geboren.
Die Eskorte führte sie durch weite, helle Gänge. Je weiter sie kamen, desto lebhafter und freundlicher wurde die Umgebung. Gemälde hingen an den Wänden. Bedienstete kreuzten ihren Weg. Die Türen waren nicht mehr Bohlenwerke, sondern mit Intarsien verziert. Schließlich hielten sie vor einem Portal, vor dem zwei Wächter Posten bezogen hatten.
Einer der beiden bedeutete ihnen, zu warten. Der andere klopfte kurz an die Tür, öffnete sie einen Spalt breit, steckte seinen Kopf in den Raum und sagte etwas, was Adriaan nicht verstand.
»Ja!«, drang er eine dunkle Stimme von der anderen Seite. »Lasst sie rein!«
Der Wächter trat beiseite, hielt die Tür auf und ließ sie passieren.
Es war ein Büro, unzweifelhaft. Das Büro eines Soldaten. Zweckmäßig und spartanisch. Eine handgezeichnete Landkarte an der Wand war der einzige Schmuck im Raum. Die Sonne schien durch das Fenster hinter ihm und verbarg den Mann im Gegenlicht. Er saß hinter einem einfachen Holztisch, der mit Schreibrollen übersät war. Ein Krummschwert in einer kunstvoll verzierten Scheide lag an der Seite. Während die Gruppe das Büro betrat, drehte er die Rolle, die er offensichtlich studiert hatte, zusammen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Sob’uhn und ihre Eskorte ließen sich auf ihr rechtes Knie nieder, stützten sich mit den Händen auf dem angewinkelten linken Knie ab und senkten die Köpfe.
Der Wächter, der sie eingelassen hatte, trat mit in den Raum und schloss die Tür hinter ihnen und blieb wachsam an der Türe stehen.
Adriaan registrierte dies nur am Rande, denn die Präsenz des Mannes vor sich nahm ihn gefangen. Er hatte die Ausstrahlung eines alten Kriegers, der schon zu viele seiner Männer hatte sterben sehen. Ein spärlicher, dunkler Bart begrenzte das hagere Gesicht. Leicht schräge Augenbrauen und eine Hakennase verliehen ihm ein dämonisches Aussehen. Seine Bekleidung war kaum weniger schlicht, als die der anderen Soldaten. Adriaan hatte noch immer Probleme damit, im Zusammenhang mit einem Mann in einem Rock, den Begriff »Uniform« zu benutzen. Lediglich ein paar zusätzliche Ornamente an Schulter, Kragen und den Hemdsärmeln sagten etwas über seine gehobene Stellung aus.
Sob’uhn sah Adriaan von der Seite an und machte auffordernde Kopfbewegungen. Als dieser nicht reagierte, griff er mit seinen gefesselten Händen nach Adriaans Ärmel und zog ihn herunter.
»Ich bin der Zetul!«, begann der Mann, als ob alles damit gesagt wäre. »Hast du genug gelernt, um mich zu verstehen?«
»Ja, ich verstehe!«, antwortete Adriaan.
»Ja, Herr!«, raunte ihm Sob’uhn von der Seite her zu.
»Ja, Herr!« Adriaan fand es ratsamer, seinen Stolz hintanzustellen.
Der Zetul lächelte, doch seine Augen lächelten nicht.
»Dir wird eine große Ehre zuteil!«, sagte er akzentuiert und langsam. »Der K’atok möchte dich sehen. Und da er auch mit dir sprechen will, ist es wichtig, dass du ihn verstehst. Hast du verstanden?«
»Ja, ich verstehe.« Adriaan nickte. »Noch viel sprechen hat schwierig.«
»Ich weiß nicht, ob Sob’uhn dich das schon gelehrt hat: Der K’atok ist der Herrscher von Kofane, dieses Landes. Also benimm dich entsprechend. Man hat dich ja schon gesäubert und vernünftig eingekleidet – nun benimm dich auch vernünftig! Hast du das verstanden?«
»Ja, Herr!«
Der Zetul nickte zufrieden. »Also!« Damit erhob er sich und kam hinter seinem Tisch hervor. Mit geübten Bewegungen gurtete er das Krummschwert um. Sob’uhn zog Deneersen hoch.
Der Wächter öffnete die Tür und ließ dem Zetul den Vortritt. Umgeben von ihrer Eskorte folgten die beiden Gefangenen dem Zetul und seinen beiden Leibwächtern.
Der Weg führte über den Platz, über den sie gekommen waren. Doch dann ging es durch ein großes Tor zur Rechten und durch endlose Gänge. Die militärische Kargheit des Kasernenbereichs wich, die Flure waren zunehmend mit Wandteppichen und Läufern ausgeschmückt. Die bisher nackten Fensteröffnungen – Glasscheiben schienen hier nicht gebräuchlich zu sein – waren mit farbenprächtigen Blumen in verzierten Behältern dekoriert.
Immer mehr Menschen begegneten ihnen, neben Soldaten auch zivile Bedienstete. Zum ersten Mal seit dem Tag seiner Landung begegnete er weiblichen Eingeborenen. Auch sie unterschieden sich nicht von menschlichen Frauen. Er ertappte sich bei dem Gedanken, ob sie auch unter ihrer Bekleidung wie menschliche Frauen aussahen.
Nur wenige der Leute, an denen sie vorbeikamen, nahmen von ihnen Notiz. Die meisten gingen unbeeindruckt ihren Tätigkeiten nach. Trotzdem fühlte sich Adriaan Deneersen angestarrt.
Er war hier der Außerirdische, das »Ding aus einer anderen Welt«. Auch wenn er nicht anders aussah als sie: Er fühlte sich fremd.
Sie passierten mehrere Wachposten, die respektvoll beiseitetraten, wenn sie den Zetul erkannten. Deneersen wurde klar, dass er so etwas wie ein General sein musste und jener »K’atok« sein Landesfürst. Die gesellschaftlichen Strukturen dieses Landes hatte ihm Sob’uhn nicht vermittelt. Sie waren in ihrer Zelle auf den Wortschatz beschränkt, den man zeigen, beschreiben oder aufmalen konnte.
Der K’atok will mich sehen? Adriaans Fantasie malte das Bild eines aufgedunsenen Despoten vor seinem geistigen Auge, wie er sich von seinen Gespielinnen mit Trauben füttern ließ.
Ob der Herrscher weiß, dass ich nicht von dieser Welt bin? Was sie wohl mit meinen Sachen und der Kapsel angestellt hatten? Ob der Mob alles verbrannt hat, damals, als ich beinahe gelyncht worden bin?
Abrupt blieb er stehen, als die Erinnerung in ihm hochstieg: Der Zetul ist der Mann, der auf diesem seltsamen Reittier angaloppiert gekommen war und mich vor dem Mob gerettet hat! Hat er tatsächlich auf einer Art Saurier gesessen?
Der Soldat hinter Deneersen prallte gegen ihn und stieß ihn vorwärts. Der Zetul drehte sich zu dem Tumult in seinem Rücken um und runzelte die Stirn.
Deneersen glotzte ihn mit großen Augen an. »Ihr mich geholt!«
Der Zetul hob eine Augenbraue und starrte zurück. Nach einer wortlosen Weile nickte er langsam. »Ich hoffe, du bist es wert, dass ich mein Siita fast zuschanden geritten habe!« Dann drehte er sich um und ging weiter.
Die Anzahl der Wächter nahm zu. So wie sie aussahen, schienen sie nicht nur repräsentative Pflichten zu erfüllen.
Man hat Angst vor Attentätern, erkannte Deneersen.
Schließlich kamen sie zu einer reich verzierten Tür, erneut mit Posten davor. Die Augen der beiden blickten den Ankömmlingen wachsam entgegen. Die Hände lagen kampfbereit auf ihren Krummschwertern.
Der Zetul nickte ihnen zu und trat allein durch die Tür. Adriaan versuchte einen Blick in den Raum zu erhaschen, aber eine warnende Geste eines Wächters ließ ihn zurückweichen. Nach einer Weile kam der Zetul wieder hervor und bedeutete Adriaan, ihm zu folgen. Dies schien den beiden Posten nicht zu passen. Sie sträubten sich, Deneersen einzulassen. Es entspann sich ein Dialog, der zu schnell geführt wurde, als dass Deneersen ihm folgen konnte. Was er heraushörte, war, dass zu diesem Raum normalerweise nur wenigen Personen, darunter dem Zetul, Zutritt gewährt wurde.
»Frag den K’atok!«, verstand er erst wieder.
Der angesprochene Posten verschwand hinter der Tür. Als er nach einer Weile wieder hervorkam, machte er ein missmutiges Gesicht und winkte Adriaan und den Zetul durch. Für Sob’uhn schien die Einladung nicht zu gelten.
Das erste, was Adriaan auffiel, war ein Tisch mit einer ungewöhnlich dicken Tischplatte mit einem Leuchter an jeder Ecke, von denen jeder eine Batterie von Kerzen hielt. Ein Mann stand über den Tisch gebeugt, die Arme auf dem Rücken verschränkt. Adriaan Deneersen ließ sich auf sein rechtes Knie sinken und senkte den Kopf – so viel hatte er schon gelernt. Aus den Augenwinkeln beobachtete er den Mann am Tisch, der überhaupt nicht dem Bild des feisten Despoten entsprach, das er sich ausgemalt hatte. Er mochte Anfang vierzig sein. Ein schwarzes, togaähnliches Gewand verhüllte seinen hageren Körper.
Schließlich richtete der Mann sich gerade auf und wandte sich ihnen zu.
Zuerst dachte Adriaan, er hätte einen Bruder des Zetuls vor sich. Doch während das Gesicht des Soldaten wettergegerbt und rau erschien, waren die Züge des Herrschers fein und scharf geschnitten. Wo der Zetul den Eindruck eines alten, erfahrenen Löwen machte, da fühlte sich Adriaan von den Augen des K’atoks wie von einem hungrigen Panther taxiert.
Und doch verband die Männer etwas, das sie – wenn schon nicht zu Brüdern einer Mutter – so doch zu Brüdern im Geiste zu machen schien. Beide hatten sorgenvolle Mienen und beiden brannte das gleiche Feuer in den Augen.
»Steh auf, Mann von den Sternen …«, begann der K’atok lauernd, »… den es wie einen Schiffbrüchigen an unsere Küste gespült hat.«
Er weiß es!, durchfuhr es Deneersen. Er weiß, dass ich nicht von dieser Welt bin!
Bis zu diesem Moment war er davon ausgegangen, dass die Eingeborenen dieses Planeten ihn für eine Art Zauberer halten würden. Er hatte auf sie hinabgeblickt in dem Bewusstsein, dass sie nie auf die Idee kommen würden, dass die Lichter an ihrem Firmament voll von Leben waren.
Adriaan verwarf den Gedanken, sich als »Botschafter der Menschheit« vorzustellen.
Dieser Mann war kein Tölpel. Er war Macht – die Macht, Adriaans Leben mit einer Handbewegung auszulöschen.
Langsam erhob er sich, den Blick unverwandt auf den K’atok gerichtet.
Dieser nahm eine Hand vom Rücken und winkte ihn zu sich.
Als er zögernd näher kam, erkannte Adriaan, dass es sich bei dem ausladenden Tisch in Wirklichkeit um einen militärischen Sandkasten handelte. Was ihn irritierte, waren die vielen reglosen Käfer oder Fliegen, die im Sand lagen.
»Das …«, bedeutete der K’atok, während er mit dem Finger einer Linie roter Stöckchen nachfuhr. »Das ist Kofane, dieses Land.«. Er wandte sich Adriaan zu und schaute ihm in die Augen.
»Wenn du etwas von dem, was ich sage, nicht verstehst, sag es mir rechtzeitig!« Er betonte jedes Wort, als würde er zu einem Kind sprechen.
Adriaan nickte.
»Hier bist du gelandet!«
Er deutete auf einen Punkt nahe der roten Grenze innerhalb des Bereichs, den die Linie einfasste.
»Und jetzt bist du hier!«
Sein Finger wanderte weiter zu einer Ansammlung brauner Holzklötzchen am Rande einer blau eingefärbten Fläche aus Sand.
»Wamuan, die Hauptstadt von Kofane.«
Die braunen Klötzchen gruppierten sich um die Mündung eines Flusses. Adriaan fehlte jeder Maßstab. Die blaue Fläche konnte ein Meer oder ein großer See sein.
Der K’atok schien sein Problem zu erkennen.
»Dein Landeplatz ist etwa zwei Tagesreisen von Wamuan entfernt«, erklärte er. »Normalerweise! Und wenn mein Zetul nicht wie von den Schultul verfolgt losgeritten wäre und dabei das Letzte aus seinem Siita herausgeholt hätte, wärst du jetzt tot. – Es scheint, du stehst in seiner … und natürlich meiner Schuld.«
Er hob eine Augenbraue.
»Da wird es dir bestimmt leichtfallen, uns etwas länger mit deiner Anwesenheit zu beehren und uns dabei einen Gefallen zu erweisen. – Außerdem, so wie dein … Boot aussieht, glaube ich nicht, dass du damit so bald weiterreisen wirst.«
»Die Kapsel, wo sein sie?«, platzte es aus Deneersen heraus.
Der Gesichtsausdruck seines Gegenübers ließ erkennen, dass man den K’atok nicht einfach unterbrach. Der Herrscher starrte ihn zwar nur wortlos an, doch etwas in diesem stummen Vorwurf zwang ihn, den Kopf zu senken.
»Die … Kap’ssell …« Der K'atok ließ das fremde Wort auf seiner Zunge zergehen. ». ist gut verwahrt. So wie wir dich sicher verwahren mussten, um dich vor weiteren missverständlichen Begegnungen mit meinem Volk zu bewahren. Doch jetzt, denke ich, können wir es wagen, dir eine Behausung anzubieten, die einem Gast aus einem fremden Land eher angemessen ist. – Du hast doch nichts dagegen, wenn wir dich aus deiner bisherigen, eher schlichten Unterkunft umquartieren?«
Deneersen schluckte und schüttelte den Kopf. Trotz der sanften, verständnisvollen Stimme spürte er die unterschwellige Drohung in jedem Satz. Dieser Mann vermittelte ihm ein Gefühl, wie ein Schuljunge vor einem strengen Lehrer zu stehen, der ihm im nächsten Moment eine Ohrfeige verpassen würde.
»Nun, nachdem dies geklärt ist, bist du sicher gerne bereit, dem Land, der Stadt, die dir Unterkunft gewährt, entgegenzukommen und etwas für deinen Unterhalt beizutragen.«
Deneersen nickte. Was blieb ihm anderes übrig?
»Gut. Das freut mich.« Der K’atok drehte sich zu dem Sandkasten um und winkte ihn heran.
»Unser Land wird bedroht! Bedroht von einer Horde, die wie eine Gagjuki-Plage heraufzieht, die unser Land kahl fressen und verwüsten wird. So wie die Masuti es mit den anderen Ländern gemacht haben, über die sie gekommen sind.«
Er griff nach einer bereitliegenden Papierrolle, wickelte sie einige Umdrehungen ab und hielt sie Deneersen hin.
»Die Masuti – Geißel eines ganzen Kontinents.«
Deneersen blickte auf die naturalistische Strichzeichnung eines berittenen Kriegers. Sein erster Eindruck war der eines Nordmannes, den man in die Kluft eines Hunnen gesteckt hatte. Dieser Anachronismus irritierte ihn.
Der Herrscher spulte die Rolle weiter ab. Umgeben von Schriftzeichen, die Sob’uhn nur in den Grundzügen hatte vermitteln können, reihte sich Zeichnung an Zeichnung.
Es schien so etwas wie ein illustrierter Report zu sein, der die gesammelten Informationen über die Aggressoren zusammenfasste. Adriaan blickte auf gezeichnete Szenen aus dem Alltagsleben eines Reitervolkes … und Zeichnungen, die wie die Fantasien eines kranken Geistes aussahen. Neben Illustrationen vom Familienleben am Lagerfeuer standen Darstellungen, in denen Menschen aufgeschlitzt und Gliedmaßen abgehackt wurden.
Der K’atok rollte das Papier wieder zusammen und wandte sich dem Tisch zu.
»Awtora im Westen und Jaaita im Süden des Senjo-Gebirges haben sie bereits überrannt.« Er zeigte auf zwei eingegrenzte Bereiche, die sich an eine Erhöhung im Sand schmiegten. Im flachen Sand nordöstlich der Anhäufung, die wohl ein Gebirge darstellen sollte, lag das Land Kofane. Zumindest interpretierte er die Längsseite, an der sie standen, als Süden.
»Nun bedrängen sie Pulidja, Senjuchian und Bu’Tach.« Sein Finger umkreiste die Staatsgrenzen der Länder, die Kofane im Westen und Süden umgaben. »Und dort werden sie kaum haltmachen.«
Jetzt erst kam Deneersen die Vermutung, dass die getrockneten Käfer, die an vielen Stellen im Sandkasten lagen, die angreifenden Horden der Masuti versinnbildlichen sollten.
Der K’atok interpretierte seinen Gesichtsausdruck richtig. »Sie sind mehr als eine Plage. Hinter sich lassen sie verbrannte Erde. Und ein Etwas, das sich ›Großreich Masutil‹ nennt, aber nicht mehr als ein Müllhaufen ist, den korrupte örtliche Speichellecker mit Prügel mühsam unter ihrem Rock halten.«
»Wie her kommen die Masuti?« Er verfluchte seinen mangelhaften Wortschatz, doch der K’atok schien seine Frage zu erahnen.
»Warum die Masuti uns bedrängen? Warum sie nicht dort bleiben, wo sie herkommen? – Die Masuti stammen aus dem Süden. Noch jenseits des großen Gebirges.« Er trat an eine großmaßstäbliche Karte an der Wand, die offensichtlich den Kontinent zeigte, auf dem sie sich befanden.
Er ließ Deneersen Zeit, die Karte zu studieren.
Der Kontinent – oder die sehr große Insel – hatte die grobe Form einer Glocke. Ein langes, schmales Gebirge durchzog das untere Drittel. Ein weiterer Gebirgszug erstreckte sich die Westküste entlang. Das, was der Herrscher mit »großes Gebirge« tituliert hatte, war, der Darstellung auf dieser Karte nach, nur das drittgrößte. Es erstreckte sich nördlich der Zentralregion des Kontinents, die, wenn Adriaan die Farben richtig interpretierte, von einer Wüste dominiert wurde. Der K’atok deutete auf diesen Bereich.
»Wir können nur vermuten, dass sich die Lebensbedingungen dort, wo sie herkommen, verschlechtert haben und sie neidisch auf die schauen, die mehr haben als sie. Man hörte, dass die Dürre dort nicht abreißen will. Nach Süden, in die Urwälder, trauen sie sich nicht.
Außerdem steckt es in ihrem Blut: Sie müssen ziehen, erobern und schänden. So wie ein Hull’uameda Beute reißen muss. Also drängen sie nach Norden, wo das Wetter besser ist und die Beute wohlgenährt.«
Am nordöstlichen Rand war eine kleine Fläche hervorgehoben, kaum größer als ein Daumen, die eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit der Kontur im Sandkasten hatte.
»Genau! Das ist Kofane. Du wirst vielleicht denken: ›Ein Fliegenschiss verglichen mit den Ländern, aus denen ich komme.‹ Aber für manche ist es die Perle der Welt. Zufälligerweise bin ich einer von diesen Manchen. Und meinem Zetul und dem Rest der Menschen in diesem Land geht es nicht anders.«
Der General nickte grimmig.
»Und deshalb werde ich alles tun – alles geben, um diese Seuche von meinem Land fernzuhalten!«, fuhr der Herrscher fort. »Doch ich fürchte, dass dieses ›Alles‹ nicht ausreicht. Wir brauchen jede Hilfe, selbst den Beistand ›von oben‹!« Seine Augen rollten zur Decke, doch so süffisant, wie der K'atok das sagte, war Adriaan klar, dass er gemeint war.
»Was muss ich machen?«
Der K’atok schritt zu einem Beistelltischchen und riss das schwarze Tuch darüber hoch. Adriaan riss die Augen auf. Die Projektilpistole, die Taschenlampe und weitere Kleinteile aus dem Notfallkoffer lagen dort.
»Wer das Wissen hat, solche Dinge zu schaffen, weiß bestimmt auch Dinge, mit denen man die Masuti aufhalten kann.«
Ein entschlossener Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.
»Mein Zetul wird dich zu deiner zukünftigen Unterkunft führen. Dort kannst du alles haben, was du willst: Material, Arbeiter, Gehilfen, Pa’atni, Reichtum, Frauen. Was du brauchst! Nur bringe mir Dinge, mit den man diese Geißel stoppen kann!«
Er betrachtete seine Finger.
»Falls du aber eine sentimentale Sehnsucht nach deiner alten Bleibe verspüren solltest, bin ich gerne bereit, auch diesem Wunsch nachzukommen. – Nun?«
Der Herrscher machte eine dramatische Pause, in der er den Fremden abwartend musterte.
Deneersen konnte nur stumm nicken.
»Dann sei mir willkommen, in den Diensten meines Landes.« Der K’atok deutete eine Verbeugung an. »Da du unsere Sprache noch nicht ausreichend sprichst, solltest du einen Lehrer an deiner Seite haben, der dich unterstützt und der für dich spricht, falls dir die Worte fehlen.«
»Herr, ich wüsste da jemanden!«, soufflierte der Zetul. »Er wartet vor der Tür.«
»Er wartet vor der Tür!«, echote der Herrscher. »Ja, das ist der Grund, warum er mein Feldherr ist: Er denkt immer mit. – Ich hoffe, du denkst auch immer mit. Und denk auch daran, dass es meine Mitbürger irritieren würde, wenn ihnen jemand Märchen erzählt, dass dort draußen zwischen den Sternen Menschen leben sollen. Weiß man, wie sie darauf reagieren würden? Was sie mit dem Erzähler anstellen?
Oder was ich mit ihm anstellen würde.«
Er machte eine auffordernde Geste zur Tür. Der Wächter, der bis jetzt stoisch neben der Tür gewartet hatte, öffnete und ließ die drei Männer hinaus.
»Ah! Der Lehrer!«, rief der Herrscher scheinbar erfreut. »Der Lehrer, der hoffentlich nicht so unbelehrbar ist, dass er nach dieser Zeit des In-sich-Gehens nicht weiß, wann er in Zukunft besser den Mund zu halten hat.«
Sob’uhn ließ sich zur Ehrbezeugung auf sein Knie sinken, den Mund widerwillig gespitzt.
»Das ist nett, Lehrer, dass du deinen neuen Freund mit zu deinem K’atok begleitet hast. Dann wird es dich freuen zu hören, dass er mir in der kommenden Zeit der Krise als Berater zur Seite stehen wird.«
Sob’uhns Kopf ruckte hoch.
»Da fällt mir ein: Wir sprachen vorhin davon, dass er, da er der Sprache unseres geliebten Landes noch nicht ausreichend mächtig ist, eine Hilfe benötigt. Einen Lehrer, der ihm die Feinheiten unserer Kultur und seiner Aufgabe vermittelt.«
Er hob einen Zeigefinger, so als ob ihm etwas einfiel.
»Hatten wir da nicht mal jemanden, der sich dadurch auszeichnete, dass er gerne und viel redete?«
»Herr … es würde mir eine Ehre sein«, krächzte Sob’uhn.
»Da dies geklärt ist, brauchen wir das wohl auch nicht mehr.« Er deutete auf seine gefesselten Hände und gab einem Soldaten ein Zeichen, der daraufhin das Seil durchschnitt. »Seht ihr? So lösen sich kleine Probleme auf.«
Der K’atok wandte sich an Deneersen und die aufgesetzte Freundlichkeit machte grimmigem Ernst Platz. »Aber die großen Probleme bleiben. Finde etwas, das uns gegen die Masuti hilft! Mir ist klar, dass du nicht einfach Zauberdinge aus dem Ärmel schütteln kannst.« Er tippte Deneersen an die Stirn. »Aber du hast da oben Kenntnisse, über die kein anderer auf … in diesem Teil der Welt verfügt.
Es wird sich sicher jemand finden …«, er warf einen anzüglichen Seitenblick auf Sob’uhn, »… der dafür Sorge trägt, dass dein Wissen aufgeschrieben und in handhabbare Sachen umgewandelt wird.«
Er wandte sich wieder um. »Und Lehrer: Es mag sein, dass unser neuer Berater – möglicherweise im Fieberwahn seiner überstandenen Krankheit – Dinge von sich gegeben hat … oder von sich geben wird, die schier unglaublich klingen mögen. Falls davon irgendetwas an Ohren gelangen sollte, deren Besitzer nicht in diesem Raum sind, wäre ich nicht amüsiert.« Die letzten Worte sprach er wie Peitschenhiebe aus. Sob'uhn schluckte, dann nickte er unmerklich.
»Und von dir, weitgereister Mann, erwarte ich alles, was du weißt. So unscheinbar es dir auch erscheinen mag. Halte dir vor Augen, dass ein Krieg am Horizont heraufzieht. Darum will ich in erster Linie Hilfsmittel von dir, die Kofane diese Bedrohung überstehen lässt. Wenn es Kofane gut geht, wird es dir selbst gut gehen. Aber wenn unser Land leidet …!«
Nun musste Deneersen schlucken.
»Was brauchst du? Handwerker? Werkzeug? Mein Zetul wird dir alles Nötige dazu beschaffen. Und er wird dafür sorgen, dass es dir nicht an Annehmlichkeiten fehlt. Genieße dein wiedergewonnenes Leben in deiner neuen Behausung. Kauf dir Frauen zur Zerstreuung!«
Kaufen? Er sollte sich Frauen kaufen? Adriaan machte ein angewidertes Gesicht, das der K'atok falsch auslegte.
»Dir sind Jünglinge lieber? Deine Sache. Aber bring mir Ergebnisse!«
Vom Weg aus dem Palast bekam Adriaan Deneersen nicht viel mit. Er war vom Gespräch mit dem K’atok noch wie betäubt. Sob’uhn musste ihn hinter sich herziehen. Was erwartete der Herrscher nur von ihm? Er konnte doch nicht mit einem Fingerschnippen dieses Land in die Neuzeit bringen! Nachdem, was er bisher gesehen hatte, schätzte er das technologische Niveau auf das des irdischen Mittelalters ein. Er hatte keinen Zweifel daran, was mit ihm geschehen würde, wenn sein Wissen den K’atok nicht zufriedenstellen würde.
»Alles, was er wusste!« Pah, was wusste er schon? Er wusste, wie man sich in Computersysteme hackte. Er konnte Knöpfchen drücken und Algorithmen schreiben. Von dem, was dabei im Hintergrund geschah, hatte er keine Ahnung. Natürlich hatte er einst die theoretischen Grundzüge der klassischen Wissenschaften erlernt. Aber das schien Äonen her und weit von einer praktischen Anwendung entfernt. Ihm schwindelte, wenn er nur daran dachte, wo er anfangen sollte. Gedankenversunken tappte er dem Zetul hinterher.
Erst als sich das große Tor im weiten Hof vor dem Palast vor ihnen öffnete, wurde ihm seine Umwelt mit einem Schlag wieder bewusst. Lärm und Gestank fielen über ihn her und ließen ihn straucheln. Sob’uhn musste ihn stützen, während er entgeistert auf das lebhafte Treiben auf dem großen Platz vor dem Tor starrte. Hier stand er nun, auf einem fremden Planeten, umgeben von zwar verblüffend menschenähnlichen, aber nichtsdestotrotz außerirdischen Wesen. Der Platz war voll davon. Männer, Frauen, Kinder, die sich gegenseitig anschrien, miteinander feilschten, lachten und spielten. Abgesehen von einer breiten Gasse, die genau auf das Tor zum Palast führte, war der Platz vollgestellt mit Buden und Zelten. Dazwischen drängte sich eine unübersehbare Menge. Adriaan brachte es nicht über sich, sie in Gedanken als »Menschenmasse« zu bezeichnen. Sie waren und blieben Außerirdische!
Die Mehrzahl der Wesen trug Röcke, nur wenige hatten, wie der K’atok, eine Toga um sich geschlungen. Hosen schienen gänzlich unbekannt zu sein. Braun-, Grün- und Orangetöne herrschten vor. Alles wirkte wie von der Sonne ausgebleicht. Auch die Häuser waren überwiegend einfarbig getönt. Dicht an dicht drängten sich kleine, meist zweistöckige Häuser, außen oft in ähnlichen Farben verputzt wie die der Kleidung.
Zwischen den Massen der Eingeborenen krochen, trabten oder standen Scharen von unterschiedlichen Wesen, eindeutig Tiere, die alle reptiloide Züge trugen.
Er stockte. Es befanden sich auch einige Siitas darunter!
Diesen Begriff hatte er bereits von Sob’uhn gelernt, doch davon zu hören oder sie zu sehen waren zweierlei Dinge. Jedes Kind wurde mit Spielzeugdinosauriern groß, aber einen leibhaftigen vor sich zu sehen, raubte ihm den Atem. Siitas liefen auf zwei Beinen und sahen entfernt wie drei Meter große Hadrosaurier aus. Sie schienen auf diesem Planeten das gebräuchlichste Reittier zu sein. Zwei Soldaten saßen am Rande des Platzes auf solchen Tieren und beobachteten die Menge. Ansonsten befanden sich hier draußen, außerhalb des Palasts, nur wenige Soldaten. Adriaan empfand es nach all den Wochen in Gefangenschaft, in denen er außer Sob’uhn nur seine uniformierten Wachen gesehen hatte, als Wohltat.
Eine andere Echsenart, an der er sich nicht sattsehen konnte, waren Quhatas, massig gebaute Tiere, die auf dieser Welt anscheinend die Pflichten von Zugochsen übernommen hatten. Sie erinnerten ihn an eine Mischung aus Nilpferd und Gürteltier. Zwei schmale Schaufeln seitlich am Kopf, die wie die zusammengedrückten Geweihe von Elchen aussahen, liefen in zwei bis vier Spitzen aus. An diesen Geweihschaufeln war das Geschirr befestigt, mit dem die Wagenlenker ihre Zugtiere führten.
Es blieb keine Zeit, innezuhalten und sie zu bewundern oder sich in Ruhe umzusehen. Der Zetul ging forschen Schrittes voran und Adriaan hatte alle Mühe, ihm zu folgen und dabei nicht in einen der Haufen zu treten, von denen der Platz übersät war. Die Eingeborenen störten die Kothaufen ihrer Tiere wenig. Hygiene wurde anscheinend nicht allzu groß geschrieben und so etwas wie eine Kanalisation schien es auch nicht zu geben. Der Gestank war atemberaubend.
Der Platz und die davon abgehenden Straßen bestanden aus festgebackener Erde, nur hier und dort aufgeweicht von den Hinterlassenschaften der Echsen. Millionen von Füßen hatten diese Mischung im Laufe von Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten zu einer harten Schicht verdichtet. Die träge, heiße Luft trug feinen Sand mit sich, der auf allem einen dünnen Überzug hinterließ.
Es erstaunte Deneersen nicht, dass die Eingeborenen vor dem Zetul bereitwillig Platz machten. Dieser alte Kämpe war eine beeindruckende Persönlichkeit, dem viele Passanten Respekt zollten. Auch Sob’uhn grüßte hier und dort jemand Bekannten in der Menge, konnte jedoch nicht stehen bleiben. Denn noch immer hatten sie die beiden Wächter im Nacken, die dafür sorgten, dass sie nicht den Anschluss an den Zetul verloren.
Gegenüber dem Palasttor verjüngte sich der Platz und mündete in eine breite Straße. Laden auf Laden reihte sich hier aneinander. Was dort im Einzelnen alles angeboten wurde, bekam Adriaan kaum mit; er hatte Mühe, den Häufchen auszuweichen, mit denen auch hier der Boden gesprenkelt war. Was ihm nicht immer gelang. Nach einer Weile bogen sie in eine Seitenstraße ab und ließen die Menge auf der Hauptstraße – und den Gestank – hinter sich. Endlich traute Adriaan sich, wieder tief durchzuatmen.
Kreuz und quer ging es durch größere und kleinere Gassen, die gesäumt waren von schlichten, sauberen Häusern. Es gab keinen einheitlichen Baustil. Gemeinsam war allen Gebäuden nur eine spartanische Nüchternheit, die Wamuan das Aussehen einer Ansammlung von Bauklötzen gab. Nur wenige Verzierungen, Bögen oder Säulen lockerten die geometrische Strenge auf. Grüne oder rote Schindeln warfen hier und dort einen schrillen Farbklecks auf das Bild aus gedeckten Farben. Die Straßen wurden leerer, aber nicht leer. Es schien eine Stadt voll Leben zu sein. Eine Kakofonie aus den Lauten ihrer Bewohner hallte in den Gassen und auf den Wegen wider. Sie überquerten einen Platz, der von einem großen, öffentlichen Brunnen dominiert wurde. Eine Handvoll Frauen unterschiedlichen Alters beschäftigte sich an der Brüstung des Beckens mit ihrer Wäsche.
Als sie den Zetul und seine Begleiter erblickten, verstummte das fröhliche Schwatzen, mit dem sie sich ihre Arbeit versüßten. Während die Gruppe an den Frauen vorüberging, stellten diese ihre Tätigkeiten ein und senkten respektvoll ihre Köpfe vor dem General. Der nickte nur kurz und hielt zielstrebig auf das zweiflügelige Tor eines frei stehenden Gebäudes zu. Es dominierte die Mitte der Häuserzeile und lag der Straße, aus der sie gekommen waren, genau gegenüber.
Eine junge Frau mit einem Schmollmund warf Adriaan mit gesenktem Haupt einen vorwitzigen Blick zu. Er spürte, wie sein Kopf rot anlief, so rot wie ihr Haar.
Was für einen Eindruck musste ihre Prozession auf die Frauen machen? Sie fragten sich bestimmt, wer der Fremde war, der von Soldaten der Stadtwache flankiert wurde. Gerade als Adriaan sich noch einmal umdrehte und nach den Wäscherinnen lugte, hielt der Zetul an, sodass Adriaan beinahe auf ihn geprallt wäre.
»Dies wird deine Behausung sein!«, sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ.
Adriaan trat einen Schritt zurück und schaute an der Fassade des Gebäudes hinauf. Für seine Begriffe war es eher eine Villa, denn eine Behausung. Oder doch vielleicht ein Gefängnis? Es überragte die umstehenden Häuser um eine Etage.
Im Gegensatz zu den Gebäuden, an denen sie vorbeigekommen waren oder die den Platz umgaben, hatte dieses im Erdgeschoss keine Fenster. Erst ab dem Obergeschoss sah man, wie bei den anderen Häusern, Fensteröffnungen am Bauwerk.
Dadurch schien es, als habe man ein Haus um eine Etage aus geschlossenen Mauern angehoben, nur unterbrochen durch das schwere Tor und kleine Lüftungsschlitze, von denen die breiteren vergittert waren.
Im zweiten Stock gab es so etwas wie eine Loggia, von der aus man den Platz überblicken konnte. Auch dieses Gebäude war von den üblichen grünen Schindeln bedeckt. Hölzerne Läden mit schräg gestellten Lamellen sperrten die Sonne aus.
Adriaan warf einen Blick auf die Waschfrauen, die jetzt tuschelnd beisammenstanden. Die Rothaarige hatte die Lippen geschürzt und sah abschätzend zu ihnen herüber. Ob sie sich regelmäßig hier zur Wäsche trafen? Von der Loggia aus würde er ihnen zusehen können. Falls er in Zukunft noch so etwas wie Freizeit hatte. Ein Pochen ließ ihn herumfahren.
Der Zetul – Adriaan fragte sich, ob er auch einen Namen hatte – ergriff den Ring an der rechten Seite des Tores, der durch die Nase eines Fantasiewesens führte, und klopfte damit energisch gegen das Tor.
Sie warteten.
Die Hand des Zetuls griff gerade erneut nach dem Klopfer, als hinter dem Tor schlurfende Schritte hörbar wurden. Ein Riegel schabte in seiner Führung und der rechte Torflügel öffnete sich so weit, dass der Kopf eines alten, weißhaarigen Mannes hindurchpasste.
Ungehalten drückte der Zetul gegen das Tor, sodass der Alte ein paar Schritte rückwärts taumelte und sich am Torflügel festhalten musste. »Kerl! Geht das auch ‘was schneller?«
Als der Alte endlich erkannte, wer da vor ihm stand, beeilte er sich mit mehreren Verbeugungen seinen Respekt zu bezeugen. Dann drückte er sich mit seinem ausgezehrten Körper gegen den Torflügel und schob ihn ganz auf.
Für Adriaan öffnete sich die Pforte in eine andere Welt. Aus der stinkenden Hitze der Straßen trat er in einen kühlen Hof, der ein wenig nach Wald roch. Ein rechteckiges Becken von rund neun mal fünf Meter beherrschte den doppelt so großen Innenhof. Umlaufende Säulengänge auf allen drei Stockwerken führten zu den Räumlichkeiten in den jeweiligen Etagen. Die Dächer ragten so weit über den Innenraum hinaus, dass alles Regenwasser in das Bassin in der Mitte laufen musste. Der Platz wurde dadurch fast völlig überdacht. Nur der Teil direkt über der Zisterne blieb frei und erzeugte ein angenehm gedämpftes Licht. Eine Reihe von Kübeln mit hochwachsenden Pflanzen füllte den freien Raum um das Becken.
Mit offenem Mund drehte sich Adriaan um sich selbst. Das war nicht nur ein Haus, sondern mehrere Häuser, die einen kleinen Hof mit einem zentralen Teich umgaben.
Jemand schloss das Tor hinter ihnen und die Geräusche des großen Platzes aus. Nun erst vernahm Adriaan das leise Plätschern aus der Richtung des Beckens.
»Das ist Selaroe«, riss ihn die Stimme des Zetuls aus seinem Staunen, »der Verwalter dieser Behausung.« Dann winkte er den Alten heran und zeigte auf Deneersen. »Und dies hier ist dein neuer Herr, Adriaan Deneason.«
Adriaans Augenbrauen zogen sich zusammen. Der Zetul hatte ihn noch nicht nach seinem Namen gefragt. Er kniff die Augenbrauen zusammen und schaute den Mann an, der all die Wochen die Zelle mit ihm geteilt hatte.
Sob’uhn machte ein zerknirschtes Gesicht und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Von Sob’uhn wirst du ja schon gehört haben«, fuhr der Zetul fort und deutete auf den Lehrer. »Er wird ebenfalls hier wohnen und uns über die Fortschritte deines Herrn berichten.« Er drehte sich von Sob’uhn weg und zu dem alten Verwalter hin. »Deneason ist ein besonderer Gast des K'atoks. Darum werden Tag und Nacht Wächter vor dem Haus postiert sein. Ihr …«, damit zeigte er auf zwei Männer ihrer Eskorte, ». macht den Anfang.« Die beiden nickten ehrerbietig. Zu den beiden anderen Soldaten gewandt sagte er: »In drei Stunden schickt ihr ihnen eine Ablösung! Bis dahin dürften sie bei der Hitze durch sein. Deshalb schicke ich gleich einen Bautrupp vorbei, der hier am Tor befestigte Unterstände errichtet.«
Er deutete mit dem Finger auf den Lehrer. »Einmal im Zehntag höre ich von dir!«, bestimmte er.
Auf einen Wink hin öffnete einer der Soldaten das Tor. Wärme, Staub und Lärm schlugen ihnen entgegen und brachen den Zauber der kleinen Oase. Ohne sich noch einmal umzusehen, trat der Zetul nach draußen und schritt über den Platz davon, gefolgt von seinen verbliebenen Wächtern. Die beiden anderen postierten sich rechts und links des Tores und zogen damit erneut die Aufmerksamkeit der Waschfrauen auf sich. Ein besonders glückliches Gesicht machten beide nicht.
»Na, dann!«, sagte Sob’uhn und schloss das Tor. Als der Flügel zuschlug, schlurfte Selaroe herbei und schob einen dicken Balken durch eiserne Führungen am Tor. Er drehte sich zu Deneersen um. Wie ein Nest umrahmten dünne, weiße Haare seinen Hinterkopf und fanden ihre Fortsetzung in Augenbrauen, die eher wie Drahtbürsten wirkten. Der faltigen Landschaft seines Gesichts nach, hatte er die achtzig längst überschritten.
»Herr?«, fragte er brüchig.
Adriaan stand verloren dort, wo ihn der Zetul hatte stehen lassen. Vor einer Stunde noch hatte er geglaubt, das Tageslicht nie wiedersehen zu dürfen, nun war er Herr über ein Anwesen, das auf diesem Planeten als Villa durchgehen mochte. Samt einem alten Faktotum als Diener, der das geräumige Haus wohl kaum alleine bewirtschaften konnte.
Sein Blick wanderte Hilfe suchend zu Sob’uhn.
»Du bist der Herr«, stellte Sob’uhn fest. »Ich bin nur der Lehrer.«
Er hatte Schwierigkeiten gehabt, der Rede des Zetuls zu folgen, aber eins verstand er. »Du ein Spion von K’atok!«, warf er Sob’uhn vor.
»Hättest du das Angebot ausgeschlagen?«, fragte dieser und verzog schuldbewusst den Mund. »Mit der Aussicht, den Rest deines Lebens in der Zelle verbringen zu müssen?«
Adriaan blickte finster. Dann wandte er sich brüsk zu dem Alten um. »Wie dein Name? Tsellarohe?«
»Selaroe, Herr!«
»Gut, dann Haus zeigen!«
Der Alte verneigte sich so tief, dass Adriaan meinte, die Knochen knirschen zu hören, und schritt voraus.
Von dem kleinen Torhof vor der Zisterne aus gelangten sie links zu verwaisten Stallungen, denen noch die markanten Ausdünstungen der Siitas anhafteten. Um das Becken herum lagen verschiedene Vorrats- und Abstellräume. An den Schmalseiten führten zwei Treppen in die oberen Stockwerke. Eine Wendeltreppe direkt neben dem Tor verband die Geschosse zusätzlich.
Den ersten Stock dominierten Arbeitsräume, vorwiegend für das Gesinde. Hier fanden sich Küche und Esszimmer, ein Wäscheraum und ein Trockenraum mit einem Netz aus Wäscheleinen, auf denen nur wenige Kleidungsstücke hingen.
Ein großer Eckraum sah so aus, als wäre er das Büro seines Vorbesitzers gewesen.
Direkt daneben lag ein weiträumiges Bad. Ein kleiner Auslegerkran über dem Fenster neben der Wendeltreppe erleichterte das Hinaufbringen von Waren. Wenn jedoch, so wie Deneersen vermutete, das Wasser unten im Brunnen geschöpft werden musste, konnte er sich ausmalen, dass hier nicht oft gebadet wurde.
Doch selbst wenn dem so war: Der prägnante Geruch der Stadt überdeckte jede mangelnde Hygiene seiner neuen Bediensteten.
Der Rest der Räume waren Schlaf- oder Gästezimmer, die, dem Staub nach, schon lange niemand benutzt hatte. Zu seiner Überraschung gab es in der Etage darüber noch weitere Schlafräume. Jedoch entdeckte er nirgends auf ihrem Rundgang eine zivilisiertere Toilette als den vertrauten Eimer.
Selaroe bewirtschaftete das Haus mit Frau und Tochter. Sie bewohnten mehrere Zimmer im zweiten Obergeschoss. Massui, die Frau, machte einen gebrechlichen Eindruck und war deshalb hauptsächlich in der Küche beschäftigt. Ihre Tochter Qiuani, eine pummelige und für das alte Paar erstaunlich junge Frau, erledigte die körperlich anstrengenderen Arbeiten im Hause.
Und hier, direkt neben dem oberen Ende der Wendeltreppe, befand sich auch der Zugang zur Loggia, die Adriaan von der Straße aus aufgefallen war. Als Selaroe ihm die Tür aufhielt, schlug ihnen die warme Luft von draußen entgegen. Neugierig betrat Adriaan die überdachte Fläche und trat an die hölzerne Brüstung heran. Eine armlange Echse rekelte sich dort in der Sonne. Heftig mit den Armen wedelnd, scheuchte der Alte sie vom Geländer. Woraufhin sie sich mit einem protestierenden Maunzen in das Innere des Hauses verzog.
»Das ist Koozie. Er gehört meiner Tochter. Ich hoffe, er stört Euch nicht, Herr?«
Deneersen winkte geistesabwesend ab. Sein Interesse galt der Aussicht und dem Platz unter ihm. Von den Wäscherinnen war keine mehr zu sehen. Nur noch dunkle Flecken auf dem Boden um den Trog zeugten von ihnen. Dafür tollten einige Kleinkinder im Wasser des Beckens umher. Was zwei Siitas, die dort ihren Durst stillten, nicht zu behagen schien. Nervös tänzelten sie hin und her und mussten mühsam von ihrem Besitzer beruhigt werden.
Adriaan sah senkrecht nach unten, wo die Wächter an der Hauswand neben dem Eingangstor lehnten. Ein schlechtes Gewissen regte sich in ihm, weil die beiden dort unten nur seinetwegen in der prallen Sonne ausharren mussten. Mit einem letzten enttäuschten Blick zum Brunnen trat er vom Geländer weg und ging ins Innere. Sob’uhn und Selaroe folgten ihm. Zwar war der Innenhof seines Hauses nach oben hin offen und von der Sonne beschienen, aber das weit vorgezogene, umlaufende Dach sorgte für gedämpftes Licht. Verglichen mit draußen war es angenehm kühl.
Adriaan warf einen Blick nach unten. Frau und Tochter des Alten huschten wie ertappt in den Schatten. Adriaan musste lächeln. Er fragte sich, wie lange das Haus schon leer stand und Selaroes Familie sich an ihr beschauliches Leben gewöhnt hatte.
Das würde sich jetzt ändern!
Er bezweifelte, dass die drei mit dem steigenden Arbeitsaufwand zurechtkommen würden. Selaroe machte den Anschein, als ob er hier sein Gnadenbrot fristete und auch seine Frau würde sich auf zivilisierteren Welten schon lange ihres Ruhestands erfreuen. Hier mussten beide noch mit anpacken, soweit ihre nachlassenden Kräfte dies zuließen. Und ihre Tochter Qiuani machte zwar einen starken, aber auch einen einfältigen Eindruck.
Wenn er die Forderungen des Herrschers erfüllen wollte, brauchte er Helfer. Aufgeschlossene, lernfähige und tatkräftige Handwerker.
Möglicherweise würde es hier bald von Menschen wimmeln, und sie würden Arbeit verursachen, die Qiuani alleine nicht bewältigen konnte.
»Wo ist alter Herr von Haus?«, wandte er sich schließlich an seine Begleiter.
»Bartlis ist vor drei Jahren dahingeschieden«, antwortete Sob’uhn, um ihm dann mit Verschwörermiene zuzuflüstern: »Woran der K’atok nicht ganz unbeteiligt gewesen sein soll. Munkelt man.«
Im normalen Tonfall fuhr er fort. »Er war ein Kaufmann, der oft Geschäftsleute und Händler bei sich beherbergte. Wie man an den vielen Zimmern sieht. Ausländische Geschäftsleute!«
Deneersen zögerte. »Und nun?«
»Und nun? Nun würde ich vorschlagen, dass wir etwas tun, um den Geschmack des Zellenfraß’ auf unseren Zungen zu vertreiben.«
Deneersen sah ihn fragend an. Sob’uhn grinste und machte eine schaufelnde Bewegung zum Mund. »Essen! Was anderes als in der Zelle. Aber du bist der Herr. Du gibst die Anweisungen.«
In dieser Nacht lag Adriaan lange Zeit wach und lauschte den ungewohnten Geräuschen.
Dem Schlurfen Selaroes durch die unteren Etagen. Dem Klappern von Blech und Keramik in den Küchenräumen, in denen Qiuani das Frühstück für den nächsten Tag vorbereitete. Dem Knacken und Knirschen des Gebälks, als sich die von der Sonne aufgeheizte Holzkonstruktion in der Kühle der Nacht entspannte.
Er gestand es sich nicht gerne ein, aber er fürchtete sich ein wenig in diesem großen, leeren Haus.
Hinzu kam die Geräuschkulisse einer nächtlichen Stadt, mit den Gesprächen ihrer Nachtschwärmer, dem Gejohle heimkehrender Zecher und den fremdartigen Lauten einer exotischen Tierwelt.
Viel war an diesem Tag geschehen. Sein Leben hatte eine erneute Wendung genommen. Ob zum Guten oder zum Schlechten würde erst die Zukunft zeigen.
Er hatte die harte Pritsche im Verlies gegen ein weiches Bett in einer Villa, seiner Villa getauscht. Statt eines Mitgefangenen hatte er nun Untergebene.
Er hatte vor dem Regenten dieses Landes und seinem obersten Feldherrn gestanden … und er hatte sich dabei fast in die Hose gemacht. Oder vielmehr in das Tuch, das man hier als Unterwäsche unter dem Rock trug. Statt eines Gefangenen war er nun der »Berater« des hiesigen Herrschers, der sein Wissen, seine Hilfe im Kampf gegen eine für ihn weitgehend gesichtslose Gefahr forderte.
Nach den Wochen – oder waren es Monate? –, die er in der eintönigen, dunklen Zelle verbracht hatte, waren die vielen Impressionen wie eine Flut über ihn hereingebrochen. An Einzelheiten auf dem Weg durch die Stadt, während des Rundgangs durch das Haus oder des Abendessens konnte er sich kaum erinnern. Zu vielfältig waren die Eindrücke, die auf ihn eingestürmt waren. Wie betäubt waren seine Sinne nach der Begegnung mit dem Herrscher und dem Marsch durch die gleißend helle, laute und stinkende Metropole gewesen.
Was ihn jetzt auch wach hielt, war der Gestank nach Kloake. Den Palast hatte der unverkennbare Geruch nach altem, steinernem Gemäuer angehaftet. Leicht feucht und modrig. Aber hier führte der Wind, der durch die Fenster drang, eine Duftnote mit sich, die ihn an einen Abort erinnerte.
Vor seinem geistigen Auge stiegen die Bilder von Treppen und Unterführungen an heruntergekommenen Bahnhöfen der Magnetschwebebahn hoch, die die Arbeitersiedlungen mit den Zechen und Gruben auf New Holland verbanden.
Aber das war lange her, in einem anderen Leben, vor seiner Flucht.
Mit einem unwilligen Brummen verscheuchte er die Erinnerungen.
Der blecherne Eimer in der Ecke seines Zimmers, wie er ihn schon aus den Verliesen kannte, gab ihm einen Hinweis auf die Quelle des Gestanks. Womöglich kippten die Bewohner den Inhalt am nächsten Morgen einfach auf die Straße.
Irgendwann verfiel er in einen unruhigen Schlaf. Doch immer wieder wachte er auf und lauschte und schnüffelte in die Dunkelheit hinein.
Schließlich stand er auf und ging zur Fensteröffnung. Er schnupperte in die warme Nachtluft. Es war eindeutig der Wind, der diesen Geruch mitbrachte. Auch bei den Gebäuden in der Nachbarschaft sah es nicht so aus, als ob man die Öffnungen durch Glasfenster verschließen konnte. Er lehnte sich nach draußen, löste die Verriegelung und schloss die Läden an den Fenstern. Da lag er lieber in seinem muffigen Bett, als dass er sich die ganze Nacht an eine Toilette erinnert fühlte.
Doch als er – nur Augenblicke später, wie es ihm schien – schweißgebadet aufwachte, riss er die Fensterläden wieder auf und genoss den kühlen Durchzug.
Als er endlich ins Bett stieg, setzte er die Punkte »sanitäre Anlagen« und »Kanalisation« ganz nach oben auf seine geistige Liste.
Als ihn am nächsten Morgen ein Klopfen an seiner Tür weckte, fühlte er sich zerschlagen und ausgelaugt.
»Ja?«, brummte er.
Die Tür ging auf und Sob’uhn steckte seinen Kopf durch den Spalt.
»Hunger?«, fragte er. »Dann komm! Treppe runter, andere Ecke. Neben dem Fenster mit dem Kran.«
Ein lichtdurchflutetes Esszimmer erwartete ihn. Sob’uhn saß bereits am Tisch, auf dem sich die Speisen drängten. Qiuani, die Tochter des Hauses, stand daneben und sah ihn erwartungsvoll, fast ängstlich an. Ihre Eltern schienen im Nebenraum zu werkeln.
Die junge Frau trug eine weiße Bluse unter einem grünen Kleid. Ihre hellroten Haare fielen ihr bis auf die kräftigen Oberarme.
Deneersen musste sich in Erinnerung rufen, dass er es hier mit außerirdischen Wesen zu tun hatte, die – zufällig hin oder her – nur menschenähnlich waren.
Trotzdem brachten ihre ausladend weiblichen Formen ihm schmerzlich ins Bewusstsein, wie lange es her war, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war.
Als die Pause schon fast peinliche Züge annahm, deutete Sob’uhn auf den freien Platz an der Stirnseite des Tisches.
»Setz dich! Hau rein!«
Dieser Aufforderung kam er gerne nach. Die Speisen waren ungewohnt, aber schmackhaft. Da die Eingeborenen, wie Sob’uhn erklärte, nur vormittags und abends außerhalb der heißen Tageszeit speisten, ließ er sich Zeit und das Essen munden.
Nach dem Frühstück rief er Qiuanis Eltern hinzu. Es war Deneersen peinlich, wie ehrfürchtig die drei ihn ansahen. Ihn, der bis gestern in einem dämmrigen Kellerloch vegetiert hatte. Da er viel zu wenig ihrer Sprache beherrschte, verzichtete er auf eine längere Antrittsrede und beließ es bei einem einfachen »Danke«.
Zusammen mit Sob’uhn erkundete er noch einmal das Haus.
Er machte sich keine Illusionen. Diese Villa war auch nur ein Gefängnis. Das unterstrichen schon die beiden Wächter draußen vor dem Tor. Aber es stellte eine drastische Verbesserung seiner Lage dar. Doch dafür erwartete man eine Gegenleistung von ihm.
»Was soll ich tun?«, fragte der Terraner später seinen Lehrer in seinem neuen Arbeitszimmer.
Papierrollen und Schreibutensilien, die sie sich von Qiuani hatten besorgen lassen, lagen bereit.
»Du hast den K’atok gehört. Wir brauchen etwas, das uns gegen die Masuti hilft. Alles, was du weißt, soll ich aufschreiben. Wie sagte er noch: So unscheinbar es dir auch erscheinen mag.« Er machte eine kurze Pause, um in einem süffisanten Tonfall fortzufahren. »Wiewohl ich nicht weiß, woher ausgerechnet ein Demaware ein Wissen haben soll, auf das der Herr unseres Landes so scharf ist.«
»Der Herr, der fragen: Du wissen, wann den Mund schließen?«, radebrechte der Mann von einem anderen Planeten.
Der Lehrer grinste unverschämt. Dann griff er nach einem Bogen Papier und einem Stift, tunkte dessen Spitze in ein Gläschen mit Tinte und sah ihn erwartungsvoll an.
»Also, was weißt du? Womit kannst du uns beglücken?«
Deneersen verdrehte die Augen. »Wo soll ich anfangen? Da gibt es so vieles!«
Er stockte kurz. »Toiletten! Ja, Toiletten wären ein Anfang.«