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Natürlich kann man Geschichte über Ereignisse, Verträge, Wirkungen und Konsequenzen aufzeichnen und beurteilen. Diese Art der Geschichtsschreibung gleicht der Arbeit eines Pathologen beim Sezieren einer Leiche. Er findet die Todesursache, weiß aber nicht, warum sie eingetreten ist. Diese Art von Geschichtsschreibung berücksichtigt nicht die Beweggründe und Zwänge einzelner Privilegierter, welche in autoritären oder Klassengesellschaften in Positionen gewachsen sind, welche es ihnen ermöglicht, objektive Tatsachen bewusst oder unbewusst so zu manipulieren, dass ihre Darstellung, Ansicht oder Meinung scheinbar dem Ganzen dient, in Wahrheit jedoch nur der persönlichen Befriedigung.

Ein Historiker würde diese Beobachtungen als nicht relevant abtun. Allerdings: Je mehr man sich mit den entscheidenden Charakteren der englischen Entscheidungsträger zum Ausbruch des Krieges befasst, umso klarer werden Motive, Seilschaften und Visionen. Englische Diplomaten waren welterfahren. Seit Jahrhunderten hatte sich eine politische Anschauung gebildet, welche eine vereinheitliche Vorstellung über die globale Bedeutung des britischen Empires hatte. Im deutschen Kleinstaatenchaos waren ihre deutschen Counterparts mittelmäßige Kopierer von englischen oder französischen diplomatischen Visionen, die mit einer angepassten deutschen Fasson ein Weltreich schaffen wollten. Die Engländer waren Tatsachendiplomaten, welche ihre Vorstellungen aus ihrer Vergangenheit in allen Teilen der Welt schöpfen konnten, während die Deutschen, wie Mme de Stael sagte, »Volksmusik in Wohnzimmern machten«.

Großbritannien ist kein ideologisches Land, sondern eine Kaufmanns- und Krämernation, anders als die überheblichen, missionarischen USA, mit ihrem fragwürdigen Freiheitspathos, und anders als die hochnäsige Zivilisationsgroßmacht Frankreich. Außerdem besitzen die Engländer, in der Vergangenheit wie heute, eine kulturelle Anziehungskraft und ein Image von entspannter und disziplinierter Weltoffenheit. Ihre Traditionen sind seit Jahrhunderten ungebrochen. Der Glanz des Königshauses und der distanzierte Adel, das alles fasziniert ihre Weltgenossen bis heute. In der herrschenden Klasse Englands wurde ein Sendungsbewusstsein geschaffen, um diese britischen Werte zum Schutz und Wohle des Commonwealth [15] und aller seiner Untertanen in die Welt zu tragen.

Deswegen – das ist die These dieses Buches – waren es britische Charaktere, welche die Fäden in der Hand hatten, um, ihrer Meinung nach, ein bedrohtes Empire zu beschützen. Dieser Krieg, von dem hier die Rede sein wird, so meinten sie weiter, würde die bis dahin von Mitbewerbern nicht erkannte Konstellation der Machtverteilung zwischen Amerika und dem Rest der Welt definieren.

[15] »Gemeinsames Wohl« der unter dem britischen Schirm vereinten Nationen.

Im Risiko zur Macht?

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