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8. Kapitel

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Hartenfels begibt sich sofort zum Antiquariat. Was Meister ihm erzählt hat, muss er überprüfen. Auch wenn die Buchhändlerin seine Bücher nicht besorgen kann oder will, wird sie wissen, wovon die Rede ist.

»Schön, dass Sie noch einmal kommen«, wird Hartenfels begrüßt und fühlt sich gleich wohl.

Bei Meister hat er ständig den Eindruck, dass sich die wichtigen Dinge in diesem Mann abspielen und er sie nicht herauslässt, was frustrierend ist.

»Ich bin neugierig geworden«, fährt die Buchhändlerin fort, »und habe ein bisschen recherchiert, nachdem Sie weg waren.«

»Und«, fragt Hartenfels, »haben Sie etwas von Johannes Meister gefunden?«

»Eine ganze Menge sogar.« Die Frau wendet den Blick von Hartenfels ab und widmet sich ihrem Computer. »Dieser Meister veröffentlicht beim Feind.«

»Beim Feind?« Hartenfels hätte nicht gedacht, dass es im Buchhandel so kriegerisch zugeht. Mit Büchern verbindet er eher den sanften Schein einer Stehlampe und ein Glas Wein.

»Amazon«, erklärt die Frau.

»Davon hat er auch gesprochen«, murmelt Meister.

»Wie bitte?«

»Ach nichts. Ich habe bloß laut gedacht, blöde Angewohnheit von mir.«

»Bei Amazon kann man nicht nur Bücher kaufen und verkaufen, sondern auch herausbringen«, erklärt die Buchhändlerin.

»Und das macht Meister?«

»Genau. Schauen Sie«, sie dreht den Bildschirm so, dass Hartenfels ihn einsehen kann, »hier gibt es ein paar komplette Reihen. Die letzte heißt ›Schwertmeister‹.«

»Und das passt Ihnen nicht?«

»Natürlich nicht«, sagt die Frau, »Amazon ist doch auf ganzer Linie darauf aus, Geschäfte wie meins überflüssig zu machen.«

Klar weiß Hartenfels das. Das gilt nicht allein für Bücher, sondern außerdem für Kleidung, Lebensmittel und so gut wie alles andere.

»Wie habe ich mir denn so eine Veröffentlichung im Internet vorzustellen?«, fragt er.

»Da gibt es Programme, in die man seinen Text hochladen kann. Kompliziert ist das nicht, das schafft jeder, der einen Computer hat.«

»Wissen Sie, wie groß der Markt ist, von dem wir sprechen?«

»Keine Ahnung, und ich glaube auch nicht, dass Sie irgendwo belastbare Zahlen finden. Und was würden solche Zahlen überhaupt aussagen?«

»Wie meinen Sie das?«

»Buchstäblich jeder verlegt hier alles. Das geht von Gedichten über Autobiografien bis zu Science-Fiction-Romanen. Qualität sieht anders aus.«

»Qualität?«

»Es existieren doch keinerlei Filter. Keine Agenturen, die vorab Manuskripte prüfen, geschweige denn ein Lektorat. Abgesehen von der Word-Rechtschreibprüfung kümmert sich nichts und niemand um die Texte. Und nicht einmal die benutzt jeder. Wer bei Amazon veröffentlicht, sollte schon wissen, in welchem Umfeld er sich bewegt.«

»Sind Sie nicht ein wenig streng?«

Die Buchhändlerin rollt auf ihrem Stuhl ein Stückchen nach hinten, fasst sich an den Knoten, zu dem ihre Haare geschlungen sind, und sieht Hartenfels an. »Vielleicht«, räumt sie ein, »aber ich mag es nicht, wenn die Leute sich etwas vormachen.«

»Was denn?«

»Als würde jemand dadurch, dass er einen Text hochlädt, zum Schriftsteller. Und verkauft hat sich allein durch das Hochladen auch kein einziges Exemplar.«

»Es gibt doch sicher Ausnahmen?«

»Die gibt es immer.«

»Und? Ist Johannes Meister eine Ausnahme?«

Die Buchhändlerin zieht sich wieder an ihren Tisch und tippt auf der Tastatur. »Also, die Bewertungen bei Amazon sind mies, meist bloß ein oder zwei Sterne von fünf. Das Ranking ist auch unterirdisch«, meint sie, macht eine Pause und runzelt die Stirn, »und da ist noch eine Sache.«

»Was denn?« Hartenfels betrachtet die Buchhändlerin, die völlig versunken ist.

»Meister verlegt nicht bei Amazon, sondern bei einer anderen Plattform, die ihre E-Books über Amazon vertreibt. Habe ich auf den ersten Blick gar nicht bemerkt.«

Mein Gott ist das kompliziert, denkt Hartenfels und wünscht sich ein Buch aus Papier.

»Aber besorgen können Sie mir auch jetzt nichts von Meister?«, fragt er, um das Gespräch zu einem Abschluss zu bringen.

Die Frau blickt ihn an, ihre Augen hinter der schwarzen Brille sind groß und braun.

»Haben Sie einen E-Book-Reader?«, fragt sie.

»Ja«, antwortet Hartenfels, »soll im Urlaub ganz praktisch sein.«

»Stimmt«, sagt die Buchhändlerin und nickt. »Weil ich da ein paar Tricks kenne«, sie lächelt Hartenfels an, »lade ich Meisters Buch herunter und leite die Datei zum Selbstkostenpreis an Sie weiter. Was halten Sie vom ersten Band der Schwertmeister-Reihe?«

»Prima«, sagt Hartenfels, »wann wäre die Datei bei mir?«

»Geben Sie mir Ihre E-Mail-Adresse und es dauert nur ein paar Sekunden.«

»Na großartig«, sagt er und diktiert der Frau seinen privaten Kontakt, den sie gleich eingibt.

»Und los gehts«, sagt die Frau, während sie die Entertaste drückt, »Ihr Buch ist bei Ihnen.«

»Jetzt haben Sie aber gar nichts verdient?«, fragt Hartenfels, dem die Transaktion ein bisschen peinlich ist.

»Leider nein«, gibt die Buchhändlerin zu. »Aber vielleicht kaufen Sie zum Ausgleich ja noch etwas aus meinem Geschäft.«

Hartenfels nickt und stöbert ein wenig herum, wählt schließlich einen Maigret-Roman, Simenon mag er. Zumal er insgeheim findet, dass der französische Kommissar ihm ein bisschen ähnlich sieht, nur mit Pfeife und Haaren natürlich.

Hartenfels zahlt das reale und das virtuelle Buch und wird freundlich verabschiedet. Draußen dämmert es schon.

Kreuzberger Leichen

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