Читать книгу GEOCACHING 2.5 - Der neue EUROPARK in Oberstdorf - Dieter Krampe - Страница 7
Kapitel 1 - Danzig, Krantor 24.04. 19:00
ОглавлениеRobert Schibulsky streift langsam durch die Ulica Długa, die Langgasse. Da er die letzten Sonnenstrahlen dieses schönen Abends noch ein wenig genießen möchte, ist er etwas früher zum Treffpunkt mit Björn Ringhut und dessen Assistentin Maya Rohwedder von seinem Hotel aufgebrochen.
Die Lufthansa-Maschine LH 1644 war pünktlich um 16:08 Uhr auf dem Lech-Wałęsa-Flughafen in Danzig gelandet. Wegen seines schmalen Portemonnaies ist Robert mit dem Bus 110 gefahren und hat sofort in das „SCANDIC Gdansk“ gegenüber des Hauptbahnhofs eingecheckt.
Der Pensionär ist nun von dem malerischen Stadtbild der alten deutschen Stadt so angetan, dass er kurzfristig den Grund seiner spontanen Reise vergisst. Er muss unverzüglich den Standort des entführten Freundes seiner Enkelin Britta finden, und ist auf dem Weg zum Treffpunkt mit Björn Ringhut, der bereits entscheidende Fakten hier in Polen herausgefunden hat.
Schibulsky nimmt unverzüglich sein LG-Smartphone zur Hand und schießt zum ersten Mal damit Fotos. Das Goldene Tor, die Marienkirche, das Rechtstädtische Rathaus, der Neptunbrunnen, der leider aktuell in Restaurierung befindliche Artushof, das Grüne Tor.
Robert erreicht hinter diesem Grünen Tor die Mottlau, den Nebenfluss der Weichsel, die dann nach einer großen Schleife an der Westerplatte in die Ostsee mündet, dem Schauplatz, an dem der Zweite Weltkrieg mit dem Beschuss durch das deutsche Marinekadetten-Schiff „Schleswig-Holstein“ am 1. September 1939 begann.
Er wendet sich nach Norden und erkennt in zirka dreihundert Metern Entfernung das dunkelbraune Krantor, das Brama Żuraw, den ausgemachten Treffpunkt mit den GEOCACHING-Styling-Leuten.
Er schaut auf die Uhr: 18:45 Uhr. Es ist noch etwas zu früh, und er schlendert die Fußgängerpassage am Mottlau-Ufer entlang, betrachtet die Auslagen in den Geschäften und die Gäste vor den verschiedenen Restaurants. Witzig findet er den kleinen Schaukasten, in dem „Original Danziger Goldwasser“ feilgeboten wird. Dieser Gewürzlikör mit 40 % Alkohol und feinsten Goldplättchen wurde seit 1598 von der niederländischen Firma „Der Lachs“ hergestellt. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird das Original allerdings nur noch in Nörten-Hardenberg produziert, einem kleinen Ort in Norddeutschland.
Das gotische Häckertor (Brama Straganiarska) mit seinen hellbraunen Ziegeln und den beiden achteckigen Abschlusstürmchen wurde 1481/1482 errichtet und bildet den Abschluss der Häckergasse zur Mottlau.
Robert Schibulsky wirft einen Blick durch den großen spitzen Torbogen und entdeckt dabei eine kleine unscheinbare Gedenktafel.
Er tritt näher an das gräuliche Schild heran. Ein breites Lächeln lockert das ernste Mienenspiel des pensionierten Hauptkommissars aus Bielefeld auf.
Er blickt noch einmal zum Krantor, ob er Björn Ringhut und Maya Rohwedder dort bereits ausmachen kann. Aber sie scheinen noch nicht vor Ort zu sein. Die Abendsonne lässt das Krantor friedlich erstrahlen.
Er holt seine Lesebrille aus der Westentasche und betrachtet nachdenklich die Gedenktafel. Was steht hier auf der Gedenktafel: Zbyszek Cybulski.
Tatsächlich, da steht sein Name. Nur in seltsamer, für ihn ungewohnter Schreibweise. Noch ganz in Gedanken versunken, vernimmt er plötzlich ein Klicken, ein Klicken aus mindestens fünfzig Metern Entfernung, ein Klicken, das er in seiner Dienstzeit als Hauptkommissar in Bielefeld bedauerlicherweise mehrmals gehört hatte.
Irgendwo hinter ihm wird gerade ein zerlegbares Gewehr zusammengesetzt. Robert dreht sich langsam um und schaut dabei zunächst unauffällig in den Himmel. Es sieht so aus, als verfolge er aufmerksam ein imaginäres Flugzeug. Dann senkt er blitzschnell den Blick. Auf der anderen Seite des Flusses blitzt neben dem Marinemuseum „Sołdek" im hellen Licht der letzten Sonnenstrahlen ein Gewehrlauf auf. Robert reagiert intuitiv und wirft sich augenblicklich auf die rechte Seite, gleichzeitig peitscht ein Schuss über die Wasserfläche.
Robert kracht mit voller Wucht mit seinem Schädel an die Innenkante des Backsteintorbogens. Schlagartig verdunkelt sich die Umgebung. Auch die Umweltgeräusche entfernen sich immer weiter. Alles wird rot, dann schwarz, alles verstummt. Grabesstille. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein.
* * * * *
Björn Ringhut springt athletisch aus dem Schatten des Krantors auf die Długie Pobrzeże, als der Knall der Gewehrkugel an sein Ohr gelangt. Gerade war der Sicherheitschef der CHAT Medical noch entspannt und wartet geduldig auf das Erscheinen seines Partners. Mit größter Zuversicht glaubt er an eine erfolgreiche Mission. Sie würden den entführten Gregor-Maria zu Hohenstein ausfindig machen und schnell wieder in seine Heimat zurückbringen. Und er wird eine unverschämt hohe Belohnung von der Gräfin im Allgäu einkassieren.
Jetzt wird ihm in einer Hundertstelsekunde klar, der Job wird schwerer, viel, viel schwerer. Denn wie es scheint, ist der Gegner gut gewappnet und im Bilde, dass ihm Verfolger auf den Fersen sind.
Genau auf der anderen Seite des Flusses erspähen seine Adleraugen eine Bewegung auf dem Schiff, das vor dem Schifffahrtsmuseum vor Anker liegt. Dort verschwindet ganz langsam gerade der Lauf eines Jagdgewehres hinter dem schwarzen Schornstein des Museumsschiffs „Sołdek“.
Sofort wirft der Sicherheitschef seinen Kopf herum und blickt in Richtung Robert Schibulsky, den er gerade noch am Häckertor gesichtet hatte. „Warum bleibt der Ex-Hauptkommissar denn dort stehen?“, hat Ringhut sich gerade noch gefragt. Doch der liegt jetzt auf dem Asphalt, der Oberkörper dreht sich unter den Torbogen und bleibt regungslos auf dem Rücken liegen.
Ringhut greift unbewusst zu seinem Smartphone und drückt die eingegebene Telefonnummer. Maya Rohwedder ist sofort am Apparat. „Ja, Björn, ich bin ja gleich da. Ich hänge hier noch am „Brama Stągiewna“ im Stau. Aber ich bin bestimmt gleich bei euch am „Krantor“.“
„Stopp erst mal, Maya. Hier gibt es Probleme. Ich glaube, es wurde hier gerade auf Schibulsky geschossen. Der Schütze befindet sich noch am Marinemuseum. Auf der anderen Flussseite. Versuche ihm den Weg abzuschneiden! Ich muss mich jetzt um Schibulsky kümmern!“ Ringhuts Stimme überschlägt sich. Er vergisst, das Handy auszuschalten. Maya vernimmt daher eindeutig, dass ihr Chef nun mit schnellen Schritten läuft.
„Marinemuseum?“, fragt sich Maya, ohne eine Antwort von ihrem Spiegelbild im Rückspiegel des „VARIOmobils“ zu erwarten. Blitzschnell gibt sie in ihr Navi den gesuchten Ort ein. Eine sonore Männerstimme erklärt augenblicklich: „Sie erreichen ihr Fahrziel in dreihundertsechzig Metern.“
„Was für ein Glück!“, ruft Maya und kann kaum glauben, dass sie nur noch rechts in diese Straße einbiegen muss. Sie schert aus der Autoschlange aus, überholt zwei Pkw und biegt mit quietschenden Reifen in die „Szafarnia“- zu Deutsch „Speisekammer“ - ein. Sie rast am Pier des Sportboothafens entlang.
Kurz vor der Brücke zur kleinen Insel „Ołowianka“ („Bleihof“) steigt Maya in die Eisen. Die Räder ihres Trucks blockieren. Das Gefährt kommt gerade zehn Zentimeter vor der Wand des Hotels Üodewils zum Stehen.
Sie hat auf der anderen Seite neben dem Marinemuseum einen Mann erspäht, der mit Jogging-Kleidung und großer Sporttasche gerade in ein Motorboot springt, das neben der kleinen Personenfähre am Ufer liegt.
Der Mann ist mindestens zwei Meter groß, wiegt bestimmt zweieinhalb Zentner, ist aber bei aller Wucht äußerst beweglich und sportlich. Er wirft die Tasche in den Bug des offenen Konsolenboots der Marke „Quicksilver Active 505“. Er startet den Außenbootsmotor der ca. fünf Meter langen Yacht.
Maya Rohwedder springt aus dem Caravan, erkennt aber sofort, dass sie den Hünen nicht aufhalten kann. Daher springt sie zurück in den Wagen, greift sich das lange Blasrohr, das sie sich von einer Abenteuertour am Amazonas als Andenken mitgebracht hat und als einziger persönlicher Gegenstand der Informatik-Studentin eher das Ambiente des Business-Trucks zerstört hatte. Sie schiebt eine Klebstoffpatrone ein und drückt den Peilsender in die weiche Masse, den ihr Chef gerade erst gestern von einem Freund erhalten hatte. Zum Glück hängt alles griffbereit unter dem Armaturenbrett.
Als sie wieder auf die Straße zurückspringt, braust das Motorboot mit dem flüchtenden Mann gerade an ihr vorbei in Richtung „Brama Stągiewna“ („Milchkannentor“).
Maya reißt ihr Blasrohr nach oben, zielt hinter dem Boot her und bläst mit voller Kraft. Trotz des lauten Motorgeräusches kann sie das Ploppen hören, mit dem der Sender am Heck des „Quicksilvers“ auftrifft.
An eine Verfolgung des Bootes ist im Moment wegen des starken Verkehrs nicht zu denken. Aber die Hoffnung bleibt, den Peilsender später wieder auffinden zu können.