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Prolog Das Wunder von Maintal

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Plötzlich war Licht um mich. Weißes, grelles Licht. Wo war ich? Auf dem Weg ins Jenseits? In eine andere Welt? Menschen, die als klinisch tot galten, dann ins Leben zurückgefunden hatten, erzählen davon: Licht am Ende des Tunnels, Treffen mit Verstorbenen, übernatürliche Begegnungen … Und nun blickte ich in dieses grelle Licht.

Aber ich glitt in keinen Tunnel hinein und fuhr durch keine Öffnung ins Jenseits. Ich lag in einem gewöhnlichen Bett.

Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Helligkeit, und ich nahm eine graue Zimmerdecke wahr. Das Bett war von Monitoren umstellt, Kabel und Schläuche hingen an mir herunter. Mein Kopf brummte, in meinem Brustkorb brannte es.

Ich wollte diese Kabel unbedingt loswerden und sie mir vom Leib reißen, aber als ich danach griff, in einer völlig unerwarteten Langsamkeit, trat eine Frau in weißem Kittel vor mich, legte meine Hand behutsam zurück auf die Bettdecke und lächelte mich an.

„Herr Müller, alles in Ordnung. Sie sind in der Kardiologischen Klinik Hanau. Sie waren fünf Tage im Koma. Alles wird gut.“

Meine Gedanken stockten, ich hatte Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. Dann erkannte ich die zwei Menschen, die mir in meinem Leben am nächsten stehen: Johanna, meine langjährige Lebensgefährtin, und Annemarie, meine Tante, die mir wie eine Schwester ist.

„Du hattest einen Herzstillstand“, sagte Johanna. Sie hielt meine Hand und kämpfte mit den Tränen. „Kannst du dir das vorstellen, 31 Minuten lang …“

Wie konnte das sein? Wie kann man überleben, ohne dass das Herz schlägt, 31 Minuten lang?

In den nächsten Tagen realisierte ich, dass es tatsächlich an ein Wunder grenzte. Zehn Minuten Herzstillstand bedeuten den Exitus, danach, so die Lehrmeinung, sind die Schäden im Gehirn wegen mangelnder Sauerstoffzufuhr irreparabel. Eigentlich hätte ich ein Pflegefall sein müssen oder gar nicht mehr aus dem Koma aufwachen dürfen. So wie Heinz Flohe, mein einstiger Mitspieler beim FC Köln, der drei Jahre im Koma lag, bevor er starb.

Ich überlebte und wurde gegen jede Wahrscheinlichkeit wieder gesund. Ich war dem Tod von der Schippe gesprungen.

Für meine Angehörigen waren es weitaus schlimmere Tage. Einem geliebten Menschen fünf Tage lang zuzuschauen, wie er ums Überleben kämpft, ist eine Qual.

Der Tod ist ein furchtbarer Begleiter. Ich weiß, wovon ich rede. Tod und Verlust spielten in meinem Leben eine viel zu große Rolle. Einige von mir sehr geliebte Menschen gingen viel zu früh, vor allem mein Sohn, der mit nur 16 Jahren einem Gehirntumor erlag.

Nach drei Monaten im Krankenhaus durfte ich nach Hause zurückkehren. 2012 sollte es noch nicht so weit sein, ich sollte einfach noch nicht sterben. Das Schicksal hatte etwas anderes mit mir vor, mein Leben sollte weitergehen.

Ich hatte großartige Momente, vor allem auf dem Fußballplatz. Ich war mit dem 1. FC Köln Deutscher Meister und Pokalsieger, zweimaliger Bundesliga-Torschützenkönig, Nationalspieler, und bis heute bin ich der einzige Spieler, in einem Bundesligaspiel dem sechs Tore gelangen.

Ich wusste, wie man eine gegnerische Abwehr auseinandernimmt – doch den Schicksalsschlägen des Lebens stand ich mehr als einmal ohnmächtig gegenüber.

Davon möchte ich in diesem Buch erzählen: von den Schicksalsschlägen in meinem Leben und davon, wie ich aus ihnen positive Energie gewann, wie ich es schaffte, den Mut nicht zu verlieren und dankbar für all das Schöne zu bleiben, das ich als Fußballer und als Mensch erleben durfte.

Meine zwei Leben

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