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2 Prolog – Kaiser Otto der Große 2.1 Die Person Ottos I.
ОглавлениеDie erste Frage, die immer wieder gestellt wird, ist die nach dem Aussehen Ottos des Großen. Zeitgenössische Darstellungen gibt es nicht. Im Mittelalter fehlte die uns heute so selbstverständliche Neigung, allen ein Bild im Sinne einer Abbildung eines Individuums hinterlassen zu müssen. Selbst die Darstellungen auf den Siegeln, die in der Regierungszeit Ottos I. geschnitten wurden, geben keine genaue Auskunft über das Aussehen des Herrschers. Auch wenn die Kaisersiegel ein deutlich anderes Bild zeigen, so zeigt allein die Tatsache, dass dieser Siegelschnitt auch von Otto II. benutzt wurde, die allgemeingültige Darstellung eines Herrschers und nicht einer bestimmten Persönlichkeit. Dies ist noch deutlicher bei den Abbildungen auf den Münzen. Hier ist lediglich eine nicht näher zu identifizierende antikisierende Darstellung zu sehen.
Doch wer war nun Otto der Große, dieser neue Herrscher in Europa, bzw. wie war er?
Unter ihnen [den Söhnen Heinrichs, d. Verf.] erglänzte als Erster,
dem Morgenstern gleichend,
Otto, sein Wesen im Glanz der Vollkommenheit strahlend;
ihn hatte Gott, der Allmächtige in weiser Voraussicht
als den Beschützer des christlichen Volkes ersehen.
Ältester nach Geburt, war auch an Verdiensten er größer,
so wie sich’s ziemt für den, der die Krone geerbt hat.
Nicht bedarf ’s vieler Worte, um hier die bewährte
Tugend des Jünglings zu loben, sein vorbildlich Wesen;
ihn bedachte Christus noch kürzlich mit außergewöhnlichen Ehren,
als er die höchste Herrschaft ihm rechtens verliehen
über das stolze Rom, das von jeher des Erdkreises Haupt war.
Auch die Barbaren hält er mit Christi Hilfe im Zaume,
die des öfteren früher zerfleischten die heilige Kirche.4
Geboren wurde Otto am 23. Oktober 912 vermutlich in der Pfalz Wallhausen im heutigen Landkreis Sangerhausen, in der im Jahre 909 auch seine Eltern geheiratet hatten.5 In der Vita Mathildis antiquior, der älteren Lebensbeschreibung seiner Mutter Mathilde, heißt es:
Der älteste Sohn, nach dem Großvater Otto genannt, der von milderem, gütigerem Wesen als die anderen, des Volkes Herz gewonnen hatte, übernahm nach dem Tode des Vaters Krone und Reich. Ihm wurde aus dem Land der Angelsachsen als Gemahlin Edith zugeführt, die schön war von Gestalt, von Gemütsart aber über alles vortrefflich.6
In der jüngeren Vita wird er dagegen nur mit dem kurzen Satz
Der herrliche, vor dem Regierungsantritt geborene Otto, ist der älteste gewesen, ansehnlich von Gestalt, von Sitten trefflich.7
beschrieben. Es folgt nun aber eine sehr ausführliche Beschreibung des jüngeren Bruders Heinrich. Dies, der Einschub vor dem Regierungsantritt geborene und die eher lapidare Beschreibung Ottos sind allerdings Teil einer politischen Positionierung des Autors und des Auftraggebers der Vita Mathildis posterior im Konflikt um die Thronfolge Ottos, auf die im weiteren Text noch eingegangen wird.8
Es fehlen in den Viten und Historiographien, wie zu erwarten, konkrete Beschreibungen seines Aussehens und seines Wesens. Besonders glühend ist die Darstellung durch Thietmar von Merseburg zu Beginn des zweiten Buches seiner Chronik:
Otto, die Zierde des Reiches, entsprossen aus edlem Geschlechte, Sohn König Heinrichs, erglänzte schon frühe in herrlichen Taten, Die ihm ein Anrecht gaben, des Vaters Thron zu besteigen.9
Dieser Text stellt nun allerdings eine formelhafte Einleitung zur folgenden Beschreibung der Ereignisse dar, nicht eine konkrete Beschreibung Ottos.
Bei Widukind von Corvey wird er mit „der Liebling der Welt, namens Otto“10 eingeführt. Etwas später heißt es zur Charakterisierung, Heinrich „hinterließ einen Sohn, noch größer als er selbst, und diesem Sohn ein großes, weites Reich, (…).“11 Zu Ottos Tode vermerkte Widukind:
Das Volk aber sprach viel zu seinem Lobe in dankbarer Erinnerung, wie er mit väterlicher Milde seine Untertanen regiert und sie von den Feinden befreit (…).12
Dem Charakter Ottos widmete Widukind von Corvey dann allerdings ein ganzes Kapitel „XXXVI De concordia fratrum et moribus eorum et habitu“:
Er selbst also, der großmächtige Herr, der älteste und beste der Brüder, war vor allem ausgezeichnet durch Frömmigkeit, in seinen Unternehmungen unter allen Sterblichen der beständigste, abgesehen von dem Schrecken der königlichen Strafgewalt immer freundlich, im Schenken freigebig, im Schlafen mäßig, während des Schlafes redete er immer, so daß es den Anschein hatte, als ob er stets wache. Seinen Freunden war er in allem willfährig und von übermenschlicher Treue. Denn wir haben gehört, daß einige Angeklagte und ihres Verbrechens Überführte an ihm selbst einen Rechtsbeistand und Fürsprecher hatten, der durchaus an ihre Schuld nicht glauben wollte und sie auch nachher so behandelte, als ob sie nie etwas gegen ihn verbrochen hätten. (…) Auf die Jagd ging er häufig, liebte das Brettspiel, übte zuweilen die Anmut des Reiterspiels mit königlichem Anstand. Hierzu kam noch der gewaltige Körperbau, der die volle königliche Würde zeigte, das Haupt mit dem ergrauenden Haar bedeckt, die Augen funkelnd und wie ein Blitz durch plötzlich treffenden Blick einen eigenen Glanz ausstrahlend, das Gesicht rötlich und der Bart reichlich niederwallend, und zwar gegen den alten Brauch. Die Brust war wie mit einer Löwenmähne bedeckt, der Bauch nicht zu voll, der Schritt einst rasch, jetzt gemessener; seine Kleidung die heimische, die er nie mit fremder Sitte vertauscht hat.
So oft er aber die Krone tragen mußte, bereitete er sich, wie man für wahr versichert, stets durch Fasten vor.13
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Beschreibung Ottos. Der „gewaltige Körperbau“, der „die volle königliche Würde zeigte“ und „das Haupt mit dem ergrauenden Haar“ erklingen auffallend ähnlich einer anderen Beschreibung.
Er war von breitem und kräftigem Körperbau, hervorragender Größe, die jedoch das richtige Maß nicht überschritt (…) das Oberteil seines Kopfes war rund, seine Augen sehr groß und lebhaft, die Nase ging etwas über das Mittelmaß, er hatte schönes graues Haar und ein freundliches, breites Gesicht. So bot seine Gestalt im Stehen wie im Sitzen eine höchst würdige und stattliche Erscheinung, (…).14
Auch hier bei der Beschreibung Karls des Großen erscheinen die hervorragende Körpergröße, die königliche Haltung und das ergraute Haar. Könnte es also sein, dass es sich bei der Beschreibung Ottos um eine idealtypische Darstellung eines Herrschers in der Tradition des Einhard handelt, der mit den zitierten Worten seinen Herrscher Karl den Großen beschrieb? Dies ist wahrscheinlich, auch wenn einige Historiker der älteren Generation in der Beschreibung Widukinds immer noch die Beschreibung der tatsächlichen Erscheinung Ottos sehen.
Ebenso verherrlichend wie bei Widukind von Corvey ist die Darstellung Liudprand von Cremonas. Zu Beginn seines Kapitels über Otto setzte er eine Ode an den Herrscher:
König Otto, heidnischer Wut Bezwinger,
Dessen Kraft euch bringt den ersehnten Frieden.
Was mit Heinrichs Hoheit der Tod uns raubte,
beut uns seines herrlichen Sternes Aufgang,
Gütig, mild, voll sanfter Geduld des Guten,
Schonungslos den Bösen Verderben bringend,(…).15
So sanft wie geschildert war Otto nun bestimmt nicht, das zeigen seine Taten. Ebenso überschwänglich wie Liudprand schilderte Ruotger in seiner „vita sancti Brunonis archiepiscopi Coloniensis“ den Herrscher:
Als dann sein Vater, nachdem er das Reich gesichert und vollständig befriedet hatte, gestorben war, trat Otto, sein ältester Sohn, gestärkt mit dem Segen des Herrn und gesalbt mit dem Öl der Wonne, mit freudiger Zustimmung der Fürsten die Regierung an. Das war im 188. Lustrum, im 63. Zyklus der Indikation nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus. Er war der Mann, dem der Geist Gottes die Gabe der Wahrheit und Treue in einzigartigem Ausmaß verliehen hatte. Verspräche ich, alle seine Vorzüge schildern zu wollen, so würde ich mir über die Maßen viel vornehmen und mich unmöglich machen. Denn sein Lob und Ruhm übersteigt, was selbst ein Cicero seiner Beredsamkeit zutrauen dürfte.16
Der spätere Kaiser Otto, schon zu Lebzeiten „der Große“ genannt, hatte erst in späten Jahren „die Buchstaben“ gelernt.
Seine Geistesgaben waren bewunderungswürdig, denn nach dem Tod der Königin Edith lernte er die Buchstaben, die er vorher nicht kannte, so gut, daß er Bücher vollständig lesen und verstehen konnte. Außerdem verstand er in romanischer und slawischer Sprache zu reden.17
So schilderte es Widukind von Corvey. Auch des Lateins war Otto nicht mächtig, er brauchte einen Dolmetscher – z.B. seinen Sohn Otto II.
Der Brief [das Empfehlungsschreiben Abt Purchards von St. Gallen, d. Verf.] wurde verlesen; Otto aber [II., d. Verf.] vermittelte seinen Inhalt Vater und Mutter, indem er ihn als getreuer Übersetzer in sächsischer Sprache wiederholte (…).18
Doch der Bereich rechts des Rheins war weitgehend „reges illitterati“,19 wie es Hartmut Hoffmann ausgedrückt hat. Auch Konrad I. und Heinrich I. hatten keine lateinische Ausbildung genossen. Im Gegensatz dazu stand die Ausbildung Ottos II. Sein Lehrer war z.B. Erzbischof Willigis.20 Otto II. ließ vermutlich 980 zwei der bekanntesten Gelehrten seiner Zeit, Gerbert und Othrich, die in einen Disput geraten waren, zu sich nach Rom laden, wo sie, in Anwesenheit anderer gelehrter Männer, ihren Streit austragen sollten. Der westfränkische Historiograph Richer berichtete ausführlich von dieser Diskussion und zitiert alle Beteiligten ausführlich. Moderiert wurde das Streitgespräch durch Otto II., der in lateinischer Sprache mitdiskutierte.21 Schon an dieser Tatsache lässt sich der Kultursprung zwischen Otto I. und seinem Sohn Otto II. festmachen. Ein weiterer Anhaltspunkt stellt das Geschenk dar, das Otto I. vermutlich in den dreißiger Jahren an seinen Schwager Aethelstan gesandt hatte. Es handelte sich um eine Handschrift, ein Evangeliar,22 das als Gegengeschenk für eine Handschrift aus England23 in den Norden ging. Beide Handschriften waren älter und nicht erst zu diesem Zweck geschrieben. Die aus Sachsen kommende war vermutlich ein karolingisches Evangeliar, das Aethelstan erst durch Hinzufügen eines goldenen, edelsteinbesetzten Deckels und goldenen tituli in einen Zustand versetzen zu müssen glaubte, der es ihm ermöglichte, das Evangeliar in die Kirche von Canterbury zu geben.24 Dies heißt, dass bei einem solch repräsentativen Geschenk eine eher schmucklose Handschrift genommen wurde, also die Notwendigkeit aufwendig illuminierter wohl nicht gesehen wurde. Bekannt allerdings mussten sie gewesen sein, die Karolinger hatten genügend aufwendig gestaltete Handschriften hinterlassen. Aus dem bisher geschilderten wird deutlich, dass Otto I. am Beginn einer kulturellen Blütezeit stand, die bedeutende Kunstwerke hervorgebracht hat. Erst der Kontakt mit Italien schien aber eine Art Initialzündung bei dem Liudolfinger ausgelöst zu haben, da er erst jetzt in großem Maßstab Kunst aus Italien nach Sachsen bringen ließ und vermutlich auch Künstler in den Norden zog. Die Tafeln des sogenannten ‚Magdeburger Antependiums‘, diese Elfentafeln, die vermutlich den Altar im Magdeburger Dom schmückten, sind nur ein beredtes Beispiel dafür.
Illuminierte Handschriften und besondere Urkunden waren in der Zeit des frühen Mittelalters wichtiger Teil der Selbstdarstellung eines Herrschers, sie machten einen Teil dessen aus, wie er sich den Zeitgenossen und den Nachkommen zu präsentieren wünschte. Somit sind zwei weitere Urkunden aus der Spätzeit Ottos des Großen interessant für die Betrachtung seiner Persönlichkeit. Dies ist zum einen die sogenannte Heiratsurkunde der Theophanu vermutlich aus dem Jahr 972/973 und zum anderen die Urkunde, die die Privilegien des Papstes aus Anlass der Kaiserkrönung Ottos festschrieb. Schon im Jahre 962 zeigt die Gestaltung dieser Prunkurkunde, des Ottonianums, einen Wandel. Den Schritt in eine neue Richtung vollzieht dann allerdings die genannte Heiratsurkunde, die Otto II. seiner Gemahlin Theophanu im Jahre 972 ausstellen ließ.25 Diese Prunkurkunde, eine lange Purpurrolle, mit reich gemustertem Grund, von einem Fuldaer Kalligraphen mit Goldtinte beschrieben, von einem Meister des Registrum Gregorii bemalt, geht zwar auf die Zeit Ottos I. zurück (der Rotulus ist bereits zur Zeit der Hochzeit angefertigt gewesen), macht aber die neue Ära unter Otto II. deutlich.26 Noch deutlicher wird diese neue Zeit bei mehreren Handschriften, die die Kaiserin Theophanu in Auftrag gegeben hat. Eine davon ist das Prachtsakramentar von Chantilly,27 vom gleichen Schreiber wie der Egbertcodex geschrieben, von einem Meister des Registrum Gregorii (Zier- und Bildseiten) ausgemalt. Leider sind keine griechischen Bücher aus dem Besitz der Kaiserin Theophanu erhalten, so sind die genannten Handschriften die einzigen Belege für den Luxus und die Kultur, die in der Zeit Ottos II. und seiner Frau Theophanu Einzug gehalten hatten.
Es ist übrigens interessant, dass Otto in den Darstellungen anderer Länder nicht die Aufmerksamkeit bekommen hatte, die ihm anhand seiner geschichtlichen Bedeutung aus unserer heutigen Sicht zugestanden hätte. In den wichtigsten angelsächsischen Historiographien ist er kaum oder gar nicht erwähnt. Überhaupt ist wenig Aufmerksamkeit den kontinentalen Belangen geschenkt worden. Die zweite Erwähnung (die erste ist ein Halbsatz, der die Eheschließung einer der Töchter Edwards mit „Othoni imperatori“ erwähnt) Kaiser Ottos bezieht sich auf die Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in ‚Europa‘.
In isto cœpit imperium transire a Francis ad Teutonicos sive Alemannos quia, Lodowico istius prædecessore non valente defensare Romanos contra Langobardos, transiit imperium a Francis, et sic duo imperabant, unus in Alemannia, alius in Italia, usque ad Othonem primum qui utrobique imperavit.28
Die nächste Erwähnung bezieht sich schon auf Heinrich.
Henricus filius Othonis Saxiniæ regnavit octodecim annis super Alemannos, non tamen in Italia, ideoque non annumeratur inter imperatores. Hic devicit Hungaros, et convertit ad fidem ducem Normanniæ Willelmum Longa Spata.29
Die letzte Erwähnung des Kaisers Otto bezieht sich auf eine Eheschließung König Ethelstans mit „einer weiteren Tochter Kaiser Ottos“:
Copulavit etiam rex Ethelstanus et aliam surorem suam Othoni imperatori (…)30
Damit sind alle Erwähnungen aufgelistet. Allerdings ist es nach näherer Betrachtung nicht verwunderlich, dass Daten und Ereignisse außerhalb des eigentlichen Erzählungsbereiches nicht weiter dargestellt wurden. Nimmt man die Historiographen des ‚locus teutonicorum‘, dann lassen sich dort Ereignisse z.B. aus Skandinavien und dem angelsächsischen Raum ebenso wenig und selten finden. Dagegen ist es schon verwunderlich, wenn in einer anderen zentralen Chronik der Insel sich keinerlei Hinweise auf die Tochter/Schwester des angelsächsischen Königs bzw. auf deren Gatten findet.31 Beiden Geschichtswerken ist gemeinsam, dass sie neben der ausführlichen Darstellung der Ereignisse in den Königreichen der Insel auch auf Geschehnisse eingehen, die mit den zeitweiligen Königen der Insel, den Dänen, zusammenhängen. Die Geschichte zwischen Überfällen der Dänen und ihren Herrscherzeiten auf der Insel scheint diese Skandinavier wichtiger und interessanter gemacht zu haben, so dass sie (in Form ihrer Anführer und Könige) Einzug in die Historiographie gehalten haben. Diese Rolle und Bedeutung hatte der „rex Lothariensium, Francorum atque Germanensium“32 nicht.