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2.2 Ottos Mutter Mathilde

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Wie im Leben eines jeden Menschen ist die Mutter wohl eine der prägendsten Personen. Bei der Mutter Ottos I. handelte es sich um eine außerordentlich engagierte und starke Frau. In ihrer Vita pries der Autor Mathilde als eine Frau,

deren lichtvolles Leben mit Recht nachahmenswert und deren Tugend desto rühmlicher ist, je gebrechlicher ihr Geschlecht.33

Die Gemahlin Heinrichs wurde in eine ehrwürdige Verwandtschaft gestellt.

Sie stammte nämlich aus dem Geschlecht Widekinds, des Herzogs von Sachsen, der ehedem in böser Geister Irrwahn befangen, aus Mangel an Predigern vor Abgöttern betete und die Christen nachdrücklich verfolgte. (…)

Von seinen Nachkommen, seit sie dem christlichen Bekenntnis sich ergaben, entsprang der Vater des vorgedachten Mädchens, Tiederich genannt, mit welchem die hochadelige Frau Reinhild, aus friesischem und dänischem Geschlechte, vermählt war. (…)

Als dieses Herzog Otto erfahren hatte, sandte er den Grafen Thitemar, Lehrer des Heinrich, zu erkunden, ob die Jungfrau so schön und rühmlich sei, wie die Sage ging. (…)

Da trat sie hervor, auf den schneeigen Wangen mit der Flamme Röthe übergossen; und als wären glänzende Lilien gemischt mit rothen Rosen: solche Farben bot sie auf ihrem Angesicht.34

Diese Schilderung entspricht nun gewiss nicht den wahren Begebenheiten, schließlich wurde vom Autor der Mathildenvita zur Schilderung der nachfolgenden Szene sogar Virgil hinzugezogen.35 Die Tatsache aber, dass Mathilde eben von sächsischen Großen abstammte, die noch dem heidnischen Glauben anhingen, bleibt allerdings bestehen. Dieses „Manko“ aus streng christlicher Sicht blieb an ihr haften und bewog wohl auch die Chronisten, ihre Frömmigkeit in so besonderer Weise herauszustreichen.

Widukind, der sie als „herrliche und edle und an Klugheit unübertroffene Königin“ bezeichnet, beschrieb ihre Abkunft:

Die Frau Königin selbst war eine Tochter Thiadrichs, und dessen Bruder waren Widukind, Immed und Reginbern. Das ist der Reginbern, der gegen die Dänen kämpfte, die lange Zeit Sachsen veheerten, sie besiegte und das Vaterland bis auf den heutigen Tag von ihren Einfällen befreite. Und diese waren aus dem Stamme des großen Herzog Widukind, der einen gewaltigen Krieg gegen den großen Karl fast dreißig Jahre führte.36

Hier nun allerdings fehlt der Hinweis auf die Tatsache, dass ihr Vorfahr Widukind noch heidnischen Glaubens war. Auch Liudprand von Cremona stellt die besondere Frömmigkeit Mathildes heraus, wenn er zum Tode König Heinrichs schrieb:

Daselbst [in Quedlinburg, d. Verf.] ist auch seine ehrwürdige Gattin, die Teilhaberin seiner Herrschaft, Mathilde, demselben Volk entsprossen, eifriger als irgendeine Frau, die ich je gesehen oder von der ich gehört habe, ohne Unterlaß bestrebt, zur Sühne seiner Sünden feierliche Totenämter halten zu lassen und dem Herrn ein lebendes Opfer darzubringen.37

Da diese fromme Frau und Mutter aber ihren jüngeren Sohn Heinrich und nicht Otto, den älteren, bevorzugte, war der Konflikt zwischen den beiden Söhnen vorprogrammiert.

Heinrich aber, auf königlichem Thron zur Welt gekommen, war an Jahren der jüngere, doch der geringere nicht an innerem Vorzug. (…). Als wäre er ihr Einziger, so wandte sie alle Liebkosungen auf ihn, gab ihm in ihrer Zuneigung den Platz vor den anderen Kindern und wünschte sehnlich, daß er, wenn anders die Erfüllung ihres Willens Gott gefiele, nach dem Tode des gepriesenen Königs Heinrich ans Reich käme.38

Diesen Vorsatz, den Sohn Heinrich gegen den Willen ihres Gatten auf den Thron zu bekommen, versuchte sie in der Folgezeit zu realisieren.

Allein der Schöpfer aller Übel, der böse Feind, verlockte einige Fürsten, dem Könige wie ihren übrigen Kindern zu hinterbringen, dass sie gar ansehnliche Geldsummen verborgen halte, die sie hätte ausliefern müssen. Und jene, gereizt von der unersättlichen Habgier, die nicht der eigenen Anverwandten Schonung duldet, nötigten sie, die heimlich aufgehäuften Schätze, die sie an Kirchen und Dürftige im Namen Christi verteilte, herauszugeben.39

Doch nicht nur die Königinmutter Mathilde wurde nach der Schilderung der Vita auf solch harte und ungerechte Weise bedrängt.

Und ertappten sie die Träger einer wertvollen Sendung – denn die von Gott geliebte Königin ließ in der Tat es sich angelegen sein, was zurückgeblieben, der Hand Christi darzubringen – so wurden die Diener mit Unehren behandelt, gewaltsam der Bürde beraubt und leer entlassen.40

Der nächste Schritt König Ottos war laut Vita dann eine erzwungene Veränderung des Lebensumfeldes der Königinmutter – sie musste den Schleier nehmen.

Durch diese und gar viele andere schmerzliche Beleidigungen drängte man die Königin, selbst denjenigen Teil des Reichsgutes, der ihr als Brautschatz zugefallen war, zu verlassen, ins Kloster zu gehen, den heiligen Schleier zu nehmen.41

Doch es ging in diesem Konflikt zwischen Mutter und Sohn wohl doch nicht nur um das Geld oder Teile des Wittums. Denn der Autor der älteren Mathildenvita legt Königin Edgith die Forderung in den Mund, seine Mutter an der Herrschaft zu beteiligen.

Da trat Königin Edith frommen Angedenkens zu ihm [König Otto, den Plagen als göttliche Strafen trafen, d. Verf.] und sagte: ‚Es gräme sich mein Herr König nicht! Denn himmlische Strafen sind es, die dich betroffen, weil die beste Mutter gleich einer Fremden von der Regierung verdrängt. Möge daher die Allerfrömmste zurückgerufen werden, auf daß sie nach Gebühr als Erste der Herrschaft teilhaftig sei!‘42

Beide Mathilden-Viten berichteten dann von der Versöhnung von Mutter und Sohn, die eine Rückkehr der Mutter in alte Rechte zur Folge hatte. Die zweite Erwähnung Mathildes in den res gestae Saxonicae ist die Ernennung Heinrichs zum Herzog von Bayern im November 947, trotzdem er zuvor den Aufstand gegen Otto geführt hatte und ihn Ostern hatte ermorden wollen. Da, so Widukind von Corvey, gedachte der Sohn Otto „auf die Ermahnung und Vermittlung seiner ehrwürdigen Mutter“43 seinem Bruder zu vergeben. Die Tatsache, dass diese Formel in verschiedenen Berichten auftaucht, belegt die Wahrscheinlichkeit, dass hier in der Tat Mathilde als Vermittlerin tätig war. Auf der anderen Seite zeigte Otto in verschiedenen Situationen, dass er neben dem Führen von Kriegen und Bestrafungen auch die Besetzung von wichtigen Stellen durch ehemalige Widersacher als politisches Mittel einsetzte, um politischen Gewinn zu erzielen.

Zwar etwas knapper, aber auch ausgesprochen direkt stellt Thietmar von Merseburg die Mutter Ottos I. heraus. Über die Eheschließung zwischen Heinrich und Mathilde schrieb er:

Indessen war Tammo [gemeint ist Thankmar, d. Verf.] geboren worden. Aber die Liebesleidenschaft des Königs zu seiner Gemahlin nahm ab; heimlich erglühte er ob ihrer Schönheit und ihres Vermögens für die junge Mathilde, und bald brach dann auch dieses Feuer der verborgenen Liebe hervor; er gab schließlich zu, sich durch die unrechtmäßige Ehe schwer versündigt zu haben, und ließ durch Verwandte und Werber die Tochter Dietrichs und der Reinhild aus dem Stamme Widukinds bitten, seinem Wunsche nachzugeben. Nun ist des Weibes Sinn nachgiebig, und da sie seine Vortrefflichkeit in allem kannte, willigte sie ein und wurde ihm als seine Gemahlin in religiösen wie in weltlichen Dingen wertvoll.44

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die erste Ehe, mit einer verwitweten Frau, die er erst aus dem Kloster hatte holen müssen, für ihn doch sehr lukrativ war. Heinrich ließ sich scheiden, ihr Vermögen allerdings behielt er trotzdem.

Erstaunlich ist der Bericht Widukind von Corveys über das Ableben der Königin Mathilde. Dieser Bericht fiel überraschend ausführlich aus:

Als er [Erzbischof Wilhelm von Mainz, der als Statthalter Ottos in seiner Abwesenheit Sachsen verwaltete, d. Verf.] gehört hatte, daß die Mutter des Kaisers, eine Frau von wunderbarer Heiligkeit namens Mathilde, erkrankt sei und er auf ihr Leichenbegängnis wartete, ereignete es sich, daß seine eigene Totenfeier der ihrigen vorausging. Wenn wir nun zu ihrem Lob etwas zu sagen wünschen, so fühlen wir uns zu schwach, weil die Tugend einer solchen Frau alles Können unseres schwachen Geistes übersteigt. Denn wer vermöchte ihre Hingabe an den göttlichen Dienst würdig zu beschreiben? Jede Nacht erfüllte sie ihre Zelle mit dem Wohlklang himmlischer Lieder von jeglicher Weise und Mannigfaltigkeit. Denn sie hatte ganz nahe der Kirche ihre Zelle, in welcher sie ein wenig zu ruhen pflegte; in ihr erhob sie sich jede Nacht und ging in die Kirche, während Sänger und Sängerinnen innerhalb der Zelle und vor der Tür und auf dem Wege in drei Abteilungen aufgestellt waren, um Gottes Huld zu loben und zu preisen. Sie selbst verharrte in der Kirche in Wachen und Beten und erwartete die Feier der Messe. Darauf machte sie, wo sie von Kranken in der Nachbarschaft hörte, bei diesen Besuch und reichte ihnen, was sie brauchten; dann öffnete sie ihre Hand den Armen, auch nahm sie Gäste, an denen niemals Mangel war, mit aller Freigebigkeit auf; niemanden entließ sie ohne ein freundliches Wort und fast keinen ohne ein kleines Geschenk oder die Unterstützung, die ihm not tat. Oft schickte sie Wanderern, die sie von ihrer Zelle aus in der Ferne erblickte, das Nötige hinaus. Und obgleich sie solche Werke demütig Tag und Nacht übte, vergab sie dennoch der königlichen Würde nichts, und wie geschrieben steht: „Obgleich sie saß wie eine Königin unter ihrem Volk, war sie dennoch immer und überall der Klagenden Trösterin.“ Alle Diener und Dienerinnen im Haus unterwies sie in verschiedenen Künsten und auch im Lesen und Schreiben; denn sie konnte das, weil sie es nach des Königs Tode recht gut erlernt hat. Wollte ich demnach ade ihre Tugenden aufzählen, so würde die Zeit nicht reichen; wenn ich Homers oder Maros Beredsamkeit besäße, sie würde nicht genügen. So gab sie, reich an Jahren, reich an aller Ehre, reich an allen guten Werken und Almosen, nachdem sie ihren ganzen königlichen Schatz an die Diener und Mägde Gottes, sowie an die Armen verteilt hatte, am 14. März ihre Seele Christo zurück.45

Bei der Schilderung des Ablebens der Königin Mathilde benutzte auch Thietmar von Merseburg die üblichen stereotypen Floskeln über Verdienste und Frömmigkeit, aber er geht auch darüber hinaus:

21. Nun will ich allen Gläubigen zum heilsamen Vorbilde die von der ehrwürdigen Mathilde nach dem Tode ihres Herrn verrichteten ruhmreichen Taten kurz schildern. Die Schrift lehrt als heilige und heilbringende Meinung das Gebet für die Toten und die Wirksamkeit der Almosen für ihre Lossprechung. Wir lesen, daß sich die Fesseln eines Gefangenen, den seine Frau tot glaubte und für den sie durch ständige Seelenmessen sorgte, oft lösten, wie sie für ihn Gott Vater genehme Opfer darbrachte; das bestätigte er ihr später nach seiner Heimkehr in Freiheit selbst. Diesem Beispiel folgte Frau Mathilde, nachdem ihr Gemahl in die Fesseln zeitlichen Todes geschlagen war, indem sie nicht nur den Armen, sondern auch den Vögeln Nahrung gab. Auch stiftete sie am 30. Tage in jener Burg (Quedlinburg) ein Nonnenkloster, verlieh ihm mit Zustimmung ihrer Söhne aus ihrem Eigengut, was es für Unterhalt und Kleidung benötigte, und erteilte eine urkundliche Bestätigung. – Manche behaupten, sie habe sich lange sehr darum bemüht, ihren jüngeren Sohn Heinrich den Sitz des Vaters einnehmen zu lassen. Doch das wollte Gott nicht, der seine Auserwählten stets zu allem vorherbestimmt; auch willigte der beste Teil des Adels nicht ein; sie brachten vielmehr durch kluge und deshalb leicht überzeugende Gründe die trauernde Königin sehr bald von ihrem Vorhaben ab und rieten ihr, den älteren Sohn zu bevorzugen, jenem dagegen lieber den Schutz der Baiern zuzuweisen.46

Otto I.

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