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Büro des UNHCR Bulgarien, Sofia
ОглавлениеWenn jemand erklären kann, wie prekär das Leben für Flüchtlinge in Bulgarien ist, dann ist es vermutlich Boris Cheshirkov. Das Büro des UNHCR liegt am Pozitano-Platz im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt. Boris Cheshirkov, raspelkurzes Haar, kantiges Gesicht, ist der Sprecher des UNHCR in Bulgarien, er hat Medienwissenschaften in Sofia studiert und unter anderem in den USA und in Großbritannien gelebt.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ist für den Schutz der Flüchtlinge verantwortlich, es soll sicherstellen, dass deren Menschenrechte respektiert werden, und überwacht die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention. Der UNHCR, zweimaliger Friedensnobelpreisträger, sitzt immer wieder zwischen allen Stühlen. Von Nichtregierungsorganisationen wird dem Flüchtlingshilfswerk oft zu starke politische Zurückhaltung vorgeworfen.30 Das ist eigentlich ein etwas ungerechter Vorwurf, da dies bereits in der Satzung des UNHCR begründet liegt, die eine politische Tätigkeit untersagt. Allerdings finanziert sich der UNHCR auch durch freiwillige Beiträge der UN-Mitglieder, was wiederum Abhängigkeiten schaffen kann.
So gesehen war der Rat, Flüchtlinge nicht als Dublin-Fälle nach Bulgarien zurückzuschicken, eine ungewöhnlich scharfe Kritik. Die Einschätzung des UNHCR hat Gewicht. Mehr als zwanzig europäische Staaten stellten im Jahr 2014 Überstellungsgesuche an Bulgarien, knapp 7000 Flüchtlinge sollten in das Land zurückgeführt werden. Doch nur in wenigen Fällen geschah dies auch. Viele Überstellungen wurden in Deutschland von Gerichten mit dem Hinweis auf die UNHCR-Einschätzungen gestoppt.31
Der UNHCR hatte versprochen, das Urteil einige Monate später zu überprüfen und kam im April 2014 zu einer neuen Einschätzung. Er rät nicht mehr grundsätzlich davon ab, Menschen nach Bulgarien auszuweisen. Cheshirkov sagt, dass man inzwischen anerkennen müsse, dass Bulgarien Fortschritte beim Ausbau des Asylsystems und bei der Registrierung der Asylbewerber gemacht habe. „Ja, es gibt immer noch Gruppen, die noch nicht den richtigen Schutzstatus erhalten, aber wir können nicht mehr davon sprechen, dass Flüchtlinge systematisch von Misshandlung bedroht sind.“
Cheshirkov sagt aber auch, dass ihn eine andere Sorge umtreibt. Immer mehr Flüchtlinge könnten gar nicht erst das Land erreichen, um Schutz zu suchen. „Die Stationierung von Grenzbeamten und der Bau von Zäunen sind kurzsichtige Lösungen.“ Cheshirkov ist zu lange beim UNHCR, als dass er nicht wüsste, welche Folgen dies hat. Es erzeugt meist nur an anderer Stelle neuen Druck. „Die Flüchtlinge sind verzweifelt, sie wollen ihr Land verlassen und einen Ort finden, wo sie sicher sind, wo sie ein neues Leben beginnen können. Sie suchen neue Routen und damit vermutlich noch gefährlichere Strecken, unter denen besonders Kinder leiden.“ Cheshirkovs Team geht davon aus, dass auch der Zaunbau in Bulgarien Folgen haben wird. Der UNHCR aus dem benachbarten Griechenland hat bereits einen Anstieg der Bootsflüchtlinge in der Ägäis festgestellt.
Wir reisen weiter nach Griechenland. Wir wollen sehen, was der Zaun in Bulgarien mit den Flüchtlingsbooten in der Ägäis zu tun hat.