Читать книгу Havarie - Dietmar Werner Wagner - Страница 7

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(Havarie, Seite 35)

Als er den Wagen vom Werftgelände steuerte, war er sehr nachdenklich. Was ihm sein Vater eröffnete, war nicht wirklich überraschend, doch nun stand das Wort im Raum: Konkurs.

Klaus Neubach bog hinter dem Werkstor rechts statt links ab, er wollte noch nicht nach Haus. An der nächsten Kreuzung bog er erneut rechts ab und steuerte seinen Mercedes ans Skagerakufer. Er hielt an und stieg aus. Die Kälte sprang ihn geradezu an. Jetzt im Februar war es noch immer eiskalt, auch wenn kein Schnee mehr lag. Er ging hinunter ans Wasser.

Die Wellen rauschten an den kleinen Strand, der sich hier zwischen das Werftgelände und die großen Maschinenfabrik von Caterpillar quetschte. Eine Idylle, eingeengt zwischen den wuchtigen Docks auf der einen und den großen Anlegern auf der anderen Seite. Klaus Neubach mochte diese stille Natur-Auszeit zwischen den lärmenden Industrie-Giganten. Er kam hierher, wenn er nachdenken musste. Und das war jetzt der Fall. Was ihm sein Vater eröffnet hatte, war das Startzeichen für ihn. Er sollte nun übernehmen. Aus dem Konkurs sollte er eine neue Firma schmieden, die den Schiffbau in dritter Generation fortsetzen würde.

Es war klar, dass der Tag kommen würde, aber jetzt senkte sich dieser Gedanke schwerer über ihn, als er sich je ausgemalt hatte. Die Vorstellung, das Ruder zu übernehmen, verfolgte ihn nun schon mehr als 20 Jahre. Er erinnerte sich, wie in der Schule nach den Berufswünschen der Kinder gefragt wurde. Er beneidete die Mitschüler, die Rennfahrer oder Schauspieler werden wollten. Ja sogar die, die Schaffner oder Feuerwehrmann als Ziel hatten. Denn er wusste: Die konnten sich noch zehn Mal anders entscheiden. Als die Reihe an ihn kam, sagte er »Schiffbauer und Chef.« Und er wusste, dass das so kommen würde. Er hatte keine Wahl.

Er blickte auf die Kieler Förde. Auf Dock 1 »seiner« Werft waren noch Schweißer am Werk. Ein russischer Tanker war in der Ostsee havariert und nun zur Reparatur ins große Neubach-Trockendock geschleppt worden. Mit diesem Dock war sein Großvater 1945 aus Memel über die Ostsee geflohen. Die blauen und gelben Flammenspritzer der Schweißarbeiter kontrastierten mit dem Schwarz des Docks und dem tiefen Dunkelblau des Wassers. Das Scheinwerferlicht auf den Docks spiegelte sich im kabbeligen Wasser der Förde. Seine Mutter hatte ihm mal gestanden, dass sie keine vier Kinder gewollt hatte. Aber er, der »Stammhalter«, der, der alles weiterführen sollte, kam erst als Nummer drei, nach seinen Schwestern zur Welt. Sein jüngerer Bruder war dann noch ein »Betriebsunfall«, wie seine Mutter sagte.

Weiter hinten konnte er den großen Kran von HDW sehen, der sich als Wahrzeichen der Stadt über deren Rest-Silhouette erhob. HDW, dachte er, da war keine Insolvenz zu befürchten. Wenn da mal etwas schief ging, war die Politik da und sorgte mit helfenden Händen und vor allem Steuermillionen dafür, dass HDW überlebte. Größe war ein entscheidender Faktor in dieser Branche. Wer zu klein war, ging unter. Und Klaus Neubach war sich nicht sicher, ob seine Werft groß genug war, um zu überleben. Seine Werft. Ihn fröstelte.

Und Klaus Neubach war sich nicht sicher, ob das am Winter lag.

Havarie

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