Читать книгу Havarie - Dietmar Werner Wagner - Страница 8
5 Welcome To The Machine
ОглавлениеBeate ging ins Verlagshaus, wusste aber eigentlich noch gar nicht, mit wem sie sprechen wollte. Beate fing einfach mal oben an: »Müller, Kripo Kiel, ich möchte zur Geschäftsführung, danke.«
Die Dame hinter der Schalterscheibe starrte auf den hingehaltenen Dienstausweis. Der Besuch der Polizei war ihr sichtlich unangenehm. Sie nahm den Telefonhörer und rief in der Chefetage an.
»Ich hab hier eine Dame von der Kripo für Herrn Dr. Jansen, ja, okay. Bitte gehen Sie durch die Tür zum Fahrstuhl, es ist der erste Stock, Zimmer 213.«
Beate betrat das Zimmer 213 und hatte die Wahl zwischen links und rechts oder einem Tresen in der Mitte. Links eine Dame, rechts eine Dame, beide lächelten ihr zu. »Die Dame von der Kripo?« »Ja Kripo Kiel, ich möchte bitte mit der Geschäftsleitung sprechen.«
»Herr Dr. Jansen ist noch in einem Telefonat, ist es Ihnen recht, mit unserem stellvertretenden Geschäftsführer Herrn Meinert zu sprechen?«
Okay, fangen wir halt irgendwo an, dachte Beate und nickte stumm.
»Bitte kommen Sie.«
Fast servil kam ihr ein sehr dicker Mann mit Schnurrbart und Halbglatze entgegen, dessen wirkliche Konfektionsgröße in allem eine Nummer über dem lag, was er trug.
»Sie sind von der Kripo, was kann ich für Sie tun? Ich hoffe, ich hab nichts ausgefressen...«
Beate liebte solche Eröffnungen. »Achtung Vollpfosten« raunten sich Beate und Kaiser dann oft zu.
»Das weiß ich noch nicht, was ich aber weiß, ist, dass Matthias Kerner tot ist.«
Das saß. Da wurde es bei »Mister Vollpfosten« ruhig hinter der Stirn.
»Bitte wer...«, stammelte der eben noch so vollmundige Alleswisser.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihr Matthias Kerner gestern erschossen wurde«,
»Erschossen?«
»Erschossen!«
Beate ließ alle Ungeduld raus, sie mochte den Mann nicht und sie wusste auch, dass er eine unrühmliche Rolle in der damaligen Affäre, die Matthias mit seiner Artikelserie losgetreten hatte, spielte. Sich und seinen Posten hatte er aber retten können.
»Ja, erschossen. Das ist, wenn man jemanden mit einer Schusswaffe tötet.« Den Satz hatte sie schon öfter gebraucht, sie hatte Gefallen daran gefunden, die Tragik des Todes mit der Lächerlichkeit solcher Sätze zu verbinden. Und sie hoffte, mit ihrer gewollten, ja notwendigen Flappsigkeit niemanden zu verletzen, der tatsächlich unter dem Tod eines geliebten Menschen litt. Manchmal eine Gratwanderung, heute nicht, entschied sie.
Der Mann der ihr gegenüber saß, hatte die Feinfühligkeit einer Betonplatte. Dafür die Schweißproduktion eines Marathonläufers. Beate machte es Freude, dass ihre Eröffnung den Mann unter Feuer brachte. Also legte sie nach.
»Wollen Sie kooperieren?«
»Ja, natürlich, was kann ich für Sie tun?«
»Wir haben Hinweise, dass Kerner an einer Geschichte arbeitete, die er vielleicht auch dem Anzeiger anbieten wollte. Wissen Sie, ob das geschehen ist?«
»Ich kenne Herrn Kerner nur aus seiner Zeit, als er hier ein zuverlässiger Mitarbeiter war«, log Meinert, und Beate wusste es. Matthias hatte ihr von seinen Gesprächen mit Meinert erzählt, die Beschreibung seiner unangenehmen Fettleibigkeit konnte sie nun gut nachvollziehen. Wie in Matthias Beschreibungen rutschte das zu kleine Hemd an einer Stelle aus der Hose, der Stuhl unter ihm ächzte unter dem Gewicht von vielleicht 140 Kilo.
»Sie hatten auch danach Kontakt mit Herrn Kerner, das wissen wir.«
»Ich hole mal unseren Chefredakteur, Herrn Wohlert, hinzu. Er stand auf und steckte den Kopf durch den Türrahmen. »Frau Blichenberg, bitten Sie Herrn Wohlert bitte her.«
Jochen Wohlert war etwas konsterniert, als die Chefsekretärin ihn für »sofort« in die Chefetage rief. »Worum geht's?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen, eine Dame von der Kripo ist hier.«
Der bullige Chefredakteur erhob sich langsam und ging bedächtig zum Fahrstuhl. Paul Gerhard, Volontär im ersten Jahr, kam ihm aus dem Fahrstuhl entgegen, in löchriger Jeans und ausgelatschtem T-Shirt. »Gerhard«, rotzte Wohlert, «haben Sie Urlaub?«
Überrascht reagiert der 25jährige, »nein, nein.«
»Sieht aber so aus«, schoss Wohlert heraus, dreht sich um und ließ die Fahrstuhltür zugleiten.
»Was kann ich für Sie tun?« Wohlert ging direkt auf die Unbekannte zu und streckte die Hand entgegen.
»Was können Sie mir zu Matthias Kerner sagen?«
»Guter Mann, aber zu eigen. Macht manchmal Dinge, die mir nicht gefallen, die aber richtig sind. Warum?«
Er ist tot.
»Shit, was ist passiert?«
»Genaues wissen wir noch nicht, nur soviel, dass ein Schuss in den Rücken seinem Leben ein Ende gesetzt hat.«
»Puh«, mehr war dem Chefredakteur nicht zu entlocken.
»Wissen Sie, woran Kerner gearbeitet hat, wollte er Ihnen eine Story anbieten?«
»Er hat mich letzte Woche angerufen und gefragt, ob ich eine Geschichte von ihm kaufen würde.«
Nach den gegenseitigen Anfeindungen, die zwischen Kerner und dem Anzeiger lagen, war das eine berechtigte Frage. »Hat Sie das gewundert?«
»Klar, das war ein schwieriges Verhältnis zwischen ihm und unserem Blatt.«
»Und wollten Sie die Geschichte nehmen?«
»Er hat mir nicht konkret genug gesagt, worum es ging. Er wollte noch Details prüfen, bevor er damit rauskommen wollte, sagte er. Ich hab ihm gesagt, wenn die Geschichte gut ist, nehme ich sie.«
»Trotz der«, Beate überlegte eine Formulierung, »Vorgeschichte?«
»Natürlich, wir sind beide Journalisten, eine Story ist eine Story, das hat nichts mit Gefühlen zu tun.«
Beate wusste, dass er log.