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Einleitung

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Die Kirche Christi legt Zeugnis ab vom Ende aller Dinge. Sie lebt vom Ende her, sie denkt vom Ende her, sie handelt vom Ende her, sie verkündigt vom Ende her. „Gedenket nicht an das Alte und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues machen“ Jes 43,18-19. Das Neue ist das wirkliche Ende des Alten; das Neue aber ist Christus. Christus ist das Ende des Alten. Nicht Fortführung, nicht Zielpunkt, Vollendung auf der Linie des Alten, sondern Ende und darum das Neue. Die Kirche redet in der alten Welt von der neuen Welt. Und weil ihr die neue Welt gewisser ist als alles andere, darum erkennt sie die alte Welt allein aus dem Lichte der neuen Welt. Die alte Welt kann an der Kirche keinen Gefallen finden, weil diese von ihrem Ende redet, als sei es schon geschehen, weil sie spricht, als sei die Welt schon gerichtet. Die alte Welt lässt sich nicht gern totsagen. Darüber hat sich die Kirche nie gewundert. Auch das wundert sie nicht, dass sich bei ihr immer wieder solche einstellen, die die Gedanken der alten Welt denken; und wer dächte diese Gedanken gar nicht mehr? Aber das andere muss die Kirche freilich in hellen Aufruhr bringen, dass diese Kinder der vergangenen Welt die Kirche, das Neue, für sich in Anspruch nehmen wollen. Sie wollen das Neue und kennen nur das Alte. Und sie verleugnen so Christus, den Herrn. Allein die Kirche, die vom Ende weiß, weiß auch vom Anfang, weiß dass zwischen Anfang und Jetzt derselbe Bruch liegt wie zwischen Jetzt und dem Ende, dass Anfang und Jetzt sich verhalten wie das Leben zum Tod, das Neue zum Alten. Die Kirche sieht darum den Anfang nur noch im Ende, vom Ende her. Sie sieht die Schöpfung von Christus her; besser, sie glaubt in der gefallenen, alten Welt an die neue Schöpfungswelt des Anfangs und des Endes, weil sie an Christus glaubt und sonst an nichts.

Das alles tut die Kirche, weil sie gegründet ist auf dem Zeugnis der Heiligen Schrift. Die Kirche der Heiligen Schrift – und es gibt keine andere „Kirche“ – lebt vom Ende her. Darum liest sie die ganze Heilige Schrift als das Buch vom Ende, vom Neuen, von Christus. Was kann die Heilige Schrift, auf der die Kirche Christi steht, dort wo sie von Schöpfung, vom Anfang redet, anderes sagen, als dass allein von Christus her wir wissen können, was der Anfang sei. Die Bibel ist doch eben nichts als das Buch der Kirche. Sie ist dies ihrem Wesen nach oder sie ist nichts. Darum will sie ganz vom Ende her gelesen und verkündigt sein. Darum ist die Schöpfungsgeschichte in der Kirche allein von Christus her zu lesen und erst dann auf ihn hin; auf Christus hin kann man ja nur lesen, wenn man weiß, dass Christus der Anfang, das Neue, das Ende unserer ganzen Welt ist. Theologische Auslegung nimmt die Bibel als das Buch der Kirche und legt es als solches aus. Ihre Methode ist diese ihre Voraussetzung, ist fortwährendes Zurücklaufen vom Text zu dieser Voraussetzung. Das ist die Sachlichkeit der Methode der theologischen Auslegung. Und in dieser Sachlichkeit allein ist ihr Anspruch auf die Wissenschaftlichkeit begründet. Wenn die Genesis „Jahwe“ sagt, so „meint“ sie historisch-psychologisch gesehen nichts als Jahwe, so redet sie aber theologisch, d. h. von der Kirche her gesehen, von Gott. Denn dass Gott der Eine Gott ist in der ganzen Heiligen Schrift, mit diesem Glauben steht und fällt die Kirche und die theologische Wissenschaft.

Genesis 1

Der Anfang (1,1-2)

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war wüst und leer; und es war finster auf der Tiefe. Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“

An dem Ort, an dem die leidenschaftlichsten Wellen unseres Denkens branden, in sich selbst zurückgeworfen werden und ihre Kraft verschäumen, setzt die Bibel ein. Kaum ist uns ihr erstes Wort für einen Augenblick sichtbar geworden, da rasen schon wieder die Wogen heran und umhüllen es mit Kronen von Schaum. Dass die Bibel vom Anfang redet, das bringt die Welt, das bringt uns auf. Denn wir können nicht vom Anfang reden, dort wo der Anfang anfängt, hört unser Denken auf, ist es am Ende. Und doch ist es die innerste Leidenschaft unseres Denkens, es ist das, was jeder echten Frage letzten Endes Existenz verleiht, dass wir nach dem Anfang fragen wollen. Wir wissen, dass wir dauernd nach dem Anfang fragen müssen und dass wir doch nie nach ihm fragen können. Warum nicht? Weil wir den Anfang nur als Unendliches, also gerade als das Anfanglose denken können. Weil der Anfang die Freiheit ist und wir die Freiheit immer nur in der Notwendigkeit denken können, also als das eine unter anderem, aber nie als das Eine schlechthin vor allem anderen. Fragen wir, warum dies so sei, dass wir immer vom Anfang her und in Bezug auf ihn hin denken und ihn doch nie denken, ja nicht einmal erfragen können, so ist dieses „Warum?“ wieder nur der Ausdruck für eine Reihe, die ins Endlose zurückgetrieben werden könnte und doch den Anfang nicht erreichte. Das Denken kann sein eigenes letztes „Warum“ nie beantworten, weil auch diese Antwort wieder ein „Warum“ gebären würde. Das „Warum“ ist vielmehr der Ausdruck für das anfanglose Denken κατ᾽ ἐξοχήν. Unser Denken, d. h. das Denken derer, die zu Christus müssen, um von Gott zu wissen, der gefallenen Menschen, ist anfanglos, weil es ein Ring ist. Wir denken im Ring. Wir fühlen und wollen aber auch im Ring. Wir existieren im Ring. Es besteht die Möglichkeit zu sagen, es sei dann eben überall Anfang; dem steht aber ebenso legitim der andere Satz gegenüber, es sei eben darum überhaupt kein Anfang. Das Entscheidende aber ist dies, dass das Denken diesen Ring für das Unendliche, Anfängliche selbst hält und sich doch damit in einen circulus vitiosus verwickelt. Denn dort, wo es sich auf sich selbst als das Anfängliche richtet, setzt es sich selbst als Objekt, als Gegenstand seiner selbst, zieht sich also selbst immer wieder hinter diesen Gegenstand zurück, bzw. ist jeweils vor dem Gegenstand, den es setzt. Es ist ihm also unmöglich, diese letzte Aussage über den Anfang zu machen. Am Anfang zerreibt sich das Denken. Weil das Denken auf den Anfang hin will und ihn doch nie wollen kann, darum ist alles Denken ein sich selbst Zerreiben, ein An-sich-selbst-Scheitern, Zerbrechen, Zergehen angesichts des Anfangs, den es will und nicht wollen kann. Darum ist die hegelsche Frage: „Wie gewinnen wir einen Anfang in der Philosophie?“ nur durch einen Gewaltstreich der Inthronisierung der Vernunft an Gottes statt zu beantworten. Darum ist kritische Philosophie die systematische Verzweiflung an ihrem eigenen, an jedem Anfang. Ob sie stolz auf das verzichtet, was sie nicht vermag oder ob ihre Resignation zu ihrer völligen Destruktion führt, es ist im Grund derselbe Hass des Menschen gegen den Anfang, den er nicht kennt. Der Mensch lebt nicht mehr im Anfang, sondern er hat den Anfang verloren – nun findet er sich vor in der Mitte, weder um das Ende noch um den Anfang wissend, und doch dies wissend, dass er in der Mitte ist, dass er also vom Anfang herkommt und aufs Ende hinmuss. Er sieht sein Leben bestimmt durch jenes beides, von dem er nur weiß, dass er es nicht kennt. Das Tier weiß nicht um Anfang und Ende. Darum kennt das Tier keinen Hass und keinen Stolz. Der Mensch, der sich seiner eigenen Bestimmung gänzlich beraubt weiß, weil er vom Anfang her und zum Ende hin ist, ohne zu wissen, was das heißt, hasst den Anfang und ist stolz gegen ihn.

Es kann darum für den Menschen schlechterdings nichts Beunruhigenderes, nichts Aufregenderes geben, als wenn einer vom Anfang redet, als sei es nicht das gänzlich unsagbare, unaussprechliche dunkle Jenseits meiner blinden Existenz; man wird über ihn herfallen, man wird ihn den Erzlügner oder den Heiland selbst nennen, und man wird ihn töten, wenn man hört, was er sagt. Wer kann es sagen? Entweder der, der der Lügner ist, von Anfang an der Böse, für den der Anfang Lüge und die Lüge der Anfang ist, der Böse, dem der Mensch glaubt, weil er ihn belügt. Und weil er lügt, darum wird er sagen: Ich bin der Anfang und du Mensch bist der Anfang. Du warst von Anfang an mit mir. Ich habe dich gemacht zu dem, was du bist, und bei mir ist dein Ende aufgehoben. Ich bin der Anfang und das Ende, das A und das O; bete mich an, ich bin die Wahrheit, aus der die Lüge kommt; denn ich bin die Lüge, die die Wahrheit erst gebiert. Du bist der Anfang und du bist das Ende, denn du bist in mir; glaube mir, dem Lügner von Anfang her, lüge, so bist du im Anfang und ein Herr der Wahrheit. Entdecke deinen Anfang selbst. So spricht der Böse, weil er von Anfang an der Lügner ist. Entweder er spricht, oder aber es spricht der andere, der von Anfang an die Wahrheit ist und der Weg und das Leben, der im Anfang war, Gott selbst, Christus, der Heilige Geist. Niemand kann vom Anfang reden als der im Anfang war. So beginnt die Bibel mit der freien Selbstbestätigung, Selbstbezeugung, Offenbarung Gottes: „Im Anfang schuf Gott …“ Aber kaum wird dieser Fels im Meer einen Augenblick sichtbar, so ist er schon wieder überschüttet von dem durch diesen Anblick des Unerschütterlichen zum Rasen gebrachten Meer. Was heißt es, dass im Anfang Gott ist? Welcher Gott? Dein Gott, den du dir machst aus der eigenen Not, weil du einen Götzen brauchst, weil du nicht leben magst ohne den Anfang, ohne das Ende, weil dir die Mitte Angst macht? Im Anfang ist Gott, das ist eben deine Lüge, die nicht besser, sondern feiger ist als die des Bösen selbst. Woher weißt du, Unbekannter, der du diesen Satz schriebst, vom Anfang, hast du es gesehen, warst du am Anfang dabei? Spricht nicht dein Gott selbst zu dir: „Wo warst du, da ich die Erde gründete? Sage an, bist du so klug!“ (Hiob 38,4.) Also was ist es mit diesen ersten Worten der Schrift? Gaukelei der feigen Fantasie eines Menschen, der nicht in der Mitte stolz oder resigniert zu leben vermag, eines Menschen also, der wir selbst alle auch sind, die wir aus Feigheit unseres anfangs- und endlosen Lebens zu einem Gott schreien, der unser eigenes Ich ist? Wie sollten wir auf diesen Vorwurf entgegnen können? Es ist ja wahr, der vom Anfang redet, redet von seiner Angst im Ringe des Lebens, auch der, der die Bibel schrieb, oder aber nicht er redet, sondern es redet eben Gott selbst, der schlechthin Anfängliche, der schlechthin vor unserem Leben, Denken und seiner Angst Seiende, der allein von sich selbst sagt, dass er am Anfang ist, der sich durch nichts bezeugt als durch dies Wort, das eben als Wort eines Buches, als Wort eines frommen Menschen ganz Wort aus der Mitte und nicht aus dem Anfang ist. „Am Anfang schuf Gott …“ Dies, als menschliches Wort gesagt und gehört, ist die Knechtsgestalt, in der Gott von Anfang an uns begegnet, sich allein finden lässt. Es ist nicht Tiefsinn und nicht Leichtsinn, sondern es ist Gottes Wahrheit, sofern er es sagt. Am Anfang – Gott, das ist wahr, wenn er uns hier in der Mitte mit diesem Wort lebendig ist, nicht als der Ferne, Ruhende, ewig Seiende, sondern als der Schaffende. Vom Anfang im eigentlichen Sinn können wir nur wissen, indem wir in der Mitte zwischen Anfang und Ende vom Anfang hören; sonst wäre es nicht der Anfang schlechthin, der eben auch unser Anfang ist. Von Gott als dem Anfang wissen wir hier in der Mitte des verlorenen Anfangs und des verlorenen Endes allein – als von dem Schöpfer.

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Nicht war er erst und dann schuf er, sondern am Anfang schuf Gott. Dieser Anfang ist der Anfang in der ängstenden Mitte und zugleich jenseits der ängstenden Mitte, in der wir sind. Nicht wissen wir von diesem Anfang, indem wir aus der Mitte heraustreten und selbst anfänglich würden. Weil wir das nur in der Lüge vermöchten, wären wir dann gerade nicht im Anfang, sondern nur in der durch Lüge verhüllten Mitte. Das ist für alles Folgende scharf im Auge zu behalten. Allein in der Mitte vernehmen wir den Anfang.

Es entsteht die doppelte Frage: Ist dieser Anfang Gottes Anfang oder ist es der Anfang Gottes mit der Welt? Aber schon das Entstehen dieser Frage beweist, dass wir nicht mehr wissen, was Anfang heißt. Wenn über den Anfang nur geredet werden kann von dem, der in der Mitte sich ängstet um den Anfang und das Ende, von dem, der an seinen eigenen Ketten reißt, von dem – nun einmal etwas Späteres vorwegnehmend –, der nur in seiner Sünde um seine Geschaffenheit von Gott her weiß – dann kann doch nicht mehr gefragt werden, ob dieser Anfang Gottes Anfang oder Gottes Anfang mit der Welt ist, da eben für uns Gott als der Anfang kein anderer ist, als der am Anfang die Welt schuf und uns schuf, und weil wir eben von diesem Gott gar nicht anders wissen können als von dem Schöpfer unserer Welt. Wenn Luther auf die Frage, was Gott vor der Erschaffung der Welt getan habe, antwortete, er habe Ruten geschnitzt für Leute, die solche unnützen Fragen stellen, so schlägt er damit nicht nur dem Frager seine Frage ab, sondern er sagt zugleich, dass Gott eben dort, wo er nicht als der gnädige Schöpfer erkannt wird, nur als der zornige Richter gewusst werden muss, d. h. aber eben auch immer in Bezug auf die Mitte zwischen Anfang und Ende. Es gibt keine mögliche Frage, die hinter diesen am Anfang schaffenden Gott zurückgehen könnte. Es gibt also auch nicht die Frage nach dem Warum der Schöpfung, nach dem Weltplan Gottes, nach der Notwendigkeit der Schöpfung – eben diese Fragen werden endgültig erledigt und als gottlose Fragen aufgedeckt durch den Satz: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Nicht: Am Anfang hatte Gott diesen oder jenen Gedanken über das Ziel der Welt, Gedanken, die wir nun weiter aufzufinden hätten, sondern am Anfang schuf Gott, und hinter den schaffenden Gott kann keine Frage zurück, weil man hinter den Anfang nicht zurück kann.

Daraus ergibt sich, dass der Anfang keine zeitliche Bestimmung ist. Hinter den zeitlichen Anfang kann man immer zurück. Aber es ist das schlechthin Einmalige, das den Anfang qualifiziert; einmalig nun auch nicht im Sinn der Zahl, sondern im qualitativen Sinne, d. h. als das schlechthin Unwiederholbare, als das ganz Freie. Man könnte eine dauernde Wiederholung freier Akte denken, daran wäre nur das grundsätzlich falsch, dass sich Freiheit nicht wiederholen lässt; sonst wäre es eben durch Freiheit bedingte Freiheit, d. h. aber Unfreiheit, nicht mehr Anfang κατ᾽ ἐξοχήν.

Dies schlechthin unwiederholbare, einmalige, freie Geschehen am Anfang, das nun keinesfalls mit der Zahl 4800 oder einer derartigen Datierung verwechselt werden darf, ist die Schöpfung. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde; d. h. der Schöpfer schafft – aus Freiheit! – das Geschöpf. Der Zusammenhang von beiden ist durch nichts bedingt als durch die Freiheit, d. h. er ist unbedingt. Damit ist jede Anwendung kausaler Kategorien für das Verständnis der Schöpfung ausgeschlossen. Schöpfer und Geschöpf können keinesfalls im Verhältnis von Ursache und Wirkung interpretiert werden; denn zwischen Schöpfer und Geschöpf steht weder ein Denkgesetz noch ein Wirkgesetz noch sonst irgendetwas. Zwischen Schöpfer und Geschöpf ist schlechthin das Nichts. Denn Freiheit vollzieht sich in und aus dem Nichts. Es lassen sich also keinerlei Notwendigkeiten in Gott aufweisen, die zur Schöpfung führen könnten oder gar müssten, es ist schlechthin nichts, das die Schöpfung begründet. Die Schöpfung kommt aus diesem Nichts.

Nun könnte der Mensch freilich abermals versuchen, sich aus der ängstenden Mitte herauszustellen und selbst anfänglich zu werden. Er könnte auch dieses Nichts wieder als das die Schöpfung gebärende Etwas zu denken unternehmen. Aber das Nichts hat dort, wo von Schöpfung geredet wird, d. h. theologisch, einen völlig anderen Sinn als dort, wo es in dem anfanglosen Denken als das endlose Ende auftaucht. Das Nichts taucht in unserem philosophierenden Denken dort auf, wo der Anfang nicht gedacht werden kann. Es ist damit letztlich nie etwas anderes als der Grund für Sein. Das Nichts als der Grund für Sein ist als das schöpferische Nichts verstanden, und man müsste nun wieder hinter dieses Nichts zurückfragen, ohne auf den Anfang zu stoßen. Das Nichts des Menschen in der Mitte, der nicht um den Anfang weiß, ist der letzte Erklärungsversuch, ist der Durchgangspunkt für das Seiende. Wir nennen es das erfüllte, geladene, das selbstherrliche Nichts. Das Nichts, das zwischen der Freiheit Gottes und der Schöpfung liegt, ist weder ein Erklärungsversuch für die Schöpfung des Seienden, ist also nicht die Materie, aus der dann in paradoxer Weise die Welt entstünde, der notwendige Durchgangspunkt für das Seiende, es ist überhaupt nicht ein Etwas, auch nicht ein negatives Etwas, es ist diejenige Bestimmung, die allein das Verhältnis der Freiheit Gottes zu seiner Schöpfung auszusagen vermag. Das Nichts ist also auch nicht eine Urmöglichkeit, ein Grund Gottes selbst, es „ist“ überhaupt „Nichts“, es geschieht vielmehr in der Tat Gottes selbst, und es geschieht immer als das schon verneinte, nicht mehr als das geschehende, sondern als das immer schon geschehene Nichts. Wir nennen es das gehorsame, das gottesgewärtige Nichts, das Nichts, das seinen Ruhm und seinen Bestand nicht in sich selbst, auch nicht in seiner Nichtigkeit hat, sondern allein in der Tat Gottes. Also Gott brauchte kein Zwischenglied zwischen sich und der Schöpfung, auch das Nichts ist kein solches „Zwischen“, sondern er bejaht das Nichts nur, sofern er es schon überwunden hat. Das wollten die Alten sagen mit der etwas ungeschickten Umschreibung des Nichts als des nihil negativum (im Unterschied vom nihil privativum, das als Urseiendes verstanden war). Das Nichts hat für die erste Schöpfung nichts Ängstendes, es ist vielmehr selbst der ewige Lobpreis des Schöpfers, der aus Nichts die Welt schuf. Die Welt steht im Nichts, das heißt im Anfang, und das heißt nichts anderes als: Die Welt steht ganz in der Freiheit Gottes. Das Geschöpf gehört dem Schöpfer. Es heißt nun aber auch dies: Der Gott der Schöpfung, des schlechthinnigen Anfangs, ist der Gott der Auferstehung. Die Welt steht von Anfang an im Zeichen der Auferstehung Christi von den Toten. Ja, weil wir um die Auferstehung wissen, darum wissen wir um die Schöpfung Gottes am Anfang, um das Schaffen Gottes aus dem Nichts. Der tote Jesus Christus des Karfreitags – und der auferstandene κύριος [kyrios] des Ostersonntags, das ist Schöpfung aus dem Nichts, Schöpfung vom Anfang her. Dass Christus tot war, war nicht die Möglichkeit seines Auferstehens, sondern die Unmöglichkeit, war das Nichts selbst, war das nihil negativum. Es ist schlechterdings kein Übergang, kein Kontinuum zwischen dem toten und dem auferstandenen Christus als die Freiheit Gottes, die am Anfang aus dem Nichts sein Werk schafft. Wenn es möglich wäre, das nihil negativum noch zu verstärken, so müsste hier bei der Auferstehung gesagt werden, es sei mit dem Tode Christi am Kreuz das nihil negativum in Gott selbst hineingenommen – oh große Not, Gott selbst ist tot – aber er, der der Anfang ist, lebt, vernichtet das Nichts und schafft die neue Schöpfung in seiner Auferstehung. Aus seiner Auferstehung wissen wir um die Schöpfung, – denn wäre er nicht auferstanden, so wäre der Schöpfer tot und bezeugte sich nicht; aus seiner Schöpfung aber wissen wir dann wieder um die Kraft seines Auferstehens, weil er der Herr bleibt.

Am Anfang, d. h. aus Freiheit, d. h. aus Nichts schuf Gott Himmel und Erde. Das ist der Trost, mit dem die Bibel uns in der Mitte, uns sich vor dem falschen Nichts, dem anfanglosen Anfang und endlosen Ende Ängstende anredet. Es ist das Evangelium, es ist Christus, der Auferstandene selbst, von dem hier gesagt wird. Dass Gott am Anfang ist und dass er am Ende sein wird, dass er frei ist über die Welt und dass er uns das wissen lässt, das ist Barmherzigkeit, Gnade, Vergebung, Trost.

„Und die Erde war wüst und leer; und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“

Der Anfang ist gemacht. Aber noch bleibt der Blick gebannt auf jenes Geschehen, auf den freien Gott. Dass es wahr ist, dass es getan ist, dass Himmel und Erde da sind, dass das Wunder geschehen ist, dem gilt das ganze Staunen. Nicht das Werk, nein, der Schöpfer will verherrlicht werden – die Erde ist wüst und leer, aber Er ist der Herr – er, der das ganz Neue tut, das fremde, unbegreifliche Werk seiner Herrschaft und Liebe. „Die Erde war wüst und leer“, aber es war dennoch unsere Erde, die aus Gottes Hand hervorging und nun ihm bereit liegt, ihm unterworfen in frommer Anbetung. Gott wird von der Erde, die wüst und leer war, zuerst gepriesen. Er braucht nicht uns Menschen, um sich Ruhm zu bereiten, er schafft sich Anbetung aus der sprachlosen Welt, die stumm und gestaltlos in seinem Willen ruht, schlummert. „Und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern …“ Was kann über das Werk angesichts der Tat, was kann über das Geschöpf angesichts des Schöpfers anderes gesagt werden, als dass es finster ist und dass es in der Tiefe ist. Dass es sein Werk ist, das ist seine Ehre, und dass es finster vor ihm ist, das ist der Ruhm Seiner Schöpferherrlichkeit. In der Tiefe liegt es unter ihm. Wie wir schwindelnd in einen Abgrund vom hohen Berg herabschauen und die Nacht der Tiefe unter uns liegt, so ist die Erde ihm zu Füßen, fern, fremd, finster, tief, aber sein Werk. Die finstere Tiefe – das ist der erste Klang von der Macht der Finsternis, von der Passion Jesu Christi. Die Finsternis, die tehōm, die tihāmat, das babylonische „Urmeer“, beschließt in sich gerade in ihrem Tiefsein Macht, Gewalt; Macht und Gewalt, die jetzt dem Schöpfer noch zur Ehre dienen, die aber einmal vom Ursprung, vom Anfang losgerissen, Aufruhr und Empörung sind. Das Wüste, Leere, Finstere, Tiefe, das sich nicht selbst zur Gestalt verhelfen kann, die Zusammenballung des Gestaltlosen, dumpf Bewusstlosen, Ungeformten – denn in der Nacht, im Abgrund gibt es nur das Gestaltlose – ist sowohl der Ausdruck der schlechthinnigen Unterworfenheit wie der ungeahnten Gewalt des Gestaltlosen, die auf ihre Bindung in der Gestalt harrt.

Es ist ein Augenblick in Gott, in dem sich das Ungestaltete und sein Schöpfer gegenüber sind. Es ist ein Augenblick, von dem es heißt, Gottes Geist schwebte über den Wassern – es ist der Augenblick des Denkens Gottes, des Planens, des Erzeugens der Form. Es kann nicht heißen, dass das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf irgendwie angetastet wird, dass Gott hier mit seinem Geschöpf sich vermählt, um es fruchtbar zu machen, dass er mit ihm eins würde – die kosmogonische Vorstellung vom Weltenei, über dem die Gottheit brütet, ist hier jedenfalls nicht gemeint. Gott bleibt schlechthin der Schöpfer über der Tiefe, den Wassern. Aber dieser Gott, der der Schöpfer ist, hebt nun noch einmal an. Die Erschaffung des Gestaltlosen, der Leere, der Finsternis ist von der Erschaffung der Gestalt durch einen Augenblick Gottes unterschieden, der hier durch das Schweben des Geistes über den Wassern bezeichnet ist. Gott sinnt nach über sein Werk. Die Entbindung und zugleich die Bindung der gestaltlosen Gewalt in die Form, des Daseins ins Sosein, ist der Augenblick des Zögerns Gottes. Der Lobpreis, den Gott sich bereitet aus der rohen Finsternis des Ungestalteten, soll vollendet werden durch die Form. Noch ruht das Geschaffene gänzlich in seiner Hand und Macht, es hat kein eigenes Sein, und doch wird erst dort das Lob des Schöpfers vollendet, wo das Geschöpf sein eigenes Sein aus Gott empfängt und in eigenem Sein Gottes Sein preist. In der Gestaltschaffung entsagt der Schöpfer sich selbst, indem er seinem Werk Gestalt, eigenes Sein vor ihm gibt, aber er verherrlicht sich selbst, indem ihm dies Sein dient. Er steigert die Gewalt des Geschaffenen damit ins Unerhörte, denn er gibt ihm das eigene Sein als Gestalt. In der Gestalt ist die Schöpfung Gott in neuer Weise gegenüber und in diesem Gegenüber ihm ganz zu eigen.

Schöpfung und Fall

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