Читать книгу Schöpfung und Fall - Dietrich Bonhoeffer - Страница 6

Das Wort (1,3)

Оглавление

„Und Gott sprach: Es werde Licht und es ward Licht.“

Im Unterschied von allen Schöpfungsmythen, in denen die Gottheit ihre Natur opfert, in denen aus ihrer naturhaften Fruchtbarkeit die Welt entspringt, in denen also die Schöpfung als ein Sichentfalten, Sichgestalten, Gebären der Gottheit verstanden wird, in denen also die Schöpfung selbst ein Stück der Natur Gottes ist, in denen also das Leiden der Natur, ihres Gebärens und Vergehens, das Leiden der Gottheit selbst ist, – im Gegensatz zu all dem bleibt der Gott der Bibel ganz Gott, ganz Schöpfer, ganz der Herr, und sein Geschöpf bleibt ganz das unterworfene, gehorsame, ihn als den Herrn lobpreisende, anbetende. Er ist nie die Schöpfung. Er ist immer der Schöpfer. Er ist nicht die Substanz der Natur; es ist kein Kontinuum da, das ihn mit seinem Werk verbände, vereinigte – es sei denn sein Wort. Gott sprach …; die einzige Kontinuität zwischen ihm und dem Werk ist das Wort, d. h. „an sich“ ist kein Kontinuum da; ist das Wort nicht da, so stürzt die Welt ins Bodenlose. Dies Wort Gottes ist nicht seine Natur, auch nicht sein Wesen, sondern sein Gebot – er selbst ist es, der in diesem Wort denkt und schafft, aber eben er, als der, der dem Geschöpf begegnen will als der Schöpfer. Gottes Schöpfertum ist nicht seine Natur, sein Wesen, sondern sein Wille, Gebot, in dem er sich selbst uns gibt, wie er will. Dass Gott im Wort schafft, heißt, dass Schöpfung Befehl, Geheiß Gottes ist und dass dieser Befehl frei ist. Gott spricht, d. h., er schafft ganz frei und bleibt auch in seinem Schaffen seinem Werk gegenüber noch ganz frei. Er ist nicht an das Werk gebunden, aber er bindet sein Werk an sich. Er geht nicht substanziell in sein Werk ein, sondern seine Beziehung zu seinem Werk ist sein Befehl; d. h., er ist nie anders in der Welt, als indem er schlechthin jenseits der Welt ist. Er ist als Wort in der Welt, weil er der schlechthin Jenseitige ist, und er ist der schlechthin Jenseitige, weil er im Wort in der Welt ist. Nur im Wort der Schöpfung kennen wir den Schöpfer, im Wort in der Mitte haben wir den Anfang. Also nicht „aus“ den Werken erkennen wir den Schöpfer, als ob die Substanz, die Natur, das Wesen des Werkes letztlich nun doch irgendwie identisch wäre mit der Natur Gottes, als ob es da irgendein Kontinuum, etwa das von Ursache und Wirkung gäbe, sondern allein weil Gott durch sein Wort sich zu diesen Werken bekennt und weil wir dieses Wort über diese Werke glauben, darum glauben wir ihn als den Schöpfer. – Keine via eminentiae, negationis, causalitatis!

Dass Gott spricht, ist zunächst im prägnanten Sinne zu verstehen. Wort heißt gesprochenes Wort, heißt nicht Symbol, Bedeutung, Idee, sondern die benannte Sache selbst. Dass Gott sprechend schafft, heißt, dass der Gedanke und der Name und das Werk in der geschaffenen Wirklichkeit in Gott eines sind. Also nicht, dass das Wort „Wirkungen“ habe, sondern dass das Wort Gottes bereits Werk ist, darauf kommt es an. Was in uns hoffnungslos auseinanderbricht, ist für Gott unlöslich eines: das Wort des Befehls und das Geschehen. Der Imperativ ist bei Gott der Indikativ. Dieser folgt nicht aus jenem, er ist nicht die Wirkung, sondern er ist es. Auch das Schaffen Gottes kann man nicht als „Wirken“ bezeichnen, weil hierin der Befehlscharakter, die absolute Freiheit des Schaffens, die im Wort, das eine bestimmte Wirklichkeit umgreift, zum Ausdruck kommt, die Freiheit des Schaffenden vom Geschöpf, nicht enthalten ist. Dass es aus Freiheit ist, drückt das Wort aus, dass es aus Vollmacht ist, drückt das Geschehen aus. Dass es für uns eine absolute Unmöglichkeit ist, Indikativ und Imperativ zusammenzudenken, ist der Hinweis darauf, dass wir nicht mehr in der Einheit des Tatwortes Gottes leben, sondern gefallen sind. Uns ist der Zusammenhang von Imperativ und Indikativ immer nur als durch ein Kontinuum vermittelt denkbar, meist unter dem Kausalitätsschema von Ursache und Wirkung. Das berechtigt dann zu dem Schluss von der „Wirkung“ auf die „Ursache“.

Gerade dies gilt für die Schöpfung nicht; sie ist nicht „Wirkung“ des Schöpfers, an der man einen notwendigen Zusammenhang mit der Ursache (Schöpfer) ablesen könnte, sondern sie ist in Freiheit im Wort geschaffenes Werk.

Dass Gott spricht und sprechend schafft, sagt die Bibel seltsamerweise erst dort, wo es um die Schaffung der Gestalt, um das Entreißen der Form aus dem Gestaltlosen geht. Dem Wort entspricht die Gestalt. Das Wort hebt heraus, umreißt, begrenzt das Einzelne, das Wirkliche, das Ganze. Das Wort ruft das Seiende aus dem Nichtsein, dass es sei. Es ist ein durchaus dunkler, gänzlich unzugänglicher Hintergrund, der sich hier hinter dem Schöpfungswort auftut. Es bleibt uns schlechterdings unmöglich, jenen ersten wortlosen Akt der Schöpfung zu begreifen, denn der Schöpfer ist Einer, und wir sind als seine Geschöpfe durch sein Wort geschaffen; diese zwei Augenblicke in Gott sind ein Akt, anders können wir es nicht sagen.

„Es werde Licht, und es ward Licht.“ Weil es finster war auf der gestaltlosen Tiefe, darum muss das Licht die Gestalt schaffen. Wie die gestaltlose Nacht durch das Licht des Morgens zur Gestalt wird, wie das Licht die Gestalt enthüllt und schafft, so musste jenes Urlicht das Chaos ordnen, die Gestalt enthüllen und schaffen. War jenes Wort von der Finsternis auf der Tiefe der erste Hinweis auf die Passion Jesu Christi, so ist nun die Befreiung der unterworfenen, gestaltlosen Tiefe zum eigenen Sein durch das Licht der Hinweis auf das Licht, das in der Finsternis scheint. Das Licht erweckt die Finsternis zum eigenen Sein, zum freien Lobpreis des Schöpfers. Ohne das Licht wären wir nicht – denn ohne das Licht gibt es kein Gegenüber, weil es keine Gestalt gibt. Ohne Gegenüber aber gibt es keine freie Anbetung Gottes. Die unterworfene Tiefe betete Gott an in unterworfener, dumpfer, unfreier Gegenüberlosigkeit, die Gestalt im Licht vernimmt das Gegenübersein als ihr eigenes Sein und dankt es ganz dem Schöpfer. Die vom Licht gespendete Durchsichtigkeit, Klarheit und Unbeschwertheit des eigenen Seins im Gegenübersein mit der anderen geschaffenen Gestalt und mit dem Schöpfer ist das Werk des ersten Wortes des Schöpfers. In seinem geschaffenen Licht sieht die Schöpfung sein Licht.

Schöpfung und Fall

Подняться наверх