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Der Tag (1,4b-5)

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„Und Gott schied das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. So ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“

Das erste vollendete Werk Gottes ist der Tag. Gott schafft am Anfang den Tag. Der Tag trägt alles andere, im Wechsel des Tages lebt die Welt. Der Tag hat eigenes Sein, eigene Gestalt, eigene Macht. Er ist nicht der physikalisch verständliche Umlauf der Erde um die Sonne, der berechenbare Wechsel von Dunkel und Licht, er ist über all das hinaus etwas, das das Wesen der Welt und unserer Existenz bestimmt. Er ist – fast möchte man sagen, wenn es nicht so schlecht hierher passte – das, was wir eine mythologische Größe nennen. Die Tagesund die Nachtgötter, die nach heidnischem Glauben die Welt beseelen und erfüllen, sind hier zwar gänzlich entthront, aber dennoch bleibt der Tag das erste Geschöpf Gottes, das Wunderbare und Mächtige in der Hand Gottes. Uns ist der Tag in seiner Geschöpflichkeit und Wunderbarkeit ganz versunken. Wir haben uns seiner Macht entzogen. Wir lassen uns durch ihn nicht mehr bestimmen. Wir berechnen und verrechnen ihn, wir lassen ihn uns nicht schenken, wir leben ihn nicht. Heute weniger denn je, die Technik ist der Kriegszug gegen den Tag. Auch die Bibel redet von ihm schon so, wie wir – rechenhaft – von ihm reden. Aber sie weiß eben auch noch, dass der Tag nicht dieser rechenhafte Tag des Erdumlaufes ist, sondern dass er der große Rhythmus, die natürliche Dialektik der Schöpfung ist. Dass das Ungestalte am Morgen zur Gestalt wird und des Abends ins Gestaltlose zurücksinkt, dass das helle Gegenüber des Lichtes sich auflöst zur Einheit im Dunkel, dass der lebendige Lärm im Schweigen der Nacht verstummt, dass dem gespannten Wachen im Licht der Schlaf folgt, dass es Zeiten (die über den physikalischen Tag weit hinausgehen) des Wachens und des Schlummerns in der Natur, in der Geschichte, in den Völkern gibt – das alles ist es, was die Bibel meint, wenn sie von der Schöpfung des Tages redet, von dem menschenlosen Tag, der alles, auch das Menschenlos, trägt. Der Rhythmus, der Ruhe und Bewegung in einem ist, der schenkt und nimmt und wieder schenkt und wieder nimmt, der so der ewige Hinweis auf Gottes Schenken und Nehmen ist, auf Gottes Freiheit jenseits von Ruhe und Bewegung – das ist der Tag. Wenn die Bibel von sechs Schöpfungstagen spricht, so mag sie wohl an den Tag von Morgen und Abend gedacht haben, aber sie hat eben auch diesen Tag nicht rechenhaft gemeint, sondern sie hat ihn gedacht als die Macht des Tages, die den physikalischen Tag erst zu dem macht, was er ist, als die natürliche Dialektik der Schöpfung.

Das physikalische Problem steht hier überhaupt nicht zur Diskussion, wo von „Tag“ geredet wird. Es tut dem biblischen Denken keinen Eintrag, ob die Schöpfung in Rhythmen von Jahrmillionen oder in einzelnen Tagen geschehen ist, wir haben keinen Anlass, das Letztere zu beteuern noch das Erstere zu bezweifeln. Aber die Frage als solche geht uns nichts an. Dass der biblische Autor, sofern sein Wort Menschenwort ist, seiner Zeit, seiner Erkenntnis, seinen Grenzen verfallen ist, wird ebenso wenig bestritten, wie dass durch dieses Wort nur Gott selbst von seiner Schöpfung zu uns redet. Die Tagewerke Gottes sind die Rhythmen, in denen die Schöpfung ruht.

Schöpfung und Fall

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