Читать книгу Tödliche Siesta - Dietrich H. Sturm - Страница 7
Besuch in Uniform
ОглавлениеDie beiden stehen in ihren dunkelblauen Uniformen in der Eingangshalle und schauen sich ungeniert um. Den größeren kenne ich, Marinelli heißt er. Ich hatte zeitweise eine Lizenz, um Sand aus dem Río Tercero zu verkaufen. Die Flüsse bei uns haben ziemlich simple Namen. Der Río Primero ist der nördlichste in der Provinz, der nächste ist der Río Segundo und dann kommt? Jawohl, genau, der dritte Fluss, Río Tercero, und ganz im Süden, Sie werden es kaum glauben, der Río Cuarto und der Río Quinto. Die alten Flussnamen der Indianer sind deutlich einfallsreicher: Suquía, Xanaes, Calamuchita, Chocancharava, Popopis. Da hört man doch klares Wasser munter über runde Kiesel hüpfen, finden Sie nicht? Aber durchgesetzt haben sich die langweiligen Bezeichnungen der spanischen Eroberer. Die waren eben nicht hierher gekommen, um den Poesiepreis der Königlichen Akademie in Madrid zu gewinnen, wie allgemein bekannt sein dürfte, sondern um das Land möglichst schnell zu erobern.
Also, wie bereits angedeutet, ich hatte einen alten Armeelastwagen günstig erworben und durfte für ein paar Pesos im Jahr so viel Sand und Kies aus dem Flussbett des Río Tercero herausschaufeln wie ich konnte. Das heißt, wie der Peón konnte, den ich dafür bezahlte. Und der große ungeschlachte Typ mit dem breiten Nacken, der sich nun provokativ vor den Pferdebildern aufbaut, als verstünde er etwas von Kunst, der hat eine Fuhre von dem Sand bekommen, geschenkt natürlich. Bausand, Sie verstehen schon, für den Bungalow, den er sich damals in Belgrano hingestellt hat, der Marinelli. Als er mich hinter Rafa und Trixi stehen sieht, kratzt er sich mit derselben Hand, mit der er seine Mütze hält, an seinem kahlen Schädel. Er weiß, dass er mir noch was schuldet und fragt sich, ob das jetzt fällig sein kann und in welcher Form, ich seh´s ihm an. Der andere ist ein drahtiger Typ, eher klein, hält sich sehr gerade, mit einem exakt geschnittenen Bärtchen unter der schmalen Nase. Offensichtlich ist er der Ranghöhere, obwohl er ziemlich jung ist, jünger als ich jedenfalls, und er sieht ganz so aus, als wollte er noch mehr werden als nur Polizist in der Sierra. Er stellt sich mit Acevedo vor und lispelt dabei ein wenig. Man soll wohl merken, dass er von echten Spaniern abstammt.
Ich will´s kurz machen, die beiden erfahren von uns ungefähr das, was wir eben wissen. Nur Vicky lassen wir unerwähnt. Sie trinken im Stehen den Cafecito, den Trixi ihnen zubereitet. Das Schnäpschen dazu wird von Marinelli genießerisch geschlürft, während Acevedo es unkommentiert stehen lässt. Habe ich mir schon so vorgestellt. Dann fahren wir zusammen zu der Hütte von Koch. Sie nehmen dem Toten das Tuch vom Kopf, das irgendjemand darüber gelegt hat, vermutlich Pedro, und sehen sich das Szenario mit ungefähr derselben Miene an wie vorher die Bilder im Haupthaus. Dabei sagen sie keinen Ton. Marinelli schaukelt die Hängematte mit dem toten Koch versonnen ein bisschen hin und her. Beim Nachdenken hilft ihm das bestimmt nicht weiter, in dem Punkt ist er ohnehin ein hoffnungsloser Fall. Nach einer Weile fragt Acevedo, ob Koch kein Bett hatte. Wie Sie sehen nein, antwortet Rafa. Keine Frau? fragt der Polizist und Rafa schüttelt den Kopf. Acevedo deutet auf das Regalbrett über dem einzigen Fenster, auf dem genau drei Bücher stehen und sagt mit gekonnt überheblicher Ironie, ohne eine Miene zu verziehen: Keine Frau und kein Bett, aber eine gigantische Bibliothek. Er stellt sich auf die Zehen, holt die unscheinbaren Bände von dem schlampig gehobelten Brett und schaut kurz auf den Umschlag. Kein einziges auf Spanisch, konstatiert er mit einem Ton gezielter Verachtung und stellt sie zurück. Dann zieht er einen Fotoapparat aus der Dokumentenmappe, die er umgehängt trägt und schießt ein paar Aufnahmen. Rafa macht die erstaunte Feststellung, dass man den Fortschritt nicht aufhalten kann und dass er trotzdem überrascht ist, die Polizei nun mit Fotoapparaten zu erleben. Acevedo erwidert von oben herab, dass es sein eigener Apparat ist und dass morgen der Gerichtsmediziner aus Córdoba vorbei kommen wird. Danach könne man den Toten unter die Erde bringen. So ist das normalerweise auch vorgesehen, denn in der Hitze, die bei uns im Sommer herrscht, sollte man zumindest ab November mit dem Begraben tunlichst nicht länger als 24 Stunden warten. Rafa fragt, ob er die Angestellten sprechen will und ob er sie zusammenrufen lassen soll, aber Acevedo erwidert steif, dass er es vorzieht, die Leute einzeln zu befragen und dass er sich schon zurecht finden wird. Rafa gibt ihm noch die Telefonnummer vom Büro und bittet kühl, dass man ihn auf dem Laufenden hält. Bravo Rafa, bei einem Polizisten muss man stets das letzte Wort behalten, das ist wichtig für das Selbstbewusstsein. Dann stiefeln die beiden Uniformierten los, den Hang hoch, wo die Hütte von Pedro steht.
Nach zwei Stunden kommen sie zurück und fragen, wieso wir ihnen nichts von Victoria Carvallo erzählt haben. Rafa sagt, weil sie nicht da war, also gab es keinen Grund sie zu erwähnen. Acevedo lächelt spöttisch. Ob er wisse, wo sie sich aufhält? Nein, erwidert Rafa, darüber kann vielleicht Pedro oder aber Martita Auskunft geben. Die haben wir bereits befragt, stellt der Polizist formell fest, aber wir werden sie schon zu finden wissen, darauf können Sie sich verlassen. Dabei sieht er uns alle drei der Reihe nach grimmig an, als hätten wir ihn übel beleidigt. Daraufhin steigen die zwei Vertreter zweifelhafter Gesetze in ihren Landrover und holpern im ersten Gang davon. Trixi beginnt zu weinen. Ich kann mir ausmalen, dass sie sich Sorgen macht wegen Vicky. Ich denke, ich sollte die beiden jetzt besser allein lassen und sage, dass ich eben noch mal in Kochs Hütte nachschauen will.