Читать книгу George Best - Dietrich Schulze-Marmeling - Страница 11
Swinging Sixties
ОглавлениеMitte der 1960er wird George Best zum ersten Popstar des Fußballs. Nach einer Best-Gala in Lissabon ernennt ihn die Presse zum „fünften Beatle“. Dank Best wird Manchester United zum Repräsentanten der Swinging Sixties auf dem Fußballfeld. Gemeinsam mit dem FC Chelsea, in dessen Stadion Stamford Bridge er besonders gerne vorspielt. In seiner nordirischen Heimat trägt Best dazu bei, dass sich nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten für United erwärmen. Durch sein Können und seinen Lebensstil entwickelt er einen ökumenischen Appeal.
Belfast gets the Blues
Das mehrheitlich protestantische Belfast ist in den 1950ern und frühen 1960ern ein dröger Ort. Besonders an einem Sonntag. Der starke Einfluss der Evangelikalen sorgt dafür, dass sogar die Kinderspielplätze geschlossen bleiben. 1964 beschließt das Education Commitee zwar zunächst ihre Öffnung, aber die von Unionisten/Protestanten gestellte Stadtregierung verhindert dies. Selbst die nordirische Tourismusbehörde Northern Ireland Tourist Board (NITB) befürchtet nun, dass Belfasts evangelikal-fundamentalistisches Image potenzielle Besucher abschreckt. In East Belfast leidet die Freizeitgestaltung zudem unter der freudlosen Mentalität der Werft- und Hafenarbeiter, die eine exklusiv männliche, durch Härte gegenüber sich selbst geprägte Kultur geschaffen haben, in der für Vergnügen kaum Platz ist.
Trotzdem bekommt auch Belfast etwas von den Swinging Sixties ab – zumindest Teile der Stadt. Während des Zweiten Weltkriegs waren über 100.000 GIs in Nordirland stationiert, und ungefähr 1.800 nordirische Frauen heirateten einen amerikanischen Soldaten. Mit den GIs kam auch der Blues nach Belfast. In Belfast und Umgebung waren viele US-Soldaten schwarze Marines, die ihre Blues-LPs zu den Pfandleihern trugen. Auch nach Kriegsende blieben einige von ihnen in Belfast stationiert. In den 1960ern konnte man auf dem Smithfield Market eine Fülle von Blues-Alben erwerben oder für einen Shilling ausleihen. Darunter auch solche, die in Großbritannien normalerweise nicht erhältlich waren.
Anfang der 1960er entwickelt sich in Belfast eine starke Rhythm-and-Blues-Szene. Ihr Anführer war George Ivan Morrison, kurz: Van Morrison. Er stammt aus Ballymacarret im Osten Belfasts, gut einen Kilometer Luftlinie von Cregagh entfernt. Best erinnerte sich im Jahr 2001: „Unsere Familien kannten sich. Aber ich habe ihn erst viel später getroffen. Heute kenne ich ihn ganz gut. Ich versuche, alle seine Konzerte zu besuchen.“
Van Morrisons erste Band heißt The Monarchs. Man spielt u.a. in katholischen Gemeindehäusern und Hallen des Oranier Ordens. Bei den Oraniern müssen die Musiker vertraglich zusichern, dass alle Bandmitglieder Protestanten sind. Bald schießen überall in der Stadt R&B-Klubs aus dem Boden. Gerry McAvoy, damals Bassist der Band Deep Joy: „Van Morrison löste in Belfast einen Run auf R&B aus, er hatte enormen Einfluss auf jeden, der ihm nachfolgte. Ich schätze, seine Wirkung für den R&B war dort die gleiche wie die der Beatles für den Mersey Sound in Liverpool.“
Zentrum der lokalen R&B-Szene ist das Maritime Hotel am College Square North im Stadtzentrum Belfasts. Was für Liverpool der Cavern Club ist, das ist für Belfast das Maritime Hotel. Das ehemalige spartanische Seefahrer-Hostel wird vor allem durch die Auftritte Van Morrisons mit seiner 1964 gegründeten Gruppe Them berühmt.
Auch Musiker aus der Republik zieht es nach Belfast. Denn musikalisch ist der Norden dem Süden weit voraus. McAvoy: „Im Süden konnte man nur spielen, wenn das Programm aus Top-40-Songs bestand, da man alles mit Argwohn betrachtete, was zu sehr nach Rock oder Blues klang. Denn darin ging es nach Meinung der Iren nur um Sex und Drogen.“ So dominieren zunächst die in braven Uniformen auftretenden Showbands oder Dancebands, in denen auch der junge Gitarrenvirtuose Rory Gallagher eine Weile spielt. Gallagher ist dann einer der Ersten, der musikalisch und kleidungsmäßig aus diesem Muster ausbricht.
1966 gründet er im südirischen Cork die Band The Taste, die bald in ganz Irland bekannt ist. Gerry McAvoy, der 20 Jahre lang mit Gallagher zusammengearbeitet hat: „Dieser Erfolg und seine neu entdeckte Liebe zum Blues brachten Rory zu der Entscheidung, er sei in Belfast besser aufgehoben als in Cork, um von der hier blühenden R&B-Szene zu profitieren. Eine weitere Überlegung war, dass man von Belfast aus viel leichter als von Cork aus nach England kam.“
Denn irgendwie orientierten sich alle nach England – ob Fußballer oder Musiker, ob Protestant aus dem Norden (wie Best) oder Katholik aus dem Süden (wie Gallagher). Die Jugend will aus den Zwangsjacken ausbrechen, die ihr der nordirische Protestantismus und der südirische Katholizismus angezogen haben.
1966 treten Gallagher und Taste erstmals in Belfast auf. Die Band wird nun zum festen Bestandteil des Angebots im Maritime Hotel. Im Vorprogramm spielt Gerry McAvoys Deep Joy, die auch bei Konzerten von John Mayall und Jethro Tull einheizt. McAvoy: „Es war die ganze Atmosphäre rund um die Belfaster Blues-Szene, die den jungen Rory Gallagher aus seiner Heimatstadt Cork tief im Süden nach Nordirland lockte.“ Gallagher widmet später dem Maritime Hotel ein eigenes Stück („Maritime“); die rein instrumentale Nummer ist u.a. auf seinem legendären Live-Album „Irish Tour“ zu hören.
Spaß nur bei den Katholiken
In Belfast findet die Party vornehmlich in den katholischen Gegenden statt. Der spätere IRA-Pressesprecher (und heutige Journalist) Gerry O’Hare gehörte einer Céili-Gruppe an, die einmal den Background für ein Van-Morrison-Konzert in der Queen’s University liefert.1 O’Hare war begeistert von Morrisons Album „Astral Weeks“, eine bis dahin unbekannte Mischung von Folk, Blues und Jazz, die 1968 erscheint und 2009 in einer vom Musikmagazin „Hot Press“ unter Fachjournalisten veranstalteten Umfrage zum besten Werk eines irischen Musikers gewählt wird. O’Hare: „Wir hatten niemals zuvor derartige Musik gehört, gespielt von jemandem, der aus East Belfast kam, und mit einem kompletten Orchester hinter sich. In Belfast interessierten sich Republikaner meiner Generation für jede Form von Musik. Wenn Tanzmusik gespielt wurde, waren wir da, während Protestanten nicht einmal zum Céili gingen, das für sie ein katholisches Ding war. Uns störte das nicht. Ich denke, wir waren ihnen stets einen Schritt voraus. Wir hatten mehr Spaß.“
Eamonn McCann, der prominente Sozialist und Journalist aus Derry, hat ähnliche Erinnerungen: „Als ich ein Teenager war, schienen mir junge Katholiken mehr auf Rock ’n’ Roll zu stehen. Sie waren weltoffener. Protestanten mögen auf Katholiken sozial, politisch und wirtschaftlich heruntergeschaut haben. Ich glaube, dass Katholiken kulturell auf sie herunterschauten. Es ist eine Verallgemeinerung und klingt etwas unfair, aber Katholiken hatten mit Sicherheit den Eindruck, dass Protestanten ein bisschen tonlos waren und keine Melodie besaßen.“
Im protestantischen Belfast finden die Swinging Sixties kaum statt, auch wenn es Musiker wie Van Morrison stellt, der allerdings zum Zeitpunkt von „Astral Weeks“ bereits in den USA lebt. Vielleicht typisch für Belfast, das zu dieser Zeit noch so stark protestantisch geprägt ist, dass es in einer Chronik der nordirischen Metropole über die Swinging Sixties heißt: „Belfasts symbolischster Beitrag zu dieser hedonistischen Dekade war George Best, der aber das Etikett ‚der fünfte Beatle‘ erst erwarb, nachdem er die Siedlung in Cregagh für die Nachtklubs und Fußballfelder von Manchester verlassen hatte.“
Eine Generation und ihre (individualistische) Kultur
In Manchester korrespondiert Bests Fußballkarriere mit einem gesellschaftlichen Aufbruch auf der britischen Insel. Rückblickend spricht man von Großbritanniens „goldenem Zeitalter“. Viele europäische Gesellschaften werden in den 1960ern und frühen 1970ern von Umbrüchen erfasst, aber auf der britischen Insel beginnen sie schon Ende der 1950er und somit fünf bis zehn Jahre früher. Es ist zunächst eine kulturelle Bewegung, die dann aber auch sozialgeschichtliche Veränderungen bewirkt.
Im Nachkriegs-Großbritannien boomt die Wirtschaft, es werden Arbeitskräfte benötigt, und die soziale Mobilität ist so groß wie nie zuvor. Zum ersten Mal öffnen sich die Tore der höheren akademischen Institutionen auch jungen Menschen aus der Arbeiterschaft. Dies füttert den Glauben, dass man mit Talent und Entschlossenheit die Klassengrenzen durchbrechen kann. George Best wird nicht nur der Enge der Arbeiterklasse, sondern auch des religiösen Sektierertums seiner Heimat entkommen. Hierfür gibt es kaum einen besseren Platz als Manchester, das sich immer schon durch ein hohes Maß an religiöser Toleranz und einen gewissen Hang zur Rebellion auszeichnete.
Der zunehmende Wohlstand äußert sich in einer Konsumkultur, die, so der Großbritannien-Experte Thomas Mergel, „erstmals bis weit in die Arbeiterklasse reichte und nun auch die jüngere Generation erfasste. Die Vollbeschäftigung hatte nicht nur dazu geführt, dass so gut wie alle Leute, die arbeiten wollten, Arbeit hatten, sondern bescherte auch höhere Löhne. Sodass gerade die Schichten, die früher aus dem Bildungssystem entlassen wurden, also Arbeiterjugendliche, finanziell relativ selbstständig waren; sie prägten die ersten Jahre einer entstehenden Jugendkultur.“
In den 1960ern erfasst eine explodierende Populärkultur die Fans des Fußballs und der Beat-, Blues- und Rockmusik. Erstmals werden Moden nicht nur von den oberen Etagen der Gesellschaft vorgegeben, sondern auch „von unten“ entwickelt. Der Historiker Eric Hobsbawn schreibt über diese soziokulturelle Revolution: „Modebewusste Jungen und vor allem Mädchen aus der Arbeiterklasse hatten ihren Lebensstil bis dahin häufig von den Moden der Oberschichten oder der Subkulturen der Mittelklasse, also der Künstlerboheme, kopiert. Nun begann sich eine seltsame Umkehr der Dinge anzudeuten.“ Ähnlich sieht es der Journalist Andrew Marr, bis 2005 Politikredakteur der BBC: „Die neue Kultur war weit davon entfernt, elitär zu sein. Sie wurde geformt von Leuten aus der Arbeiter- und der unteren Mittelklasse, die niemals zuvor so viel kulturelle Macht genossen hatten. (…) Die Kinder der LKW-Fahrer, Hafenarbeiter, Putzfrauen und Verkäuferinnen wurden in teuren Nachtklubs gefeiert und standen Schlange, um der Queen vorgestellt zu werden.“
Britische Freizeitkulturen sind nun nicht mehr Kulturen von Klassen, sondern von Generationen. In Großbritannien zeigt sich ein Muster, das, so Thomas Mergel, „in ganz Westeuropa zum Ende des 20. Jahrhunderts leitend geworden ist und das für weibliche Lebensentwürfe ebenso gilt wie für Trends der Massenkultur: die Individualisierung der Lebensstile. Die Popkultur der sechziger Jahre hatte, so sehr auch Musikgruppen die Szene beherrschten, den Individualismus gefeiert. Eine Persönlichkeit wie John Lennon war eben nicht wie alle, und ebenso wenig war es der erste Fußballer, der zur Popikone geworden ist: der Nordire George Best, der bei Manchester United spielte. Genial, aber trainingsfaul und langhaarig, fuhr er Sportwagen, besuchte Nachtklubs und verändere dadurch das öffentliche Bild des bisher als Proletensport gehandelten Fußballs vollständig. (…) In der Verehrung, die solchen Stars entgegenschlug, äußerte sich die Sehnsucht der vielen, ebenso unverwechselbar und gegen den Mainstream zu sein und zu leben.“
In einem Punkt irrt Mergel allerdings. Zwar schwänzt Best später wiederholt das Training, aber in seinen besten Jahren ist er alles andere als trainingsfaul. Best ist auch nicht der typische Playboy, als der er später bezeichnet wird. Zumindest im Manchester-United-Trikot bleibt sein Kerngeschäft der Fußball.
Als Brian Kidd, drei Jahre jünger als George Best, 1966 zur 1. Mannschaft stößt, lernt er einen Best kennen, der auf dem Trainingsplatz so fleißig ist wie kaum ein anderer: „Seine Fitness war überragend, wurde von niemandem übertroffen, aber er arbeitete auch hart an seiner Technik. Wenn die anderen Spieler der 1. Mannschaft das Training beendet hatten und nach Hause gegangen waren, kam er noch einmal am Nachmittag mit einem Sack mit Bällen und übte Eckstöße – mit dem linken und dem rechten Fuß. Er versuchte sie direkt zu verwandeln, was ihm fast regelmäßig gelang. Ich erinnere mich daran, wie er dies einmal an einem Freitagnachmittag trainierte. Am folgenden Tag traf er dann auch im Spiel mit einem Eckstoß direkt ins Tor. Alle dachten an einen Zufall, aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Er hatte daran gearbeitet. Gott hatte ihn mit Talent ausgestattet, aber er arbeitete auf dem Trainingsplatz hart daran, sich weiter zu verbessern.“
Manchester swingt
Die Swinging Sixties sind nicht auf die Hauptstadt London beschränkt. Auch Manchester hat eine vibrierende Klub- und Musikszene. Dazu zählt das Twisted Wheel, der erste Nachtklub, in dem sich Best regelmäßig herumtreibt. Das Twisted Wheel ist ein ehemaliges Café für Studenten und Beatniks. Nicht der Alkohol lockt den späteren Alkoholiker Best in den Klub, sondern die Musik (vor allem Alexis Korner und Long John Baldry treten hier häufiger auf) und die jungen Damen. Auch hat Manchester seine eigene Bandszene, wenngleich nicht so dicht und ausgeprägt wie im benachbarten Liverpool. Aber im Frühjahr 1965 belegten mit Freddie & The Dreamers, Wayne Fontana & The Mindbenders und Herman’s Hermits drei Manchester-Bands die ersten drei Plätze in den US-Charts.
Außerdem hat Manchester mit Le Phonographe eine der berühmtesten Diskotheken im Land. Der Laden spielt in den Swinging Sixties eine ähnliche Rolle wie in den 1990ern The Hacienda, ein Nachtklub, der in den Jahren von „Madchester“, einer Bewegung aus Independent Rock, Psychedelia und elektronischer Tanzmusik, angesagt ist und von United-Spielern wie Ryan Giggs und David Beckham frequentiert wird. Im Phonographe kann man laut Best die schönsten Mädchen treffen. Er erscheint dort meist gemeinsam mit dem drei Jahre älteren Mike Summerbee, der 1965 von Manchester City als Flügelstürmer verpflichtet worden ist und sich mit Best schnell angefreundet hat. Die beiden beginnen ihren Diskoabend meist an einem Tisch nahe der Damentoilette, wo die Mädchen sie passieren müssen.
Später unterhält Best eine besondere Beziehung zum Club Phyllis, der von der Irin Philomena „Phyllis“ Lynott geführt wird. Phyllis ist die Mutter von Phil Lynott, Sänger und Bassist der Dubliner Rockband Thin Lizzy, die Anfang der 1970er nach London übersiedelt. Phil Lynott ist farbig, sein Vater stammt aus Guinea. Seine melancholischen Texte setzen sich kritisch mit den Klischees über Männlichkeit und mit der katholischen Tradition seiner Heimat auseinander.
Im Phyllis kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit erscheinen. Best: „Der Laden war immer offen, und Phyllis war immer da. Sie schien niemals zu schlafen. Du konntest dort um fünf Uhr in der Früh auftauchen – und der Laden bebte. Phylli’s Freund Dennis beobachtete von einem Fenster im oberen Geschoss die Straße. Wenn die Polizei kam, wurden alle Lichter und die Musik abgeschaltet.“
George Best wird zum Epizentrum des Partylebens von Manchester. Dort swingen die Sixties um einen Fußballer aus der nordirischen Provinz. Mit seinem blendenden Aussehen weckt der Fußballer Best das Interesse auch der jungen Frauen. Bis dahin war es allein ein Hobby junger Männer gewesen, Zigarettenbildchen von Fußballstars zu sammeln. Und keine Frau hatte sich das Poster eines Fußballers übers Bett gepinnt. Mit Best ändert sich das.
Dank Best und eines Fußballs „mit Flair“ avanciert Manchester United zum „fashion leader“ auf dem Fußballfeld – gemeinsam mit dem Chelsea FC, der flamboyantesten Adresse des Hauptstadt-Fußballs. Der „Guardian“-Journalist David Lacey: „Vor Best waren Fußballer in der Regel Männer mit kurzen Haaren, die das Äquivalent eines ordentlichen Fabrikarbeiterlohnes verdienten und sich mit einem netten Mädchen aus dem Friseursalon niederließen. Best bereicherte United nicht nur mit seinen zauberhaften Fähigkeiten als Fußballer, sondern auch mit einem Glamour, wie ihn das Spiel bis dahin noch nicht erlebt hatte.“
Best selbst hegte beste Erinnerungen an diese Zeit. Rückblickend erzählte er im Jahr 2001: „Ich werde immer dafür dankbar sein, dass ich die 1960er und 1970er erlebt habe. Es war eine aufregende Zeit. Das Leben war frei und leicht. Krankheiten wie Aids gab es noch nicht. Das Leben bestand aus Mädchen, einigen Bieren, Fußball, guter Musik. Das alles gehörte zum Alltag, und ich liebte jede Minute davon. Ich war vom Sex niemals enttäuscht. Es ist wie mit dem Fußball. Wenn du ein gutes Spiel hast, willst du weitermachen. Und wenn du ein schlechtes hast, freust du dich auf das nächste Spiel.“ Später wechselt er allerdings von jungen Mädchen zu älteren, verheirateten Damen, was ihm wiederholt Probleme mit deren Ehemännern einbringt.
Ökumenische Dribblings
Der Kultur seiner Belfaster Herkunftscommunity entrissen und mit den Swinging Sixties infiziert, hat Best in Manchester auf und neben dem Fußballplatz einen ökumenischen Appeal entwickelt. Wenn der Dribbelkünstler die Gegner düpiert, steht Busbys United nur für den Zeitgeist und nicht für irgendwelche katholischen oder protestantischen Werte.
Wer Best liebt, der muss auch United lieben. Wie kein anderer nordirischer Fußballspieler und Sportler sprengt Best die sektiererischen Barrieren in seiner Heimat. Nicht wenige der heutigen nordirisch-protestantischen United-Fans gehören zu der Generation, die durch das United von George Best sozialisiert wurden.
Katholiken können mit United sympathisieren, weil es ein „katholischer“ Klub ist. Protestanten, weil es der Klub von Gregg, Blanchflower, McIlroy und vor allem Best ist. „Das München-Desaster und das von Best verkörperte schöne Spiel Uniteds bedeuteten, dass man in Nordirland orange oder grün sein konnte – aber zugleich auch rot“ (Teddie Jameson). Bests Mitspieler Pat Crerand erzählt, wie er einen TV-Bericht über Unruhen in Belfast gesehen habe. Über die Mauer, die den katholischen Teil des Westens vom protestantischen trennt, hätten sich Jugendliche mit Steinen beworfen. Auf beiden Seiten hätten die Randalierer United-Trikots getragen.
Chelsea hat die „Blues“
Im United-Trikot sind es vor allem drei Spiele, die Bests Image prägen: ein Meisterschaftsspiel bei Chelsea in der Saison 1964/65 und zwei Begegnungen mit Benfica Lissabon im Europapokal der Landesmeister: das Rückspiel im Viertelfinale 1965/66 und das Finale 1967/68.
Die „Blues“ aus der britischen Hauptstadt sind wie erwähnt Mitte der 1960er Jahre gemeinsam mit United Trendsetter der Fußballkultur. Das im Westen Londons gelegene ehemalige Fischerdorf Chelsea, das sich bis heute ein bisschen von seinem dörflichen Charakter erhalten hat, besaß schon früh ein eigenes Flair. Im Royal Court Theatre am Sloan Square, dem Mittelpunkt Chelseas, wurden zwischen 1904 und 1907 die ersten Stücke Bernard Shaws aufgeführt.
Mit Manager Ted Drake begann 1952 für den bis dahin eher mittelmäßigen Chelsea FC eine neue Zeitrechnung. Drake verfolgte eine für die damaligen englischen Verhältnisse moderne Trainingslehre. Mehr als viele seiner Kollegen ließ er mit dem Ball trainieren und die Technik seiner Spieler schulen. Sein Reformeifer endete nicht am Spielfeldrand. So wurde auf sein Betreiben das wenig Dynamik verkündende Vereinsemblem geändert. Der Chelsea Pensioner –der ein Altersheim für Militärs in Chelsea symbolisierte – musste einem Löwen weichen.
1955 gewann Chelsea mit der englischen Meisterschaft erstmals eine bedeutende nationale Trophäe – 50 Jahre nach der Gründung des Klubs. Und nicht nur auf dem Fußballfeld befand sich der Klub im Aufbruch. Mit der Premiere des Stücks „Look Back in Anger“ von John Osbourne im Royal Court Theatre avancierte Chelsea zum Ausgangspunkt der Bewegung der „angry young men“, die den Konservativismus der 1950er Jahre herausforderten.
Die Jahre 1963 bis 1972 sind bis zum Beginn der „Europäisierung“ Chelseas unter dem russischen Milliardär Roman Abramowitsch die aufregendsten in der Geschichte der „Blues“. Publikumsliebling dieser Ära ist Peter Osgood, der zum King der Stamford Bridge avanciert. Vor dem League-Cup-Finale 1972 nimmt die Mannschaft den Song „Blue is the Colour“ auf, der es auf den 5. Platz in den britischen Charts schafft. Noch heute zählt das Lied zu den bekanntesten Fangesängen im englischen Fußball.
Wie schon in den 1950ern korrespondieren auch in den 1960ern die Erfolge der „Blues“ auf dem Rasen mit einem kulturellen Aufbruch des Stadtteils Chelsea. 1957 hatte Mary Quant an der King’s Road die Boutique Bazaar eröffnet. „Die Erfinderin des Minirocks hatte damit einen Typ von Verkaufsgeschäft kreiert, der gleichzeitig Programm war. Nicht beim Schneider, der individuelle Mode auf Bestellung machte, nicht im Kaufhaus, wo gleichförmige Mode von der Stange zu haben war, sondern in einem kleinen Geschäft kaufte man ein individuelles Kleidungsstück und gleichzeitig einen Stil mit dazu. Die Mode der Jugend wurde als eine Kultur der Individualität geboren, die sich von der einförmigen Klassenstruktur der britischen Gesellschaft absetzte.“ (Thomas Mergel)
Anfang der 1960er folgte an der Ecke Kings Road / Marrham Street das erste Café im europäischen Stil. Bald wird Chelseas King‘s Road international zu einem Begriff, zum „Laufsteg einer frechen und befreiten Jugendkultur im gleißenden Licht der Weltöffentlichkeit“ (Ingrid Nowel). Die Straße, die bis 1830 nur vom König benutzt werden durfte, avanciert zum Mekka der modischen Trendsetter und kreativen Geister. Hier residiert eine pulsierende Szene, bei der sich alles um Musik, Mode – der Chelsea-Set diktiert auch international die Modetrends – und Jugendkultur dreht. In den Nebenstraßen der King’s Road leben Wohlsituierte, Politiker und Schriftsteller – und später auch Best. Chelseas musikalische Favoriten sind die Beatles und die Rolling Stones. Mick Jagger und Keith Richard lassen sich am Cheyne Walk nahe der Themse nieder.
Der Fußball profitiert von dieser Atmosphäre. „Die Swinging Sixties waren eine Ära großer Erregung an der ‚Bridge‘. Chelsea trug ein komplett blaues Dress, hatte Showbiz-Fans und die King‘s Road um die Ecke. Arsenal wirkte dagegen verknöchert, Tottenham lediglich wie ein Vorstadtverein“ (Simon Ingleas). Der Chelsea Football Club war „der kickende Feind des Establishments, der erste Rock’n’Roll-Klub der Fußballgeschichte“ (Sven Goldmann). Ein wenig von seinem alten Flair hat sich der Klub sogar noch in der Ära Abramowitsch bewahrt. 2008 wird der Baron und Labour-Mann Richard Samuel Attenborough, Schauspieler und Regisseur (u.a. des Anti-Apartheid-Dramas „The Cry for Freedom“ und „Gandhi“), bei Chelsea Ehrenpräsident auf Lebenszeit.
Applaus vom Gegner
Am 30. September 1964 muss United an die Stamford Bridge reisen. Es ist der 11. Spieltag der Saison, und Chelsea hat die ersten zehn Spiele allesamt gewonnen. Die Londoner Presse freut sich schon auf den Meistertitel. United hat dagegen einen durchwachsenen Saisonstart hingelegt. Der erste Sieg wurde erst am 4. Spieltag mit einem 3:1 gegen West Ham United eingefahren. Best schoss bei dieser Gelegenheit sein erstes Saisontor. Aber mit vier Siegen in Folge ist Busbys Team rechtzeitig zum Kräftemessen mit dem Spitzenreiter in die Erfolgsspur zurückgekehrt.
An der Stamford Bridge heißt Bests Gegenspieler Ken Shellito. Der Rechtsverteidiger ist ein heißer Kandidat für Alf Ramseys WM-Kader. Vor 60.769 zahlenden Zuschauern demütigt der 18-jährige Best den vier Jahre älteren Shellito nach allen Regeln der Fußballkunst. Die „Times“: „Besonders Shellito muss sich gefühlt haben, als habe er ein Genie zurück in dessen Flasche zu stopfen. Er scheiterte.“ Best ist an diesem Nachmittag nicht zu stoppen. Beim 2:0-Sieg von United erzielt er ein Tor, und zuweilen spielt er mit den Beinen seiner Gegenspieler Doppelpass. Mit voller Absicht schießt er sie an und nimmt den zurückprallenden Ball wieder auf – geübt hat er das im Training.
Best begeistert nicht nur die mitgefahrenen United-Fans, sondern erobert auch die Herzen des Chelsea-Anhangs. Nach einiger Zeit ärgern sich die Fans der „Blues“ kaum noch über die Ballverluste ihres Teams – sofern der Ball dann bei Best landet. Nach dem Schlusspfiff applaudieren die übrigen 21 Spieler Best. Auch von den Rängen wird der „Man of the Match“ mit Standing Ovations verabschiedet. Der „Daily Mirror“ beobachtet, dass der „little Irishman“ den Platz mit gesenktem Kopf verlassen habe – so peinlich sei ihm gewesen, wie ihm Mit- und Gegenspieler und das Publikum zu Füßen lagen. Chelseas Manager Tommy Docherty hat für Best nur ein Wort übrig: „Fantastisch!“ 41 Jahre später, anlässlich des Todes von Best, schreibt der Publizist Ulrich von Berg über dieses Spiel: „Er packte den Zeitgeist, der gerade im Begriff war, London zur wichtigsten Stadt der Welt zu machen, bei den Hörnern und spielte ihm frech den Ball durch die Beine. Sein Auftritt, der die Selbstsicherheit dessen, der einfach weiß, dass er über Klasse und Charisma verfügt, mit rotziger Aufmüpfigkeit gegen tausend bisher nicht hinterfragte Konventionen paarte, war der vielleicht zaghafteste Ansatz, die Subkulturen des Fußballs und des Pops zueinanderfinden zu lassen.“
Es ist nicht Bests letzter starker Auftritt an der Stamford Bridge. Busby meint, das Stadion habe etwas besessen, was Bests Stimmung stets hob. „Immer wenn wir danach wieder an die Stamford Bridge gefahren sind, habe ich gedacht, dass ich eigentlich die Polizei anrufen und sie warnen müsste, dass in Kürze ein Mord geschieht.“
Neben Old Trafford wird Stamford Bridge zu Bests Lieblingsspielplatz. Der Gegner hat ein Team mit Flair, das Stadion hat Flair, und vor allem hat der gesamte Stadtteil ein Flair, das ihm gefällt. Wäre nicht United gewesen, hätte Best wohl gerne für Chelsea gespielt. Der Westen Londons löst später Manchester als seine Heimat in England ab.
Englischer Meister
Der Sieg an der Stamford Bridge ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Meisterschaft, die nun zu einem Dreikampf zwischen United, Leeds und Chelsea gerät. In taktischer Hinsicht ist United dem Rest der League um Meilen voraus. Busbys Mannschaft irritiert die Gegner durch ein flexibles Angriffsspiel: Spieler tauschen ihre Positionen oder ziehen sich bis zur Mittellinie zurück und entgehen so der gegnerischen Manndeckung. Der dadurch entstehende Raum in der gegnerischen Hälfte wird von den kreativen Mittelfeldspielern Pat Crerand und Bobby Charlton genutzt. In einer Zeit, in der in England die Flügelstürmer aus der Mode kommen – ein Jahr später wird man Fußball-Weltmeister England auch als „wingless wonder“ bezeichnen –, attackieren die „Red Devils“ mit George Best und John Connelly auch über die Außenbahnen. Im Angriffszentrum lassen sich Denis Law und David Herd immer wieder zurückfallen, woraufhin Best in die Mitte vorstößt. United schießt alle denkbaren Arten von Toren.
Nach 42 Spielen haben Manchester und Leeds jeweils 61 Punkte auf ihrem Konto, Chelsea kommt nur auf 56. Dank des deutlich besseren Torverhältnisses wird Busbys Team Meister. United schießt gemeinsam mit Chelsea, dem anderen Team der Swinging Sixties, die meisten Tore (89) und kassiert mit Abstand die wenigsten (39). Law trifft 28-mal, der 18-jährige George Best, der in 41 der 42 Meisterschaftsspiele dabei ist, zehnmal. Für Best ist es der erste Titel mit Uniteds Profis.
Best schlägt Benfica
Sieben Jahre nach der Katastrophe von München hat Busby das erste Etappenziel erreicht: Als Meister kämpft United in der folgenden Saison 1965/66 wieder um die Krone im europäischen Klubfußball. Im Europapokal lässt der Manager anders spielen als in der Liga. Die britischen Teams hatten im Europapokal häufig Probleme, weil sie ihre Taktik nicht auf die andere Spielweise der Kontinentalen einstellten. Sie waren überzeugt: Die beste Methode, um den Gegner einzuschüchtern und zu schlagen, sei, mit dem gleichen Tempo zu spielen wie in den heimischen Wettbewerben. Gegen Teams, die einen kultiviertes Spiel bevorzugten und sich auf Ballbesitz verstanden, erwies sich diese Taktik wiederholt als selbstmörderisch.
Im Viertelfinale trifft United auf Benfica Lissabon, den zweimaligen Sieger des Wettbewerbs. Im Old Trafford gewinnen die „Red Devils“ mit 3:2. Nicht die beste Ausgangsposition für das Rückspiel in Lissabon, wo man zwei Jahre zuvor im kleineren europäischen Wettbewerb gegen Sporting, Lissabons Nummer zwei, mit 0:5 untergegangen ist. Zudem hat Benfica im Europapokal zu Hause noch nie verloren. Und in den letzten 17 Europapokalspielen haben die Portugiesen im Schnitt 4,3 Tore pro Spiel geschossen.
Aber am 9. März 1966 zelebriert Busbys Team vor über 90.000 Zuschauern im Estádio da Luz seinen spielerischen Höhepunkt. Der Manager empfiehlt seinen Spielern für die ersten 15 bis 20 Minuten einen lockeren, abwartenden und kontrollierten Beginn. Best: „Er hatte uns das niemals zuvor gesagt, und wir wussten nicht, wie man das macht. Wir wussten nur, wie man Gegner verprügelt – und genau das taten wir.“
Vor allem Best hält sich nicht an den Marschbefehl des Managers. In der 6. Minute köpft er nach einem Freistoß von Dunne zum 1:0 ein, und nur fünf Minuten später umkurvt er drei Verteidiger der Portugiesen und erzielt das 2:0. Nach weiteren 14 Minuten trifft John Connelly zum 3:0, was auch der Pausenstand ist. Shay Brennan unterläuft in der 51. Minute ein Eigentor, aber anschließend landet der Ball nur noch im Tor der Portugiesen. Crerand (76.) und Charlton (87.) komplettieren einen 5:1-Erfolg.
Noch beeindruckender als das Ergebnis ist die Art und Weise, wie der Sieg errungen wird. United spielt die Portugiesen in Grund und Boden. Mann des Abends ist der 19-jährige Best. Manche sagen, es sei Bests größter Auftritt im roten Dress gewesen. Über das 5:1 von Lissabon wird noch viele Jahre später mehr geredet als über den zwei Jahre späteren Gewinn des Europapokals. In England konstatieren die Zeitungen den besten Aufritt einer britischen Mannschaft auf dem Kontinent.
In Italien schreibt der „Corriere dello Sport“: „Benficas Mythos brach innerhalb von 15 Minuten zusammen, zerstört von einem kraftvollen und unwiderstehlichen Manchester United, dessen Spieler sich als die großen Stars des europäischen Fußballs präsentierten.“ „Times“-Korrespondent Geoffrey Green hat in den letzten 20 Jahren kein britisches Team gesehen, das im Ausland „so inspiriert und inspirierend und dominant“ aufgetreten sei wie United. Und über Best: „Er war der Beste auf dem Platz, indem er zu einem neuen, beinahe unbekannten Best wurde. Best schien sich ganz plötzlich in den Ball verknallt zu haben, und die ganze Mannschaft ist ihm als einem Leitwolf gefolgt. Vor unseren erstaunten Augen fiel das große Benfica-Team auseinander.“
Im Estádio da Luz triumphiert ein britisch-irisches Team. Drei der elf Spieler sind Nord- oder Südiren (Best, Gregg, Dunne), zwei sind Anglo-Iren (Brennan, Stiles), einer ist Schotte mit irischen Wurzeln (Crerand), und zwei sind Schotten (Law, Herd). Bei allen elf Spielern handelt es sich um ehemalige oder amtierende Nationalspieler, die sich aber auf vier Nationalmannschaften verteilen: Nordirland (Best, Gregg), Republik Irland (Brennan, Dunne), Schottland (Crerand, Herd, Law) und England (Charlton, Connelly, Foulkes, Stiles).
Der „fünfte Beatle“
Der Auftritt von Jungstar Best lässt die Presse verrückt spielen – und dies nicht nur in England. In Portugal tauft die Sportzeitung „Bola“ George Best „El Beatle“. Vor dem Rückflug nach Manchester kauft sich Best auf dem Lissaboner Flughafen einen bescheuerten Sombrero – und die Party beginnt.
Mit Lissabon avanciert Best endgültig zum ersten Popstar des Fußballs. Best: „Außerhalb des Fußballfeldes drehte alles durch. Die Beatlemania befand sich auf ihrem Höhepunkt. Zum ersten Mal hatten die jungen Leute Stars, die genauso alt waren wie sie. Nach den strengen 1950ern wurde alles relaxter. Kids wollten ihre Gefühle zeigen, und nachdem mir die Presse den Spitznamen ‚der fünfte Beatle‘ gegeben hatte, wurde ich zu ihrem Ziel. (…) Ich war derjenige, der Fußball von den Rückseiten der Zeitungen auf die Titelseiten brachte.“ Das Problem ist nur, dass die Medien eine Scheinwelt schaffen, in der sich der Jungstar zu verlieren droht: „Ich begann zu glauben, was die Zeitungen schrieben.“
Best erhält bald wöchentlich bis zu zehntausend Briefe von Fans. Dass er wahrscheinlich mehr Fanpost bekommt als jeder Fußballer vor ihm, hat einen einfachen Grund: Einen George Best verehrt und ihm schreibt auch das weibliche Geschlecht. Viele der Briefe stammen von Mädchen und jungen Frauen. Zumindest phasenweise beträgt der weibliche Anteil an der Fanpost um die 70 Prozent.
Sechs Tage nach seinem legendären Auftritt in Lissabon eröffnet Best in Manchesters Vorstadt Sale die Boutique Edwardia. Sein Partner ist der lokale Unternehmer Malcolm Mooney. Die Lage des Ladens ist nicht gerade günstig. Bis zum Stadtzentrum sind es sechs Meilen. Auch die Nachbarschaft ist nicht anziehend: Die Boutique liegt zwischen einem Wettbüro und einer kleinen Druckerei. Trotzdem versammeln sich schon zwei Stunden vor der Eröffnung rund 400 Fans vor dem Laden und hämmern an dessen Schaufenster. Die Mehrheit der Neugierigen sind Schulmädchen, allerdings wird im Edwardia Herrenmode verkauft.
Weitere Boutiquen folgen, nun im Stadtzentrum von Manchester, in der Nähe von Deansgate und Arndale, wo heute die große Shopping Mall steht. In den neuen Läden gibt es nun auch Damenmoden. Mit seinem Disko-Kumpel Mike Summerbee hat Best einen weiteren Partner im Boot, aber die eigentlichen Geschäfte führt Malcolm Mooney. Best und Summerbee haben damit nichts zu tun: Sie geben nur ihre Namen und tauchen ab und an in den Läden auf. Für die beiden Kicker bieten die Boutiquen vor allem ein weiteres Spielfeld, um junge Damen aufzureißen. Best: „Nach dem Training aß man ein wenig zu Mittag. Anschließend hing man im Laden herum, in Erwartung der Mädchen, die vom College nach Hause gingen. Viele von ihnen mussten am Laden vorbei.“
Verletzt
Seit dem 26. März 1966, als United im FA-Cup-Spiel bei Preston Northend spielte (1:1), plagt Best ein Knorpelschaden im Knie. Die Verletzung macht ihm im weiteren Verlauf seiner Karriere immer wieder zu schaffen. Zweieinhalb Wochen später muss United im Europapokal der Landesmeister im ersten Halbfinale bei Partizan Belgrad antreten. Busby möchte auf Best nicht verzichten. Auch Denis Law spielt trotz Problemen an seinem Knie. Im Partizan-Stadion ist Best zwar besser als der Rest seines Teams, aber es ist nicht zu übersehen, dass er gehandicapt spielt. United unterliegt völlig unerwartet mit 0:2.
Zurück in Manchester plagen Best erneut Schmerzen. Er muss sich einer Operation unterziehen und fällt für die restlichen Wochen der Saison aus. So muss Busby das Rückspiel gegen Partizan ohne ihn bestreiten. Law fehlt ebenfalls. Pat Crerand fliegt vom Platz, und mit einem Mann weniger gelingt United nur ein 1:0-Sieg durch ein Tor von Nobby Stiles. Für Matt Busby ist das Ausscheiden „der größte Tiefpunkt seit dem Unglück von München, und ich erwog, dem Fußball den Rücken zu kehren. Es schien, als habe sich das Schicksal gegen den Klub und mich verschworen.“
Unmittelbar nach dem Abpfiff ist der Manager so deprimiert, dass er Pat Crerand erzählt: „Wir werden den Europapokal nie gewinnen.“ Denn United verpasst nicht nur den Einzug ins Finale, sondern auch die erneute Qualifikation für den Europapokal: In der Meisterschaft wird die Mannschaft mit zehn Punkten Abstand auf Meister Liverpool nur Vierter. Dabei sind noch heute viele der Meinung, dass Busbys drittes Team nie besser gewesen sei als in der Saison 1965/66.
Aufgrund seiner Verletzung kommt Best in dieser Spielzeit nur auf 31 Einsätze in der Liga, in denen er neun Tore schießt. In allen Wettbewerben sind es 42 – 13 weniger als bei Crerand, in dieser Saison Uniteds Dauerbrenner.
Im Sommer 1966 wird England mit den United-Spielern Charlton und Stiles Weltmeister. Beim Finale in Wembley, das England mit 4:2 gegen Deutschland gewinnt, sitzt auch Best auf den Rängen. In Begleitung von Mike Summerbee und David Sadler, die er in seinem nagelneuen weißen Jaguar in die Hauptstadt chauffiert.
Als Englands Fußballer des Jahres gewählt wird, heißt der Sieger Bobby Charlton, vor allem dank seines Beitrags auf der WM-Bühne, auf der der Nordire Best nicht reüssieren durfte. Charlton glänzte als strategischer Kopf des neuen Weltmeisters und Doppeltorschütze im Halbfinale gegen Portugal (2:1). Best wird bei der Abstimmung Dritter, hinter George Cohen, einem weiteren WM-Helden.
1. Céili ist ursprünglich ein irischer Begriff für eine Party. Heute versteht man darunter traditionelle irische Tänze und die dazu passende Musik, die mit Fiddle, Flöte, Akkordeon, Klavier, Trommeln, Banjo und manchmal auch Kontrabass erzeugt wird.