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KAPITEL 2

Der Klub der Einwanderer

Der Fußballklub Celtic wird im November 1887 gegründet. Initiator ist der aus Irland stammende Mönch Walfrid, der mithilfe eines Klubs Geld für seinen „The Poor Children’s Dinner Table“ einspielen möchte. Celtic kann von anderen Klubs gute Spieler holen und steigt binnen kurzer Zeit zum fußballerischen Repräsentanten der irischstämmigen, katholischen Community in Schottland auf.

Celtic ist einige Jahre jünger als seine langjährigen Lokalrivalen Rangers, Queen’s Park und Partick Thistle. Bereits 1867 wird der Queen’s Park Football Club in Glasgow gegründet; er ist heute der älteste noch existierende Fußballklub in Schottland. Der Klub gilt als Erfinder des „passing game“ (Flachpassspiel), das später auch auf dem Kontinent Verbreitung findet. Seine Heimstätte ist das Nationalstadion Hampden Park, das seinen Namen John Hampden (1594–1643), einem Führer der englischen bürgerlichen Revolution, verdankt.

Queen’s Park ist ein nobler Klub und feiert auch noch heute das Amateurideal mit dem Motto: „Ludere Causa Ludendi“ – „to play for the sake of playing“. Im Laufe der 1990er Jahre wurden die harschen Amateurbestimmungen allerdings gelockert. Seither dürfen auch Ex-Profis und von Profiklubs ausgeliehene Spieler für Queen’s Park spielen. Aktuell spielt der Klub in Schottlands dritter Liga. Bei seinen Heimspielen verlieren sich meist nur noch 800 Zuschauer im riesigen Hampden Park. Die Arena bietet heute 52.000 Plätze und war vor dem Bau des Maracanã in Rio de Janeiro (1950) mit einem Fassungsvermögen von 150.000 Zuschauern das größte Stadion der Welt.

Als sich Schottland und England am 30. November 1872 im West of Scotland Cricket Ground von Partick (seit 1912 ein Glasgower Stadtteil) zum weltweit ersten offiziellen Fußball-Länderspiel überhaupt treffen, besteht das schottische Team ausschließlich aus Spielern von Queen’s Park. 4.000 Zuschauer sehen ein torloses Remis.

Ebenfalls 1872 gründet sich in Glasgow der Rangers Football Club. Zunächst ist der Klub nicht protestantischer als viele andere im protestantischen Schottland. Sein Rückgrat bilden die Werften in den südlich des Clyde gelegenen Stadtteilen Ibrox und Govan. 1876 folgt der Partick Thistle Football Club, seit vielen Jahren die Nummer drei im Glasgower Fußball. Seit 1909 spielt der Klub nicht mehr in Partick, sondern in der Maryhill-Gegend der Stadt.

Hibernian

Auch unter den „irisch-katholischen“ Klubs in Schottland ist Celtic nicht der erste. Die Städte Edinburgh und Dundee waren eher dran als Glasgow. Zwar sind die Gaelic Games (Football und Hurling) die eigentliche nationale Disziplin der Iren, aber in Schottland entscheiden sich die irischen Einwanderer in ihrer übergroßen Mehrheit für Soccer – mit Folgen für den sozialen Charakter des Spiels. Die kickenden Iren gehören in der Regel zur Unterklasse der Gesellschaft und forcieren damit die soziale Ausbreitung des zunächst elitären Sports, die in Schottland schneller erfolgt als in England. In Glasgow hat das Spiel keine ernsthafte Konkurrenz. In der Industriemetropole am Clyde frönen nicht nur die Arbeiterschaft und das Kleinbürgertum dem Fußball, sondern auch die mittleren und höheren Schichten. Rugby und Golf spielen hier kaum eine Rolle.

Am 10. Oktober 1875 wird in Edinburgh der Hibernian Footballclub gegründet, als der erste irische Klub in Schottland. Hibernia ist der lateinische Begriff für „Irland“, „Hibernian“ steht für „The Irishman“. Gründer ist der aus Ballingarry in der irischen Grafschaft Limerick stammende katholische Geistliche Edward Joseph Hannan, der die St-Patrick’s-Gemeinde im Stadtteil Cowgate führt. In diesem Stadtteil, der auch „Little Ireland“ genannt wird, leben auf engstem Raum etwa 25.000 Iren. In der St Patrick’s Church in der Cowgatestreet, die im unteren Teil von Edinburghs Altstadt liegt, erinnert seit dem 17. März 2013 (am 17. März, dem St Patrick’s Day, feiern Irland und die irische Diaspora ihren Nationalheiligen Patrick) eine Messingtafel an die Gründung von Hibernian.

Pfarrer Edward Hannan sieht mit Sorge, wie die katholische Jugend dem Alkohol und anderen Versuchungen verfällt. Hibernian, ursprünglich nur als zusätzliches Angebot der Catholic Young Men’s Society (CYMS) gedacht, soll dem entgegenarbeiten, soll die Jugendlichen von der Straße holen und sie zur Disziplin und einem „sittsamen“ Leben erziehen. Zunächst können auch nur CYMS-Mitglieder bei Hibernian kicken. Das erste Trikot der „Hibs“ entspricht dem späteren von Celtic Glasgow: Es ist grün und weiß quergestreift, ein Design, das gemeinhin als „Hoops“ (deutsch: Reifen) bezeichnet wird. Ab 1879 trägt man dann ein komplett grünes Trikot („emerald-green“ = smaragdgrün), zeitweise mit der Aufschrift „Erin go Bragh“ („Ireland forever“). Zunächst waren auch andere Namen im Gespräch. Catholic Young Men’s Society Football Club war zu lang, St Patrick’s Football Club galt als zu respektlos gegenüber dem irischen Nationalheiligen.

Zu den größten Fans der „Hibs“ gehört der in Cowgate geborene James Connolly, der in seiner Kindheit bei Heimspielen des Klubs als Balljunge hilft. Der sozialistische Republikaner ist später Gewerkschaftsführer, Gründer der Irish Citizen Army (ICA, eine republikanisch-sozialistische Miliz) und einer der Anführer des irischen Osteraufstands gegen die britische Herrschaft von 1916. Connolly, der nach der Niederschlagung des Aufstands hingerichtet wird, spricht zeit seines Lebens mit einem schottischen Akzent.

In Edinburgh hat sich bereits 1874 der Heart of Midlothian Footballclub gegründet, kurz „Hearts“ genannt. Die Gründer gehören der Tanzgruppe des Heart of Midlothian Quadrille Assembly Club an und treffen sich regelmäßig im Tanzsaal The Heart of Midlothian Dancing Club – daher der Name des Fußballklubs. Der Name der Tanzgruppe und des Tanzsaals geht auf Walter Scotts Roman „The Heart of Midlothian“ zurück. The Heart of Midlothian war ein 1817 abgerissenes Gefängnis, in dem auch öffentliche Hinrichtungen stattfanden. Der Fußballklub wird mit der protestantischen Mehrheit in der Stadt assoziiert und spielt zunächst – wie Rangers Glasgow – in den britischen Farben Rot-Weiß-Blau.

Lokalrivale Hibernian sieht sich zunächst von Feinden umringt. Auch in Edinburgh sind die Iren schlecht angesehen. Als der Klub um Aufnahme in die Edinburgh Football Association bittet, wird er an die Scottish Football Association (SFA) verwiesen. Aber auch das Hauptquartier des schottischen Fußballs fühlt sich nicht zuständig: Es habe nur für Schotten zu sorgen, nicht für Iren. Der Edinburgher Verband schließt sich der Meinung der SFA an. Hibernian findet deshalb zunächst keine Gegner. Viele der angesprochenen Klubs fürchten Strafen des Verbands. Schließlich erklärt sich Heart of Midlothian zu einem Spiel bereit. Der erste Weihnachtstag 1875 wird zur Geburtsstunde des Edinburgh-Derbys. „Hearts“ schlägt den neuen irisch-katholischen Konkurrenten mit 1:0.

In Dundee wird 1879 der irisch-katholische Klub Dundee Harp aus der Taufe gehoben. Seine Wiege steht in der East Dock Street, in der Nähe der Gaswerke. 1894 wird der Klub aufgrund finanzieller Probleme aufgelöst. 1909 wird mit Dundee Hibernian ein weiterer Klub für die irisch-katholische Community gegründet, der wie der Edinburgher Namensvetter eine Initiative der CYMS ist.

Hibernian Edinburgh und Dumbarton bestreiten am 12. Februar 1887 in Glasgow das Finale um den schottischen Cup, zu diesem Zeitpunkt der einzige nationale Fußballwettbewerb Schottlands, denn eine nationale Liga gibt es noch nicht. Angefeuert von der irisch-katholischen Bevölkerung Glasgows gewinnen die „Hibs“ mit 2:1. Hibernian ist in dieser Saison nicht das einzige irische Team im Wettbewerb. Auch Erin Rovers, Carfin Shamrock, Broxburn Shamrock, Vale of Leven Hibs und Dundee Harp kämpfen um die Trophäe.

Die ausschließlich aus Katholiken bzw. Mitgliedern der CYMS bestehenden Pokalsieger feiern ihren Erfolg in der St Mary’s Hall in der East Rose Street in Calton im Glasgower East End. „Hibs“-Sekretär John McFadden macht seinen Glasgower Gastgebern den Vorschlag, dem Edinburgher Beispiel zu folgen und auch in ihrer Stadt einen „irisch-katholischen“ Klub zu gründen. Der Vorschlag wird zum größten Eigentor der schottischen Fußballgeschichte.

Ein Mönch als Vereinsgründer

1864 gibt es lediglich drei irische Priester für Glasgows ca. 130.000, in ihrer Mehrheit irischstämmige Katholiken. In den 1870ern trifft hier der Mönch Walfrid ein, der mit richtigem Namen Andrew Kerins heißt. Er stammt aus Ballymote in der irischen Grafschaft Sligo und hat zunächst auf Lehramt studiert. 1864 ist er dem Maristen-Orden beigetreten. In Glasgow unterrichtet Walfrid zunächst an der St Mary’s School in der Abercromby Street im Stadtteil Calton. Calton ist noch heute eine der sozial benachteiligsten Gegenden Glasgows. Armut, schlechte Ernährung und ein geradezu epidemisches Drogenproblem haben zur Folge, dass die durchschnittliche Lebenserwartung hier nur 54 Jahre beträgt. (In Gesamt-Glasgow liegt sie bei 69 Jahren, in Schottland bei 78.)

Calton wird auch „Tongland“ genannt, nach den „Calton Tongs“, der berüchtigsten Gang in der Gegend. Die Bevölkerung ist mehrheitlich katholisch und besitzt irische Vorfahren. Calton ist immer wieder Schauplatz sektiererischer Gewalt – auch durch die Nachbarschaft zu Bridgeton, einer Hochburg des militanten Protestantismus und Loyalismus. In Bridgeton befindet sich das Hauptquartier der schottischen Sektion des Oranier-Ordens, der in Schottland ca. 50.000 Mitglieder zählt. Rund um den 12. Juli erinnert die Gegend um Bridgeton Cross an die Belfaster Shankill Road, eine Hochburg der Belfaster Loyalisten. Zu Celtic Glasgows Spielstätte Celtic Park sind es von hier aus nur wenige Fußminuten.

1874 wird Walfrid Leiter der Sacred Heart School in Bridgeton. Zehn Jahre später ruft er hier den „The Poor Children’s Dinner Table“ ins Leben, eine Aktion, durch die bald 1.000 Mahlzeiten pro Woche für die Kinder aus den Elendsvierteln des East End bereitgestellt werden. Fußballveranstaltungen sieht Walfrid als Möglichkeit, Geld für seine Armenspeisung einzutreiben. Seine Motive sind nicht ausschließ-lich altruistisch. Der Poor Children’s Dinner Table ist auch eine Antwort auf die Suppenküchen der protestantischen Organisationen in Bridgeton. Walfrid befürchtet, dass junge Menschen sich vom Katholizismus abwenden und er die Kontrolle über seine Schäfchen verliert.

Bevor Glasgow seinen eigenen irisch-katholischen Klub bekommt, müssen andere Klubs für Bruder Walfrid Geld einspielen. Im April 1887 messen sich im Barrowfield Park in Bridgeton, wo sich später Celtics Trainingsplätze befinden, Clyde und Dundee Harp und spülen 4.000 Pfund in die Kasse seiner Wohltätigkeitsorganisation. Im Mai treffen am selben Ort Renton, der Gewinner des Glasgow Charity Cup, und Schottlands Pokalsieger Hibernian aufeinander. Man spielt um einen eigens hierfür ausgerufenen East End Charity Cup. Die Begegnung endet unentschieden. 12.000 sehen zu, für diese Zeit eine enorme Kulisse für ein Fußballspiel in Glasgow.

Am 6. November 1887 lädt Walfrid zur Gründung eines Fußballklubs in das Gemeindehaus der St Mary’s R. C. Chapel in der East Rose Street in Calton ein. Der neue Klub soll die finanzielle Zukunft des Poor Children’s Dinner Table für Kinder und Arbeitslose in den drei Gemeinden von St Mary’s (Calton), Sacred Heart (Bridgeton) und St Michael’s (Parkhead) sichern.

In der St Mary’s Hall versammelt sich ein buntes Völkchen aus Aktivisten für die katholische Sache, pro-irischen Nationalisten, Republikanern und Sozialisten. Vertreter der katholischen Wohlfahrtsorganisation St Vincent de Paul Society sind ebenso im Raum, wie solche der Catholic Union, der Irish Foresters, der Home Government Branch, der Irish National League, der lokalen Penny Savings Bank und der Total Abstinence Society.

Das Treffen wird von John Glass geleitet. Während Walfrid der Mann ist, der die Idee zur Gründung eines Fußballklubs hat, ist Glass derjenige, der sie umzusetzen versteht. Ohne Glass wäre Celtic keine bedeutende Adresse geworden. 1894 bezeichnet ihn die Fachzeitschrift „Scottish Sport“ als „Vater des Klubs“.

Auf der Versammlung wird ein erstes Celtic Committee gebildet. Der anerkannte Allgemeinmediziner Dr. John Conway wird Ehrenpräsident, John Glass Präsident, John O’Hara Sekretär, Hugh Darnoch Schatzmeister und Willie Maley Spielobmann. Des Weiteren gehören zum Committee u. a. Tom Maley, Joe Shaughnessy, Pat Welsh, William McKillop, John McLaughlin und Joseph McGrory. Alle Committee-Mitglieder haben einen irischen Hintergrund.

„Irish Politics“

Celtic wird häufig als „katholischer“ Klub beschrieben, gegründet aus katholisch-karitativen Motiven. Allerdings spielte die Politik eine noch wichtigere Rolle als die Kirche und der Wohlfahrtsgedanke, wie ein Blick auf die prägenden Männer der ersten Jahre zeigt. Im Vergleich zu Hibernian war Celtic weniger katholisch und introvertiert. Der Klub war auch ein politisches Projekt und als solches ziemlich ex tro vertiert. Nicht von ungefähr wird im Juni 1889 mit Michael Davitt ein profilierter irischer Sozialrevolutionär und ehemaliger politischer Gefangener neben Bruder Walfrid zum zweiten Celtic-Patron gekürt (siehe „Einwurf“ am Ende des Kapitels). Davitt war erstmals 1881 in Glasgow aufgetreten, wo er sich fortan großer Popularität erfreut. Auch Timothy Daniel Sullivan, ein aus Bantry in der irischen Grafschaft Cork stammender irischer Nationalist, ist Celtic eng verbunden. Der Politiker, Journalist und Poet dichtete u. a. die Hymne „God Save Ireland“.

Celtics erster Präsident John Glass, ein gelernter Schreiner und Bauunternehmer, ist ebenfalls politisch in Erscheinung getreten: als Aktivist der Home-Rule-Bewegung, die für eine Selbstverwaltung der irischen Insel eintritt, und Schatzmeister in deren Organisation Home Government Branch. Diese Gruppe ist 1871 vom aus Belfast stammenden Protestanten John Ferguson gegründet worden, den Celtic-Patron Michael Davitt als „Vater der irischen Bewegung in Schottland“ preist. Sie gibt sich betont anti-sektiererisch und betrachtet irische Emanzipation mehr als politische und soziale denn als nationale und katholische Angelegenheit. Außerdem sammelt sie Geld für die Irish Parliamentary Party (IPP), die auf parlamentarischem Wege Home Rule erzwingen will. Ferguson schmiedet in Glasgow ein Bündnis aus Sozialrevolutionären und irischen Republikanern/Nationalisten, von dem später die Labour Party profitieren wird und das die langjährige Verbundenheit Celtics mit Labour erklärt. Ferguson ist später auch an der Gründung der Scottish Labour Party beteiligt und wird ihr erster Vizepräsident. Die Home Government Branch schließt sich der im Oktober 1882 gegründeten Irish National League (INL) an und unterhält enge Beziehungen zur IPP. Die INL ist eine Nachfolgeorganisation von Michael Davitts Irish Land League (ILL), die sich am 21. Oktober 1879 gegründet hatte und von den Briten am 20. Oktober 1881 verboten worden war.

Glass ist nicht der einzige Celtic-Funktionär, der sich für Home Rule engagiert. James Quillan, Celtics erster Vizepräsident, ist zugleich „Vize“ der Home Government Branch. Am St Patrick’s Day 1896 erscheint neben John Glass auch Celtic-Gründungsmitglied William McKillop auf einer Kundgebung in der Grand National Hall, auf der Home Rule und die Freilassung der irischen politischen Gefangenen gefordert werden. Auch der Präsident der Home Government Branch ist ein Celtic-Mitglied: Hugh Murphy. Sein Bruder Arthur sitzt im Celtic Committee und agiert später als Kopf der vereinsinternen Opposition gegen den Übergang zum Professionalismus.

Dass die Committee-Mitglieder Tom und Willie Maley bei Celtic landen, ist einem ehemaligen irisch-republikanischen Rebellen zu verdanken. Der Vater der Maley-Brüder, Tom Maley sen., stammt aus Ennis in der irischen Grafschaft Clare. Da es hier nur wenig Arbeit gab, ging er nach England, wurde Mitglied der britischen Armee und zum Ende seiner Dienstzeit in Dublin stationiert. 1867 nimmt Sergeant Maley im Hafen von Dublin den Fenier Pat Welsh fest, der aus Irland flüchten will. Er lässt ihn laufen, nachdem Welsh ihn davon überzeugt hat, dass er der Gewalt abgeschworen habe und in Glasgow ein neues Leben beginnen wolle. In Glasgow betreibt Welsh in der Buchanan Street eine Schneiderwerkstatt, kommt zu einigem Wohlstand und gründet eine Familie. Welsh und Maley bleiben weiterhin in Kontakt. Als Maley 1870 die Armee verlässt, lädt ihn der immer noch zutiefst dankbare Welsh dazu ein, sich mit seiner Familie in Glasgow niederzulassen. Dort lebt die Maley-Familie zunächst in der späteren Celtic-Gegend Gallowgate, die zur St-Mary’s-Gemeinde gehört.

Tom Maley, der ältere der beiden Söhne, ist ein ausgezeichneter Fußballer und spielt für Hibernian Edinburgh. Im Celtic-Gründungsjahr 1887 sucht Welsh in Begleitung von Bruder Walfrid und John Glass die Maleys auf, um Tom Maley zu Celtic zu locken. Diesen stört an Hibernian, dass hier nur Katholiken kicken dürfen. Tom Maley jun. avanciert nun zu einem der ersten Stars im Celtic-Trikot. Als Celtic am 1. März 1889 die berühmten englischen Corinthians mit 6:2 schlägt, ist Tom Maley der beste Mann auf dem Platz. 20.000 sehen den historischen Sieg, was zu diesem Zeitpunkt Rekord für ein Fußballspiel in Schottland ist. Die Einnahme von 300 bis 400 Pfund kommt katholischen Wohlfahrtsorganisationen zugute.

Da der Profifußball in Schottland noch nicht legalisiert ist, arbeitet Tom Maley als Lehrer. Er interessiert sich nicht nur für Fußball. Der exzellente und überzeugende Redner spricht wiederholt auf irisch-nationalistischen Versammlungen und Kundgebungen, ist aber auch ein entschiedener Befürworter von Celtics Verbindungen zu Walfrids Poor Children’s Dinner Table. 1897 wird er Mitglied des Celtic-Direktoriums. Tom Maley verfügt über beste Kontakte in der Fußballwelt. Schon als Aktiver lässt er seine Beziehungen spielen, um Kollegen zu Celtic zu locken. 1902 wird er Manager von Manchester City. Mit ihm auf der Bank gewinnt City 1904 seine erste nationale Trophäe, den FA-Cup.

Mit Tom Maley kommt auch sein jüngerer Bruder Willie zu Celtic. Willie wurde in Newry in der irischen Grafschaft Down geboren (nach der Teilung der irischen Insel nordirische Grenzstadt), in einer Kaserne der britischen Armee. Eigentlich interessiert sich Willie zunächst mehr für Leichtathletik statt Fußball. Bei Celtic spielt er im Mittelfeld. Willie Maley wird 1897 Trainer und Geschäftsführer des Klubs und bleibt dies 43 Jahre lang.

Es heißt, dass Willie wie sein Vater zeit seines Lebens der Krone zugetan blieb. Anderen Quellen zufolge wurde er allerdings auch auf Veranstaltungen der Glasgower Home-Rule-Bewegung gesehen. So berichtet der „Glasgow Observer“ im Mai 1910 von einer Rede Willie Maleys vor der United Irish League (UIL). Ein jüngerer Bruder von Tom und Willie Maley, Alex Maley, spielt einige Jahre eine prominente Rolle in deren Pollockshaw-Ortsgruppe. Auch Alex Maley ist Fußballer. Als Manager arbeitet er u. a. für Crystal Palace. Später wird er Mitglied im Direktorium von Hibernian.

Im ersten Celtic-Vorstand ist John McLaughlin der Einzige, der nicht in „irish politics“ involviert ist und einer ihrer Organisationen angehört. McLaughlin, dessen Wurzeln in der irischen Grafschaft Donegal liegen, spielt einige Jahre die Orgel in St Mary’s. Er ist Getränkehändler und besitzt einen Pub in Lanarkshire. Wie viele Celtic-Männer der ersten Stunde hat McLaughlin zunächst wenig Ahnung vom Fußball. Bis zur Gründung des Klubs hat er sich mehr für Cricket interessiert. Er amtiert von 1897 bis 1909 als Vorsitzender von Celtic.

In seiner Amtszeit kommt es zu einem politischen Krach im Klub. McLaughlin unterstützt im Burenkrieg die Briten – im Gegensatz zu den anderen Vorstandskollegen wie John Glass, der wie viele der irischstämmigen Katholiken in Schottland den Krieg nur als ein weiteres Beispiel für britischen Imperialismus betrachtet. 1899 schlägt McLaughlin auf einer Sitzung der schottischen FA vor, der Verband möge den patriotischen Fonds für die Familien der in Südafrika kämpfenden Soldaten auffüllen. Der Widerstand gegen den Krieg sei das Werk von „dementen irischen Politikern, die keine fünf Prozent der Bevölkerung Irlands repräsentieren“. Die Aufregung ist groß. Die schottischen Ortsgruppen der Bewegung für Irish Home Rule und die Dachorganisation der Celtic-Fanklubs (United Celtic Brake Clubs) gehen auf die Barrikaden. McLaughlin übersteht den Aufstand, wird im Klub und in dessen Umfeld aber nie so geliebt wie etwa der volksnahe John Glass.

Der erste Celtic-Sekretär John O’Hara ist zunächst Schuhmacher, bevor er hauptamtlicher Sekretär der Schuhmacher-Gewerkschaft wird. Seine Eltern haben die irische Grafschaft Derry während der Hungerkatastrophe verlassen. O’Hara lebt in Calton, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gründungsort von Celtic. Später steigt er ins Getränkegewerbe ein. Hier gehört ihm u. a. ein Pub in der London Road, die am Celtic Park vorbeiführt. Auch eine Whiskeymarke (Royal Shield) nennt er sein Eigen. O’Hara ist als Geschäftsmann so erfolgreich, dass er sich auf der Isle of Bute ein Grundstück leisten kann.

Celtic spendet in seinen ersten Jahren nicht nur an katholische Wohlfahrtsorganisationen. Auch politische Organisationen partizipieren an den Einnahmen des Klubs. Im Juni 1892 vermeldet Celtic-Patron Michael Davitt eine Spende des Celtic FC über 30 Pfund für den in Dublin ansässigen Irish National Fund, der vom Unterhausabgeordneten David Sheehy verwaltet wird. Der im irischen Limerick geborene Sheehy ist Mitglied der Independent Labour Party (ILP), der später viele der irischstämmigen Glaswegians und Celtic-Fans ihre Stimme geben.

Im November 1894 besucht Davitt die Begegnung Celtic gegen Queen’s Park im Celtic Park. Den Anstoß führt sein fünfjähriger Sohn aus, der dabei eine Kappe trägt, auf der in goldenen Lettern „Celtic“ steht. Nach dem Spiel darf Davitt 60 Pfund aus den Einnahmen für den Parliamentary Fund einstecken, aus dem Pro-Home-Rule-Abgeordnete unterstützt werden.

„Celtic“ statt „Hibernian“

Einige der in der St Mary’s Hall anwesenden Gründungsmitglieder favorisieren als Klubnamen „Hibernian“, wie erwähnt die lateinische Bezeichnung für Irland. Aber John Glass und andere plädieren dafür, den Klub „Celtic“ zu nennen. Die Wahl dieses Namens appelliert an das gemeinsame „keltische“ Erbe und eine gemeinsame Tradition von Iren und Schotten. Er ist weder exklusiv-irisch noch exklusiv-katholisch gemeint. Celtic will sich damit also nicht von der schottischen Mehrheitsgesellschaft abschotten, sondern den irischen Einwanderern dabei helfen, einen Platz innerhalb der schottischen Gesellschaft zu finden.

Der Name „Celtic“ korrespondiert auch mit der Strategie der Irish National League in Schottland. Im Zentrum ihrer Home-Rule-Kampagne steht die Frage des Landbesitzes; die Forderung nach irischer Selbstverwaltung ist eher Mittel zum Zweck. Die Landfrage wird auch in den verarmten schottischen Highlands gestellt. Die Situation in den Highlands steht in diesen Jahren weit oben auf der politischen Agenda des Landes. Die Highlander sind in ihrer Mehrheit Presbyterianer. Indem sie deren Forderungen unterstützt, hofft die INL, auch den Vorbehalten der Ulster-Protestanten gegen Home Rule zu begegnen.

Im November 1887 pachtet das Celtic-Committee ein Gelände an der Dalmarnock Street, wo ein eigenes Stadion entstehen soll. Die Pacht läuft über fünf Jahre und kostet den Klub jährlich 50 Pfund. Nur wenig später starten die Arbeiten. Viele werden von freiwilligen Helfern ausgeführt. Bei der Beschaffung von Materialien zahlen sich John Glass’ Kontakte in Glasgows Bauindustrie aus.

Im Januar 1888 findet in der St Mary’s Hall die erste Generalversammlung des Klubs statt. Die Anwesenden erfahren, dass das Spielfeld des neuen Stadions bereits fertig ist. Am 8. Mai 1888 wird erstmals im neuen Stadion gespielt. Da ein Celtic-Team noch nicht existiert, betreten vor 5.000 Zuschauern Hibernian und Cowlairs als Erste das Feld.

Der erste Star: James Kelly

Celtic ist spät dran. Queen’s Park, Rangers und Partick Thistle existieren bereits seit Jahren. Celtic muss in kürzester Zeit deren Entwicklung nachholen. Die Etablierung des Klubs erfolgt in größter Eile und mit maximalem Energieaufwand.

Sportlich wäre Celtic wohl nicht so rasant aufgestiegen, wäre es nicht gelungen, mit James Kelly einen der begehrtesten Spieler Schottlands an Land zu ziehen. Kelly, dessen Eltern 1842 vor der Hungersnot nach Schottland geflohen waren, wurde in Renton geboren, einer Kleinstadt etwa 30 Kilometer nordwestlich von Glasgow. In seiner Jugend ist er in der Young Ireland Association und INL aktiv. Renton ist eine Hochburg des frühen schottischen Fußballs. 1885 und 1888 gewinnt Kelly mit dem Renton Football Club den schottischen Pokal. Am 19. Mai 1888 ist der Stopper dabei, als Renton im Glasgower Hampden Park gegen den englischen Pokalsieger West Bromwich Albion spielt. Das Kräftemessen der beiden Pokalsieger wird zum „Kampf um die Weltmeisterschaft“ deklariert, den Renton mit 4:1 gewinnt. Anschließend kann sich Celtic Kellys Dienste für den ersten Auftritt des Klubs sichern. Denn als Amateur darf Kelly in Freundschaftsspielen auch für andere Klubs auflaufen.

Am 28. Mai 1888, neun Tage nach der Begegnung Renton gegen West Bromwich, spielt Celtic in Freundschaft gegen Rangers. Die Mannschaft wird von James Kelly aufs Feld geführt, der damit als erster Kapitän in die Celtic-Annalen eingeht. Celtic spielt in weißen Hemden mit grünem Kragen. Auf der Brust prangt ein keltisches Kreuz bzw. das Emblem des Maristen-Ordens. Die Hosen sind schwarz, die Socken grün. Celtic besiegt Rangers vor 2.000 Zuschauern mit 5:2. Das erste Tor in der Celtic-Geschichte erzielt Neil McCallum. Die rest-lichen Treffer markieren James Kelly und Tom Maley, dem ein Hattrick gelingt.

Um James Kelly buhlt auch Hibernian. Der Spieler muss sich vor Celtics erstem Pflichtspiel, ein Pokalspiel gegen Shettleston, entscheiden. Läuft er für Celtic auf, hat er sich für Pflichtspiele festgelegt. Zur Erleichterung des Vorstands ist Kelly im Pokal dabei und damit nun auch offiziell ein Celtic-Spieler. Shettleston wird mit 5:1 geschlagen.

Dass Kelly Celtic gegenüber Hibernian den Vorzug gibt, hat auch finanzielle Gründe. Celtic lässt sich seinen Star einiges kosten. Kelly wird sein Kommen mit einem Pub honoriert. Zwei Jahre nach seiner Ankunft sind auch noch andere Celtic-Spieler im Besitz einer Kneipe. Celtic zahlt besser als die Konkurrenz. Obwohl der schottische Fußball offiziell noch ein Amateursport ist, bekommen Celtics Spieler bereits 30 Shilling pro Woche. In den 1890ern verdienen die Leistungsträger sogar zwei bis drei Pfund wöchentlich.

Der Kelly-Coup und Celtics Großzügigkeit locken weitere Spieler zu Celtic, u. a. sechs Akteure von Hibernian. John Glass, im Celtic-Vorstand maßgeblich für die Spieler-Rekrutierung verantwortlich: „Ich wusste, wenn ich Kelly bekomme, wird der Rest folgen.“

James Kelly, dessen Schwiegervater Francis McErlean einer von Celtics Gründungsvätern ist, avanciert zur dominanten Persönlichkeit im ersten Celtic-Team. „No Kelly, no Keltic“, heißt es später. Er wird mit Celtic dreimal Meister (1893, 1894, 1896) und einmal Pokalsieger (1892). Auch für die schottische Nationalelf ist Kelly aufgelaufen, sein Debüt geht allerdings im März 1888 mit einer 0:5-Niederlage gegen England im Hampden Park mächtig in die Hose. 1897 beendet Kelly, mittlerweile im Besitz von drei Pubs, seine Karriere, und der nun 32-Jährige wird Mitglied des Celtic-Direktoriums. 1909 wird er Präsident des Klubs und bleibt dies bis 1914. Dem Celtic-Vorstand gehört Kelly bis zu seinem Tod 1932 an.

Repräsentant der irisch-katholischen Community

Celtics Etablierung und Aufstieg gehen auf Kosten von Hibernian Edinburgh, der bis dahin führenden Adresse für fußballbegeisterte irische Einwanderer. Die „Hibs“ sehen sich bald gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen. Man verliert Spiele, weil Schiedsrichter den irisch-katholischen Klub verpfeifen. Und Celtic, das mit Verstößen gegen die Amateurbestimmungen nicht die geringsten Probleme hat, nimmt den „Hibs“ die besten Spieler weg. Ein Hibernian-Funktionär klagt: „Wir sind von denen geschwächt worden, von denen wir es am wenigsten erwartet hatten.“

Dass Hibernian hoffnungslos ins Hintertreffen gerät, ist dem Purismus des Klubs geschuldet. Das Team sollte rein katholisch sein. Aber in einem überwiegend protestantischen Land kann man zwar einige Dekaden lang mit einer „Protestants only“-Politik überleben, ja sogar Erfolge erzielen, wie es Rangers Glasgow lange Zeit gelingt – nicht aber mit einer „Catholics only“-Politik. Außerdem hält Hibernian auch dann noch am Fußball als Amateursport fest, als sich längst abzeichnet, dass die Entwicklung südlich des Hadrianswalls, wo man bereits 1885 den Profifußball legalisiert hat, auch auf Schottland überschwappen wird. Allein schon um einem Ausverkauf durch englische Klubs zu begegnen. Auch verhindert Hibernians Verbindung mit der Abstinenzler-Bewegung, die lokale Getränkeindustrie mit ins Boot zu holen, während diese bei Celtic mit zunehmender Professionalisierung immer stärker die Politik bestimmt.

Anfang der 1890er droht Hibernian sogar das Aus. In der Saison 1891/92 bestreitet der Klub kein Spiel und sieht sich genötigt, seine Politik zu ändern: 17 Jahre lang durften für Hibernian nur Katholiken bzw. Mitglieder der CYMS kicken. Nun entfallen diese Aufnahmebedingungen.

Einige Jahrzehnte später wird Hibernian unter dem Präsidenten Harry Swan sein irisch-katholisches Image drastisch reduzieren. Swan war der erste protestantische Anteilseigner des Klubs. Katholischen Priestern werden nun die Freikarten gestrichen. In den 1950ern verschwindet die Harfe aus dem Klubemblem.

Erst im Jahr 2000 kehrt sie dorthin zurück. Das neue Logo besteht nun aus der Harfe, dem Edinburgher Schloss sowie einem Schiff und soll die Verbindungen zu Irland, der Stadt Edinburgh und der Region Leith dokumentieren. Mittlerweile gibt es eine Rückbesinnung auf das irische Erbe des Klubs, forciert von Teilen der Fans und befeuert durch den Lokalrivalen Hearts und dessen loyalistischen Anhang. 2016 wird von „Hibs“-Fans am Stadion an der Easter Road eine Plakette angebracht, die an James Connolly erinnert, den erwähnten Anführer des irischen Osteraufstandes. Beim Pokalfinale 2016 sieht man irische Trikoloren in der Hibernian-Kurve. Die „Hibs“ schlagen Rangers im Hampden Park mit 3:2 und holen erstmals seit 1902 wieder den Pokal. Zweifacher Torschütze ist der irische Nationalspieler Anthony Stokes, der wiederholt wegen seiner Sympathien für militante irische Republikaner in die Schlagzeilen geraten ist (siehe Beitrag „Celtic, Rangers, Belfast“). Nicht alle „Hibs“-Fans begrüßen es, dass auf den Rängen die irische Trikolore geschwenkt wird. In den sozialen Netzwerken gibt es anschließend auch kritische Stimmen. Anders als bei Celtic ist die Identität des Klubs eine Streitfrage.

Ein ähnlicher Prozess der De-Katholisierung wie bei Hibernian war in Dundee zu beobachten. 1923 ist Dundee Hibernian pleite. Ein aus lokalen Geschäftsleuten bestehendes neues Direktorium übernimmt den Klub und verändert ihn von Grund auf. Der Klub soll nicht mehr nur die irisch-katholische Community ansprechen. Die privilegierten Verbindungen dorthin werden gekappt. Aus Dundee Hibernian wird 1923 Dundee United. Auch gibt es eine neue Spielkluft. Statt ganz in Grün läuft man nun in Weiß und Schwarz auf, 1969 wechselt man sogar zu Orange.

Die Entwicklungen in Dundee und Edinburgh werden zur Folge haben, dass Celtic zum unumstrittenen Repräsentanten der irisch-katholischen Community in Schottland aufsteigt.

EINWURF

Celtic-Patron und Sozialrevolutionär: Michael Davitt

Als Michael Davitt am 25. März 1846 im irischen Dorf Straide (Grafschaft Mayo) zur Welt kommt, befindet sich die irische Hungerkatastrophe auf ihrem Höhepunkt. Im Alter von vier Jahren muss er erleben, wie seine Familie aus ihrem Haus vertrieben wird, weil sie mit der Zahlung der Miete im Rückstand ist.

Die Familie kommt zunächst mit anderen von Armut betroffenen Menschen in einem örtlichen Arbeitshaus unter. Da man hier die Kinder von ihren Eltern trennt, entschließen sich die Davitts zur Emigration nach England. Die Familie reist von Dublin mit dem Schiff nach Liverpool. Von dort wandert sie 77 Kilometer zu Fuß nach Haslingden im Osten der Grafschaft Lancashire, wo sie ein neues Zuhause findet.

Im Alter von nur neun Jahren beginnt Michael Davitt in einer Baumwollfabrik zu arbeiten. Mit elf erleidet er einen Arbeitsunfall, bei dem er seinen rechten Arm verliert. Anschließend besucht er eine Schule der Methodisten, einer protestantischen Strömung, die das Hauptgewicht auf Gesinnung und eine methodische Lebensführung nach biblischen Grundsätzen legt. Nach seiner Schulzeit arbeitet Davitt als Briefträger, Buchhalter und im Büro einer Druckerei.

Der Fenier

1865 tritt Davitt der 1858 gegründeten Irish Republican Brotherhood (IRB) bei, einem militanten Geheimbund und Vorläufer der Irish Republican Army (IRA), der für eine unabhängige irische Republik agitiert und auch gewaltsame Aktionen durchführt. Als Schwesterorganisation der IRB gründet sich in den USA die Fenian Brotherhood. Der Begriff „Fenians“ wird zum Synonym für irische Rebellen, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.

Unter den irischen Einwanderern aus der Arbeiterschaft genießt die IRB große Popularität. Zwei Jahre nach seinem Eintritt wird Davitt hauptamtlicher Organisationschef der IRB in England und Schottland. Unter anderem organisiert er den Waffenschmuggel nach Irland.

Am 14. Mai 1870 wird Davitt auf dem Londoner Bahnhof Paddington verhaftet, als er auf eine Waffenlieferung wartet. Er wird zu 15 Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis gelangt Davitt zu der Auffassung, dass Irlands Probleme nur über die Frage des Landbesitzes zu lösen sind. Der Boden der unter britischer Herrschaft stehenden irischen Insel befindet sich in den Händen englischer Großgrundbesitzer. Irische Bauern bestellen nur als Pächter das Land und müssen eine immens hohe Pacht an die Kolonialisten abdrücken.

Am 18. Dezember 1877 wird Davitt nach siebeneinhalb Jahren Haft auf Bewährung entlassen. 1878 geht er auf eine Vortragstournee durch die USA, organisiert von der Fenian Brotherhood und dem exilierten irischen Rebellen John Devoy.

Der Sozialrevolutionär

Aber die Ideologie der Fenier ist dem Sozialrevolutionär Davitt zu orthodox und ohne politische und soziale Perspektive, da sie die Eigentumsfrage ausspart. Davitt propagiert eine Strategie des „sozialen Guerillakrieges“.

Am 21. Oktober 1879 wird die Irish National Land League gegründet, die sich nun auf die Landfrage fokussiert. Charles Stuart Parnell wird ihr Präsident, Davitt einer seiner Sekretäre. Parnell und Davitt reisen in die USA, um bei den dort lebenden Immigranten Geld für ihre Sache aufzutreiben. Die Land League organisiert den Widerstand gegen die Vertreibung der Pächter, gegen hohe Pachtzahlungen und für eine fixierte Pachtzeit. Ausgelöst durch eine weitere Hungerkatastrophe kommt es zum „Land War“, der von 1879 bis 1882 tobt. Aktivisten der Land League geraten wiederholt mit der Kolonialpolizei Royal Irish Constabulary (RIC) und der britischen Armee aneinander. Auf beiden Seiten gibt es Tote. Von einem Krieg im eigentlichen Sinne kann man allerdings nicht sprechen, denn die Land League steht der Anwendung von Gewalt eher skeptisch gegenüber. Davitt und seine Land League dienen später Mahatma Gandhi als Vorbild.

1881 wird Davitt erneut verhaftet. 1882 wird er für die Grafschaft Meath ins britische Parlament gewählt, kann aber seinen Sitz nicht wahrnehmen, da er im Gefängnis sitzt. Aber er wird noch im selben Jahr freigelassen und reist erneut in die USA, um für die Land League zu sammeln. Hier agitiert er für eine Nationalisierung des Landbesitzes und für eine Koalition aus britischer Arbeiterklasse, irischen Arbeitern und Landpächtern, was ihn vorübergehend in Konflikt mit dem sozial konservativeren Land-League-Präsidenten Parnell bringt. 1883 landet Davitt ein drittes Mal im Gefängnis.

1892, 1893 und 1895 wird er erneut ins britische Parlament gewählt. Der Gewalt hat er mittlerweile abgeschworen. Davitt befürwortet das zweite Home-Rule-Gesetz des Liberalen-Führers William Ewart Gladstone, das er als „Akt des Friedens“ zwischen Irland und England bezeichnet. Des Weiteren unterstützt er den aus Glasgow stammenden britischen Arbeiterführer Keir Hardy und die Gründung einer Arbeiterpartei, tritt der Labour Party aber dann nicht bei, da er sich aufgrund des Home-Rule-Gesetzes den Liberalen verpflichtet fühlt. Als die Liberalen 1906 an die Macht kommen, befürwortet Davitt deren Ansinnen, die Schulen unter staatliche Kontrolle zu stellen – sehr zum Unwillen der katholischen Kirche.

Davitt und Celtic

Davitt besucht regelmäßig Schottland und genießt insbesondere bei Glasgows irischen Einwanderern ein hohes Maß an Popularität. Er drängt sie dazu, sich in die schottische Politik einzubringen und die noch junge Labour-Bewegung zu unterstützen, anstatt primär eine irische Agenda zu verfolgen. Auch in Schottland agitiert Davitt gegen das System des „Landlordism“. Im 16. und 17. Jahrhundert waren in Irland die einheimischen, katholischen Landbesitzer enteignet worden. Ihr Land ging an protestantische englische und schottische Siedler sowie englische Adlige und ehemalige Militärs. Letztere lebten nicht persönlich in Irland (weshalb sie „absentee landlords“ genannt wurden), sondern verpachteten ihr Land zur Bewirtschaftung an einheimische Bauern, die in der Regel Katholiken waren und denen der Erwerb von Land untersagt war. Was auf dem Land erwirtschaftet wurde, blieb nicht in Irland, sondern wurde auf die britische Insel exportiert. Das System des „Landlordism“ war wesentlich verantwortlich für die Hungerkatastrophen in den 1840er Jahren.

1887, im Jahr der Celtic-Gründung, tourt Davitt durch die schottischen Highlands. Die Presse widmet seiner Agitation große Aufmerksamkeit. Der „Glasgow Observer“ betitelt einen Bericht mit: „Davitt in Highlands – Tribune of the Celtic Race“. Am 21. Juni 1889 tagt die Generalversammlung Celtics in der Mechanics Hall in Bridgeton und wählt Michael Davitt nach Bruder Walfrid zum zweiten „Patron“ des Klubs.

Als am 20. März 1892 der Celtic Park eingeweiht wird, ist Davitt ein Ehrengast des Klubs. Er setzt am Anstoßpunkt eine Rasensode mit Kleeblättern ein, die erst am Morgen dieses Tages in der irischen Grafschaft Donegal gestochen worden war. Das dreiblättrige Kleeblatt – englisch: shamrock, gälisch: seamróg – ist ein irisches Symbol. (Seit Ende der 1970er schmückt das Celtic-Trikot ein Wappen mit einem vierblättrigen Kleeblatt – warum es nun vier Blätter geworden sind, ist unklar. Bis 1938 wurde in Publikationen des Klubs das dreiblättrige Kleeblatt benutzt. Seinen 100. und seinen 125. Geburtstag feierte Celtic mit einer auf jeweils eine Saison – 1987/88 bzw. 2002/03 – befristeten Rückkehr des keltischen Kreuzes im Trikot-Wappen.)

Ein Celtic-Fan würdigt die Einpflanzung der Sode mit einem Gedicht:

On alien (!) soil like yourself I am here

I’ll take roots and flourish, of that never fear;

And though I’ll be crossed sore and oft by the foes You’ll find me as hardy as Thistle of Rose.

If model is needed on your own pitch you’ll have it.

Anschließend spielt Celtic vor 15.000 Zuschauern gegen Clyde. Davitt kann der Begegnung nicht bis zu ihrem Ende beiwohnen, da er noch auf der Kundgebung eines liberalen Kandidaten auftreten muss. Am Abend gibt Celtic noch ein Bankett, auf dem Davitt von John Glass eine goldene „Glasgow Medal“ überreicht wird. Davitt verspricht, regelmäßig die Spiele im neuen Stadion zu besuchen. Einen Tag später ruft schon wieder die Politik: Davitt spricht in Glasgow auf einer Versammlung der Home Government Branch. Dort ruft er Celtic dazu auf, einen Teil seiner Einnahmen den 15.000 in Irland von ihrem Land vertriebenen Familien zu spenden.

Zu diesem Zeitpunkt ist die von Davitt eingesetzte Rasensode bereits aus dem Celtic Park verschwunden. Sie wurde über Nacht gestohlen. Der dichtende Celtic-Fan ergänzt sein Werk nun um die Zeilen: „The curse of Cromwell blast the hand that stole the sod that Michael cut: May his praties turn to sand – the crawling thieving scut.“

Davitts Kampf gegen den Antisemitismus

Weithin vergessen ist Davitts Engagement gegen Antisemitismus. 1903 veröffentlicht er das Buch „Within the Pale: The True Story of Anti-Semitic Persecutions in Russia“. Das Buch basiert auf Reportagen, die er für eine amerikanische Zeitschrift geschrieben hat. Das Hearst-Medien imperium hatte Davitt nach Kishinev in Russland geschickt, um über ein Pogrom zu berichten, bei dem um Ostern 1903 49 Juden ermordet und zahlreiche jüdische Frauen vergewaltigt worden waren – aufgehetzt von Priestern, die „Tötet die Juden“ riefen.

Als es 1904 im irischen Limerick nach einer Hetzpredigt des Priesters John Creagh, Mitglied des Redemptoristen-Ordens, zu Angriffen auf Juden kommt, springt Davitt dem jungen örtlichen Rabi Elias Bere-Levin zur Seite. Davitt schreibt ihm, dass die Iren in ihrer Geschichte niemals Juden verfolgt hätten. Aber dies habe sich durch John Creagh geändert. Statt eine „feige Vendetta“ gegen die Juden zu predigen, solle sich der Priester lieber um die englische Herrschaft in Irland kümmern, die zur Verarmung der Bevölkerung geführt habe.

Irlands nationalistischer Mainstream hat Michael Davitt lange Zeit nicht gewürdigt. Vermutlich war er ihm zu säkular und sozialrevolutionär und zu wenig katholisch und nationalistisch. 1996 widmet der irische Folkmusiker Andy Irvine Davitt den Song „Forgotten Hero“, in dem es u. a. heißt:

„Forgotten Hero in poverty you came

But you never looked for riches and you never looked for fame

The interests of the common man it was your life’s aim

Forgotten Hero never vanquishes in the struggle“.

Celtic

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