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KAPITEL SIEBEN
ОглавлениеNull trat in das George Bush Center für Geheimdienst, das Hauptquartier der CIA, ein. Es lag in der Gemeinde von Langley, Virginia. Er schritt über den weiten Marmorboden, seine Schritte hallten, als er über das große runde Emblem ging. Es war ein Schild und ein Adler in grau und weiß, umrandet von den Worten „Central Intelligence Agency, United States of America”. Er schritt direkt auf die Aufzüge zu.
Es war kaum jemand da, nur die notwendigsten Sicherheitsbeamten und ein paar Verwaltungsassistenten, welche sich mit Büroarbeiten plagten. Er war immer noch ziemlich sauer darüber, dass man ihn hierher gerufen hatte, dass er an einem Feiertag von seinen Mädchen getrennt wurde. Er hoffte, dass die Einweisung kurz wäre.
Doch er wollte nicht darauf wetten.
„Halt die Tür auf”, rief eine bekannte Stimme, als Null auf den Knopf für das Untergeschoss drückte, wo das Treffen stattfand. Er hielt eine Hand aus, damit die Türen sich nicht schlossen und einen Moment später joggte Agent Todd Strickland neben ihn. „Danke, Null.”
„Die haben dich auch gerufen, was?”
„Ja.” Strickland schüttelte seinen Kopf. „Gerade, als ich im Veteranenkrankenhaus ankam.”
„Du verbringst Thanksgiving mit Veteranen?”
Strickland nickte einmal kurz, was Null als Anzeichen dafür verstand, dass er es nicht weiter besprechen wollte. Todd Strickland war Ende zwanzig, hatte einen dicken Nacken und war gut bemuskelt, bevorzugte immer noch den militärischen Haarschnitt, den er während seiner Zeit in der Armee hatte. Er hatte glänzende Augen, jungenhafte Gesichtszüge und seine glattrasierten Wangen gaben ihm eine jugendliche und zugängliche Erscheinung, doch Null wusste, dass sich hinter der Fassade eine Menge Kraft verbarg. Er war einer der besten, den die Rangers je gesehen hatten. Todd hatte fast vier Jahre seines jungen Lebens damit verbracht, Aufständische in den Wüsten des Nahen Ostens aufzuspüren. Dabei schlief er im Sand, kletterte durch Höhlen und führte Razzien in Lagern durch. Er war durch und durch ein Kämpfer und dennoch hatte er es geschafft, eine Anteilnahme zu bewahren, die genauso stark wie sein Pflichtbewusstsein war.
„Hast du eine Ahnung, worum es geht?” fragte Null, als die Fahrstuhltüren aufgingen.
„Wenn ich drauf wetten müsste, würde ich sagen, dass es sich womöglich um das Attentat in Havanna von letzter Nach dreht.”
„Es gab ein Attentat in Havanna letzte Nacht?”
Strickland kicherte ein wenig. „Du schaust echt keine Nachrichten, oder?” Er schritt einen leeren Gang entlang. Es schien, dass fast alle von Langley den Feiertag zu Hause mit ihren Familien verbrachten - außer ihnen natürlich.
„Ich war ein bisschen beschäftigt”, gab Null zu.
„Ach ja, wie geht’s den Mädchen denn?” Strickland kannte Maya und Sara. Als die Leben der beiden von einem psychopathischen Attentäter bedroht wurden, schwor der junge Agent, dass er auf sie aufpassen würde, egal ob Null da war oder nicht. Bisher hatte er sich an sein Wort gehalten.
„Sie...” Er wollte fast schon sagen „ihnen geht’s gut”, doch er hielt sich zurück. „Sie werden erwachsen. Verdammt, vielleicht sind sie es schon.” Null seufzte. „Ich muss ehrlich sein. Wenn die uns heute auf einen Einsatz schicken, dann bin ich mir nicht sicher, was ich mit Sara tun soll. Ihr geht es noch nicht gut genug, um sie allein zu lassen.”
Strickland hielt inne, als sie an der geschlossenen Tür des Konferenzraums ankamen, hinter der die Einweisung stattfände. Doch er verweilte kurz und griff in seine hintere Hosentasche. „Ich dachte an dasselbe.” Er gab Null eine Visitenkarte.
Der runzelte die Stirn. „Was ist das?” Die Karte war sehr einfach, elfenbeinfarben, auf ihr war eine Webseite, eine Telefonnummer und der Name ,Seaside House Rehabilitatioszentrum’ graviert.
„Das ist ein Ort in Virginia Beach”, erklärte Strickland, „wo Leute wie sie hinkönnen, um... sich zu erholen. Ich habe dort selbst ein paar Wochen verbracht, vor langer Zeit. Das sind gute Leute. Die können helfen.”
Null nickte langsam, ein wenig erstaunt darüber, wie jeder außer ihm es zu sehen schien. Maya hatte ihm schon gesagt, dass Sara professionelle Hilfe bräuchte und anscheinend war es auch für Todd offensichtlich. Er wusste genau, warum er es nicht gesehen hatte. Er wollte fähig sein, ihr zu helfen. Er wollte derjenige sein, der sie da durchbrachte. Doch er hatte tief im Inneren schon gewusst, dass sie mehr brauchte, als er ihr bieten konnte.
„Ich hoffe, dass ich damit keine Grenzen überschritten habe”, fuhr Todd fort. „Doch äh... ich habe dort angerufen, um mich zu versichern, dass sie Platz haben. Sie kann da hin, wann immer sie will.”
„Danke”, murmelte Null. Er wusste nicht, was sonst sagen. Ganz sicher hatte er keine Grenzen überschritten, indem er etwas tat, zu dem Null vermutlich nicht den Mut gehabt hätte. Er steckte sich die Karte in die Hosentasche und zeigte auf die Tür. „Nach dir.”
Er hatte sehr viele Einweisungen während seiner Zeit als CIA Agent miterlebt, und keine glich der anderen.
Manchmal waren viele anwesend und es ging chaotisch zu, mit Repräsentanten von zusammenarbeitenden Agenturen und Videokonferenzen mit Experten der Themen. Andere Male waren sie klein, ruhig und vertraulich. Er war sich zwar sicher, dass diese Einweisung eine der ruhigen wäre, doch er war dennoch überrascht, dass er beim Eintreten in den Konferenzsaal nur eine Person vorfand, die am Tisch saß und ein einzelnes Tablet vor sich hatte.
Strickland schien genauso verwirrt, denn er fragte: „Sind wir zu früh dran?”
„Nein”, sagte Maria, während sie aufstand. „Genau rechtzeitig. Setzt euch.”
Null und Todd tauschten einen Blick aus und setzten sich auf jeweils eine Seite von Maria, die am Kopf des langen Tisches saß.
„Na”, murmelte der jüngere Agent, „wenn das mal nicht puschelig ist.”
„Es tut mir leid, dass ich euch aus dem Feiertag gerissen habe”, begann sie. „Ihr wisst, dass ich es nicht getan hätte, wenn ich die Wahl hätte.” Sie sagte es, als wäre es mehr an Null gerichtet. Maria wusste genau, wer und was auf ihn zu Hause wartete. Sie war schließlich auch eingeladen. „Ich komme gleich zur Sache”, fuhr sie fort. „Letzte Nacht gab es einen Vorfall am nördlichen Hafengebiet von Havanna. Wir haben guten Grund zu glauben, dass es sich um einen vorsätzlichen terroristischen Anschlag handelte.”
Sie erzählte ihnen alles, was sie wusste, dass mehr als einhundert Leute eine breite Palette an Symptomen spürten, und dass die Nähe jener, die es am schlimmsten getroffen hatte, auf die Verwendung einer Ultraschallwaffe schließen ließ, die sich in der Nähe des Ufers befand. Während sie die Sachlage erklärte, glitten ihre Finger über den Touchscreen des Tablets, zeigten auf Fotos der Notfalldienste in Kuba, welche den Opfern halfen. Einige von ihnen brauchten Unterstützung, um nur wieder aufzustehen, anderen liefen dünne Blutrinnsale aus den Ohren. Einige wurden auf Bahren fortgetragen.
„Es gab nur einen Todesfall”, schloss Maria, „eine junge amerikanische Frau im Urlaub. Und die Waffe wurde nicht gefunden, deshalb unsere Beteiligung.”
Null hatte schon von dieser Art von Ultraschallwaffe zuvor gehört, zumindest von etwas Ähnlichem, doch abgesehen von den winzigen Schallgranaten, die Bixby in seinem Labor zusammenbraute, hatte er keine weitere Erfahrung mit ihnen. Allerdings er musste zugeben, dass trotz der fehlenden visuellen Beweise von der Waffe oder den Tätern alles sehr nach einem Terrorattentat aussah - was das Ganze nur noch verwirrender machte.
„Kent?” drängte Maria. „Was denkst du?”
Er schüttelte seinen Kopf. „Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen perplex. Warum macht sich jemand die Mühe, eine solche Waffe zu bauen oder zu kaufen, wenn ein einzelnes Sturmgewehr und ein paar Magazine viel mehr Schaden angerichtet hätten?”
„Vielleicht ging es nicht um Schaden”, schlug Strickland vor. „Vielleicht war es eine Nachricht. Die Täter könnten ja sogar Kubaner gewesen sein. Sie wählten eine Touristengegend als Ziel. Vielleicht waren es Nationalisten und das war eine Art gewalttätiger Protest.”
„Das ist möglich”, gab Maria zu. „Aber wir brauchen Fakten - und bisher wissen wir nur, dass amerikanische Bürger betroffen wurden, von denen eine jetzt tot ist, und dass diese Waffe immer noch da draußen ist... und da kommt ihr zwei zum Einsatz.”
Null und Strickland blickten einander an und dann Maria. Für einen kurzen Moment hatte er schon gedacht, dass dies nur eine Informationseinweisung war, in der man sie darüber informierte, was in Kuba geschehen war, doch mit diesen wenigen Worten verstand er nun, was es wirklich bedeutete.
Es gab keinen Zweifel daran, er wurde wieder auf einen Einsatz geschickt.
„Warte mal”, erwiderte Strickland. „Du sagst also, dass irgendjemand, irgendwo auf der Welt eine ziemlich einfach bewegbare und starke Ultraschallwaffe hat, und was sollen wir jetzt tun? Einfach losziehen, um sie zu finden?”
„Ich verstehe, dass wir nicht gerade viele Anhaltspunkte haben...” begann Maria.
„Das sind überhaupt keine Anhaltspunkte.”
Null war ein wenig über Stricklands Einstellung überrascht. Tief in seinem Herzen war er immer noch ein Soldat und sprach niemals so zu einem Vorgesetzten, nicht einmal Maria. Doch er verstand ihn, denn während Strickland seine Verärgerung zum Ausdruck brachte, spürte Null eine Welle von Wut. Dafür hatte man ihn von Thanksgiving weggerissen, ihn davon abgehalten, sich mit seiner Familie wieder zu vereinigen? Ihm taten zwar die Opfer des Havanna-Attentats leid, doch seine Fähigkeiten kamen normalerweise zum Einsatz, um Nuklearkriege und Massentode zu vermeiden, nicht um auf eine wilde Jagd nach einer Waffe zu gehen, die ein einziges Leben gekostet hatte.
„Wir haben etwas”, sagte Maria Strickland. „Ein paar Augenzeugen am Hafen gaben an, dass sie eine Gruppe von Männern sahen, vier oder fünf von ihnen, die eine Art Schutzmaske oder -helm trugen und einen ,seltsam aussehenden Gegenstand’ direkt nach dem Anschlag auf ein Boot luden. Die Details sind zwar nicht gerade genau, doch ein paar Leute berichteten auch, dass sie eine Frau mit hellrotem Haar unter ihnen sahen.”
„OK, das ist etwas”, stimmte Strickland ihr zu und schien jeglichen weiteren Protest, den er womöglich noch äußern wollte, zu unterdrücken. „Also gehen wir nach Havanna, informieren uns über das Boot, wem es gehört, wohin es fuhr, wo es jetzt ist und folgen der Spur.”
Maria nickte. „Ja, genauso steht es. Bixby arbeitet an etwas Technologie, die hilfreich sein sollte. Und ich will ja nicht drängeln, aber Präsident Rutledge verwendete die Worte ,so schnell wie möglich’, also-”
„Können wir mal reden?” platzte Null plötzlich heraus, bevor Maria ihnen offiziell den Startschuss geben konnte. „Unter vier Augen?”
„Nein”, erwiderte sie kurz.
„Nein?” Null blinzelte.
Sie seufzte. „Es tut mir leid, Kent. Aber ich weiß, was du sagen willst und ich weiß, dass ich wahrscheinlich nachgeben würde und versuchen würde, dich freizustellen. Doch das hier kam vom Präsidenten. Nicht von mir, nicht von Direktor Shaw -”
„Und wo ist Direktor Shaw jetzt?” fragte Null erhitzt. „Zu Hause, schätze ich mal? Macht sich wohl gerade fertig, um Thanksgiving mit seiner Familie zu genießen?”
„Ja Null, genau dort ist er”, entgegnete sie ihm streng. Sie nannte ihn niemals Null. Aus ihrem Mund hörte es sich an, als ob er gerügt würde. „Weil es nicht seine Arbeit ist, hier zu sein. Es ist deine. Genauso wie es nicht meine Arbeit ist, immer wieder für dich den Hals herauszustrecken. Meine Arbeit ist es, dir zu sagen, wohin du gehen musst und was getan werden muss.” Sie tippte zwei Mal mit einem Finger auf das Tablet.
„Da gehst du hin. Das musst du tun.”
Null starrte auf den Tisch hinunter. Er war glatt und hochpoliert, so dass er reflektierend glänzte. Er hatte idiotischerweise geglaubt, dass er und Maria nach all dem, was sie zusammen durchgemacht hatten, noch weiter Freunde bleiben konnten. Doch letztendlich war es anders. Sie war seine Chefin und so fühlte es sich an, wenn man herumkommandiert wurde.
Ihm gefiel das Gefühl überhaupt nicht, genauso wenig, wie ihm die Idee gefiel, dass der Präsident verlangte, dass er auf den Fall angesetzt wurde. Seiner Meinung nach war das eine komplette Verschwendung seiner Fähigkeiten. Doch er machte sich nicht die Mühe, das zu sagen.
„Schaut euch doch einfach mal die Zustände an.” Marias Ton wurde sanfter, doch sie blickte keinem der beiden in die Augen. „Wir haben einen Handelskrieg mit China. Unsere Verbindungen mit Russland sind fast ganz gekappt. Die Ukraine sind nicht gerade von uns beeindruckt. Belgien und Deutschland sind immer noch sauer über das, was sie für einen unbestätigten Einsatz letzten Monat hielten. Niemand vertraut unseren Anführern - am wenigsten unser eigenes Volk. Wir haben noch nicht einmal einen Vizepräsidenten.” Sie schüttelte ihren Kopf. „Wir können uns die Möglichkeit eines Attentats auf amerikanischem Boden nicht leisten. Selbst wenn es sich nur um eine Möglichkeit handelt. Nicht, wenn wir es vermeiden können.”
Null wollte ihr widersprechen. Er wollte darauf hinweisen, dass die Effizienz von zwei Männern, egal ob sie hochtrainiert waren oder nicht, immer noch dürftig erschien, wenn man sie mit dem gemeinsamen Einsatz von Strafverfolgungsagenturen verglich. Er konnte verstehen, warum sie keine große, öffentliche Debatte daraus machen wollten, aber wenn sie diese Leute wirklich finden wollten, wenn sie wirklich dachten, dass ein Anschlag auf die USA wahrscheinlich war, dann könnten sie eine Fahndungsausschreibung herausgeben. Sie könnten an den Küstenregionen von Florida, Louisiana, Texas beginnen, das waren die wahrscheinlichsten Angriffsziele beträchtlich des Anschlags auf Havanna. Sie könnten die kubanische Regierung dazu auffordern, das vermisste Boot zu überprüfen. Sie sollten zusammenarbeiten, um die Bürger beider Nationen und alle anderen, die verletzt wurden, zu beschützen.
Null wollte all das gerade laut sagen, doch bevor er dazu kam, klingelte Marias Handy.
„Einen Moment”, sagte sie ihnen, bevor sie mit ihrem typischen Gruß antwortete: „Johansson.”
Ihr Gesicht wurde schlaff und ihre Blick traf Nulls. Er hatte diesen Ausdruck schon zuvor gesehen, viele Male - viel zu oft für seinen Geschmack. Es war ein Ausdruck von Schock und Entsetzen.
„Schick mir alles”, sagte Maria mit einem rauen Flüstern ins Telefon. Sie beendete den Anruf und er wusste schon, was sie ihnen erzählen würde, bevor sie damit anfing.
„Es gab einen Anschlag auf amerikanischem Boden.”