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Vor Jahren reisten meine Frau Magaret und ich nach Italien. Museen und Kunstwerke hatten es uns genauso angetan wie die italienische Küche. Freunde nannten uns die Namen der besten Küchenmeister. Ein Bekannter, der als hervorragender Kunstkenner Einkäufer des New Yorker Metropolitan Museums war, hatte uns eine Liste mit den Kunstwerken zusammengestellt, die wir uns unbedingt ansehen sollten. In Italien sahen wir manch großartiges Kunstwerk. Doch am meisten beeindruckte mich Michelangelos David. Jetzt weiß ich, was ein wahres Meisterstück ist.
Michelangelos Leben ist beeindruckend. Als einer der bedeutendsten Künstler der westlichen Zivilisation mit außerordentlich starkem Einfluss auf andere Künstler, war er vor allem der geborene Bildhauer. Mit der Muttermilch aufgesogen habe er seine Begabung, meinte der Meister selbst. Mit 21 Jahren schuf er sein Meisterstück und stellte seine Skulpturen Pieta und David vor seinem dreißigsten Lebensjahr fertig.
Den knapp 30 Jahre alten Künstler beauftragte Papst Pius II, ein Mausoleum zu errichten. Kurze Zeit später war der Papst weniger morbide gestimmt und änderte den Auftrag ab. Er sollte nun die Decke einer kleinen Kapelle im Vatikan gestalten. Zunächst weigerte sich Michelangelo, da er keine Lust hatte, ein Dutzend biblischer Figuren an die Wände und Kuppel der Kirche zu malen. Aber der Papst machte Druck, und Michelangelo blieb nichts anderes übrig, als den leidigen Auftrag auszuführen.
Historiker meinen, ein künstlerischer Mitbewerber habe die ganze Geschichte vorbereitet, um anstelle Michelangelos die päpstliche Gunst zu erringen. Michelangelo jedoch nahm nicht nur diese Herausforderung an, sondern machte auch das Beste daraus. Anstatt nur die geforderte einfache Darstellung der zwölf Apostel zu malen, erweiterte er das ganze Vorhaben. Er malte zusätzlich mehr als vierhundert Figuren und neun Szenen aus dem ersten Buch Mose.
Vier aufreibende Jahre malte er liegend die Kuppel der Sixtinischen Kapelle aus. Dafür zahlte er seinen Preis. Diese körperlich wie seelisch anstrengende Arbeit kostete ihn seine Sehstärke und machte ihn depressiv. Damals sagte er: „Nach diesen harten Jahren, in denen ich mehr als vierhundert Figuren gemalt habe, fühlte ich mich so alt und müde wie der Prophet Jeremia. Ich bin erst 37 Jahre, sehe aber so alt aus, dass selbst meine Freunde mich nicht wieder erkennen.“
Doch seine Einsatzbereitschaft zahlte sich aus. Sein päpstlicher Mäzen versorgte ihn mit Folgeaufträgen. Weitaus wichtiger für Michelangelo war jedoch, dass er ein außerordentliches Abkommen mit der Künstlervereinigung abschließen konnte. Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle waren so kühn, so außergewöhnlich und hervorragend gemalt, dass viele Maler seinen Stil zu kopieren begannen. Nicht zuletzt auch Raphael. Kunsthistoriker meinen, Michelangelos Einfluss in ganz Europa zu entdecken.
Zweifellos war Michelangelos Talent wichtig für die herausragenden künstlerischen Leistungen. Aber erst seine große Einsatzbereitschaft war die Basis für seinen Erfolg. Wie groß diese Einsatzbereitschaft war, sieht man an dem Detailreichtum der Fresken. Auf die Frage, warum er selbst in der dunkelsten Ecke der Sixtinischen Kapelle sorgfältig und detailgetreu gearbeitet habe, antwortete er schlicht: „Aber Gott wird es sehen!“
Zum Verdeutlichen
Ohne Einsatzbereitschaft wird man keine herausragende Führungskraft. Ed McElroy von der Fluggesellschaft US Air betont: „Einsatzbereitschaft fördert Energie. Egal was auf uns zukommt – Krankheit, Armut oder Unglück –, wir werden uns nicht von unserem Ziel abbringen lassen.“
Was bedeutet Einsatzbereitschaft? Für jeden bedeutet das etwas anderes:
Für den Boxer bedeutet es, dass er nach einem Niederschlag einmal mehr aufsteht.
Für den Marathonläufer bedeutet es, dass er noch 15 Kilometer über seine übliche Strecke hinaus trainiert.
Für den Soldaten bedeutet es, über den nächsten Hügel zu klettern, ohne zu wissen, was dahinter liegt.
Für den Missionar und den Entwicklungshelfer bedeutet es, sich von den Bequemlichkeitsansprüchen zu verabschieden, um das Leben anderer positiv zu gestalten.
Für die Führungspersönlichkeit bedeutet es, die genannten Dinge und Weiteres zu beachten – immer mit dem Wissen, dass die Menschen, die für ihn arbeiten, auch abhängig von ihm sind.
Wenn Sie eine leistungsstarke Führungskraft sein wollen, dann müssen Sie Ihre Einsatzbereitschaft unter Beweis stellen. Echte Einsatzbereitschaft motiviert und wirkt anziehend. Dadurch wirken Sie überzeugend. Man wird Ihnen Glauben schenken, wenn Sie sich Ihrer Sache sicher sind. Genauso wie im Fußball die Persönlichkeit des Trainers ausschlaggebend für die Höchstleistung der Mannschaft ist, ist die Persönlichkeit einer Führungskraft ausschlaggebend für das Maß an Vertrauen, das Mitarbeiter ihr entgegenbringen.
Was ist die Basis der Einsatzbereitschaft? Schauen Sie sich die folgenden drei Punkte an:
1. Einsatzbereitschaft ist Einstellungssache
Manche erwarten perfekte Zustände, bevor sie zur Arbeit bereit sind. Aber um etwas zu erreichen, muss man erst etwas tun. Bei einem Pferderennen in Kentucky beobachtete ich, wie sich das spätere Siegerpferd schon während der ersten Kilometer völlig verausgabte. Doch es steckte nicht zurück und blieb engagiert im Rennen. Dranbleiben und nicht aufgeben, das ist für alle großen Sportler wichtig. Der Profi-Basketballer Michael Jordan erklärte dazu: „Die Grundeinstellung unterscheidet die guten von den wirklich herausragenden Sportlern.“ Wenn Sie Ihre Sache gut machen wollen, dann testen Sie Ihre Grundeinstellung: Sind Sie bereit, alles zu geben?
2. Einsatzbereitschaft bedeutet Handeln
Man kann über Einsatzbereitschaft viel reden, aber ob man dann auch handelt, ist eine andere Sache. Aber das ist der entscheidende Punkt, wenn man es wirklich ernst meint. „Nichts ist leichter, als einfach nur zu reden. Nichts ist schwieriger, als beständig nach seinen Vorsätzen zu leben“, bemerkte dazu Arthur Gordon. Jemand erzählte mir einmal die Geschichte eines neugewählten US-Richters in einem besonders schwierigen Wahlkreis. Bei seinem Amtsantritt bedankte er sich bei seinen Wählern: „Ich danke allen 424 Leuten, die versprochen haben mich zu wählen. Ich danke all den 316 Leuten, die sagten, sie hätten mich gewählt. Ich danke allen 47 Wählern, die am letzten Dienstag kamen, um zu wählen. Und ich bedanke mich bei den 26 Wählern, die mich wirklich gewählt haben.“
Wie sieht es mit Ihrer Einsatzbereitschaft aus? Haben Sie die schon getestet?
3. Einsatzbereitschaft öffnet Türen
In Führungspositionen wird man beständig mit Widerstand und vielen anderen Hindernissen konfrontiert werden. Spätestens dann stellt man fest, wie entscheidend wichtig Einsatzbereitschaft ist. David McNally kommentierte: „Einsatzbereitschaft ist der Feind des Widerstandes. Sie bewirkt, dass man immer wieder aufsteht, unabhängig davon, wie oft und wie heftig man hingefallen ist.“ Wenn Sie tatsächlich etwas in dieser Welt bewegen wollen, dann ist Ihre Einsatzbereitschaft gefragt.
Zum Nachdenken
Das Maß der Einsatzbereitschaft lässt sich anhand von vier Persönlichkeitstypen beschreiben:
1. Die Aussteiger. Menschen, die ohne Ziel leben und nicht bereit sind, sich irgendwo einzusetzen.
2. Die Ahnungslosen. Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Ziele erreichen können und zu ängstlich sind, sich dafür einzusetzen.
3. Die Drückeberger. Menschen mit Zielvorstellungen, die aber aufgeben, wenn es schwierig wird.
4. Die Draufgänger. Menschen, die sich Ziele gesetzt haben und bereit sind, alles für ihr Erreichen zu tun.
Wo würden Sie sich einordnen? Erreichen Sie gesetzte Ziele? Haben Sie bisher alles erreicht, was Sie sich vorgenommen haben? Vertraut man Ihnen und Ihrer Führung? Sollten Sie auf eine dieser Fragen mit Nein antworten, sollten Sie Ihre Einsatzbereitschaft überprüfen.
Zum Anwenden
Um Ihre Einsatzbereitschaft zu fördern, achten Sie bitte auf Folgendes:
Maßstäbe überprüfen. Manchmal sind wir der Meinung, wir täten alles, was in unseren Kräften steht. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Nehmen Sie sich Ihren Terminkalender zur Hand. Überprüfen Sie, wie Sie Ihre Zeit verbringen und wo Sie Ihr Geld ausgeben. Wie viel Zeit arbeiten Sie beruflich oder ehrenamtlich? Wie viel Zeit verbringen Sie mit Ihrer Familie oder mit Ihren Hobbys? Finden Sie heraus, wofür Sie Ihr Geld ausgeben. Für den Lebensunterhalt, die Freizeit, die Weiterbildung oder für Spenden? Das Ergebnis wird Ihnen sagen, was Ihnen wichtig ist, wofür Sie bereit sind, sich einzusetzen. Sie werden überrascht sein.
Feststellen, wie groß die Einsatzbereitschaft ist. Eine Frage, die sich jedem stellt, der Führungsverantwortung hat: Bin ich bereit, für eine Sache wirklich alles einzusetzen? Gesetzt den Fall, Sie befinden sich in einer Situation, wo Ihr ganzer Einsatz gefragt ist. Wären Sie dazu bereit, ohne Rücksicht auf die Folgen? Denken Sie eine Weile darüber nach. Schreiben Sie auf, was Sie über sich entdeckt haben. So können Sie feststellen, ob Ihr Handeln Ihren Vorstellungen entspricht.
Nutzen Sie die Edison-Methode. Da aller Anfang schwer ist, nutzen Sie doch die Thomas Edison-Methode. Hatte Edison eine neue Idee entwickelt, berief er eine Pressekonferenz ein. Anschließend verschwand er wieder in sein Labor und arbeitete an der Verwirklichung seiner Idee. Teilen Sie Ihre Vorstellungen auch jemandem mit. Das wird Sie motivieren, Ihre Ideen in die Tat umzusetzen.
Zu guter Letzt
Der ehemalige Basketballspieler Bill Bradley nahm mit fünfzehn Jahren an einem Trainingslager teil. Hier hörte er einen Tipp, der sein Leben veränderte: „Vergiss nicht, dein Spiel zu machen und wirklich alles zu geben, was du kannst. Denn es gibt immer jemanden, der genauso gut ist wie du. Sonst spielt ihr eines Tages gegeneinander und er wird das Spiel entscheiden.“ Wie schätzen Sie Ihre Grundeinstellung ein?