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Klaus Kluge erhält Besuch

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Schaden und Schuld waren auch die Mission Klaus Kluges. Das vergilbte Zimmer, in dem er im schlecht sitzenden Anzug auf dem Stuhl kippelte war der Gegenentwurf zu den Büros bei LifeRobotics. Ein sicher über hundert Jahre alter Schreibtisch stand tapfer auf seinen dünnen Beinen aus hellem Holz, die einst hellgelb gestrichenen Wände und der gefleckte Steinboden verbreiteten einen Hauch von Süden, was den etwas heruntergekommenen Gesamteindruck des Raumes unterstrich. Das Gebäude am Wiener Gürtel war ein vergessenes Gebäude im Stil des vorigen Jahrhunderts - das war auch der Grund, warum Klaus Kluge hier sein Büro hatte. Er hatte ein exotisches Vergnügen, das sich nur im Verborgenen, im Schutz der Abwesenheit von Sensoren und Lebensverbesserern ausüben ließ: er rauchte.

Gebannt beobachtete Jenny Springer den immer länger werdenden Aschestummel, der sich jenseits der Glut an der selbstgedrehten Zigarette bildete. Fast vergaß sie, zu sprechen, so sehr wartete sie darauf, dass er endlich herunterfiele. Die Bekannte ihrer Freundin aus ihrem Kreis hatte sie zwar gewarnt, überrascht war sie trotzdem. Das Absurde der Situation half ihr allerdings auch, das zu tun, weswegen sie gekommen war.

Es fiel ihr schwer, darüber zu sprechen. Es war etwas, das nicht sein durfte. Da war dieser seltsame Anwalt, der so, wie er vor ihr saß, ebenfalls nicht sein durfte, genau richtig.

Er musterte sie von oben bis unten, mit einem Blick, so wissend und unbeteiligt zugleich, sie kam sich sofort völlig nackt vor. Erstaunlicherweise beschämte sie das nicht, sondern befreite sie. Und die rauchende Zigarette, die nahezu unbeweglich am Ende des sehr wohl beweglichen Körpers des Anwaltes ihren Aschestängel vergrößerte, tat das ihre, um sie in einen hypnoseartigen Zustand zu versetzen.

In ruhigem, aber unmissverständlich klarem Ton trafen die Worte des Anwalts eines nach dem anderen bei ihr ein: „Den Tatbestand, den Sie beschreiben, Frau Springer, gibt es eigentlich nicht“, zwischen den Momenten der Stille sah er sie ernst an. „Wir müssen sehr sorgfältig ...“

„Wollen Sie damit sagen, ich kann gar nichts tun?“

„Aber nein, ganz und gar nicht“, er wedelte jetzt gefährlich mit der Zigarette, aber die Asche hielt. „Wir müssen nur alles immer doppelt denken, so wie es war und so, wie die anderen auslegen werden, wie es gewesen sein könnte.“

Ein schwacher Duft scharfen Rauches schob sich in Jennys Gesicht und erinnerte sie daran, dass sie Schmerz spüren konnte. „Ich kann nur daran denken, wie es war“, ihr Ton war jetzt bitter, „obwohl ich nicht daran denken will“, sie schluckte, „aber ich muss andauern daran denken, es war so …“, jetzt kamen wieder Tränen, „ … so würdelos.“ Ihre Augen blickten wässrig und er sagte nichts, sah sie nur wieder an.

Und sie atmete durch, schlug ihre Beine übereinander und meinte erschöpft, doch geduldig: „Ok, machen wir weiter?“



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