Читать книгу Das schwarze Korps - Dominique Manotti - Страница 8

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Das Fotoalbum liegt da, auf dem Tisch, in dunkelrotes Leder gebunden, flaumweich beim Drüberstreichen, etwas abgewetzt, der Falz abgenutzt, die Ecken verknickt. Auf dem Umschlagdeckel drei in Goldbuchstaben eingravierte Namen: François, Jeanne, Isabelle. Man muss es vorsichtig aufschlagen, so zerblättert ist es. Seiten aus dickem, steifem, dunkelgrauem Papier, die man einzeln umschlägt und auf die rechteckige kleine Hochglanzfotos mit gezacktem weißem Rand geklebt sind. Einige sind stärker vergilbt als andere, und bei manchen blättert die Glanzschicht. In einer schönen, festen Schrift ist hier und da mit der Feder ein Name, ein Ort, ein Datum vermerkt. Verblasste schwarze Tinte auf grauem Grund, mit der Zeit kaum mehr lesbar.

Viele Kinderfotos von jedem Alter, in der Wiege, am Strand, krank, beim Kartenspiel unter den Bäumen, im Boot, lesend oder schlafend im Sessel. Um sie herum die Mutter, die Großeltern, aufmerksam, gerührt, stolz, stets ihre Verbündeten. Manchmal, ganz selten, die schmale, sportlich-elegante Gestalt des Vaters. Chronik einer glücklichen Familie.

Auf einer der letzten Seiten vier Fotos beieinander.

März, Hochgebirgslandschaft. Strahlender Sonnenschein über einem sanft abfallenden weiten Schneefeld, in der Ferne eine dunkle Holzhütte, die Mutter, groß, schlank, das Haar unter einem Turban gebändigt, riesige weiße Sonnenbrille, schmal geschnittene kurze weiße Jacke und weite Hose aus schwarzem Wollstoff mit Knöchelbündchen, zieht einen Schlitten, auf dem das Nesthäkchen sitzt. Die beiden älteren Geschwister, François, sechzehn, und Jeanne, elf, in kurzärmeligen Hemden und Pumphosen, mit komischen schwarzen Skibrillen, die fast das ganze Gesicht verdecken, stehen sicher auf ihren Skiern, lächeln in die Kamera. François, kastanienbraunes Haar mit Bürstenschnitt, Grübchen an den Mundwinkeln und ein drittes am Kinn, sprüht vor Übermut und Charme.

Mai, Jeannes feierliche Erstkommunion. Zwei Fotos erinnern an das Ereignis. Auf dem einen steht Jeanne in langem weißem Spitzenkleid, Haube und Schleier aus weißem Tüll, ganz konzentriert allein mitten auf dem Rasen, in den ihre weißen Lackschuhe tief einsinken, und tut so, als läse sie in einem dicken Messbuch, hin- und hergerissen zwischen Andacht und Lachanfall. Auf dem anderen posiert die ganze Familie, der Vater im grauen Anzug, die Mutter in hellem kurzem Rock, Sandalen mit hohem Keilabsatz, die Verwandten, die Freunde, der Pfarrer in Soutane, zum Halbkreis aufgestellt auf den Stufen einer breiten Freitreppe aus weißem Stein mit schmiedeeisernem Geländer. Hinter zwei Geißblattsträuchern, deren schweren Duft man förmlich riechen kann, lässt sich ein imposantes rotes Backsteinhaus erahnen. Auf der untersten Stufe hält das Kommunionkind strahlend ein großes Kohlfuchspony an der Leine, das damit beschäftigt ist, den Rasen abzuweiden. Alle lächeln.

Letztes Foto, unten rechts, ein kleines Mädchen in einem Irisbeet, schulterlange blonde Locken, gesmoktes Kleid mit Puffärmeln, greift mit vollen Händen in die Blumen und riecht daran. Die Mutter hat in ihrer großen, festen Schrift vermerkt: 6. Juni, mein süßes Püppchen Isabelle mit zwei Jahren.

Vier Fotos, und oben auf der Seite eine Jahreszahl: 1944. Wir sind in Frankreich.

Das schwarze Korps

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