Читать книгу Clarissa - Der Auftrag (Band 1) - Doreen Köhler - Страница 12
ОглавлениеKapitel 8
Fluchend schlug ich meinen Wecker aus. Ich hatte absolut keinen Bock aufzustehen.
Ich hatte furchtbar geträumt, schlecht geschlafen und wenn ich an die Strafarbeit dachte, kam mir der Bananensaft gleich wieder hoch.
Wieso musste mir gestern auch ausgerechnet Jessica im Weg stehen? Hätte es nicht wenigstens jemand sein können, der nicht ganz so erbarmungslos war, wie sie?
Genervt stand ich auf, duschte und zog mich an.
Wenigstens hatte ich keine roten Flecken mehr. Das hätte mir gerade noch so gefehlt. Mein müdes Gesicht mit den dunklen Ringen reichte schon.
Danach trottete ich so unmotiviert wie immer, in die Cafeteria und nahm mir ein belegtes Eierbrötchen mit zum Platz. Völlig übermüdet ließ mich auf den Stuhl neben Isabelle fallen. Josh und Laura saßen mir gegenüber und sahen mich so an, als hätte sich gerade eine Vogelscheuche vor ihnen platziert. Das konnte ich ihnen bei meinem heutigen Aussehen nicht übel nehmen.
»Da hat wohl jemand eine harte Nacht hinter sich«, bemerkte Josh, der mich über seine Tasse hinweg beobachtete.
Nickend gähnte ich.
Sofort hielt sich auch Laura die Hand vor den Mund und gähnte ebenfalls. »Sobald ich irgendjemanden gähnen sehe, muss ich mitgähnen«, erklärte sie uns.
»Kenn ich.« Josh lachte und machte es ihr prompt nach.
Gespannt guckten wir nun alle Isabelle an.
»Ich kann das Gähnen ganz gut unterdrücken.« Sie grinste und dann begannen wir alle zu lachen.
Doch unvermittelt blieb mir mein Lachen quasi im Hals stecken, denn plötzlich stand Jessica vor uns.
Sie stützte sich mit beiden Armen auf unserem Tisch ab und schaute böse in die Runde, bis ihr Blick schließlich an mir haften blieb.
»Wenn Blicke töten könnten, wäre Jessica deine Mörderin, Lissa«, bemerkte Josh und seine schneeweißen Zähne blitzten in seinem dunklen Gesicht auf.
Isabelle warf ihm einen warnenden Blick zu. Jetzt war nicht der passende Zeitpunkt für Späße.
Entschuldigend hob er die Hände. »Bin ja schon ruhig.«
»Du miese kleine Zicke! Glaubst du ernsthaft, du wärst was Besseres?«, fuhr mich Jessica an.
»Das denken wir alle«, murmelte Josh, während er sich gleichzeitig räusperte und dann einen Hustenanfall vortäuschte.
Auch wenn es niemand von uns wollte, mussten wir kichern.
»Pass auf was du sagst!«, brüllte Jessica jetzt Josh an.
»Oh nein, jetzt pass du mal auf, Jessica.«
Das war spannender als jeder Harry Potter Film. Ich wusste, dass es eigentlich mein Streit war, aber leider war ich nicht so mutig wie Laura, die aufgestanden war und sich jetzt mit Jessica anlegte.
»Du bist eine arrogante, verwöhnte und unbeliebte Ziege. Jetzt halt endlich dein Maul und geh zurück in den Zoo«, zischte meine Freundin sie an.
»Du nimmst sofort zurück, was du gerade gesagt hast!«, verlangte Jessica von Laura und funkelte meine Freundin zornig an.
Die grinste daraufhin nur provozierend und stemmte die Hände in die Hüften. »Sonst was?«
»Sonst klatscht es hier gleich, aber glaub mir, Süße, keinen Beifall.«
Während Isabelle und ich nur nervös an unseren Fingernägeln kauen konnten, fand Josh den Mut, sich zwischen die beiden zu stellen.
»Jo, Mädels. Bleibt mal locker! Das ist ja Kindergartenniveau.«
Ich schaute mich um und bemerkte, dass uns immer mehr Schüler anstarrten. Mir wurde plötzlich heiß und ich fing an zu schwitzen, denn auch Codys Augen waren auf uns gerichtet.
»Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, Clarissa Sommer.«
Jessicas böser Blick fokussierte meinen ängstlichen, bevor sie sich abwandte und hinter der Essenstheke verschwand.
Wir schauten ihr stumm hinterher, bis gleich darauf die Schulglocke läutete. Wortlos standen wir auf und verließen die Cafeteria ebenfalls.
Josh und Isabelle mussten in die entgegengesetzte Richtung, aber ich war froh, dass ich mit Laura zusammen das Klassenzimmer betreten konnte.
Zu meiner Erleichterung würdigte mich Jessica jedoch keines Blickes.
»Ich hab riesen Hunger. Wenn ich wollte, könnte ich jetzt einen ganzen Zoo verschlingen«, scherzte Laura, als wir nach dem Unterricht erneut Richtung Cafeteria spazierten.
»Tja, damit musst du dich wohl noch ein bisschen gedulden. Heute gibt es nämlich Gnocchi-Auflauf mit Tomatensauce.«
Sie nickte und nahm sich ein Tablett. »Damit kann ich leben.«
»Haben wir heute nicht auch Theater-AG?«, erkundigte ich mich, während ich mir eine große Kelle Auflauf auf den Teller häufte.
»Ja«, antwortete sie voller Begeisterung und tat sich das Doppelte auf.
Wir setzten uns wieder an den gewohnten Platz.
»Aber ich muss doch heute Strafarbeit ableisten«, nahm ich unser Gespräch wieder auf. Ich holte den zerknüllten Zettel aus meiner Tasche, den Isabelle mir gestern überreicht hatte. »Um sechzehn Uhr im Hinterhof«, las ich laut vor.
»Der Theaterunterricht ist von vierzehn Uhr bis fünfzehndreißig.« Laura schob sich einen großen Löffel Auflauf in den Mund und kaute genüsslich darauf rum. »Also passt es, du hast sogar noch Zeit, dir andere Klamotten anzuziehen, die besser fürs Gärtnern geeignet sind.« Sie deutete auf meine weiße Bluse.
»Und übrigens, ich habe schon einen DJ gefunden«, wechselte sie grinsend das Thema.
»Wofür einen DJ?«
»Für die Party natürlich.«
Mein Herz flog Saltos. Das hatte ich ja vollkommen vergessen.
»Ich weiß nur noch nicht so genau die Uhrzeit.« Laura stützte sich mit dem Ellenbogen auf den Tisch.
»Wenn das dein einziges Problem ist …« Ich zuckte die Schultern. Es war ja wirklich lieb von ihr, mir so sehr mit Cody helfen zu wollen, aber am Sichersten würde ich mich doch fühlen, wenn ich das allein machen würde.
Die ganze nächste halbe Stunde, berichtete mir Laura von ihren großen Plänen, denen ich immer nur mit einem Nicken zustimmte oder einsilbige Kommentare beisteuerte.
Nachdem wir aufgegessen hatten, machten wir uns auf den Weg zur Aula. Nebenbei bewunderte ich wieder einmal die Gestaltung des Schulgebäudes. Die Läresson ähnelte wirklich einer Burg oder einem Schloss.
»Wir sind da.« Laura zeigte auf eine große Tür, die man nicht übersehen konnte.
Davor, in dem breiten Flur, hatten sich die anderen schon versammelt.
»Welcher Lehrer leitet den Kurs eigentlich?«, erkundigte ich mich, während wir unsere Taschen zu den anderen stellten.
»Leider Frau Lamin«, stöhnte meine Freundin.
»Super.« Ich verdrehte die Augen. Der Theaterunterricht hätte wirklich schön werden können.
Wir hüpften mit unseren Hintern auf die Fensterbank und ich ließ den Blick über die anwesenden Schüler schweifen. Wirklich viel los war hier, im Gegensatz zu meiner alten Klasse, nicht. Die Schüler der Läresson waren viel ruhiger und vor allem reifer. Anstatt sich gegenseitig zu schubsen oder Beleidigungen zuzurufen, steckten sie ihre Nasen in Bücher oder spielten an ihren Handys. Ich bemerkte Cody, der wieder abseits von den anderen an dem anderen Fenster stand. Er schaute gelangweilt raus und beobachtete irgendetwas.
Irgendwann musste ich ihn mal ansprechen. Ich hatte nur solche Angst, etwas dabei falsch zu machen. Schließlich hing das Leben meines Vaters davon ab, ob er mich mochte oder nicht.
Ich wurde aus meinen düsteren Überlegungen gerissen, als Laura mich mit dem Ellenbogen anstieß. Frau Lamin kam gerade um die Ecke. Ohne etwas zu sagen, schloss sie die Tür auf. Nicht einmal ein einfaches Hallo brachte sie über sich. Allerdings sagten auch die Schüler nichts. Ehrlich gesagt, freute es mich sogar, dass die Verbündete des Entführers so unbeliebt in der Schule war.
»Nehmt euch einen Stuhl und bildet eine Reihe«, rief sie durch den Raum, während sie die Fenster zum Lüften öffnete.
Beim Betreten der Aula war mir gleich der Geruch von altem Holz in die Nase gestiegen. Es roch nicht unbedingt gut, aber auch nicht sonderlich schlecht.
Während alle sich Stühle griffen, wurde mein Blick auf die riesengroße Theaterbühne gelenkt, die mit den leuchtend roten Seidenvorhängen gleich doppelt so professionell wirkte.
Ich nahm mir ebenfalls einen Stuhl und setzte mich neben Laura. In der Aula waren so viele Fenster, dass man der Sonne und ihrer Blendung nicht wirklich ausweichen konnte. Dafür strahlte sie jedoch eine angenehme Wärme aus, die sich auf meinen nackten Armen prächtig anfühlte.
»So.« Frau Lamin klatschte in die Hände. »Wir fangen heute ein neues Theaterstück an.« Sie nahm sich ebenfalls einen Stuhl und stellte ihn so hin, dass sie uns alle ansehen konnte, nachdem sie Platz genommen hatte.
»Aber wir waren mit Sterntaler doch noch gar nicht fertig«, beschwerte sich Rachel.
»Ja, da hast du recht, aber mir ist eine ganz neue Idee gekommen. Ihr kennt bestimmt alle Romeo und Julia.« Frau Lamin fuchtelte dabei mit ihren Händen in der Luft herum, als wäre das Stück eine Sensation.
Die ganze Klasse verfiel in ein lautes Gemurmel, das nicht gerade erfreut klang.
Auch Laura plapperte mich zu. »Och nö, nicht so eine Liebesschnulze. Da hab ich null Bock drauf.«
Wirklich Lust hatte ich auch nicht. Das Stück hatten wir schon in der alten Schule aufgeführt und es war verdammt schwer gewesen, diesen Balkon zu basteln, auf dem Julia stand.
»Können wir das Stück nicht wenigstens umschreiben?«, fragte jemand.
»Oder zumindest rappen?«, schlug Jens vor.
Ein paar seiner Freunde klatschten Beifall, womit sie der Idee zustimmten.
Ich blickte zu Cody.
Reaktionslosigkeit total. Weder seine Körperhaltung noch sein Gesichtsausdruck verrieten, was in ihm vor ging, nur wieder der leere Blick zum Fenster.
»Nein, es gibt keine Diskussionen mehr. Es wird die klassische Variante von Romeo und Julia und jetzt Ruhe«, befahl die Direktorin nach einer Ewigkeit schließlich unfreundlich.
Sofort war die Klasse mucksmäuschenstill. So still, dass man eine Stecknadel hätte hören können.
Frau Lamin räusperte sich und blickte dann streng in die Reihen der Schüler, bevor sie weiterredete. »Ich habe auch bereits ausgelost, wer welche Rolle bekommt.
»Natürlich spiele ich die Julia«, hörte ich Jessica zu Juliet sagen, die kicherte.
Frau Lamin räusperte sich erneut, hielt sich den Finger vor den Mund und forderte so Jessica auf, ruhig zu sein. Dann sagte sie: »Ich hänge den Zettel morgen früh im Forum ans schwarze Brett, damit ihr alle sehen könnt, welche Rolle euch das Schicksal zugeteilt hat. Am kommenden Donnerstag gibt es keinen Unterricht, aber ihr solltet die Zeit bis in vierzehn Tagen nutzen und schon mal euren Text lernen.«
»Wieso sagen Sie uns nicht einfach jetzt unsere Rollen?«, fragte Laura verwundert.
»Weil es so heute nur noch mehr Unruhe geben würde«, sagte sie und sah Jessica scharf an.
Erneut kam Gemurmel auf. Einige versuchten Frau Lamin umzustimmen, ihnen gleich zu verraten, wer wen spielen würde. Doch sie blieb hart. Es wurden noch einige organisatorische Dinge besprochen, dann erklärte die Direktorin die Unterrichtseinheit für beendet.