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Zugfahrt

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Die Regionalbahn ist fast leer und hält an jedem Ort. Frau W. ist froh, dass sie heute früh Feierabend machen konnte im Geschäft. Eine Gruppe Jugendlicher fährt mit. Die Schule ist aus und nun wird noch etwas Dampf abgelassen. Am lautesten ist Blerim, der ein Abteil für sich allein besetzt hat und die anderen mit seinen Sprüchen unterhält. Nebenan sitzen Andy und Simon und ihnen gegenüber der etwas kleinere Marco – jedenfalls sind das die Namen, die Frau W. ihnen im Stillen gibt. «Du warst ja voll eine Niete heute im Fussball», stichelt Andy in Blerims Richtung, sofort bereitwillig unterstützt von Simon.

«Halt’ die Fresse», schreit Blerim überlaut, springt auf, ballt die Fäuste und lässt sich wieder auf seinen Sitz fallen, zappelig und hyperaktiv. Die anderen drei lachen. Dass Marco mitlacht, scheint Blerim zu missfallen. «Du bist ja sowieso nur ein kleiner Streber», ruft er zum anderen Abteil hinüber. Plötzlich dreht der Wind, Marco wird zur bevorzugten Zielscheibe. «Hey, was ist denn das für eine Jacke, die hattest du ja schon letztes Jahr an!», meint Andy verächtlich. Hämisches Gelächter. Marco entgegnet etwas, was Frau W. nicht versteht. Sie ist etwas besorgt – muss sie eingreifen? Zwischen den Sitzbänken hindurch erspäht sie Marco, er lächelt verlegen und drückt sich in die Abteilecke. Der Zugbegleiter verkündet den nächsten Halt. Frau W. steigt aus. Für Marco ist die Reise noch nicht zu Ende. Frau W. tut er leid. Ob er das jeden Tag mitmachen muss, dieses Spielchen, bei dem er am Ende der Prügelknabe ist? Ob er jeden Tag Angst hat vor der Zugfahrt? Und der überdrehte Blerim – packt er sein Leben? Wird Simon ein feiger Mitläufer ohne Rückgrat?

Ach komm, ruft Frau W. sich etwas beschämt zur Raison. Ihre Fantasie scheint wieder einmal völlig mit ihr durchzugehen. Vielleicht ist ja alles halb so wild und in ein paar Jahren sitzen die Jungs vergnügt bei einem Bier zusammen und lachen über die Zugfahrten von damals.

Harmlose Raufereien oder gemeines Aufeinander-Einhacken? Von aussen ist es schwer zu beurteilen, denkt Frau W.

Aber Frau W. bittet den, der die Menschen nach seinem Bild geschaffen hat und der ein Menschenkind wurde, sie bittet ihn, dass die täglichen Zugfahrten der Menschwerdung von Andy, Simon, Blerim und Marco dienen.

Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn.

1. Mose 1,27

Frau W. diskutiert mit Jesus

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