Читать книгу Die Hochzeit - Dorothy West - Страница 8
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ОглавлениеMuffin lachte plötzlich los. »Guckt mal, Jezebel«, quietschte sie und kringelte sich vor Vergnügen.
Sie guckten Jezebel an. Die bahnte sich gerade langsam und bedächtig ihren Weg durch den Park, wobei ihr ein unhandlich großer Pfannkuchen aus dem Maul hing. In diesem Moment blieb sie stehen, hob eine Pfote und sah sich verstohlen im Park um, ob jemand sie beobachtete. Dann ließ sie den Pfannkuchen vorsichtig zu Boden gleiten und buddelte daneben ein Loch.
Sie hatte die Angewohnheit, morgens bei den Cottages die Runde zu machen. Als einzige Hündin im Oval konnte sie über die Rasenflächen laufen und an Fliegentüren kratzen, ohne befürchten zu müssen, dass die Rüden, in deren Revier sie eindrang, Jagd auf sie machten. Ja, denen machte ihre Gegenwart Spaß – ein Spaß, der sogar durch die Tatsache, dass sie alt und sterilisiert war und von ihren Annäherungsversuchen keine Notiz nahm, keineswegs geschmälert wurde. Denn Jezebel lenkte die Rüden von ihren Streitereien ab, und ihre Gunst, soweit noch vorhanden, verteilte sie gerecht.
Jezebel nahm alles, was man ihr anbot, und fast alles außer Knochen verbuddelte sie. Nur was ihrem Gaumen besonders zusagte, verzehrte sie an Ort und Stelle, den Rest trug sie in den Park. Dass sie auch das annahm, ja sogar darum bettelte, was sie gar nicht haben wollte, geschah aus reiner Gier, aber dass sie in ihrem Magen Platz ließ für das, was ihr wirklich schmeckte, war gute Planung.
Das Haus der Coles war ihr Lieblingshalt, den sie sich bis zuletzt aufhob. Die Coles, deren alter Hund im letzten Winter gestorben war, hatten eine Schwäche für Jezebel entwickelt. Sie gaben ihr keine Essensreste, nein, bei ihnen bekam sie richtig große Fleischstücke. Nicht einmal bei sich daheim hatte Jezebel es so gut. Ein Hund, der mit Kindern zusammenleben muss, bekommt unweigerlich eine Menge unappetitlicher Reste unter die täglichen Rationen gemischt. Als Jezebel ihre Arbeit beendet und die Erde so sauber zurückgescharrt hatte, als wäre sie nie ausgebuddelt worden, begab sie sich schnurstracks, aber keuchend vor schwerfälliger Hast zur Villa der Coles.
Lute hatte unterdessen auch Tinas Zöpfe geflochten. Er zog daran, sie bog den Kopf zurück, das unschuldige Gesichtchen traumverklärt vor Liebe zur Mutter von nebenan, ein Zauber, den auch Jezebels Mätzchen nicht ganz auslöschten.
Wie um die Liebe auf diesem aufschauenden Antlitz festzubannen, küsste Lute Tina so wild, dass ihre Zähne sich in ihre Lippe bohrten und ihr ein paar Tropfen Blut in die Kehle sickerten, wovon ihr übel wurde. Als sie hastig über Lutes Knie krabbelte, um Muffin Platz zu machen, schnappte er sie und umarmte sie so ungestüm, dass es ihr den Atem nahm. Sie keuchte vor Schmerz. Ihr Brustkorb fühlte sich an wie eingequetscht.
»Aua, Daddy, nicht, das tut weh«, sagte sie mit einem Schluchzer.
Barby lief feuerrot an. »Hör auf, Daddy!«, rief sie erbost, indes Muffin, deren Hand schneller war als ihre Zunge, auf Lutes Arm einschlug.
»Ihr wisst, dass ich Tina nicht weh tun würde«, sagte er, schnappte sich Muffins kleine Faust und hob das Kind hoch über seinen Kopf, um es zum Lachen zu bringen. »Tina weiß, wie lieb ich sie hab.«
Aber eigentlich wusste es keiner richtig. Jeder Mann hat ein Kind, das sein Herzenskind ist. Für Lute war es Tina, die Tochter seiner zweiten Frau, einer polnischen Kellnerin; sie hatte sich, als sie frisch und unberührt von einer Farm im Landesinneren gekommen war, in Lute verguckt, der dunkel und gut aussehend von den formlosen weißen Gesichtern jenseits der Theke eines billigen Restaurants abstach.
Lute schlief mit ihr auf dem Speicher. Er brauchte keine Tricks, um sie dorthin zu locken, sie, die sonst nirgends hin konnte in der großen, teilnahmslosen Stadt; und er verschwendete keine Zeit darauf, sie zu verführen, denn er war ein Meister der Verführung und sie eine zitternde Anfängerin, die mehr lernte, als sie zu wissen ertrug, die Lute liebte und sich selbst hasste.
Er heiratete sie, nicht weil er es ihr schuldig war, sondern damit das Kind, das sie von ihm erwartete, einen rechtmäßigen Vater bekäme. Obwohl es viele nützliche obszöne Ausdrücke gab, die ihm zur Verfügung standen, hatte ihn keiner je irgendwen einen Bastard nennen hören. Und dieses polnische Mädchen, dem er nie eine Zärtlichkeit erwiesen oder die Treue gehalten und das er auch dann nicht als seine Frau anerkannt hatte, als sie ein Stück Papier besaß, mit dem sie es beweisen konnte, das Mädchen, das er behandelte wie eine Dienstmagd, ohne zu wissen, wie man einen Dienstboten anständig behandelt, über dessen polnische Gewohnheiten er sich lustig machte und für das er keine zwei Worte übrig hatte, die nicht in Obszönitäten wurzelten, dieses Mädchen hatte ihn in einem letzten, verzweifelten Kampf gegen seinen viel tödlicheren Hass »Nigger, Nigger, Nigger« geheißen und ihm dann die Scheidung gewährt, die er gefordert hatte, seit seine Seitensprünge sich auf eine einzige Passion konzentrierten: auf Della, kühl und gelangweilt, in ihrer Residenz auf Beacon Hill, die von seiner Art zu leben so weit entfernt war wie der allerfernste Stern.
Er griff empor nach Della und zog sie herab, herab auf sein zügelloses Niveau, und er wollte die Scheidung, um sie heiraten zu können, sie, deren Jawort er wie durch ein Wunder erlangt hatte und deren Kind – sein Kind – bereits ganz ohne Wunder gezeugt war.
Warum Della, die es schon einmal mit der Ehe versucht und sie für unzulänglich befunden hatte – und obendrein für eine teure Angelegenheit, denn es kostete sie eine Menge Geld, sich das Sorgerecht für ihren Sohn zu erkaufen –, warum sie dieses Sorgerecht gefährdete und mit ihm das Glück und die Psyche ihres Sohnes, den sie vergötterte, ohne zu ahnen, wann er das alles erfahren würde, aber wohl wissend, dass sie sich seinem Wissen nicht stellen könnte, warum sie also, die nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren hatte, sich so weit mit Lute einließ, bis ihr nur noch die Katastrophe bevorstand? Weil sie, wie die Polin, mit der sie sonst so gar nichts gemein hatte, in sich den Keim der Selbstzerstörung trug.
Seine erste Frau dagegen war eine Schlampe gewesen, die herumgelungert und darauf gewartet hatte, dass Lute, oder einer wie er, vorbeikam – eine Schulschwänzerin aus der Junior High, ein Flittchen mit Kindergesicht, echt scharf und bildhübsch. Jeder Junge in der Schule wäre mit ihr gegangen, aber sie hatte eben diese Marotte, sprich eine Vorliebe für Schlecht statt Gut, Schwarz statt Weiß. Sie war eine kleine Alleswisserin gewesen, die dennoch nicht mehr wusste als das, was sie in schmutzigen Büchern gelesen hatte.
Sie hatte gedacht, ihre Rendezvous mit Lute auf dem Speicher, wohin ihr rascher, fester Schritt sie durch die leeren, hallenden Straßen führte – vorbei an nächtlich geheimnisvollen Häusern, in deren Eingänge sie verstohlene Blicke warf, nicht aus Furcht, sondern fasziniert von dem Unwägbaren, und wo das Quietschen ihrer Schuhe so verloren und einsam klang wie Kinderweinen –, diese ekstatischen Nächte, dachte sie, und der Alkohol, den sie trank wie Wasser, und die Geschenke aus dem Pfandhaus, die Lute ihr mitbrachte, würden aus ihr eine kühne Abenteuerin machen, die jetzt ein Leben in Liebe und Luxus begann, ein Leben, das irgendwann einmal auf der anderen Seite des Ozeans im vergoldeten Palast und dem güldenen Bett eines turbantragenden Fürsten enden würde.
Doch sie zählte die Tage nicht, denn allein die Nächte beherrschten ihre Sinne. Und als ihre Regel ausblieb und es auf dem Kalender nichts abzuhaken gab, wusste sie nicht, wie sie Lute beibringen sollte, dass sie als seine Geliebte versagt hatte. Sie sagte ihm gar nichts. Er sah ihre schwellenden Brüste; er hörte ihren schleppenden Schritt auf der Bodentreppe und ihr Stöhnen beim Liebesakt, das mehr Abwehr ausdrückte als Lust.
Er heiratete sie und steckte sie in eine Wohnung in einem Stadtteil, wo armes schwarzes Pack und armes weißes Pack sich ungerührt mischten.
Lute war nicht absolut sicher, dass ihr Kind von ihm war, aber er wollte nicht, dass ein Kind von ihm als Bastard zur Welt käme, und so ließ er es darauf ankommen und bereitete sich, auch wenn er keinen konkreten Plan hatte, eiskalt darauf vor, beide, Mutter und Kind, zu töten, sollte das Kind keinerlei Anzeichen schwarzer Abstammung tragen.
Und sie, die die Ehe genauso wenig wollte wie Lute, weil doch die Hochzeit ein moralischer Akt war, sprach das Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams voll Hass auf ihren unförmigen Körper, denn sie dachte, wenn sie schon auf ewig für die Liebe verdorben wäre, sei es auch egal, ob sie einen Ehering trug und einen Kinderwagen schob.
Als ihr Kind geboren wurde, konnte sie ihm nicht verzeihen, dass es am Leben blieb. Als dann ihre Lust von neuem erwachte und ihr Blut wieder in Wallung geriet, da ertrug sie die Hilflosigkeit des Babys nicht, mit dem es sie an seine Bedürfnisse fesselte.
Lute versuchte, ihr die Liebe zu ihrem Kind einzuprügeln, und ihre Empörungsschreie waren Schreie der Liebe, die ihn zu noch ärgerer Brutalität anstachelten. Nie sah er sie anders als missmutig, ob sie nun das Kind liebkoste oder zu ihm sprach oder es fütterte und wickelte.
Wenn er heimkam, untersuchte er das Baby, befühlte seinen Bauch, um zu prüfen, ob er voll war, und seine Windel, um zu prüfen, ob sie trocken war, und schnüffelte an ihm, um festzustellen, ob es sauber roch oder stank. Und wie immer er das Kind auch vorfand, ob vor Hunger brüllend oder zufrieden gurrend, immer hinterließ seine Hand einen Striemen auf seinem Weib, und in der Nacht verschmähte er sie, denn er wollte keine Frau, die keine Kinder wollte und die ihn daran erinnerte, dass er selbst keine Erinnerung an Mutterliebe hatte.
In dieser Hölle lebten sie drei Jahre lang, eine Zeit, in der die Frau sich alles an überschüssigem Sex nahm, was sie von jedwedem Lieferanten kriegen konnte, der an ihre Tür klopfte und Zeit und Lust hatte. Lute hatte unterdessen längst aufgehört zu zählen – oder vielleicht auch nur den Überblick verloren –, wie viele Frauen er auf dem Speicher flachlegte, Frauen von der Straße, über die er sich mit so primitiver Fleischeslust hermachte, als trüge eine jede von ihnen das Gesicht seiner Mutter, jenes Gesicht, von dem er doch nicht einen Zug kannte.
An dem Tag, als er seine Tochter allein vorfand – nicht dass sie zuvor nie allein geblieben war, er hatte sie nur nie allein angetroffen, und die Kleine war so daran gewöhnt, dass sie es nicht ausgeplaudert hatte –, an dem Tag riss er sie an sich und brachte sie zu einer Nachbarin, einer Frau, die er vom Sehen kannte und die eine hässliche, furchtbar dicke und schmierige Person war, die er jedoch für häuslich hielt und der er zutraute, dass sie keinen Mann hatte außer dem, mit dem sie verheiratet war, eine hässliche Schwarze, der er unbesorgt sein Kind anvertrauen konnte, während er heimging, um seine weiße Frau zu töten.
Er ging also heim und wartete, und in den Stunden des Wartens entschied er, der nur seine Hände zum Töten hatte – Hände, die eigentlich nicht zum Töten geschaffen waren –, dass es die süßere Rache wäre, das Miststück von Mutter rauszuwerfen, auf dass sie verkaufe, was ihm nichts wert war, verhungere, wenn es auch keinem anderen mehr etwas wert war, und langsam und qualvoll stürbe, unbekannt und unbeweint, genauso wie Gott, hoffte er, seine Mutter bestraft hatte.
Sie starb, ohne krank zu werden oder lange leiden oder hungern zu müssen, in einer Seitengasse in Chinatown, und sie sah aus wie ein verirrtes Kind, das sich überall zum Schlafen niederlegen würde oder, falls niemand es vorher fand, auch zum Sterben. Sie hatte zwar ein Obdach und einen Chinesen, der sie mit liebesglühenden Lenden erwartete, aber sie war zu betrunken gewesen, um vom Bett ihres letzten Freiers nach Hause zu gelangen, und zu sehr bedrängt von der Vorsehung, um ihrem Schicksal zu entgehen.
Lute beerdigte sie, denn es war der Polizei ein leichtes, ihre Geschichte von dem gelben Mann zu dem schwarzen zurückzuverfolgen. Die furchtbar dicke, hässliche Frau kannte eine Witwe, genauso potthässlich und prosaisch wie sie selbst, und diese Witwe wurde Lutes erste Haushälterin, bevor er erkannte, dass eine Haushälterin nicht abstoßend zu sein brauchte und auch noch gut im Bett sein konnte, ohne dass es extra kostete.
Nun, da er den Speicher hatte und das Bett seiner Haushälterin, fehlte es Lute eigentlich an nichts, es gab nichts, das in ihm die Sehnsucht nach der linkischen Unschuld der Polin geweckt hätte, die ihn weder erregte noch befriedigte, es sei denn, tief in ihm wurzelte der Drang, Kinder zu zeugen, die ihren Vater kannten.
Inzwischen gab es da noch Muffins Mutter Della, Ehefrau Nummer drei, heimliche Ehefrau Nummer drei und weiß Gott heimliche und immer noch erstaunte Mutter, die erst eins von Lutes Möbelstücken und dann Lute selbst gekauft hatte, indem sie ihm die Türen ihrer Freunde öffnete.
Er hatte mit hochgezogenen Schultern vor diesen Türen gewartet, während ein Diener sich erkundigen ging, ob Lute den Vordereingang benutzen dürfe. Wenn der Diener zurückkam, folgte Lute ihm in ein Frühstückszimmer, wo Della oft schon vor ihm eingetroffen war, absichtlich, um sich an seinem Unbehagen darüber zu ergötzen, dass er sie hier inmitten ihrer Freunde fand, die nicht seine Freunde waren und es nie sein würden, und wo sie dann an ihm vorbei, um ihn herum und gewiss später auch über ihn redete, ja ihn behandelte, als wäre er eins seiner Möbelstücke, und wo ihre Blicke sich nie mit den seinen trafen.
Die Polin bekam die unsinnigen Schläge zu spüren, die er Della nicht zuzufügen wagte, ertrug seine überbordende Frustration, und als sie es nicht mehr aushalten konnte, als es besser war, auf Händen und Füßen zu ihren eigenen Leuten zurückzukriechen und auf ewig mit ihrem Hohn zu leben, anstatt bei lebendigem Leibe aufgefressen zu werden, da gewährte sie Lute die Scheidung, die er nicht aus ihr hatte herausprügeln können, überließ ihm das Kind, das er nie das ihre hatte sein lassen, und klammerte sich mit ihrem ungetrösteten Herzen an die wertlose Erkenntnis, dass seine Triumphe zu hart erkämpft waren, um ihm Glück zu bringen.
Lute, dem das liebste von seinen Kindern die sanfte Kleine jenes sanften Mädchens war, das er nie auch nur zu lieben versucht hatte, und dessen Blut zu Wasser wurde, wenn Tina weinte, während bei den Tränen ihrer Mutter sein Blut zu Eis erstarrt war, Lute hatte beschlossen, dass Tina das Beste haben sollte, das er ihr geben konnte, was immer es auch ihn oder andere kosten möge.
In diesem kleinen, von Addie Bannister gemieteten Cottage, das zweimal in Lutes großes Haus in Boston hineingepasst hätte, wo jedes einzelne Möbelstück von ihm selbst entworfen war, während Addie Bannisters Betten und Stühle es, wie ihre Besitzerin, nicht mehr lange machen würden, hier in diesem Cottage war Tina glücklicher gewesen, als Lute sie je erlebt hatte.
Sie liebte das mütterliche Auge des Ovals, wo alle Kinder ein bisschen jeder der wachsamen Mütter gehörten, liebte es, ohne zu wissen, dass sie beim Spielen im Park nur geduldet oder dass der Sommer fast vorbei war.
Für Lute hatte Tinas Sommer im Oval eben erst begonnen. Niemand würde sie um die Freude bringen dazuzugehören. Er hatte versucht, auf saubere Art dafür zu kämpfen – jetzt würde er sich auf einen schmutzigen Kampf verlegen. Zu Anfang, als die Stellungen bezogen wurden, hätte er sich noch mit einem Platz auf der Hochzeit begnügt und nicht mehr verlangt als diese Garantie auf sein Recht, ins Oval zurückzukehren. Aber die Coles hatten sich auf ihre popelige Einladung dermaßen viel eingebildet, dass sie seinen Namen noch nicht einmal auf die Liste setzten. Sie hatten den Kampf erzwungen. Und jetzt würde er sich mit nichts Geringerem zufriedengeben als dem Besten, das sie zu bieten hatten.
Das Gerede, das am Strand hin- und herwogte, ließ keinen Zweifel daran, dass man Addie Bannister noch vor dem ersten Schnee zu Grabe tragen würde. Ihr Puppenhaus konnte Lute dennoch nicht für Tina kaufen, trotz all seines Geldes und seiner Kreditwürdigkeit. Dafür würden die allmächtigen Coles schon mit einem diskreten Hinweis an den puritanischen Bostoner Anwalt sorgen, der Addies kümmerliche Hinterlassenschaft regelte.
Sei’s drum, er wollte es gar nicht haben, dieses Puppenhaus. Das konnten sie sich sonst wohin stecken. Nächsten Sommer und jeden Sommer danach, bis der Teufel ihn am Schlafittchen kriegte, würde er nämlich allabendlich seine Hosen in dem gottverdammten Cottage der Coles ausziehen und im Bett ihrer kostbaren Tochter schlafen.
Shelby war reif, man brauchte nur zuzulangen. Er kannte die Anzeichen der Kapitulation. Und was bot ihr ein Weißer, wovon er nicht hundertmal mehr hatte? Er brauchte nichts weiter als eine Stunde mit ihr allein, um das Kristall zu brechen, durch das er so deutlich hindurchschauen konnte. Die Frau gab es nicht, die er nicht in die Knie zwang, und es würde nicht lange dauern, bis auch Shelby um mehr bettelte und ihm nichts versagte, nicht einmal ihre Hand zum Ehebund.
Seine Kinder würden sehr viel früher auf seiner Hochzeit tanzen als diese Ovaliten auf der, für die sie schon vorgedruckte Karten hatten.
Er richtete seinen triumphierenden Blick auf Tina. »Wer möchte nächsten Sommer wieder hierherkommen?«, frohlockte er, und die erwartete Antwort formte Lachfältchen um seine Augen.
»Ich! Ich! Ich!«, jauchzten die drei kleinen Mädchen, und ihre Popos hüpften vor Eifer auf und nieder.
Lute runzelte die Brauen. »Aber angenommen, wir können dieses Haus nicht noch mal mieten? Was, wenn wir überhaupt keins mieten können?«
»Oh, was machen wir dann?«, jammerten sie.
»Lasst mich nachdenken«, frotzelte Lute. Und er dachte gründlich nach, während die kleinen Mädchen ihn mit fast angehaltenem Atem anstarrten. Nach langer Pause hellte sein Gesicht sich auf. Er nickte zufrieden, schwenkte Muffins Kopf vor und zurück und begann ihr glänzendes Haar zu flechten. Es war noch so kurz, dass die Zöpfe kaum länger halten würden, als es dauerte, sie zu flechten, aber sie wäre furchtbar beleidigt gewesen, hätte er es nicht der Form halber trotzdem getan.
»Es gibt hier ein Haus, ein wunderschönes Haus, und eine wunderschöne Lady, die in dem Haus wohnt. Sie hat feine Manieren und überhaupt eine feine Art. Sie könnte euch eine Menge beibringen. Wenn ich sie heiraten würde, dann könnten wir jeden Sommer in ihrem wunderschönen Haus wohnen. Sie würde für euch sorgen und eure neue Mutter sein. Kleine Mädchen brauchen Mütter, die ihnen helfen, erwachsen zu werden.«
»Ich nicht«, sagte Barby kategorisch. »Die wollen doch bloß über alles bestimmen.« Den ganzen Sommer hatten die Mütter im Oval nicht nur ihre eigenen Kinder herumkommandiert, sondern auch all die anderen, die zum Spielen zu ihnen kamen.
»Ich auch nicht«, sagte Muffin. »Ich hätte lieber eine neue Puppe!« Sie machte ihre Puppen meistens dadurch kaputt, dass sie sie verhaute, wenn sie unartig waren.
»Lasst uns eine ausprobieren«, bettelte Tina. »Bitte, bitte, Barby. Wenn sie zu streng ist, können wir uns ja wieder scheiden lassen.«
Barby sah ihre Schwester an. Tina war den Tränen nahe, und Barby wollte nicht, dass Daddy Tina weinen sah. Die Heulsusen-Mütter hatten sich von Daddy alle Prügel eingefangen. »Okay, okay«, sagte sie hastig.
Muffin hielt es für unter ihrer Würde, ihr beizupflichten. »Wer ist sie, Daddy?« Sie fragte nur aus Höflichkeit, denn insgeheim wusste sie, dass es darauf nicht ankam. Frauen waren alle gleich, sogar wenn sie als Haushälterinnen kamen. Früher oder später weinten sie, und dann kriegten sie von Daddy Prügel.
»Das wird meine große Überraschung«, sagte Lute. »Wartet’s nur ab. Lange werdet ihr euch nicht gedulden müssen.«
Tina schaute ihn forschend an. »Versprichst du’s, Hand aufs Herz?«
Lutes Stimme war heiser vor Zärtlichkeit. »Ich verspreche es, Hand aufs Herz.«
Tina kniff die Augen fest zu und sprach hinter geschlossenen Lidern ein kleines Gebet. Bitte, lieber Herr Jesus, lass es die Mutter von nebenan sein. Lass mich mein ganzes Leben im Oval bleiben, für immer. Amen.