Читать книгу "Die Handwerker-Fibel", Band 2 - Dr. Lothar Semper, Bernhard Gress - Страница 15

2.1.2Wirtschaftliche Bedeutung

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a)Aufgaben des Handwerks

Früher war es wesentliche wirtschaftliche Aufgabe des Handwerks, Güter herzustellen, die der Mensch zur Befriedigung der elementaren Lebensbedürfnisse – Nahrung, Wohnung und Bekleidung – benötigte.

Haushandwerk Berufshandwerk

Mit einfachen Hilfsmitteln, aus der Verbindung von Geist und manueller Geschicklichkeit, erfüllte zunächst das Haushandwerk und später das Berufshandwerk seine wirtschaftliche Aufgabe als Träger der gesamten Produktion von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern.

Kulturelle Leistungen

Dank seiner wirtschaftlichen Leistungskraft hat sich das Handwerk im Laufe der Zeit zu Leistungen weiterentwickelt, die in den kulturellen Bauleistungen und im Städtebau des Mittel- und Spätmittelalters einen Höhepunkt fanden.

Technisierung

Die Technisierung und der daraus folgende Wandel in den Arten des Wirtschaftens ließen aus dem Handwerk heraus die industrielle Gütererzeugung entstehen, die heute überwiegt. Dabei wurde das Handwerk aus einigen Bereichen der gewerblichen Produktion verdrängt.

Die Nachfrage nach individueller Befriedigung der Bedürfnisse und somit nach Qualität, Maßarbeit und kreativen Leistungen ist allerdings nach wie vor groß.

In der Deckung des gehobenen Bedarfs und der persönlichen Dienstleistungen sowie der individuellen Problemlösungen liegen die Stärke und die Chancen eines großen Teils der handwerklichen Leistungen und Produkte.

Insgesamt liegen die Aufgabenschwerpunkte des Handwerks in:


Heute kommen dem Handwerk durch das Entstehen neuer Werkstoffe, neuer Erfindungen, neuer Technologien und neuer Industriezweige zusätzliche volkswirtschaftliche Aufgaben zu.

Viele industrielle Erzeugnisse (z. B. sanitäre Einrichtungsgegenstände, Heizungsanlagen, Erzeugnisse der Elektroindustrie und andere) werden erst durch Leistungen des Handwerks (Montage) zu einem gebrauchsfähigen Wirtschaftsgut für den Endverbraucher.

Arbeitsteilung

Abgesehen von einigen Arbeitsgebieten, bei denen die industrielle Massenproduktion und die handwerklichen Erzeugnisse im Wettbewerb stehen (z. B. Bekleidungshandwerk – Bekleidungsindustrie), hat sich in unserer Volkswirtschaft zwischen Handwerk, Industrie und Dienstleistern eine weitgehende, volkswirtschaftlich wünschenswerte Arbeitsteilung vollzogen.


Die Industrie erhält vom Handwerk insbesondere:

> Bau- und Reparaturleistungen

> Dienstleistungen aller Art

> Spezialmaschinen und Werkzeuge

> Modelle, Mess- und Prüfgeräte

> Einzelteile.


Das Handwerk erhält von der Industrie unter anderem:

> Rohstoffe und Halbfabrikate

> Maschinen und Fahrzeuge.

Industrie und Handwerk schließen sich also nicht aus, vielmehr lassen neue Industriezweige auch neue Handwerkszweige entstehen (z. B. Kfz-Industrie/Kfz-Handwerk).

Neue Technologien

Auch bei den neuen Technologien liegen die Chancen und Schwerpunkte für die Handwerksbetriebe in der Zulieferung an die Industrie sowie bei Montage, Installation und Wartung.

Durch Auslagerung ist das Handwerk zudem stärker in die industrielle Wertschöpfung eingebunden.

b)Strukturwandel und Zukunftsperspektiven des Handwerks

Hauptprobleme des Strukturwandels

Das deutsche Handwerk hat ständig einen umfassenden technisch und wirtschaftlich bedingten Strukturwandel zu bewältigen.

Hauptprobleme

Die Hauptprobleme des Handwerks sind aktuell:

> Deckung des Nachwuchs- und Fachkräftebedarfs

> steigende Arbeitskosten

> steigende Rohstoff- und Energiepreise

> hohe Schwarzarbeit, Scheinselbstständigkeit

> Verknappung von Gewerbeflächen in Ballungsräumen

> Verdrängungswettbewerb durch Verbraucher- und Baumärkte

> Verdrängungswettbewerb durch Industrie und Handel

> mangelnde Berücksichtigung der Belange der Kleinbetriebe in der Steuer- und Sozialpolitik

> rasante technologische Entwicklungen wie die Digitalisierung, die neue Produktionsverfahren (z. B. 3-D-Drucker) und geänderte Wertschöpfungsketten mit sich bringt

> Wandel des Absatzmarktes für zahlreiche Handwerksbetriebe von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt

> Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur (demografischer Wandel)

> hoher Sättigungsgrad bei Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs

> Konkurrenz aus Niedriglohnländern.

Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen

Zur Lösung der Hauptprobleme des Handwerks im technischen und wirtschaftlichen Strukturwandel und zur Bewältigung der Herausforderungen sind vor allem in drei Bereichen Maßnahmen notwendig:


Betriebe

Die Handwerksbetriebe müssen stets bereit sein,

> neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten,

> bestehende Leistungsangebote ständig an sich ändernde Marktbedingungen und Zielgruppen anzupassen und zu erweitern,

> neue Absatzwege und Absatzgebiete zu erschließen,

> EDV sowie Informations- und Kommunikationstechnologien konsequent in Werkstatt, Büro und auf Baustellen einzusetzen,

> Kooperationen auftragsbezogen einzugehen,

> sich noch stärker an den Anforderungen der Kunden und deren Bedarf zu orientieren.

Die Handwerksorganisationen (Handwerkskammern, Fachverbände, Innungen) müssen ihre Förderungsmaßnahmen, insbesondere Beratung, Informationsvermittlung, Nachwuchssicherung sowie Aus- und Fortbildung, ausweiten. Zur Stärkung des Handwerks in der EU und zur Verstärkung der Exportaktivitäten generell sind außenwirtschaftliche Kontaktstellen und Messebeteiligungen wichtig.

Rahmenbedingungen

Von besonderer Bedeutung ist die Schaffung handwerks- und mittelstandsfreundlicher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen durch den Staat, vor allem in der Steuer-, Wettbewerbs-, Sozial- und Bildungspolitik.

Entwicklungschancen

Zukunftsperspektiven und Entwicklungschancen des Handwerks

Günstige Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen sich bei entsprechenden Rahmenbedingungen vor allem:

> bei der Befriedigung des individuellen Bedarfs

> bei Reparatur- und Dienstleistungen

> bei der fachkundigen Beratung

> bei Leistungen im Freizeit-, Gesundheits- und Wellnessbereich

> bei der Qualität der Produkte

> durch den technischen Fortschritt

> bei der Umsetzung der Energiewende, z. B. durch energetische Gebäudesanierung

> durch Innovationen, wie z. B. Elektromobilität und LED-Beleuchtung; ferner Smart Home (= Vernetzung von Haustechnik und Haushaltsgeräten sowie Unterhaltungselektronik) und Smart Grid (= intelligente Stromnetze, die Erzeugung, Speicherung und Verbrauch kombinieren)

> bei Umweltschutz und Steigerung der Energieeffizienz

> durch das Entstehen neuer Marktnischen

> durch Kundennähe und Kundenorientierung

> durch Kooperationen zum Angebot von Komplettleistungen.

Aufgrund der neuen Technologien ändern sich allerdings die Marktgegebenheiten wie Leistungsangebot, Produktionsstruktur und Maschinen sowie das damit verbundene Wissen sehr rasch. Die Mikroelektronik sowie die Neu- und Weiterentwicklung von Informations-, Nachrichten-, Datenverarbeitungs-, Regelungs- und Steuerungstechnik, die Telekommunikation, Pneumatik, Hydraulik und die neuen Werkstoffe ersetzen vielfach herkömmliche Produkte und Dienstleistungen, öffnen den Weg zur Entwicklung flexibler Fertigungs- und Leistungssysteme und führen zu Rationalisierung und Automation. Große Herausforderungen und Chancen stellen sich mit Wirtschaft 4.0, geprägt durch umfassende Vernetzung unter anderem über das sogenannte Internet der Dinge.

Umweltschutz

Zusätzliche Chancen bieten auch Umweltschutz, Klimaschutz, Energieeinsparung und Elektromobilität. Gerade die Klein- und Mittelbetriebe des Handwerks sind hier bewährte Problemlöser und Innovatoren.

Das Handwerk hat gute Voraussetzungen, in Zukunft zu bestehen. Damit verbunden ist jedoch auch ein ständiger Wandel in weiten Teilen des Handwerks, der zu neuen Berufen und Tätigkeitsschwerpunkten sowie teilweise auch zu anderen Betriebsgrößen führen wird.

c) Leistungsstruktur des Handwerks

Das Handwerk erwirtschaftet rund 9 % der Umsätze aller deutschen Unternehmen. Die Leistungsstruktur ist vielseitig. Es sind dies insbesondere:

> verarbeitendes Gewerbe

> Baugewerbe

> Handel

> Handel, Instandsetzen und Reparatur von Kfz

> Gebäudebetreuung

> sonstige, überwiegend persönliche Dienstleistungen.

Deshalb bezeichnet man das Handwerk auch als Deutschlands vielseitigsten Wirtschaftsbereich.

Abnehmergruppen

Vom Gesamtumsatz des Handwerks entfallen nach den wichtigsten Abnehmergruppen auf

> private Haushalte 41 %
> gewerbliche Wirtschaft 45 %
> öffentliche Auftraggeber 14 %.

Die amtliche Statistik teilt die Aktivitäten des Handwerks nach Leistungsbereichen und wirtschaftlichen Funktionen wie folgt ein:


Konsumgüterhandwerke


Lebensmittelhandwerke

Bei der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln deckt das Handwerk trotz zunehmender Zahl an Brotfabriken, Wurstfabriken, Großbrauereien und Verbrauchermärkten nach wie vor einen erheblichen Teil des Bedarfs.

Beispielsweise hat das Bäckerhandwerk bei den Brot- und Backwaren einen Marktanteil von mehr als der Hälfte. Vom gesamten Umsatz an Fleisch- und Wurstwaren entfällt nach wie vor ebenfalls ein merklicher Anteil auf das Fleischer-/Metzgerhandwerk. Dem Handwerk kommt zugute, dass hier die individuellen Verzehrs- und Geschmackswünsche berücksichtigt werden und vor allem frische Ware aus der Region von hoher Qualität angeboten wird.

Bekleidung, Textil, Leder

Zum individuellen Bekleidungsangebot tragen nach wie vor die Bekleidungshandwerke bei. Aus der Verbindung von handwerklicher Verarbeitung des Materials und schöpferischer Fantasie prägt diese Berufsgruppe die modische Linie unserer Zeit und kann daher von der Massenproduktion der Bekleidungsindustrie nie ganz verdrängt werden.

Haushalts- und Wohnbedarf

Die Innenraumgestaltung und -ausstattung bietet ein weites handwerkliches Betätigungsfeld. Die hohen Ansprüche breiter Kreise der Bevölkerung an verbesserte Wohnverhältnisse lassen den Bedarf weiter steigen.

Verkehrsbedarf

Mobilität

Die in dieser Gruppe zusammengefassten Handwerke rund um das Kraftfahrzeug haben innerhalb der Konsumgüterhandwerke eine herausragende Stellung.

Das hohe Mobilitätsbedürfnis unserer Wirtschaft und Gesellschaft ist dafür die wesentliche Ursache. Allerdings stehen diese Handwerke durch Diskussionen über Fahrverbote sowie durch die Elektromobilität und autonomes Fahren vor einem beträchtlichen Wandel.

Körper- und Gesundheitspflege

Den Handwerken dieses Bereiches eröffnen sich in der Regel gute Zukunftschancen. Der Bedarf an derart personenbezogenen Dienstleistungen wächst mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung.

Unterhaltungs- und Freizeitbedarf, persönlicher Bedarf

Die in dieser Gruppe zusammengefassten Handwerke sind sehr stark auf den privaten Verbrauch ausgerichtet.

Private Kunden

Entsprechend kommt dem privaten Kunden als Abnehmer eine große Bedeutung zu. Die Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Bereich hängen sehr stark von den verfügbaren Einkommen, dem Wohlstandsniveau, dem Wertewandel sowie der wachsenden Freizeit und deren Gestaltung ab.

Investitionsgüterhandwerke


Bau- und Ausbauhandwerk

Das Bau- und Ausbauhandwerk stellt nach wie vor eine der stärksten Gruppen (rund 45 % des Gesamthandwerksumsatzes) mit einer Vielzahl von Berufen dar. Es beweist damit, dass das produzierende Handwerk noch eine verhältnismäßig große Rolle in unserer Wirtschaft spielt.

Der Anteil des Handwerks am Umsatz im Bauhauptgewerbe beträgt gut 70 %.

Bautätigkeiten

Im Wohnungsbau wie im gewerblichen Bau und im öffentlichen Hoch- und Tiefbau liegen die Stärken des Handwerks. In erheblichem Umfang ist das Bau- und Ausbauhandwerk im Bereich der Stadtsanierung, der Denkmalpflege sowie der Sanierung und Modernisierung von Gebäuden aller Art tätig.

Technische Investitionsgüterhandwerke

Die technischen Investitionsgüterhandwerke liefern den Investitionsgüterproduzenten zu, produzieren eigene maschinelle Ausrüstungen und führen auch Montage-, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Maschinen und Anlagen aus.

Chancen

Auf dem Sektor der Zulieferungen ist ein großer struktureller Umbruch im Gange. In den zurückliegenden Jahren war dieser dadurch geprägt, dass die Industrie Produktionsbetriebe ins Ausland verlagert und/oder Zulieferungen teilweise ins preisgünstigere Ausland ausgelagert hat. Sie will eine kleinere Zahl an Zulieferern. Ferner verlangt sie Qualitätsmanagement und Zertifizierung von den handwerklichen Zulieferern. Die Industrie legt immer mehr Wert darauf, dass nicht nur Produkte, sondern in Kombination auch Dienstleistungen und Komplettlösungen angeboten werden. Schließlich will die Industrie von den Zulieferern größere Betriebseinheiten. Aktuell findet durch die Vernetzung im Zuge von Industrie 4.0 bzw. Wirtschaft 4.0 ein rasanter Wandel statt. Trotz dieser großen Herausforderungen für die Zulieferer aus dem Handwerk haben diese auch in der Zukunft wirtschaftliche Chancen. Sie liegen vor allem in Qualität, Spezialwissen, Preiswürdigkeit, Flexibilität, Kooperationsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Termintreue.

Dienstleistungen für die gewerbliche Wirtschaft

Diejenigen Handwerksberufe, die als Dienstleister für die gewerbliche Wirtschaft tätig sind, haben sich in den letzten Jahren expansiv entwickelt, sind allerdings auch sehr stark von der Entwicklung ihrer Abnehmer abhängig.

d) Betriebe, Unternehmen, Beschäftigte, Umsätze

Handwerksbetriebe, Handwerksunternehmen

Zurzeit gibt es in der gesamten Bundesrepublik etwas über 1.000.000 Handwerks- und handwerksähnliche Betriebe, die in den Verzeichnissen der Handwerkskammern eingetragen sind. Die amtliche Statistik erfasst Handwerksunternehmen. Dabei werden Betriebe ohne Beschäftigte und mit wenig Umsatz sowie das handwerksähnliche Gewerbe nicht erfasst. Die Zahl der Handwerksunternehmen in Deutschland betrug im Jahr 2017 (letzte amtliche Zahl) rund 554.000.

Tätige Personen

Über die Unternehmensgröße informiert die nachstehende Abbildung.


Nach den Erhebungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks kennzeichnen folgende Daten (2018) das Handwerk:

> Erwerbstätige: 5,53 Millionen

> Umsatz: 612 Milliarden Euro.



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