Читать книгу Praxisbuch analytische Kinesiologie - Dr. med. Christa Keding - Страница 10

Unser Weg zur Kinesiologie

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Wenn ich von „wir“ und „unser“ spreche, so möchte ich damit anerkennen, dass Lernen und Arbeiten mit der Kinesiologie für mich kein exklusiver Alleingang war, sondern dass die Höhenflüge einiger fantastischer Erfolge allein durch gemeinsames Forschen, Denken, Spielen und Arbeiten möglich wurden, zusammen mit Kollegen, Freunden, Patienten, Kursteilnehmern – und insbesondere mit meinem Mann.

Von Jugend an hat mich mein Traum begleitet, einen Beitrag zu leisten zu einer lebenswerteren Welt. Jeder mag ja so seinen Spleen haben – für mich war dies immer wieder ein Motor für Veränderung und Arbeit an mir selbst. Natürlich sah ich – wie viele andere Idealisten – in der Medizin die Chance, diesen Traum zu verwirklichen. Dabei war schon der Einstieg in die „Traumkarriere“ von beruflichen Umwegen gekennzeichnet und mit den Steinen des „zweiten Bildungswegs“ gepflastert, bis ich mich endlich mit hohen Erwartungen in das ersehnte Studium stürzen konnte.

Aus dem Traum von einer Medizin als Segen der Menschheit wurde ich sehr schnell und abrupt wach gerüttelt. Kommilitonen waren zu Konkurrenten mutiert, deren Zensurendurchschnitt von 1,0 und besser sie eigentlich zu „Höherem“ berief als nur zu einem Medizinstudienplatz, aber etwas Angeseheneres gab es eben zu diesem Zeitpunkt nicht. Eine erste Enttäuschung, aber sie war zu verschmerzen.

Ganze Glaubensgebäude stürzten allerdings ein, als ich kurz nach dem Physikum mit den Untersuchungen für meine Doktorarbeit zur Verhaltensphysiologie begann. Hier lernte ich das „Sowohl-als-auch“ der Wissenschaft kennen, aber etwas anders als Einstein, Heisenberg und Bohr: sowohl den Wunsch nach eigener Profilierung, womit auch immer diese „gestrickt“ werden musste, als auch die sogenannten „Sachzwänge“ in Form von Forschungsgeldern und Sponsoren. Parallele Vorlesungen über die Geschichte der Medizin mit Hinweisen auf einen gewissen Hippokrates nahmen sich nur noch wie Hohn aus, wenn Patienten bis zur Peinlichkeit zum Demonstrationsobjekt wurden und der Mensch mit seiner Diagnose gleichgesetzt wurde oder wenn Gespräche bei Visiten nur über ihn und in Fachchinesisch abgehalten wurden und der Chefarzt zum Gruß die gummibehandschuhte Hand reichte …

Achtung vor dem Kranken oder Ehrfurcht gegenüber dem Leben überhaupt galten als sentimentale Gefühlsduselei. Und so wurden in der Physiologie weiterhin Frösche bei lebendigem Leibe zerschnitten, pro Student einer, nur um einen einzigen Reflex plastisch zu demonstrieren; oder es wurden Hunde und Katzen grausam und unnötig gequält – unter dem Deckmantel sogenannter Wissenschaft; schließlich wurde Sarkasmus die Sprache einer „notwendigen Distanz“.

Medizin zu studieren – das heißt, das Leben zu studieren – ist unglaublich spannend. Wie schade, dass es immer besser gelingt, jegliches Staunen, jegliche Ehrfurcht vor dem Phänomen dieser großartigen Schöpfung zu zerstören und ins Lächerliche zu ziehen. In mir brodelte es, da kämpften „Durchhalten“ und „Ausbrechen“ miteinander. Das Durchhalten hat gewonnen – ich habe es letztlich nicht bereut.

Die Jahre in Kliniken und Lehrpraxen waren nach dem langen theoretischen Studium die erste Gelegenheit, das Gelernte praktisch anzuwenden und den Patienten wirklich zu helfen – eine ganz neue Erfahrung, die ich mit Freude an der Arbeit auskostete, bis ich meinte, genügend Rüstzeug erarbeitet zu haben für die Gründung einer eigenen hausärztlichen Praxis. Ich glaubte, dass ich in meiner Landpraxis endlich meinen Traum erfüllen konnte, Menschen in allen Aspekten ihres Lebens zu begleiten und ihre Leiden zu heilen. Ich werkelte mit Begeisterung, nahm kleine chirurgische Eingriffe vor, stürzte mich mit Hingabe in das Puzzlespiel der klinischen Diagnostik, begleitete Menschen ins Leben und aus diesem Leben, experimentierte, tröstete und freute mich an den Herausforderungen im Großen wie im Kleinen. Ich tat eben genau das, was jeder Hausarzt mit Leib und Seele tut. Ich nahm teil an vielen Nöten, die nur unter dem Vorwand einer Krankheit in die Praxis führten, aber Ausdruck tiefer Lebenskrisen waren, ich stellte mich den Gesprächen und suchte Unterstützung in der Ausbildung zur Psychotherapeutin.

Keine dieser Facetten möchte ich missen, es war für mich eine lehr- und segensreiche Zeit. Und dennoch blieb die Frage, warum meinem Wirken trotz fundierten medizinischen Wissens, trotz ehrlichen Engagements, trotz ständiger Fortbildungen und meines großen Erfahrungsspektrums nur so wenige anhaltende Erfolge beschieden waren.

Zugegeben, ein paar „Highlights“ detektivischer Diagnostik gab es schon, auch erfüllende Momente in der Begleitung durch körperliche und psychische Krisen, aber je länger ich Patienten betreute, desto mehr quälte mich die Frage, warum es so viele „Damit-müssen-Sie-leben“-Patienten gab und warum sich die unklaren und chronischen Fälle häuften, denen ich kaum oder gar nicht helfen konnte, bei denen die Nebenwirkungen der Medikamente die positiven Wirkungen auffraßen oder die Vorschläge der Fachkollegen in Überweisungsodysseen mündeten. Ich fühlte mich oft hilflos.

Die alte Frage wurde wieder wach: Musste es auf die Herausforderung der Krankheit nicht Antworten geben, die nicht in ihrer vordergründigen Bekämpfung lagen?

Heilung ist schließlich nicht erst eine Erfindung neuzeitlicher Medizintechnik, sondern soll ja als völlig natürlicher Regulierungsprozess schon in den Zeiten vor Antibiotika und Kortison vorgekommen sein. Nun hatte ich doch alles zur Hand: neuzeitliche Diagnosetechnik, vielversprechende Medikamente, Einfühlungsvermögen und ein offenes Ohr – und trotzdem blieben die Leute krank! Auch meine Appelle zu einer gesunden Lebensweise änderten in den seltensten Fällen etwas; die Frage nach dem spezifischen Hintergrund seiner Krankheit konnte ich dem Patienten nicht beantworten.

Ich stand vor einem therapeutischen Offenbarungseid. Das ganze Arsenal der die Symptome bekämpfenden Medizin hatte versagt, ich empfand fast jedes Therapieangebot wie das laute Singen eines Kindes, das beim Gang in den dunklen Keller die eigene Angst übertönen will. Ich fühlte mich ausgeliefert und resignierte.

Und dann wurde ich krank. Mitten aus der gut laufenden Praxis wurde ich durch eine Perimyokarditis (Entzündung von Herzbeutel und Herzmuskel) aus dem Verkehr gezogen. Die Frage, die mich sonst bei der Behandlung meiner Patienten bewegte, betraf mich jetzt selbst und wurde damit noch brisanter: Warum bin ich krank? – Warum gerade ich? – Und warum gerade jetzt?

Der Rat des behandelnden Kollegen, die Praxis für drei Monate zu schließen und mich ins Bett zu legen, war unrealistisch; alternativ konnte ich noch versuchsweise Aspirin und Kortison schlucken. Aber beides konnte nicht die Lösung sein.

Glücklicherweise gelangte ich an einen Kollegen, der mit Elektroakupunktur nach Voll (EAV) arbeitete und der mich kurzfristig untersuchte. Neben einer viralen Belastung fand er eine massive Intoxikation mit einem angeblich völlig „ungiftigen“ Pflanzenschutzmittel (aus dem Kreis der sogenannten Pyrethroide). Das war stimmig, denn unser Haus war im Jahr zuvor damit behandelt worden und ausgerechnet im Wohnzimmer war ein ganzer Eimer davon umgekippt … Die toxische Belastung wurde mit homöopathischen Mitteln ausgeleitet und innerhalb von zwei Wochen (!) war ich wieder einsatzfähig für meine Praxis und die Familie.

Ich glaube, das war (schon vor Beginn meiner „kinesiologischen Phase“) die entscheidende Erfahrung in meinem Leben und in meiner Laufbahn: Ich fühlte mich bestätigt in meiner Sicht von Krankheit, nämlich dass es tiefere Ursachen für ihre Entstehung geben musste. Mit meiner Erkrankung kam ich an den Wendepunkt, an dem ich mich endgültig medizinisch umorientierte.

Fortan war ich auf der Suche danach, meinen Patienten in ähnlicher Weise helfen zu können, wie mir geholfen wurde. Natürlich erlernte ich umgehend auch die EAV, kam aber nicht gut damit zurecht. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass für meine individuelle Fragestellung noch etwas fehlte. Wie sollte ich etwa mit der EAV insbesondere psychische Faktoren oder andere immaterielle Krankheitsursachen nachweisen?

Von einem Chirotherapiekurs brachte mein Mann dann einen neuen Impuls, ja, die methodische Überraschung, mit nach Hause: Er berichtete begeistert, dass ein Heilpraktikerkollege über Veränderungen der Muskelkraft die Therapie entschieden und hinterher deren korrekten Abschluss überprüft hatte.

Mein Mann demonstrierte mir den Muskeltest – und ich glaubte zunächst gar nichts, konnte mir in keiner Weise erklären, was da eigentlich ablief. Als ich aber immer wieder sah, dass dieser Test reproduzierbar war, dass er unabhängig von meinem Willen ablief, da packte mich die Neugier, ich wollte es genauer wissen. Erste vage Visionen drängten sich auf, dass dieser Test vielleicht sogar für meine Arbeit brauchbar sein könnte.

Mein Mann und ich absolvierten umgehend zahlreiche Kurse in Kinesiologie (Touch for Health, Three in One Concepts, Tools of the Trade, One Brain und andere), aber wir brauchten etliche Monate, bis wir uns zutrauten, Teile dieses komplexen Systems selbst anzuwenden und – über einen Showeffekt hinaus – bei Patienten praktisch einzusetzen.

Wir hatten zwar ein riesiges Spektrum von Techniken erlernt, aber leider keine für mich befriedigenden theoretischen Zusammenhänge erfahren. Vieles blieb für mich nebulös und doch konnte ich nicht leugnen, dass der Muskeltest funktionierte. Da mir verbindliche Erklärungen vorerst noch fehlten, traute ich mich auch noch nicht recht, den Test in die Praxis zu integrieren. Ich hatte erhebliche Angst vor Blamage und so blieben die ersten Sitzungen zunächst nur den dringlichsten Fällen vorbehalten.

Zaghafter Beginn

Die erste Patientin, der ich zögernd eine Austestung anbot, war eine dreißigjährige Frau, die in einer verzweifelten Lage war: Sie hatte ein Baby tot zur Welt gebracht und wünschte sich sehnlichst, wieder schwanger zu werden, hatte aber gleichzeitig Angst davor.

Meine Untersuchung (mithilfe des Muskeltests) war damals, mangels fundierter Anleitung für solche praktischen Situationen und mangels technischer Übung, extrem zeitaufwendig und aus meiner heutigen Sicht stümperhaft. Aber sie führte zu einem überraschenden und stimmigen Ergebnis:

Ursache für den Kindstod war eine chronische Belastung des mütterlichen Immunsystems mit einem Virus; dafür wiederum sollte eine Pockenschutzimpfung in der frühen Kindheit verantwortlich sein. Als ich das – selbst ziemlich skeptisch – aussprach, erinnerte sich die Patientin, dass sie (nach Aussage ihrer Eltern) nach dieser Impfung über ein halbes Jahr lang wegen einer Lähmung nicht mehr habe laufen können!

Wir testeten eine entsprechende Ausleitungsbehandlung mit homöopathischen Mitteln aus und die Ängste der Patientin während der im darauffolgenden Jahr eintretenden neuen Schwangerschaft begleiteten wir zur psychischen Stabilisierung mit psychologischer Kinesiologie. Der Sohn Johannes wurde gesund geboren. Er war recht zierlich und in seiner Konstitution ein wenig empfindlich, aber grundsätzlich gesund. Leider konnten einige Belastungen im Lebensumfeld der Familie bislang nicht geändert werden; insgesamt jedoch sind Mutter und Sohn auch heute, fast zwanzig Jahre später, gesund und glücklich.

Diesem zaghaften Einstieg folgten viele weitere Chancen, den analytischen Muskeltest in einer gut laufenden, meist vollen Landarztpraxis einzusetzen und zu erproben. Dank des positiven Feedbacks wichen meine Vorbehalte und ich konnte diese Hilfe immer selbstverständlicher anbieten. Ich bin dankbar für die vielen Tausend Male, in denen ich auf Bereitschaft zum Testen stieß; ich habe daraus unglaublich viel gelernt und davon wiederum haben inzwischen unzählbar viele Patienten profitiert. Darüber hinaus habe ich meine Kenntnisse und Erfahrungen in Seminaren an zahlreiche andere Therapeuten weitergeben dürfen, die ihrerseits wiederum mit der analytischen Kinesiologie nun schon seit vielen Jahren großartige Arbeit leisten.

Im Alltag meiner Hausarztpraxis wandelte sich diese Muskeltestmethode der Kinesiologie, sie entfernte sich immer mehr vom ursprünglich Erlernten, sie machte sich sozusagen selbstständig. Sie wurde mehr und mehr zu einem flexiblen Instrument und fügte sich geschmeidig den Ansprüchen einer suchenden Medizin; sie wurde zu einem soliden Handwerkszeug und allmählich entdeckte ich durch die Reduktion auf das Wesentliche auch ihre Grundprinzipien und immer mehr Erklärungen für ihre Funktionsweise.

Genau diese Facette ist es, die das Testverfahren geradezu sensationell erfolgreich macht, denn sie erlaubt Rückschlüsse und damit Erkenntnis – und welches andere Instrument kann das leisten?

Dieser analytische Muskeltest stellt keine eigenständige Behandlungsform dar, sondern führt nur zur idealen Therapie hin. Er ist nicht wirklich eine „Methode“ (mit Alleinstellungsanspruch), sondern eher ein Prinzip, die praktische Umsetzung eines Naturgesetzes. Er ist schlicht und undogmatisch und so lässt er die wirklichen Segnungen der Schulmedizin gleichberechtigt stehen neben wirkungsvollen Alternativtherapien und der Erkenntnis der eigentlichen Krankheitsursachen. An dieser „Brücke“ zu bauen, die keine bestimmte medizinische Richtung vorschreibt, das ist mein größtes Anliegen.

Praxisbuch analytische Kinesiologie

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