Читать книгу Anwendung von Prüfverfahren zur Ermittlung von transgenerationaler Kriegstraumatisierung - Dr. phil. Ilona Hündgen - Страница 7

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2. Ziele, Leitfragen, Definitionen


2.1 Ziele, Leitfragen

Die vorliegende Publikation soll zum einen, wie bereits die Facharbeit Hündgen 2020, allgemein für transgenerationale Kriegstraumatisierung und deren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten sensibilisieren.

Vor allem aber soll die vorliegende Publikation über unterschiedliche Techniken informieren, mit denen sich transgenerationale Kriegstraumatisierung feststellen lässt.

Ausgewählte Prüfverfahren sollen auf ihre Nützlichkeit für das Erkennen von transgenerationaler Kriegstraumatisierung hin beurteilt und für den vorliegenden Leitfaden so nutzbar gemacht werden, dass jeder Leser diejenigen Methoden für sich selbst auswählen kann, die ihm individuell am meisten zusagen.

Der Leser ist eingeladen, sich von der Wirksamkeit der jeweiligen Prüfverfahren zu überzeugen und mit Hilfe dieser Verfahren für sich selbst herauszufinden oder von Experten für die jeweiligen Verfahren herausfinden zu lassen, ob eventuell transgenerationale Kriegstraumatisierung vorliegen könnte.

Der vorliegende Leitfaden ist NICHT dazu gedacht, traumatherapeutisches Handwerkszeug für die Selbsttherapie zu liefern. Bitte suchen Sie bei Verdacht auf krankheitswertiges Trauma gemäß der ICD-10, insbesondere auch bei akuten Traumazuständen und bei Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), unbedingt Ihren Hausarzt und/oder einen qualifizierten Traumatherapeuten auf.

Die wichtigsten Leitfragen der vorliegenden Publikation sind: Mit welchen Methoden/Verfahren lässt sich (allgemein) prüfen, ob bei einem Menschen transgenerationale Kriegstraumatisierung vorliegt? Was leisten die einzelnen Prüfmethoden in Bezug auf die Erkennung von transgenerationaler Kriegstraumatisierung? Welche der genannten Prüfmethoden könnten meiner ehemaligen Probandin (s. Hündgen 2020) möglicherweise in Bezug auf die Feststellung einer transgenerationalen Kriegstraumatisierung weiterhelfen? Welche Therapien könnten sich für meine Probandin anschließen?

2.2 Definitionen

Direkte Kriegstraumatisierung“ ist das Entstehen bzw. Vorliegen von Psychotraumata durch direktes Erleben von kriegsbezogenen Ereignissen bei einer Person, die als direkt Betroffener oder als anwesender, direkter Zeuge (z.B. Augenzeuge) eigene sinnliche Wahrnehmungen vom ursprünglich traumatisierenden Geschehen hat und die, falls Erinnerung an das Geschehen besteht, diese Wahrnehmung als selbst (mit)erlebtes Geschehen bekunden kann (vgl. juraschema.de 2020; educalingo.com 2020; Siegismund 2009, S. 4; Wikipedia: Zeuge; Baer 2000). „Transgenerationale Kriegstraumatisierung“ ist demgegenüber, als eine Unterform der transgenerationalen Traumatisierung, immer indirekt (vgl. Wolf 2018-2, Feuervogel). Bei der transgenerationalen Kriegstraumatisierung sind die traumatisierten Nachkommen weder direkt betroffen noch direkte Zeugen. Sie haben keine eigenen Wahrnehmungen vom ursprünglichen traumatisierenden Ereignis - das ja nicht ihnen, sondern ihren Vorfahren widerfahren war – und können die Vorfälle deshalb weder erinnern noch als selbst (mit)erlebtes Geschehen bekunden. Transgenerationale Kriegstraumatisierung kann, wie jede Form der transgenerationalen Traumatisierung (Richter 1963, Richter 1972), im Rahmen von Erziehung und Sozialisation in konkreter Interaktion und epigenetisch von den Vorfahren erworben werden. Hierbei können die Vorfahren direkt und/oder indirekt kriegstraumatisiert sein. Epigenetische Forschungsarbeiten (Bauer 2013, Lingrön 2015, Lipton 2016, Huber 2017, Döll, 2017, Spork 2017, Henn 2017, Kegel 2018, Lehnert 2018, Schickedanz 2012, S. 71-76, Wikipedia: Epigenetik) zeigen, dass traumatische Verletzungen auch über die Gene an Folgegenerationen weitergegeben werden können. Hierbei bleibt das Genom als solches unverändert. Die epigenetischen Kontrollmechanismen bestimmen nicht die DNA-Sequenzen und somit nicht die grundlegende Programmierung durch die Gene, sondern die Lesbarkeit der vorhandenen Gene. Die Vererbung erfolgt auf molekularer Ebene in Form von DNA-Methylierung, einer Modifikation von Histonen und/oder im beschleunigten Abbau von Telomeren. Epigenetische Veränderungen beeinflussen nur den Phänotypen, nicht den Genotypen eines Menschen. Kriegsbedingte Stress- und Hungererlebnisse der Vorfahren können sich – eigentlich zum Schutz der Nachfahren – epigenetisch z.B. so in den Genen der Nachfahren niederschlagen, dass die Nachfahren kleiner und somit bei Nahrungsmangel überlebensfähiger sind, eine bessere Fett- und Zuckerverwertung haben und durch einen dauerhaft höheren Cortisolspiegel zumindest mittelfristig stressresistenter und aufmerksamer für Gefahren sind (s. Lauff 2017). In Friedenszeiten kann dies jedoch für die Nachfahren von Nachteil sein: bei den Nachfahren können bereits bei normaler Ernährung durch die bessere Fett- und Zuckerverwertung Übergewichtsprobleme entstehen, und ein ererbter höherer Cortisolspiegel kann durch chronische vegetative Übererregung zahlreiche psychosomatische Krankheitsfolgen haben.

Anwendung von Prüfverfahren zur Ermittlung von transgenerationaler Kriegstraumatisierung

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